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Vergänglichkeit der Liebe Liebe am Wendepunkt zwischen Erfüllung und Preisgabe, der Taumel nach Glück und Hingabe, die tiefe Sehnsucht, dem erdrückenden Alleinsein zu entkommen, die Macht der Gefühle, die zärtlich sein kann – oder grausam bis in den Tod. Menschen auf der Flucht vor sich selbst, Menschen auf der gewagten Jagd nach zweifelhaften Abenteuern, Menschen im Zwielicht ihrer Leidenschaften, Menschen, die sich selbst einsam machen, weil sie nicht lieben können. Immer unterliegt der wahrhaft Liebende, und immer trägt der Verrat den Sieg davon. Immer leidet der eine, der liebt, während der andere gleichgültig Schluss macht. Die verborgenen, verhaltenen Wege der suchenden, irrenden, glücklichen und unglücklichen Seele werden hier aufgedeckt und schonungslos wahr festgehalten. Ein greller Spiegel unserer vereinsamten Gesellschaft ? Was zählt heute wirklich, und woran gehen wir bedenkenlos vorbei ? Sinnlich und absurd, erschütternd und peinlich, gewissenlos und überraschend – so geben sich die 17 frappierenden Menschenporträts dieser Prosastücke, die geprägt sind von realistischer Aufrichtigkeit, doch keiner falschen Scham. Offen und analytisch werden die Spielarten von Egoismus und Liebe eindringlich dargestellt, einmal ergreifend, einmal abstoßend, aber immer hinreißend und voller Bedenken. Packende Literatur, die den Leser gefangen hält und ihn zur Stellungnahme zwingt.
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Seitenzahl: 216
Veröffentlichungsjahr: 2013
VERGÄNGLICHKEIT DER LIEBE
Liebe am Wendepunkt zwischen Erfüllung und Preisgabe, der Taumel nach Glück und Hingabe, die tiefe Sehnsucht, dem erdrückenden Alleinsein und all der Lieblosigkeit zu entkommen, die gewaltige Macht der Gefühle, die zärtlich sein kann – oder grausam bis in den Tod.
Menschen auf der Flucht vor sich selbst, Menschen auf der gewagten Jagd nach zweifelhaften Abenteuern, Menschen im Zwielicht ihrer Leidenschaften, Menschen, die sich selbst einsam machen, weil sie nicht lieben können. Immer unterliegt der wahrhaft Liebende, und immer trägt der Verrat den Sieg davon. Immer leidet der eine, der liebt, während der andere gleichgültig Schluss macht. Die verborgenen, verhaltenen, auch erstaunlichen Wege der oft suchenden, irrenden, glücklichen und unglücklichen Seele werden hier aufgedeckt und schonungslos wahr festgehalten. Ein greller Spiegel unserer vereinsamten Gesellschaft ? Was zählt heute wirklich, und woran gehen wir bedenkenlos vorbei ?
Sinnlich und erschütternd, peinlich und gewissenlos und auch absurd und überraschend – so geben sich die 17 frappierenden Menschenporträts dieser Prosastücke, die geprägt sind von realistischer Aufrichtigkeit, doch keiner falschen Scham. Offen und analytisch werden die grellen Spielarten von krassem Egoismus und innigtiefster Liebe eindringlich dargestellt, einmal ergreifend sentimental, einmal abstoßend, aber immer hinreißend, unvergesslich und voll bleibender Denkanstöße.
Packende Lektüre, die den Leser fordert und gefangen hält und ihn zur ganz persönlichen Stellungnahme zwingt.
„Mammi“, sagte das kleine Kind,
„ich habe Hunger !“
„Dann schreib‘ ein paar schöne
Geschichten, damit du satt wirst.“
Für Rosmarin,
meine geliebte Frau.
Sie ist mein Leben
geworden.
CHRISTIAN SCHOLZ
Abendtot
VORWIEGEND OBSZÖNE
KURZGESCHICHTEN
INHALTSVERZEICHNIS
Der Sklave
Feuer und Flamme
Segeln
Einen Steinwurf weit
Red roses for a blue lady
Erster Schnee
Der Sammler
Leben tut weh
Winter bricht an
Wir sitzen ganz im Neonlicht
Glücklich beisammen
Eine wahrhaftige Geschichte
Die Story vom Sterben
Drei Tage Schnee
Flamingo
Die Götter Griechenlands
Orpheus & Eurydice
obszön
(lat. obscoenus), bildungssprachlich für:
unanständig, schlüpfrig; unsittlich.
Allg. versteht man unter „obszöner Literatur“
Literaturwerke, die als unanständig, als schamlos empfunden werden, „Sitte und Anstand verletzen“.
Dabei wird zw. o.L. und Pornografie häufig nicht unterschieden. Unbestritten kann das Obszöne legitimes Element z.B. der Satire sein. Verwischt sich einerseits die Grenze zw. Pornografie und o.L., so verwischt sich andererseits die Grenze zw. dem „Obszönen als legitimem Element des Kunstwerks“
und einer erotischen Literatur bzw. Kunst.
MEYERS GROSSES UNIVERSALLEXIKON,
letztgültige Ausgabe 1981 - 1986
Bibliographisches Institut AG,
Mannheim, Wien, Zürich
In jenen Tagen, da Hirata gebot über das mächtigste der Reiche, das sich erstreckte von den Küsten des Meeres bis hin zu den fernen Gipfeln der Gebirge, erschien der Bote eines fremden, fernen Landes vor seinem Angesicht und küsste den Boden vor seinem Fuße.
„Herr“, sprach der Bote, „deine Krieger zerstören unsere Dörfer und vernichten unsere Ernte. Hier bittend siehst du mich und sehnend endlich Frieden, damit ein einzig Wort von deinen Lippen Einhalt gebiete den klirrenden Waffen deiner Scharen, die Flammen wider uns im Herzen tragen und lösen selbst das Kind von seiner Mutter. Dich flehe ich um Schutz, da mich mein Volk gesandt.“
Da hieß Hirata den Boten das Haupt zu heben und zu bekunden, dass die Weisen seines Stammes den Besten und Edelsten und Weisesten unter ihnen für diese Botschaft auserwählt hätten, so wie ihm von seinen Vasallen berichtet worden war.
Doch der Bote barg bloß sein Antlitz und entgegnete: „Herr, unwürdig bin ich, mein Auge zu heben, obgleich Ruhm und Ehre mich unter meinem Volk bestimmten. Doch können wir nur deine unwürdigen Diener sein, da du nun unser Land beherrschest.“
Und also erklärte Hirata in eitlem Selbstgefallen erhaben und bewusst seiner Macht: „Es sei, dass ich euch Frieden schenke, doch bloß, wenn du als niederster der Sklaven die wütenden Hunde meines Hofs umpflegest, vergessend deinen Namen und nur zu meinem Dienste.“
„Herr, dein treuer Sklave will ich aus ganzem Herzen fortan immer sein“, gelobte demütig der Bote. Und also brachte er seine Tage zu im Stall der kläffenden Hunde, die geifernd wild die Lefzen zeigten, mit keuchend Flanken Blut ergierten, den roten Saum um ihre Augen.
Mählich jedoch fand Hirata Gefallen an seinem Sklaven, da dieser weiser schien als alle Räte seines eignen Reichs. Er ließ zu sich ihn kommen und machte ihn zum Freunde und engsten Vertrauten. Und der Sklave diente seinem Herrn mit all seiner Weisheit.
Krieg brach aus und Wirrnis überzog das Land, da Hiratas Rivale die Macht ergreifen wollte, lockend die Streiter mit funkelndem Gold. Selbst die Weisen des Staates fielen ab von Hirata und alle Getreuen, die Siege ihm errungen und doch zu wenig geachtet sich wähnten in ihrem Ruhme. In solcher Bedrängnis nur stand der Sklave zur Seite des Herrn, der verlassen sich sah und entblößt seiner Macht. Und der Sklave rief eilig sein fernes Volk herbei, Hirata zu beschützen und zu verteidigen und zurück zu gewinnen die weiten Teile des Reiches. Und er diente seinem Herrn mit all seiner Kraft.
Durch Mut und List schon bald besiegt ergaben sich die Widersacher und gestürzt wurde Hiratas Rivale, der Hass im Volk gesät um seiner Herrschaft willen. Und in neuem Glanze bestieg Hirata den Thron, verheißend Furcht und Schrecken und kündend seine Rache, die treffen würde all seine Gegner. Aber der Sklave riet ab vom Beil des Henkers, da Verzeihen geboten werden musste dem reuigen Volke. Und der Sklave diente seinem Herrn mit all seiner Liebe.
Friede und Glück durchzog erneut das Land, und Weizen und Frucht reiften auf den Feldern. Und in aller Munde war der Name Hiratas, den man wahrhaft pries, hatte er doch die Tränen des Schmerzes edlen Sinns getilgt. Sein Anteil an den Ernten wuchs nun beständig, denn freien Willens gab man fortan mit vollen Händen, nie aber mehr durch die Gewalt der Peitsche. Also sah Hirata sich geliebt und viel um jubelt und immer mehr gerühmt und gepriesen in der Dichter Gesänge. Und sein Herz wurde in solchem Ansehen stolz und ungerecht.
Er ließ den Sklaven zu sich bringen, sinnend schnellen Tod durch des Henkers Hand, denn nur allzu viel wusste der Sklave von einstiger Schmach und beschämend großer Niederlage. Doch fühlte Hirata auch eine seltsame Schuldigkeit in seinem Gemüt und bot dem Sklaven an, als freier Mann von ihm zu gehen, für immer schweigend, so wie er gekommen. Aber der Sklave hielt sein Antlitz gesenkt vor seines Herrschers Füßen und also sprach: „Herr, dein Sklave bin ich und nichts weiter, und ich habe dir gedient mit meinem ganzen Herzen. Nicht brechen kann ich mehr die Ketten, die du mir hast geschmiedet. Lasse mich auch weiterhin dein Sklave sein und dienen dir, bis dass mein Licht versieget.“
Sonderbar berührt von solcher Bitte trug Hirata den Knechten auf, den Sklaven erneut zu den kläffenden Hunden zu bringen und ihn dort zu belassen. Und also geschah es.
Das Lied des Sklaven erstarb bald in den Ohren des Volkes. Hiratas Namen jedoch ging ein in die hehren Chroniken, die geführt wurden in dem mächtigsten der Reiche, das sich erstreckte von den Küsten des Meeres bis hin zu den fernen Gipfeln der Gebirge.
Der Kellner brachte auf einem Tablett nochmals Kaffee mit einem Glas Wasser und stellte das Tablett vor den Gast auf das Tischchen und räumte die bisher gebrauchten leeren Schalen und Gläser ab. Der blasse Mann auf dem Plüschsofa nickte gedankenversunken und zog die oberste der auf dem gegenüber stehenden Stuhl achtlos hingelegten Tageszeitungen an sich.
Er konzentrierte sich mühsam auf einen nicht mehr ganz aktuellen politischen Artikel auf Seite 3, aber die Buchstaben verschwammen rasch vor seinen Augen. Er war müde und abgespannt und nicht gerade glücklich.
Er starrte stumm vor sich hin.
Er ließ die Zeitung sinken und blickte hinaus in den Regen. Die Räder der vorbeifahrenden Autos sprühten Fontänen schmutzigen Wassers hoch. Der Bus hielt, ein paar Fahrgäste stiegen aus, Fußgänger gingen gleichgültig vorüber, eine ältere Frau mit Hund schlich langsam ganz dicht am Fenster vorbei und sah neugierig zu ihm herein, ein Junge verabschiedete sich von einem Mädchen.
„So ein Zufall !“ riss ihn plötzlich eine Stimme aus seinen Gedanken.
Sie stand da vor ihm, ein sehr leichtes, duftiges hellgelbes Sommerkleidchen, ein überraschtes, freudiges Lächeln um ihre rosa geschminkten Lippen. Sie bemühte sich, ihren zierlichen gelben Schirm zu falten.
Er sprang auf und schien sie umarmen zu wollen, blieb aber mit hängenden Armen vor ihr stehen, ohne ihr die Hand zu geben.
„Bist du öfter hier ?“ fragte sie strahlend und wusste nicht, was sie mit ihren Händen und dem Schirm tun sollte.
Er schüttelte bloß den Kopf.
„Ich freue mich wirklich überaus, dich zu treffen !“ rief sie und nestelte an ihrem Schirm herum.
„Ich weiß ja, dass du hier fast nebenan wohnst“, erklärte er. „Und ich habe eigentlich die ganze Zeit, da ich hier sitze, an dich gedacht.“
„Bist du mir noch böse ?“
Er sah sie an und besann sich und schüttelte dann den Kopf. „Willst du nicht endlich Platz nehmen ?“ fragte er schließlich mit einem Lächeln.
Sie nahm Platz und sagte: „Es muss jetzt an die zwei Jahre her sein.“
„Es war am 24.Juni vor zwei Jahren“, bestätigte er.
„Das weißt du noch so genau ?“
„Es war kein Glückstag für mich ?“
„Aber du hast mich verstanden , ja ?“
„Ich muss immer alles verstehen“, sagte er gequält. „Aber als du damals einfach aufgestanden und gegangen bist, hat mich das doch sehr getroffen.“
Sie biss sich auf die Unterlippe und sah zu Boden. Nach einer Weile fragte sie: „Und heute bist du ganz zufällig da ? In all der Zeit habe ich dich nie wieder hier gesehen.“
„Ich hatte einen Termin mit einem Geschäftspartner aus dem Ausland, der in dem Hotel gegenüber abgestiegen war“, erklärte er. „Und der wollte vor seinem Abflug noch unbedingt eines unserer berühmten alten Kaffeehäuser genießen. Also habe ich ihn an der Rezeption abgeholt und bin mit ihm hierher gekommen.“
Der Kellner stand vor ihnen und verneigte sich devot und fragte die Herrschaften nach ihren Wünschen und empfahl frisches Backwerk.
„Darf ich dich einladen ?“ fragte er rasch.
„Ich habe es überhaupt nicht eilig“, antwortete sie erfreut. „Ich wollte ja gerade bloß eine kurze Erfrischungspause einschalten, um später noch ein paar Kleinigkeiten für den Haushalt einzukaufen. Mehr hab ich nicht vorgehabt. Du weißt ja, ich wohne gleich um die Ecke.“
„Bist du jetzt glücklich ?“ fragte er unvermittelt.
Sie hob den Kopf und blickte besonnen wie in weite Ferne zum Fenster hinaus und zögerte und sagte verlegen: „Nicht so ganz, weißt du, es funktioniert manchmal nicht alles so, wie man sich das wünschen mag.“
„Bist du noch mit ihm zusammen ?“ fragte er deutlicher und spielte nervös mit seinen Fingern auf dem Tisch.
Sie schluckte und sah ihm voll ins Gesicht und gestand: „Vor zwei Monaten hatten wir einen fürchterlichen Streit, und Herbert hat sich am gleichen Abend von mir getrennt. Seitdem bin ich natürlich allein. Und du, hast du eine neue Freundin ?“
„Ich hatte ja dich“, antwortete er und sah ihr in die Augen.
Sie hielt seinem unmittelbaren Blick stand, Auge in Auge, und ganz langsam begann sie über das ganze Gesicht zu strahlen.
Der Kellner brachte ihren Tee und verneigte sich und zog sich sofort wieder zurück.
„Danke“, sagte sie schlicht.
„Kannst du dich noch an Rom erinnern ?“ fragte er. „Unser Zimmer mit dem Blick über die rustikalen Dächer bis zum Petersdom.“
„Und den vielen Möwen, die auf den Dachantennen saßen und in unser Zimmer herein lugten“, ergänzte sie lachend.
„Und Lissabon“, setzte er fort, „was hat dir an Lissabon am meisten gefallen ?“
„Die alte knarrende Straßenbahn natürlich“ antwortete sie fröhlich, „mit der wir hinauf zur Festung gefahren sind, um den Rundgang auf den Mauern zu machen und über die ganze Stadt zu blicken.“
„Und das neue Aquarium ?“
„Hat mich sofort an Barcelona erinnert. Auch dort sind die Möwen um uns herum geflattert und haben uns gurrend mit ganz verdrehten Hälsen und ihren kleinen, putzigen Äuglein angekuckt.“
„Und Paris und Amsterdam ?“
„Wirklich herrlich war es auch auf Malta“, schwärmte sie plötzlich. „Die mächtige Burg und die stolzen Ritter und das Feuerwerk im Hafen, das sicher nur für uns ganz allein bei unserer Ankunft gesprüht und gezischt hat !“
Er lachte und senkte den Kopf nachdenklich.
„Und München, wo du mich sofort nach Ankunft gleich in den alten Laden gegenüber dem Bahnhof geschleppt hast, wo du bereits früher als Knabe mit deinem Vater Münzen und Sammelbilder und Orden und Briefmarken eingekauft hattest. Du hast mir die Stätten deiner Kinheit gezeigt !“
Er lächelte verträumt.
„Und das uralte Grammophon, das wir von deinem Großvater in Villach bekamen und mühsam heimgeschleppt hatten und dann doch nicht überreden konnten einigermaßen zu funktionieren, obwohl du dir soviel Mühe mit all deinen historischen Schellacks gegeben hast.“
Er sah zu Boden und spielte stumm mit seinen Händen.
„Es war überall und immer schön mit dir“, sagte sie.
„Na ja, ich habe mich bemüht“, antwortete er verlegen und sah sie an.
Sie griff nach seiner Hand und drückte sie und nahm seinen Blick auf. „Es war immer schön mit dir“, wiederholte sie.
Er zögerte, und schließlich fragte er: „Warum hast du mich dann verlassen ?“
„Ich weiß schon, ich bin ganz furchtbar“, erklärte sie.
„War es meine Schuld ?“ fragte er mühsam. Aber dann wischte er alles sofort beiseite: „Man kann so etwas nie ganz genau feststellen, nicht wahr ?“
Sie nickte und biss sich auf die Unterlippe.
Er streichelte ein wenig ihre Hand in seiner Hand.
Sie blickte ihn mit großen Augen an und näherte sich ihm langsam und zaghaft und küsste ihn dann sehr zärtlich mit geschlossenen Augen auf die Lippen. Darauf blieb sie mit der Stirn an seine Stirn gelehnt noch eine ganze Weile an seiner Seite.
„Ich liebe dich“, sagte er, und in seiner Stimme lag so etwas wie ein bisschen Trauer und Verzweiflung.
„Du liebst mich noch immer ?“ fragte sie erfreut und auch verwundert. „Du liebst mich wirklich noch immer, obwohl ich dir das alles angetan habe ?“
Er senkte den Kopf.
„Es war wunderschön bei dir“, flüsterte sie.
„Ich habe dich niemals vergessen in diesen zwei Jahren“, gestand er.
Sie schnüffelte mit der Nase und wischte sich mit der Hand leicht über die Augen. Und sie lächelte strahlend.
„Und jetzt hast du Herbert ?“ fragte er. „Den Mann, der dich genau hier in diesem Lokal kennengelernt und mir weggenommen hat.“
„Du weißt ja, ich bin oft hier, weil ich nur eine Gasse weit entfernt wohne, man kann mich hier immer antreffen, wenn man will“, redete sie.
„Natürlich weiß ich das.“
„Warum hast du dich dann niemals hier blicken lassen ?“
fragte sie. „Vielleicht habe ich manchmal darauf gewartet, dass du wieder kommst.“
„Ist das wirklich wahr ?“
„Na ja, ich gebe schon zu, ich war ganz dumm in diesen Kerl Herbert verliebt, und du hast immer nur deine Probleme und Sorgen und viel Nachdenken im Kopf gehabt, immer so viel Nachdenken.“
„Du bist mir etwas schuldig geblieben in all unserer Zeit“, sagte er plötzlich verschmitzt und sah sie herausfordernd lächelnd an.
Sie richtete sich hoch und gerade auf und fragte betroffen: „Ich wollte dir niemals weh tun, glaub mir das, ich wollte dich niemals kränken oder böse machen, sag, womit habe ich dir weh getan ?“
„Du hast mir nicht weh getan“, beruhigte er sie.
„Aber ?“
„Du warst mit mir noch niemals in London !“ stellte er fest und fuhr scherzend fort: „Zwar waren wir mal gemeinsam bereits in Rom und in Paris, wie es sein muss und es sich für anständige Leute geziemt, aber wir waren eben noch nicht miteinander in London !“
Sie lachte befreit und glücklich auf und rief spontan aus: „Dann fliegen wir doch nach London !“
„Magst du wirklich ?“ fragte er und wurde auf einmal sehr ernst.
„Natürlich mag ich !“ bestätigte sie lautstark.
„Bisher hattest du dich immer geweigert“, widersprach er.
„Ich habe eine Menge Fehler gemacht“, gab sie zu, „und ich werde wohl immer wieder Fehler machen, aber diesmal bin ich ganz sicher: Fliegen wir ab nach London !“
Jetzt griff er beherzt nach ihrer Hand, und sie lächelte ihn verträumt an.
„Gut“, bestätigte er, „ich werde mich im Internet sofort nach einem Hotel umsehen und die Flüge buchen. Wo willst du wohnen ?“
„Ich habe doch keine Ahnung“, antwortete sie lächelnd und zuckte mit den Achseln, „habe doch bloß ein wenig von Piccadilly Circus oder Buckingham Palace oder Covent Garden oder Bond Street gehört !“
„In Ordnung“, beschloss er. „Wir werden uns in gleich bei der Carnaby Street einquartieren, um den Beatles nahe zu sein, und dann bei Harrods einkaufen, an der Tube-Station Knightsbridge. Bei Harrods können wir sicher aus viel mehr als tausend verschiedenen Sorten Plum Pudding wählen und“, setzte er schelmisch fort, „darauf reizvolle Wäsche von Victoria’s erstehen.“
Sie lachte: „Das erinnert mich an Paris. Dort warst du auch ganz scharf auf Unterwäsche, die wir dann, wenn ich das richtig behalten habe, bei Balenciaga und Versace hundeteuer erstanden haben.“
„Aber du hast wirklich hübsche Dinge für das viele Geld bekommen“, hielt er fest.
„Will ich meinen“, bestätigte sie triumphierend. „Und ich habe sie bis heute noch gut aufbewahrt“, fügte sie sehr ernst hinzu.
„Hast du wirklich ?“ wollte er zweifelnd wissen.
„Ganz sicher“, betonte sie.
„Hellblaue, zarte Spitzenhöschen, Strümpfe und niedliche Büstenhalter“, meinte er.
Sie lachte und drückte seine Hand. „Wollen wir das alles nicht wieder einmal ausprobieren ?“ fragte sie neckend.
Er errötete leicht. „Hast du Lust dazu ?“ fragte er.
Sie sah ihn an, errötete ebenfalls und nickte.
„Hast du wirklich Lust dazu ?“ fragte er sehr ernst.
Sie nickte sehr ernst.
„Soll ich dir das glauben ?“
„Du weißt, ich wohne gleich in der Nähe !“
„Und dann ?“
Sie holte tief Atem. „Warum denkst du soviel ? Können wir denn nicht wieder beisammen sein ? Wir hatten so gute Zeiten miteinander und waren richtig glücklich und verliebt und ausgelassen !“
Er sah ihr in die Augen.
Sie nickte und erwiderte seinen Blick. Sie nickte und nickte und sagte dann: „Ja !“
Er nahm sie in die Arme und küsste sie. Dann sagte er: „Du bist meine große Liebe, weißt du !“
Sie lächelte und fragte: „Gefalle ich dir denn immer noch ?“
Er musterte sie, wie sie in ihrem süßen, schicken, zartgelben Kleidchen da saß und pfiff leise anerkennend durch die Zähne.
Sie lachte. „Du bist der alte Schelm geblieben !“
„Aber erst muss ich wohl noch zahlen“, sagte er.
Da stand plötzlich ein Mann vor ihnen.
Sie sprang auf: „Herbert !“
„Kommst du ?“ fragte Herbert rau, und es klang wie ein Befehl.
„Willst du das ?“
Herbert nickte nachdrücklich und sehr bestimmt.
Sie seufzte erst theatralisch, warf dann den Kopf zurück und hob die Arme und schüttelte den Kopf und nickte und sah zu dem Mann auf dem Plüschsofa.
Sie sagte zu dem Mann auf dem Plüschsofa: „Entschuldige, aber ich habe wirklich keine Wahl !“ Und sie beugte sich hinunter und küsste den Mann auf dem Plüschsofa zum Abschied flüchtig auf die Wange und lief Herbert hinterher.
Der Mann auf dem Plüschsofa starrte ihr eine Weile nach, bemerkte dann, dass ihr zierlicher gelber Schirm auf dem Stuhl mit den Zeitungen liegen geblieben war und rief ihr nach: „Du hast deinen Schirm vergessen !“
Er schob kräftig den einen und dann den anderen Flügel der Glastüre nach links und rechts auseinander, und sie rief erstaunt aus: „Du hast hier ja einen traumhaft herrlichen Ausblick !“
„Zum Sonnenuntergang sind wir aber ein bisschen zu spät gekommen“, antwortete er lachend.
„Man sieht direkt auf die Lichter drüben im Hafen“, erkannte sie. „Und auf den Leuchtturm, und das dunkle Meer in der Ferne unter dem Horizont und das Glitzern der Sterne.“
„Du bist ja richtig romantisch“, stellte er fest.
„Ich mag es einfach, wenn alles wunderschön ist“, strahlte sie vergnügt.
„Dann glaubst du also an Wunder ?“
Sie lachte und schüttelte den Kopf.
Er rückte die beiden Rattansesseln vor dem allzu niedrigen Tischchen am Balkon zurecht und wischte gleichgültig mit dem Handrücken über die Tischoberfläche.
„Darf ich mich setzen ?“ fragte sie artig und verspielt.
„Du darfst hier alles“, gestattete er lächelnd.
Sie versanken nebeneinander in den tiefen Stühlen und blickten hinaus in die Dunkelheit und über das Meer.
„Was du mir gestern gesagt hast“, begann sie, „wollte ich heute morgen gleich mit Jan besprechen. Aber du hattest recht, er hat mich bloß angesehen und geschwiegen. Er ist eben scheußlich introvertiert und sagt nie etwas konkret, wenn man ihn ernsthaft zu einer eindeutigen Stellungnahme auffordert.“
„Du hast ihm erklärt, dass du an seiner Liebe zweifelst ?“
„Du hast mir gestern ja genug Anhaltspunkte geliefert, um an ihm zu zweifeln“, sagte sie aufgebracht.
„Wie das so ist mit der Liebe“, grinste er. „Man weiß nie so recht Bescheid.“
„Nach unserem Gespräch gestern nachmittags in der Bar bin ich jetzt sicher, dass er mir nur Theater vorspielt, mich seinen Freunden nur als hübsche Beute vorführt, die er, der tolle, großartige Mann, selbstverständlich im Handumdrehen abgeschleppt hat, obwohl er nicht wirklich fähig ist zu lieben. Aber ich brauche Liebe, und ich will aufrichtig geliebt werden.“
„Ist er tatsächlich so verlogen ?“ fragte er lächelnd.
„Natürlich“, bestätigte sie überzeugt. „Ich bin heilfroh, dass du mich auf die richtige Fährte gebracht hast.“
„Wie muss ein Mann denn sein, um dich zu gewinnen ?“ fragte er.
„Er muss so aufrichtig sein wie du !“ stellte sie fest und sah ihn an und griff nach seiner Hand.
Man konnte hören, wie das Meer in der Dunkelheit rollte und rauschte und die gewaltigen Wogen auf der Sandküste brandeten.
„Und vorgestern hatten wir dann diesen großen Streit !“
„Worauf du mir sogleich stürmisch in die Arme gelaufen bist !“ lachte er.
Sie nahm seine Hand mit beiden Händen und gestand: „Ich bin ganz furchtbar in dich verliebt !“
Er sah ihr lächelnd ins Gesicht.
Man konnte verhaltene Stimmen von Passanten hören, die unten auf der Uferpromenade vorbei gingen.
Sie drückte seine Hand mit beiden Händen.
„Eigentlich ist das hier alles reichlich unbequem“, meinte er nach einer Weile und wand sich mühsam aus dem tiefen Rattansessel empor. „Wollen wir hinein gehen ? Es wird langsam auch schon ein bisschen kühl.“
Sie sprang sofort auf, ohne aber seine Hand los zu lassen.
Als er sich erhob, standen sie plötzlich sehr dicht voreinander, Gesicht vor Gesicht. Sie sah ihm in die Augen und öffnete die Lippen.
Er befreite seine Hand aus ihrer Hand.
„Wir haben einander noch nicht einmal geküsst“, sagte sie herausfordernd.
„Du bist ja so toll verheiratet“, entgegnete er, „führst seit zwei Jahren eine traumhafte Ehe mit einem Mann, der dich wirklich abgöttisch liebt.“
„Hör‘ auf damit !“ schrie sie. Und sie warf beide Arme um seine Schultern und drängte sich mit ihrem ganzen Körper an ihn und atmete heftig.
Er rückte sie sanft von sich ab und blickte sie lächelnd und herausfordernd an, und als sie ihre Augen schloss, küsste er sie zärtlich auf die Wange, strich mit der Hand über ihr Haar, glitt mit geöffneten Lippen suchend über ihr Gesicht und fand ihre Lippen und spielte mit der Zunge über ihre Lippen und stieß plötzlich mit seiner Zunge zu und küsste sie ungestüm leidenschaftlich.
Sie zitterte und löste sich von ihm.
Er betrat das Zimmer und machte Licht.
Sie sah ihn an und atmete heftig.
„Willst du vielleicht ein bisschen Musik hören ?“ fragte er.
„In diesem grandiosen Zimmer ist jeglicher Komfort installiert, ich kann sogar blu-rays spielen.“
„Jan ist niemals auf den Gedanken gekommen, mit mir so zärtlich umzugehen wie du es mit mir tust“, sagte sie, „in all den beiden Jahren, die wir jetzt beisammen sind.“
„Magst du eher ganz seriöse klassische Musik oder etwas Lieblich-Verträumtes ?“
„Ich mag mit dir träumen“, erklärte sie.
„Setz‘ dich schon, während ich arbeite“, bot er an und schaltete die unter dem Fernsehgerät angebrachte Stereoanlage ein und suchte in der Lade daneben nach einer CD.
Sie nahm auf dem beigen Sofa Platz und beobachtete alle seine Bewegungen. „Ich liebe dich einfach“, bemerkte sie.
Er legte die ausgewählte CD ein, und sie lächelte, als sanfte Orchestermusik mit vielen Streichern begann.
Er setzte sich neben sie auf das Sofa.
„Siehst du, mit Jan habe ich so etwas nie erlebt, er wirkt beständig geschäftig, rennt hin und her, ohne mich auch nur zu beachten. Du hast mich gestern wirklich richtig aufgeklärt, ihr Männer seid so komplizierte Wesen. Aber ich habe ihm danach abends bereits angedeutet, dass ich ihn durchschaue, und bis heute morgen hat er mir noch immer keine Antwort gegeben. Dass ich ihn jetzt endlich richtig, in all seiner Verlogenheit sehe, habe ich einfach nur dir zu verdanken.“
„Urteilst du nicht ein bisschen streng ?“ fragte er.
„Nein, ich will ihn nicht mehr.“
Er lehnte sich im Sofa zurück und betrachtete sie. Sie trug eine knallrote, lose Bluse und eng anliegende blaue Jeans. Sie war hellblond, fast weiß, hatte hellblaue Augen, war mit tiefblauen Lidschatten und rosa Lippenstift nur etwas geschminkt.
Er legte eine Hand auf ihre Schulter und strich über ihren Arm und ihre Hüfte und ließ seine Hand auf ihrem weichen Oberschenkel ruhen.
„Du bist ganz anders als er“, sagte sie.
„Alle Menschen sind anders“, pflichtete er ihr spöttisch bei und spielte mit seiner Hand auf ihrem Schenkel.
Sie lehnte sich ebenfalls ins Sofa zurück.
Er sah sie lächelnd und schweigend an, die Musik lieferte zarten Violinklang. Schließlich fragte er: „Magst du deine Bluse ausziehen ?“
Sie erschrak und wich ein bisschen zurück. „Aber wir kennen uns doch erst kaum ein paar Stunden“, meinte sie.
Seine Hand streichelte über ihren Arm und über ihre Hüfte. „Du bist schön“, sagte er.
Sie blickte ihn unschlüssig an.
„Ich möchte dich nur anschauen“, sagte er lächelnd.
Sie nickte und dachte nach. Schließlich öffnete sie zögernd die winzigen Knöpfe ihrer Bluse und schlug die Arme im Schoß zusammen.
Er küsste sie langsam und zärtlich auf die Wange und schob seine Hand unter der Bluse auf ihre nackte Schulter. Sie schmiegte sich an ihn.
Er strich mit beiden Händen von ihrem Hals an über ihren Nacken und den Rücken und die Hüfte. Ihre Bluse fiel, sie trug einen weißglänzenden Büstenhalter.
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