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Erschreckende neue Welt Eine fremde, kalte, aber wohl durchdachte Welt zwischen Utopie und Realität in ungeschminkter, knapper, direkter Sprache. Und jedenfalls eine coole, ausgeflippte Geschichte mit viel Überzeugungskraft. Es geht um Liebe, eine intellektuelle Analyse der Liebe, Liebe und deren „Bedarf“ und „Sinnhaftigkeit“ in einer Gesellschaft, die längst alle gängigen Normen gesprengt hat. Eine junge Frau erfährt auf der Suche nach sich selbst und ihrer mysteriösen Herkunft eine surreale Welt, in der Frauen Männer längst eliminiert haben und das Leben in einer eigenartigen Hierarchie der Gewalt und Unabdingbarkeit steuern. Was ist Liebe und Lebensglück ? Nachdenken über die skurrile, diktatorische Gesellschaft, in der sie eingebettet gefangen lebt, bringt die junge Frau in den Sog kaum fassbarer Manipulationen und Erkenntnisse. Bald wird sie zur mutigen, leidenschaftlichen Streiterin gegen die herrschende Obrigkeit – und zu einer Kämpferin um der Liebe willen. Absurd und zynisch mag sich der Mantel dieser Geschichte geben, der ungewöhnliche Sensibilität und Verletzbarkeit schützend verbirgt. Aber haben wir die natürliche Beziehung zum Du tatsächlich verloren ? Brauchen wir Liebe überhaupt noch ? Oder sind wir ohnehin in einer programmierten Welt untilgbaren Sehnsüchten und Sinnstrukturen ausgeliefert ? Eine immer wieder überraschende und spannende Lektüre, Handlungen, Situationen, Ideen, die man nicht so rasch wieder vergessen kann. Das Kultbuch der Sonderklasse.
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Seitenzahl: 282
Veröffentlichungsjahr: 2013
ERSCHRECKENDE NEUE WELT
Eine fremde, kalte, beklemmend hautnah durchdachte Welt zwischen Utopie und Realität in ungeschminkter, knapper, direkter Sprache. Und jedenfalls eine coole, ausgeflippte Geschichte mit viel Überzeugungskraft.
Es geht um Liebe, eine intellektuelle Analyse der Liebe, Liebe und deren „Bedarf“ und „Sinnhaftigkeit“ in einer Gesellschaft, die längst alle gängigen Normen gesprengt hat. Eine junge Frau erfährt auf der Suche nach sich selbst und ihrer mysteriösen Herkunft eine surreale Welt, in der Frauen Männer längst eliminiert haben und das Leben in einer eigenartigen Hierarchie der Gewalt und Unabdingbarkeit steuern. Was ist Liebe und Lebensglück ? Nachdenken über die skurrile, diktatorische Gesellschaft, in der sie eingebettet gefangen lebt, bringt die junge Frau in den Sog kaum fassbarer Manipulationen und Erkenntnisse. Bald wird sie jedoch zur mutigen, leidenschaftlichen Streiterin gegen die herrschende Obrigkeit – und zu einer Kämpferin um der Liebe willen.
Absurd und zynisch mag sich der Mantel dieser Geschichte geben, der ungewöhnliche Sensibilität und Verletzbarkeit schützend verbirgt. Aber haben wir denn eigentlich die ganz natürliche Beziehung zum Du tatsächlich schon verloren ? Brauchen wir Liebe überhaupt noch ? Oder sind wir ohnehin in einer programmierten Welt untilgbaren Sehnsüchten und Sinnstrukturen ausgeliefert ?
Eine ständig überraschende und spannende Lektüre sowie starke Handlungen, Situationen, Ideen, die man nicht so rasch vergessen kann. Das Kultbuch der Sonderklasse.
„Bildest du dir ein, etwas ahnen zu können ?“ „Ich kann nur das sehen,
Für Rosmarin, meine geliebte Frau. Ohne sie wäre mir
CHRISTIAN SCHOLZ
Das Paradies
EIN LEHRREICHER BERICHT
INHALTSVERZEICHNIS
1. Kapitel, in dem wir einiges über das gewöhnliche Lebenin der Wüste erfahren
2. Kapitel, in dem wir einiges über den realen Umgang mit ernstem Wissen erfahren
3. Kapitel, in dem wir einiges über sittsame Wendepunkte des Wollens erfahren
4. Kapitel, in dem wir einiges über unliebsame Kümmernisse im Dasein erfahren
5. Kapitel, in dem wir einiges über die faszinierende Magie des Sammelns erfahren
6. Kapitel, in dem wir einiges über die kuriose Auswirkung inniger Liebe erfahren
7. Kapitel, in dem wir einiges über die Vorzüge der simplen Freizügigkeit erfahren
8. Kapitel, in dem wir einiges über die Wirrnis unerfüllter Sehnsucht erfahren
9. Kapitel, in dem wir einiges über die heimlichen Grenzen der Ewigkeit erfahren
10. Kapitel, in dem wir einiges über die betörende Relativität der Freiheit erfahren
11. Kapitel, in dem wir einiges über vergnügliche Varianten des Erkennens erfahren
12. Kapitel, in dem wir einiges über symbolhafte Resultate im Alleinsein erfahren
13. Kapitel, in dem wir einiges über seltsame Geheimnisse wunder Herzen erfahren
14. Kapitel, in dem wir einiges über den unglaublichen Reiz der Ehrsamkeit erfahren
15. Kapitel, in dem wir einiges über latente Bekömmlichkeit entsagter Lust erfahren
16. Kapitel, in dem wir einiges über den erstaunlichen Kern des Natürlichen erfahren
17. Kapitel, in dem wir einiges über den anmutigen Charme der Harmonie erfahren
18. Kapitel, in dem wir einiges über die perfekte Macht der Illusionen erfahren
19. Kapitel, in dem wir einiges über verwegene Gaukeleien des Gefühlten erfahren
20. Kapitel, in dem wir einiges über das echte Mysterium des ewig Guten erfahren
21. Kapitel, in dem wir einiges über die Sättigung des Lichts in Dunkelzonen erfahren
22. Kapitel, in dem wir einiges über die wahre Bedeutung des aktiven Tuns erfahren
23. Kapitel, in dem wir einiges über makellose Bedingungen des realen Seins erfahren
24. Kapitel, in dem wir einiges über manipulierbare Gesten der Schöpfung erfahren
25. Kapitel, in dem wir einiges über die leidigen Spiele des Zufalls erfahren
26. Kapitel, in dem wir einiges über die nüchternen Aspekte der Einsamkeit erfahren
27. Kapitel, in dem wir einiges über den fatalen Widersinn des Bewussten erfahren
28. Kapitel, in dem wir einiges über den vielfältigen Traum der Vorstellung erfahren
29. Kapitel, in dem wir einiges über die gelinden Heimtücken blinden Hoffens erfahren
Nachspiel, in dem wir einiges über die recht fragile Essenz des Erkennens erfahren
Satyrspiel, in dem wir einiges über frappierende Modernität antiker Kultur erfahren
Löblicher Anhang als freundliche Zugabe zur köstlichen Erbauung des geschätzten Publikums
Paradies
(griech.-kirchenlat.,
weltweit verbreitete Vorstellung
von einer urzeitl. Stätte der Ruhe,
des Friedens und des Glücks,
deren Wiederherstellung in der Endzeit erwartet wird …
Die Griechen kannten die Vorstellung vom Elysium.
Unter dem paradies. Garten Eden des AT
ist wohl ursprünglich
ein Garten in der Steppe verstanden worden.
MEYERS GROSSES UNIVERSALLEXIKON,
letztgültige Ausgabe 1981 - 1986
Bibliographisches Institut AG,
Mannheim, Wien, Zürich
in dem wir einiges über das gewöhnliche Leben in der Wüste erfahren
Sie lenkte auf die höchste Erhebung der Düne zu und gab Gas. Der feine Sand wirbelte hinter ihr hoch auf. Als sie den Gipfel erreichte, bremste sie scharf ab und konnte jetzt über die weite Ebene bis an den Horizont sehen. Die Luft flimmerte. Sie sprang vom Sitz ihres Fahrzeugs hinunter in den weichen Sand.
Glücklich warf sie den Kopf zurück, spürte die Sonne heiß in ihrem Gesicht. Mit einem leisen Schrei breitete sie die Arme aus. Ich genieße ein wunderschönes Dasein, dachte sie und lächelte. Hier habe ich meinen Platz und bin glücklich. In der Ferne trieb der Wind Sandwolken vor sich her, das Licht wechselte in schillernden Regenbogenfarben von hellem Pastellblau zu zartem Rosa. Und doch fehlt mir etwas, dachte sie. Wer bin ich denn, woher komme ich? Beständig sehne ich mich nach etwas und weiß nicht, warum. Bin ich denn nicht wirklich glücklich ?
Sie wandte den Kopf nach links. Und bemerkte Claudia, die tief unter ihr am Fuß der Düne auf dem federnden Jagdsitz des violetten Eliminators saß und mit den Fäusten stürmisch auf den Monitor über dem Steuerknüppel trommelte.
Sie formte beide Hände zu einem Schalltrichter und rief spöttisch hinunter: „He, Claudia, hast du wieder einmal eine totale Panne gebaut ?“
Claudia zuckte erschrocken zusammen und drehte den Kopf, bis sie im Gegenlicht Cynthia auf der Anhöhe der Düne erkannte. „Ah, die arrogante Cynthia persönlich !“ Und zornig fügte sie hinzu: „Der Kasten sollte einmal endgültig total überholt werden, ist nicht zu fassen, dass er dauernd Probleme macht.“
„Wer macht da wohl wem Probleme ?“
„Quatsch deine Weisheit für dich selber. Ruf’ mir lieber den Abschleppdienst.“
Cynthia grinste. „Ist ja alles in bester Ordnung, beruhige dich.“ Und sie berührte das Piktogramm Totenkopf ganz unten in der Mitte auf ihrem Monitor. In der Servicezentrale würde man den Notruf wahrnehmen, anpeilen und sofort Rettung ins Planquadrat losschicken.
„Hilfst du mir jetzt endlich ?“ schrie Claudia herauf.
„Ist schon geschehen, blöde Zicke !“
„Dann verpiss dich, ich kann dich nicht mehr aushalten.“
Voll Verachtung warf Cynthia ihren hellblauen Eliminator wieder an und fuhr vorsichtig die Düne auf ihrer Seite hinunter, um Claudia aus den Augen zu verlieren. Immer denke ich zuviel, dachte sie. Das sagen mir alle, nicht nur aus meiner Generation. Und gerade diese Macke könnte dir eines Tages noch ungeheuer schaden, sagen sie. Muss ich denn diese blöde Macke haben ? Was ist los mit mir ? Ich fühle mich schrecklich.
Sie steuerte zwischen den Dünen hindurch. Schließlich habe ich nur eine einzige Verpflichtung, sagte sie zu sich, ich habe bloß meine Aufgabe ordentlich zu erledigen, und damit ist alles in bester Ordnung. Ich darf einfach nicht mehr so viel nachdenken und grübeln und sinnieren, das ist alles überflüssig. Sie erschrak plötzlich: rechts vor ihr am Boden lag ein Körper.
Ganz in ihren Gedanken versunken, hatte sie den dunklen, zusammengekauerten Klumpen im Schatten der Düne völlig übersehen. Jetzt gehorche und mach’ endlich etwas richtig, knurrte sie, wütend über sich selber.
Vorsichtig fuhr sie langsam an den Körper heran. Der Körper regte sich nicht. Sie richtete sich in ihrem Jagdsitz kerzengerade auf, saß hoch oben auf ihrem Eliminator und blickte angestrengt hinunter auf den Körper. Der Körper regte sich noch immer nicht. Sie bremste scharf, der Eliminator stand still. Die Augen des Körpers starrten sie weit geöffnet an. Sie musterte den gekrümmten Körper und überlegte. Das Gesicht des Körpers war blutlos, aschfahl geworden, die Augen traten jetzt deutlich aus den Höhlen hervor.
Sie entspannte sich, lehnte sich zurück. Das war schließlich nicht ihre erste Begegnung, sie hatte schon einige Erfahrungen gesammelt. So wie sie es im Meeting eindringlich und klar gehört hatte, begann sie mit der rechten Hand bedächtig und ruhig über ihre Brüste zu streicheln, beobachtete dabei den Körper genau. Als sich der Körper ein bisschen regte, begann sie zart mit ihren Brustspitzen zu spielen und sah unverwandt in die Augen des Körpers.
Sie meinte das Atmen des Körpers zu hören, wartete noch, bis das Atmen heftiger wurde, schob dann ihr hauchdünnes, loses Hemdchen ein wenig beiseite, so dass ihre rechte Brust entblößt war. Das Atmen des Körpers wurde nun laut und unüberhörbar zu einem stöhnenden Röcheln, und in der Mitte des Körpers erhob sich unvermittelt eine starre kleine Säule.
Erleichtert seufzte sie auf, denn nur dann, wenn ihre Überprüfung erfolgreich war und sich die kleine starre Säule zeigte, durfte sie weiter handeln, so hatte sie es immer wieder in den Meetings gehört. Die kleine starre Säule war das Erkennungszeichen, dass sie tatsächlich einen zur Vernichtung vorgesehenen Körper gefunden hatte, sonst hätte sie weiterfahren müssen, ohne eine Trophäe erringen zu können. Zufrieden legte sie beide Hände auf den oberen Rand des Monitors und atmete tief aus. Sie fühlte sich sehr erleichtert.
Dann wählte sie bedächtig das schwarze Piktogramm mit den überkreuzten Armen, und sofort wurden aus dem Eliminator sieben lange, tentakelartig behaarte Fangarme ausgefahren, die den Körper packten und heran zerrten. Sie warf noch einen letzten Blick in die Augen des Körpers, die jetzt glasig verquollen wirkten, und berührte das dunkelrote Piktogramm Fallbeil.
Das Programm lief nun völlig automatisch ab, so dass sie nur noch untätig abzuwarten brauchte. Zunächst brachten die behaarten Fangarme den Schädel des Körpers in die richtige Position, damit er vom Rumpf abgetrennt und rasch in die Depotröhre geworfen werden konnte. Sie hörte deutlich, wie der Schädel in der Röhre ganz nach unten kollerte, denn es war heute ihre erste Begegnung auf dieser Fahrt. Es war entscheidend wichtig, auf diese Geräusche zu hören, denn später würde sie den Schädel zur Qualifizierung brauchen.
Die präzise Vollautomatik sorgte jetzt dafür, dass der Rumpf von den Fangarmen in die Zertrümmerungskammer im Laderaum, dem Bauch des Eliminators, der die ganze untere Basis des Gefährts ausmachte, eingebracht und dort zerkleinert wurde. Sie sah gelangweilt zu, wie die Fangarme geräuschlos eingezogen wurden und hörte dem Hacken und Mahlen und Krachen und Sprudeln und Saugen und Schlürfen unter ihrem Jagdsitz zu, bis die Geräusche schließlich verklangen.
Jetzt war nicht mehr viel zu tun: Sie berührte das gelbe Piktogramm Besen, und das erst unlängst neu adaptierte Säuberungsprogramm lief ebenfalls vollautomatisch ab, indem kantige Schaber und recht klobige Bürsten ausgefahren, auf den Boden aufgesetzt und in Schwingungen und Rotation gebracht wurden. In fließender Bewegung wurde der gesamte Schauplatz der Aktion derart gründlich und ohne geringste Restspuren gereinigt, dass sich der feine Sand vor ihr schließlich so glatt und unberührt ausnahm, als sei hier nichts geschehen.
Zufrieden und entspannt fuhr sie weiter. Die unendlich weite, schöne Wüste lag wieder vor ihr. Sie atmete tief und glücklich durch, die ganze Wüste gehörte ihr.
Nach einer Weile hielt sie an, um sich umzusehen. Die vom Wind geschaffenen Täler und Rinnen im Sand, die dunklen Schatten über den Dünen, die sich in den Niederungen zu schwarzen Flächen verdichteten, die gleißenden Farben am Horizont, die Stille und Wärme. Die Wüste ist das, was ich brauche, dachte sie. In ihr finde ich mich, in ihr bin ich ganz selbst. Sie saß völlig ruhig und gelöst auf ihrem Jagdsitz.
Aber plötzlich besann sie sich. Ich muss weiter, ich darf nicht mehr so viel denken. Sie startete voll durch und nahm ihre Fahrt wieder auf.
Links vorne bemerkte sie hinter einer sanften Bodenwelle einen Körper. Sie fuhr auf ihn los, erledigte die Prüfung und setzte die Automatismen in Gang. Es dauerte nicht lange, bis sie weiterfahren konnte.
Hart hinter einer Düne entdeckte sie dann noch einen weiteren Körper am Boden. Sie bremste scharf, tat ihre Pflicht und fuhr weiter.
Sie spähte voraus, nach links und rechts, suchte alle Hügeln und Vertiefungen mit ihren scharfen Blicken sorgfältig ab. Knapp unter dem Horizont bemerkte sie den gelben und den grünen Eliminator, das mussten Cosima und Clea sein.
Für heute gebe ich es auf, sagte sie zu sich und ließ ihre beiden Schultern lustlos fallen, ich erkläre diese Fahrt als beendet. Jetzt habe ich nur noch Lust, möglichst rasch heim zu kommen. Immerhin habe ich ohnehin drei Trophäen vorzuweisen. Und sie gab Gas, dass der Sand hinter ihr hoch aufspritzte.
In voller Fahrt nahm sie Kurs auf die Ansiedlung. Die weißen Bauten und Mauern und Wälle und Türme tauchten in der Ferne auf und wurden immer größer.
Am Checkpoint sprang sie vom Eliminator, grüßte die Diensthabende freundlich und ging hinüber zum Förderband.
Das Förderband brachte sie rasch direkt vor das Refektorium, einen riesigen, langgestreckten, weißgetünchten Steinbau mit durchgehenden dunklen Holzbalken an der Decke. In guter Gewohnheit trat sie mit beiden Fußsohlen auf die Führungshilfe, der Code auf ihrer Ferse wurde eingelesen, und sie wurde vollautomatisch zu ihrem Platz befördert.
Sie setzte sich auf den Stuhl, der mit ihrem Namen bezeichnet war und musterte die farbigen Anzeigen auf dem Tisch vor sich.
Jemand schlug ihr von hinten freundschaftlich, aber heftig auf die Schulter. „Bestell’ dir die neuen hellblauen Kuppeln, die schmecken ganz cool.“
Sie wandte sich um. „Ach, du bist es, Clarissa !“
„Bestell’ schon !“
„Passen die denn wirklich zu den roten Würfeln und den grünen Ringen, die ich immer so gerne habe ?“
„Vor ein paar Zeiteinheiten war das Zubringerrohr noch verstopft, so dass man die Kuppeln nicht abrufen konnte, aber jetzt müsste alles wieder in Ordnung sein.“
„Dass wir immer noch solche Pannen haben !“
„Berührt uns eigentlich nicht sehr, oder ?“ fragte Clarissa lächelnd und setzte sich an den Tisch neben Cynthia.
„Claudia hat auch wieder einmal eine Totalpanne geschafft“, berichtete Cynthia nachdenklich. „Hab sie draußen in den Dünen gefunden. Wenn sie nicht vorsichtiger fährt, wird sie bald Schwierigkeiten bekommen.“
Clarissa lachte. „Ich erzähl’ dir lieber einen supercoolen
Witz, den ich gerade ganz taufrisch gehört habe“, sagte sie. „Warum gehen wir alle barfuß ?“
„Natürlich, damit unser IIC, der Individual Identity Code auf unseren Fersen, einwandfrei eingelesen werden kann.“
„Falsch geraten !“ kicherte Clarissa. „Damit wir nicht der Versuchung verfallen, Schuhe zu sammeln ! Denn es heißt nämlich, dass damals in der Dunkelzeit viele der damaligen so genannten Frauen eine wahre Sucht entwickelt haben, unendlich viele Schuhe zu besitzen. Vor solch schrecklichen Auswüchsen sollen wir bewahrt bleiben. Weißt du übrigens überhaupt, was Schuhe sind ? Schuhe sind aus einer weichen Masse angefertigte Hülsen, die man einfach über die Füße stülpt.“
„Sehr witzig, nicht ?“
„Du darfst auch einmal lachen“, kritisierte Clarissa. „Immer denkst du zuviel nach und bist todernst. Wir führen doch ein schönes, glückliches Dasein, oder ?“
„Der erste Körper jetzt auf meiner Fahrt hat zuletzt ganz widernatürlich arg laut geröchelt“, berichtete Cynthia. „Ist dir das auch schon passiert ? Die Körper sind doch normalerweise völlig stumm.“
„Muss aber auch nicht sein. Ich hab gehört, dass es früher viele solcher Zwischenfälle mit unangenehmen Geräuschen gegeben haben soll. Bis dann entschieden wurde, den Körpern die Stimmbänder zu durchtrennen, bevor sie für uns von speziellen Hilfstrupps in der Wüste verstreut und ausgesetzt werden. Wir sollen es eben möglichst einfach haben, unsere Geschicklichkeit und Arbeitswilligkeit zu beweisen. Praktischerweise werden die Körper ja ohnehin maschinell präpariert, damit sie sich nicht bewegen oder sich gar gegen uns wehren könnten. Bei deinem doofen lauten Körper ist unseren lieben Technikerinnen wohl ein Fehler passiert.“
Überrascht blickte Cynthia auf und fragte verwundert: „Woher weißt du das ?“
Clarissa errötete und bat: „Sag es niemandem, es ist mir schon klar, dass wir nicht davon sprechen dürfen.“
„Aber woher weißt du das alles ?“
Clarissa lächelte: „Ich hab ganz guten Kontakt zu Pamela, und auch zu Oona und Nicoletta und Mona. Und zu etlichen anderen.“
„Ach, hör bloß auf, was in den alten Generationen so alles getuschelt und gequatscht wird, braucht noch lange nicht wahr zu sein.“
„Du ärgerst dich ja nur, weil ich mehr weiß als du.“
„Kann sein“, murrte Cynthia ärgerlich. „Ich möchte jetzt endlich etwas essen, ich habe Hunger.“ Und sie berührte die Piktogramme für rote Würfeln und grüne Ringe und auch für hellblaue Kuppeln.
„Wohl bekomm´s“, grinste Clarissa überlegen.
Hinter ihnen kam Bewegung auf.
„Hallo, ihr Süßen“, meldete sich Cäcilia und trat zu ihnen an den Tisch, setzte sich. „Was gibt’s denn Altes ?“
Die grelle Kontur der Lieferbox vor Cynthia blinkte, Cynthia öffnete die Box und entnahm das winzige Päckchen mit ihren Bestellungen, öffnete es und begann wie abwesend zu essen.
„Wollen wir es auch versuchen ?“ fragte Clarissa fröhlich. „Beim Völlern redet es sich viel leichter.“
Clarissa und Cäcilia wählten und sahen Cynthia eine ganze Weile schweigend zu, bis sie selbst orange Ringe, violette Pyramiden und gelbe Kugeln erhielten.
„Also erzählt mir schon von euren taufrischen, ungeheuren Neuigkeiten“, begann Cäcilia, „sonst müßte ich euch noch mit meinen jüngsten, ganz gemeinen Schicksalsschlägen überfallen.“
„Sprich dich nur aus !“ meinte Clarissa.
Cäcilia schluckte den Bissen hinunter, richtete sich auf und betonte feierlich: „Ich blute wieder mal zwischen den Schenkeln !“
Cynthia hob bedächtig den Kopf und sah Cäcilia neugierig an: „Bist du dir sicher ?“
„Klar bin ich sicher. Und ein paar Zeiteinheiten vorher hatte ich auch wieder dieses aufregende Prickeln wie Schmetterlinge im Bauch gespürt.“
„Schrei’ das nicht so laut heraus“, warnte Clarissa leise. „Du kannst nie wissen, wer dir aller zuhört. So cool ist das nicht mit deinem Blut und den Schmetterlingen.“
„Für mich ist es aber cool.“
„Schämst du dich nicht dafür ?“ fragte Cynthia.
Clarissa beugte sich weit zu Cäcilia vor und flüsterte: „Ich habe gehört, dass das ein Produktionsfehler ist, der stets behoben werden muss. Niemand weiß, was dabei passiert.“
Cynthia sah Clarissa an und fragte spöttisch: „Hast du auch das wieder von deinen älteren Generationen ?“
„Du kannst dich ruhig lustig über mich machen“, fauchte Clarissa. „Aber das ist ein ziemlich ernstes Thema. Es wird von einem Fall getuschelt, in dem dann plötzlich jemand gänzlich verschwunden ist.“
Cynthia biss sich auf die Unterlippe. Schließlich fragte sie: „Warum willst du Cäcilia denn Angst machen ?“
„Ich will niemandem Angst machen“, fuhr Clarissa zornig auf, „aber ich habe eben so meine Informationen.“
Cynthia hakte nach: „Und ist das auch wirklich wahr ?“
„Natürlich brauchst du es nicht glauben“, erwiderte Clarissa beleidigt. „Das kann man von einer derart überheblichen Person, die nichts anderes im Kopf hat, als ständig über alles nachzudenken, wohl auch nicht erwarten.“
„Für mich ist es jedenfalls supercool“, schloss Cäcilia ab, „da könnt ihr reden, was ihr wollt. Es ist einfach ein schönes, herrliches Gefühl, Schmetterlinge im Bauch zu spüren. Wenn dann die Blutung auch ein bisschen schmerzt.“
Nachdenklich stand Cynthia auf. „Ich gehe mich ausruhen“, erklärte sie.
Clarissa zuckte die Achseln: „Geh’ hin, wohin du willst.“
Cynthia trat auf die Führungshilfe, die sie hinaus vor das Refektorium brachte. Dort machte sie die paar Schritte hinüber zum Förderband, das sie aufnahm und vor den Waben-Quartieren absetzte.
Ist das Bluten zwischen den Schenkeln wirklich gefährlich, fragte sie sich. Warum sprechen sie von einem Produktionsfehler ? Was ist denn eigentlich überhaupt ein Produktionsfehler ? Was geschieht mit mir ?
Müde und deprimiert ging sie auf die riesige, weißgetünchte Wabenwand zu, stellte sich auf die Beförderungsschale und wartete geduldig, bis ihr IIC auf der Ferse identifiziert war. Die Schale bewegte sich erst nach oben, dann nach links und hielt vor ihrem persönlichen Waben-Quartier.
Sie schlüpfte in den Hohlraum und dachte, dass sie das mit dem Bluten jetzt doch einmal ernsthaft abklären musste, nachdem sie es schon seit vielen Zeiteinheiten verschwiegen hatte. War es eine Schande, für die sie sich weiterhin schämen müsste und besser vertuschen sollte ? Oder lauerte da wirklich eine unbekannte Gefahr ?
Als sie auf den Monitor an der Rückwand der Zelle blickte, blinkte das Piktogramm der Gefalteten Hände. Sie sollte also innerhalb der nächsten drei Zeiteinheiten nach Voranmeldung bei der Großen Mittlerin erscheinen.
in dem wir einiges über den realen Umgang mit ernstem Wissen erfahren
Die Große Mittlerin saß hoch aufgerichtet hinter einem riesigen Schreibtisch aus dunkel gebeiztem Eichenholz an der Stirnseite eines sehr weitläufigen Saales und winkte Cynthia freundlich zu sich. „Komm nur“, ermunterte sie mit näselnder Stimme, „du brauchst keine Angst haben, du hast dich großartig bewährt !“
Verwirrt durchschritt Cynthia den Saal, ihre Füße versanken in dem weichen, kuscheligen Hochflorteppich. Alle Wände waren durchgehend über und über mit bunten und an den Rändern goldverbrämten Fresken bemalt, die hölzerne Kassettendecke mit kunstvollen Verzierungen geschmückt. Aber Cynthia wagte kaum den Kopf zu heben.
„Nimm Platz und sprich ein wenig mit mir“, bat die Große Mittlerin, indem sie auf einen riesigen Stuhl mit hoher, holzgeschnitzter Lehne deutete, in dem sich Cynthia wie eine kleine, zierliche Puppe ausnahm. Die Große Mittlerin war ganz in schwarze Seide gehüllt, Hals und Kopf in prächtiger Stickerei geborgen; Stirn und Wangen waren weiß geschminkt, die Lippen mit leuchtendem Rot markiert.
„Ich freue mich, dass wir uns einmal kennenlernen“, fuhr die Große Mittlerin zutraulich fort. „Ich habe schon viel von dir gehört.“
Cynthia wagte- in ihren Stuhl geschmiegt- kaum zu atmen.
„Du hast gleich drei Trophäen innerhalb ganz kurzer Zeit errungen; das ist eine wirklich großartige, glanzvolle und bemerkenswerte Leistung !“
„Ach, ja ?“ flüsterte Cynthia.
„Machst du deine Arbeit so gerne ?“
„Ich frage mich, woher die Körper kommen, die wir zu eliminieren haben, und warum wir sie überhaupt eliminieren.“
Die Große Mittlerin lächelte. „Das Eliminieren der Körper ist nur deshalb angesetzt, um euch jungen Erweckten ein klein wenig Beschäftigung in einem amüsanten Spiel zu bieten, euch die Möglichkeit einzuräumen, eure Geschicklichkeit und Beweglichkeit zu beweisen. Du wirst das jetzt noch nicht so ganz verstehen, aber bei den Körpern handelt es sich ausschließlich um sogenannte Männer, ein reines Abfallprodukt unserer Erzeugungsautomatik. Wozu sollte man sie sonst noch nützen können ? Wir wissen aus der Dunkelzeit, dass Männer immer nur ihre eigenen Interessen verfolgten, uns immer nur belastet, missverstanden und gequält haben. So sollen sie wenigstens jetzt zu einem Guten dienen, eurem Spiel. Männer sind ja ohnehin bloß Körper ohne Hirn oder irgendwelche Qualitäten oder ernstzunehmende Ansprüche. Prüft sie mit euren Reizen, bis sie ihr Erkennungszeichen, die kleine starre Säule zeigen, dann eliminiert sie. Das ist doch eine einfache, saubere Sache !“
Cynthia war verwirrt, begriff nichts und senkte den Kopf.
„Wie ich höre, leidest du sehr, leidest unentwegt und unvernünftig vor dich hin“, rügte die Große Mittlerin. „Du sollst beständig recht eigenartige Anwandlungen haben, hört man.“ Und streng fügte sie hinzu: „Du denkst zuviel !“
Cynthia erschrak. „Ja“, stammelte sie, „darüber habe ich schon oft nachgedacht.“
Die Große Mittlerin lächelte und räumte ein: „Na, nehmen wir das nicht gleich tragisch. Was bewegt dich denn so sehr, worüber machst du dir immer wieder diese unseligen, völlig überflüssigen Gedanken ?“
Cynthia hob mutig den Kopf und fragte voll Nachdruck: „Wer bin ich ? Woher komme ich ?“
„Das wissen wir nicht“, antwortete die Große Mittlerin unwirsch. „Wir kommen und gehen und brauchen nicht zu wissen, wer wir sind und woher wir kommen.“
„Eigentlich fühle ich mich sehr glücklich, wenn ich durch die Wüste fahre und meine Aufgabe erledige. Und doch fehlt mir etwas. Beständig sehne ich mich nach etwas und weiß nicht, warum. Bin ich denn nicht wirklich glücklich ?“
„Du denkst bloß zuviel nach. Das ist dein einziges Problem. Geht es dir nicht gut in unserer Gesellschaft, hast du nicht genug zu essen ?“
„Nein, nein, es geht mir gut, ich habe genug zu essen.“
„Hast du genug Kleider und Seife, um dich stets reinlich und sauber zu halten ?“
„Natürlich habe ich das.“
„Fühlst du dich krank, bist du müde ?“
„Nein, ich bin nicht krank, bin nicht müde.“
„Hast du deine Beschäftigung, deine Aufgaben ?“
„Ja, ja, das habe ich alles.“
„Gefällt dir deine Umgebung, hast du deine Freuden ?
„Ja, alles habe ich.“
„Und trotzdem fühlst du dich nicht glücklich ?“ fragte die Große Mittlerin höhnisch. „Das verstehe ich nicht.“
Cynthia senkte beschämt den Kopf: „Ich verstehe es auch nicht“, beteuerte sie. „Aber es ist so !“
„Du kannst nicht wirklich Probleme, Kummer oder Sorgen haben – denn alles ist zu deinem Wohl eingerichtet. Du brauchst dich um nichts zu kümmern und um nichts zu sorgen, du kannst einfach leben, unbeschwert und glücklich leben. Alles ist für dich geregelt.“
„Aber meine Fragen, die mich bedrängen ?“
„Was willst du denn eigentlich ? Was willst du mit deinen ewigen dummen Fragen ? Was willst du denn hören ? Was nützen dir all die Fragen ? Und was nützen dir Antworten, selbst wenn es die besten Antworten wären, die gegeben werden können ? Frage nicht länger, lebe doch einfach dein Dasein. Es ist dir alles gegeben. Nimm es einfach und frage nicht länger. Alles ist zu deinen Gunsten gelenkt.“
„Aber es bleibt so vieles in mir, das ich nicht erklären kann.“
„Warum musst du alles erklärt haben ? Was nützen dir alle diese Überlegungen und Erklärungen und Vermutungen ? Was nützt dir überhaupt Wissen ? Lebe und genieße dein Leben ohne alle Erklärungen. Je weniger du weißt, um so unbeschwerter kannst du leben. Das haben wir klar und eindeutig erkannt, und danach handeln und urteilen wir. Unser Gesetz schreibt unmissverständlich vor, dass wir nur zu unserem eigenen Wohl nicht fragen und denken sollen. Unser Gesetz will nur das Beste für uns.“
„Aber ich will Wissen haben, ich möchte wissend sein !“
Die Große Mittlerin musterte Cynthia voll Verachtung und Mitleid, verzog die geschminkten roten Lippen und belehrte: „Wissen verändert dein Dasein nicht, Wissen ist bloß eine unsagbar schwere Last, die man in früheren Zeiten glaubte tragen zu müssen. In der Dunkelzeit hat es die sogenannten Menschen gegeben, die ununterbrochen fragten. Sie sind an ihren Fragen gestorben, ausgerottet worden, haben sich selbst ausgerottet durch Fragen und Denken. Die Menschen der Dunkelzeit waren so dumm und hatten noch Schulen und Lehrer und Universitäten und Fakultäten, in denen sie versuchten, Wissen auf immer wieder neue Generationen zu übertragen, und Lernen und Bildung war überall üblich und bis zu einer gewissen Zeit hoch angesehen; alles wurde mit besonderen Schriftzeichen sorgsam aufgeschrieben und später mit Hilfe von komplizierten Druckmaschinen vervielfältigt und auf Datenträgern bewahrt und gespeichert und peinlich genau archiviert. Aber was nützte schließlich all dieses Papier und diese sogenannten Zeitungen und dickleibigen Bücher und Disketten und Discs und Sticks ? Längst haben wir auch diese verwirrend vielen Buchstaben, mit denen die Sprache aufgezeichnet wurde, verworfen, denn sind unsere Piktogramme nicht wesentlich einfacher verständlich und damit viel brauchbarer ? Wir haben mit all dieser überladenen Denkkrankheit radikal Schluss gemacht, nachdem wir den wahren Wert des Wissens erkannt hatten. Sogar ein Mann der Dunkelzeit mit dem Namen Mao Tse Tung sagte bereits unmissverständlich: ‚Je mehr Bücher ihr lest, um so dümmer werdet ihr.’ Jetzt leben wir in neuen, besseren, unbeschwerteren Zeiten.“
Begeistert und wie benommen hörte Cynthia gebannt zu und wagte schließlich zu fragen:„Gibt es noch mehr Wissen über diese Dunkelzeit ?“
„Wir haben erkannt, dass Wissen Leiden ist, eine endlose Folge von Leiden. Sei glücklich, dass du nicht wissend sein musst, dass du die Leiden des Wissens nicht zu tragen brauchst. Dafür sind jetzt andere da, andere nehmen dir alle Lasten ab, damit du unbeschwert leben kannst, glücklich und frei von allen Belastungen. Andere opfern sich für dich, tragen die Lasten für dich. So erfülle doch auch du deine Aufgabe, indem du einfach dein Leben annimmst, ohne weiter zu fragen.“
Doch Cynthia fragte begierig: „Darf ich mehr über diese Dunkelzeit wissen ?“
Da starrte sie die Große Mittlerin unverhohlen zornig an und schlug mit der geballten Faust auf den Tisch, atmete heftig und warf den Kopf unwilig in den Nacken.
Cynthia zitterte und preßte beide Hände vor den Mund.
Aber da erklärte die Große Mittlerin besänftigend ruhig: „Schluss jetzt mit deinen Fragen. Ich bin ohnehin schon viel zu weit in meinen Erklärungen gegangen.“ Und sie fügte nachdenklich hinzu: „Aber da hast etwas an dir, was mich reden lässt.“
Es war nun lange still. Cynthia wusste nicht, ob sie gehen dürfte; sie wagte nicht, die Große Mittlerin anzusehen.
Endlich seufzte die Große Mittlerin und wolte wissen: „Du bist doch sehr beliebt und hast sicherlich guten Umgang mit deiner Generation und all den anderen, nicht wahr ?“
Cynthia blickte erleichtert auf und nickte.
„Bist du auch gut mit einer Erweckten namens Clarissa ? Sie soll eine Menge Kontakte haben, sogar zu den anderen Generationen.“
„Ich treffe sie öfter im Refektorium.“
„Und die Erweckte Cäcilia ?“
Cynthia errötete, antwortete beflissen: „Beim gemeinsamen Essen plaudern wir manchmal miteinander.“
„Hat sie tatsächlich so eigenartige Blutungen zwischen den Schenkeln ? Und was soll denn das sein: Schmetterlinge im Bauch ?“
Cynthia wagte zu lachen: „Muss ich denn das alles wirklich beantworten ? Ich weiß doch gar nichts Genaues …“
Da sprang die Große Mittlerin auf und herrschte Cynthia wütend an: „Sage mir, hat sie Blutungen ?“
„Ich weiß nicht“, stammelte Cynthia.
„Aber sie hat damit doch geprahlt. Kannst du wenigstens das bestätigen ?“
Cynthia nickte bedächtig. „Aber ist das etwas Ungewöhnliches, das irgendwelche Folgen haben kann ?“
Streng und hart stellte die Große Mittlerin klar: „Hier frage nur ich, und du gehorchst, nach bestem Wissen und Gewissen. Ist dir das endlich klar ?“
Cynthia überlegte, ob sie sich nicht offen endlich auch über ihre eigenen Blutungen erkundigen sollte. Aber sie hatte nicht den Mut dazu.
Die Große Mittlerin sah sie aufmerksam und durchdringend an: „Verheimlichst du mir vielleicht etwas ?“
Cynthia zögerte, schwieg. Endlich schüttelte sie den Kopf. „Nein“, beteuerte sie, „nein, ich verheimliche nichts.“
„Ich möchte dich gerne recht bald wieder sehen“, erklärte die Große Mittlerin langsam und hob den Kopf. „Du gefällst mir, und ich bin sicher, dass wir noch viel miteinander zu besprechen haben. Bist du einverstanden ?“
Cynthia nickte heftig: „Ja, natürlich bin ich einverstanden. Zu jeder Zeit.“
„Das möchte ich auch hoffen. Du hast beste Eigenschaften, Cynthia. Sieh dich gut in deiner Umgebung um, ich werde dann einige Fragen an dich stellen. Wenn du weiterhin so tüchtig bist, hast du vielleicht eine große Zukunft vor dir.“
Und auf den entschiedenen Wink der Großen Mittlerin stand Cynthia gehorsam auf.
Die Große Mittlerin lächelte: „Für deine drei wirklich tollen Trophäen habe ich bereits eine besondere Überraschung vorbereitet, die dir gefallen wird. Du hörst wieder von mir.“
Damit wandte sich die Große Mittlerin um und verließ den Saal mit festen Schritten.
Cynthia starrte ihr verwirrt und regungslos nach und blieb so lange stumm wie angewurzelt stehen, bis sie von einer Ordnungshüterin streng verwiesen und nach draußen gebracht wurde.
in dem wir einiges über sittsame Wendepunkte des Wollens erfahren
Am Checkpoint wurde ihr diesmal der orange Eliminator zugeteilt. Sie fühlte sich müde und zerschlagen, als sie die Fahrt aufnahm.
Die Dünen im Wechselspiel von Licht und Schatten, das Knirschen des Sandes unter den Rädern, die flimmernde Weite bis zum Horizont. Ich muss jetzt zur Ruhe kommen, sagte sie sich, es muss ganz still in mir werden, ich darf mich nicht mehr gehen lassen.
Sie war jetzt sehr aufmerksam und sah den Körper schon aus ziemlicher Entfernung, fuhr bedächtig auf ihn zu. Der Körper lag offen auf einem kleinen Plateau, rings herum hatte der Wind seine Muster in den Sand geweht.
Erst begann sie mit der vorgeschriebenen Prüfung, und der Körper reagierte bereits, als sie kurz über ihre Brüste zu streicheln begonnen hatte. Dann berührte sie rasch die Piktogramme. Zwar war dieser Körper von ungewöhnlich großem Volumen, aber mühelos konnte sie am Monitor den Schwierigkeitsgrad der Zerkleinerung regulieren, so dass schließlich alles problemlos ablief.
Sie fuhr einfach weiter. Es war ihre Pflicht, einfach weiter zu fahren. Und vielleicht kann ich meine tiefe Leere überwinden, wenn ich meine Pflicht ganz und gar und sorgfältig und großartig und immerzu vorbildlich erfülle, dachte sie. Ich darf mich nicht verlieren, ich muss darauf besonders achten, mich nicht zu verlieren. Alles wird sicherlich besser, wenn ich mich endlich in der Hand habe.
Da lag wieder ein Körper, unmittelbar hinter der Kurve am sanften Anstieg der Düne. Sie musterte ihn mit zusammengekniffenen Augen und näherte sich ihm vorsichtig.
Sie begann ihre Standardpflicht des Überprüfens, indem sie langsam von ihrem Jagdsitz aufstand und sich hoch aufrichtete, voll und deutlich sichtbar für den Körper. Sie drückte ihren Brustkorb kräftig heraus und streichelte mit der rechten Hand über ihre Brüste. Der massive Körper zeigte keinerlei Wirkung. Sie streichelte und knetete ihre Brüste heftiger. Keine Regung des Körpers.
Zornig riss sie sich das dünne Hemdchen vom Leib, stand mit nacktem Oberkörper da. Nichts. Sie beugte sich etwas vor, um in das Gesicht des Körpers zu sehen. Der Körper hatte die Augen geschlossen. Sie fauchte vor Wut. Der Körper öffnete die Augen. Mit einer einzigen, raschen Bewegung riss sie sich die knappe Short herunter, zeigte das schmale Dreieck ihres eng anliegenden weissen Höschens, triumphierte, als sich die Augen des Körpers weiteten.
Langsam begann sie zwischen ihren Schenkeln zu reiben. Der Körper sah ihr zwar zu, zeigte aber nicht die Reaktion, die er zeigen müsste, so wie sie es im Meeting nachdrücklich erfahren hatte. Erst wenn diese Reaktion eindeutig und unmissverständlich erfolgt war, durfte sie den Körper den Vorschriften entsprechend weiter behandeln.
Weinerlich seufzte sie, stampfte mit dem Fuß auf, rieb sich schneller, ließ ihre Hand unter das Höschen gleiten und rieb heftig. In der Mitte des Körpers entdeckte sie keinerlei Anzeichen.
Sie schaute dem Körper in die Augen. Die Augen sahen sie unvermittelt an, sie hatte noch niemals einen solchen Blick erlebt. Sie hielt an, stand auf einmal reglos da und schaute dem Körper in die Augen. Sie schaute dem Körper in die Augen, ohne atmen zu können. Und plötzlich spürte sie in ihrem Unterleib ein Schwirren. Wie Schmetterlinge im Bauch, dachte sie überrascht und erstaunt und voll Glück.