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TÖDLICHE LEIDENSCHAFT Unverhohlene Lust an haltloser Hingabe, Flucht vor Einsamkeit und Verachtung der Zärtlichkeit. Im unbewältigten Schmerz des Lebens ist Liebe längst vergessen. Gier und Langeweile, Egoismus und Selbstsucht bestimmen den Taumel der Suche nach Glück und Erlösung - bis hin zur unaufhaltsamen Katastrophe. Sie liebt nicht - und möchte doch so geliebt werden, wie sie sich das vorstellt und ersehnt. Er ist gleichgültig und bedenkenlos - und braucht doch die Geborgenheit und Wärme des Zusammenseins. Unter der heißen Glut der Sonne in einem schalen spanischen Urlaubsort prallen sie in einer Atmosphäre des lockeren Nichtstuns schicksalshaft aufeinander. Sie lassen sich treiben, bis sie sich bewusst werden, dass sie sich selbst ausgeliefert sind, nicht mehr über sich selbst bestimmen können. Im Feuer des Flamencos und in der Hitze der Nachmittage in der Arena zeigt zudem der Tod beim Stierkampf seine betäubende Faszination. Tod und Leben verbinden sich zu einer grausamen Harmonie von Leiden und Verzweiflung, verstricken Begehren und Erwartungen in ein unauflösbares Netz einer Erfüllung, die sie aber letztlich doch nicht annehmen wollen. Was bleibt, wenn man Liebe nicht erkennen kann, wenn man haltlos und resignierend an ihr vorüber geht ? Harte, brutale Realität und zartes, empfindsames Verstehen finden sich in diesem Zeugnis unbeirrbaren Suchens. In Bildern krasser Wahrheit und unvergesslicher Intensität rollt diese Geschichte des ungezügelten Lebens packend und abstoßend, ernüchternd und besinnend ab.
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Seitenzahl: 167
Veröffentlichungsjahr: 2013
TÖDLICHE LEIDENSCHAFT
Unverhohlene Lust an haltloser Hingabe, Flucht vor Einsamkeit und Verachtung der Zärtlichkeit. Im unbewältigten Schmerz des Lebens ist Liebe längst vergessen. Gier und Langeweile, Egoismus und Selbstsucht bestimmen den Taumel der Suche nach Glück und Erlösung - bis hin zur unaufhaltsamen Katastrophe.
Sie liebt nicht - und möchte doch so geliebt werden, wie sie sich das vorstellt und ersehnt. Er ist gleichgültig und bedenkenlos - und braucht doch die Geborgenheit und Wärme des Zusammenseins. Unter der heißen Glut der Sonne in einem schalen spanischen Urlaubsort prallen sie in einer Atmosphäre des lockeren Nichtstuns schicksalshaft aufeinander. Sie lassen sich treiben, bis sie sich bewusst werden, dass sie sich selbst ausgeliefert sind, nicht mehr über sich selbst bestimmen können. Im Feuer des Flamencos und in der Hitze der Nachmittage in der Arena zeigt zudem der Tod beim Stierkampf seine betäubende Faszination. Tod und Leben verbinden sich zu einer grausamen Harmonie von Leiden und Verzweiflung, verstricken Begehren und Erwartungen in ein unauflösbares Netz einer Erfüllung, die sie aber letztlich doch nicht annehmen wollen.
Was bleibt, wenn man Liebe nicht erkennen kann, wenn man haltlos und resignierend an ihr vorüber geht ?
Harte, brutale Realität und zartes, empfindsames Verstehen finden sich in diesem Zeugnis unbeirrbaren Suchens. In Bildern krasser Wahrheit und unvergesslicher Intensität rollt diese Geschichte des ungezügelten Lebens packend und abstoßend, ernüchternd und besinnend ab.
„Was ist denn schon
Erinnerung ?“
„Wie Edelmetall
an der Börse.“
Für Rosmarin,
meine geliebte Frau.
Sie gibt mir alles,
was sie bekommen hat.
CHRISTIAN SCHOLZ
Spanischer Sommer
EIN BERICHT
INHALTSVERZEICHNIS
Donnerstag 14. August
Freitag 15. August
Samstag 16. August
Sonntag 17. August
Montag 18. August
Dienstag 19. August
Mittwoch 20. August
Donnerstag 21. August
Freitag 22. August
Stierkult
Kult. Verehrung des Stiers v. a. im Alten Orient als Symbol von Gottheiten auf Grund seiner Stärke, Wildheit und Zeugungskraft. Charakteristisch hierfür war die altägypt. Verehrung des Apis-, Mnevis- und Buchisstiers. Im alten Iran stand die rituelle Tötung des Stiers im Mittelpunkt nächtl. Opferfeiern, die in der Spätantike dann vom Mithraskult tradiert wurde. Stierblut wurde in den Mysterien der Kybele beim Vollzug eines Taufritus verwendet. Als bevorzugtes Opfertier galt der Stier in Mesopotamien, Syrien und Kleinasien sowie in der kanaanäischen Umwelt des AT. Stierkampf (span. Corrida de toros), im alten Ägyten, in Mesopotamien und später bei Mauren Südspaniens bekannter Kampf von Menschen mit Stieren.
MEYERS GROSSES UNIVERSALLEXIKON,
letztgültige Ausgabe 1981 - 1986
Bibliographisches Institut AG,
Mannheim, Wien, Zürich
„Denn jeder tötet,
was er liebt;
der Feige tut es
mit dem Kuss,
der Stolze
mit dem Stahl.“
OSCAR WILDE
ER LEHNTE MIT DER SCHULTER an einem der Baumstämme, die Hände in den Hosentaschen, blickte hinüber auf die Nachbildung der Santa Maria. Vom Kai her rief ihm der Mann mit offenem Hemd etwas zu und deutete auf den Hafen, beschrieb mit dem Arm einen weit ausholenden Bogen. Er schüttelte den Kopf. Der Mann schrie nochmals und machte eine einladende Geste, nickte auffordernd, ermunternd, wartete, schrie herüber. Zuckte die Achseln, wandte sich ab. Drehte sich nochmals herum und rief. Gab es schließlich auf und stieg in sein passagierloses Boot.
Er lehnte am Stamm und blickte hinaus auf den Hafen. Fünf, sechs Boote, verschwommene Konturen, helle Farbflecken, Bilder.
Herbstregen am Meer. Die Barbesitzer hatten die Fenster ihrer dürftigen Lokale mit Brettern vernagelt, kein Leben mehr am Strand. Hundert Meter hinter den Hotelfassaden verschlammte Erde und klebriges Gras, das sich an den Schuhen verfing.
Die Wassergräben zu beiden Seiten des Wegs gingen über, der Wirt in der Pension war anfangs mürrisch, dann von Tag zu Tag freundlicher, obwohl man sich gegenseitig kaum verstand, sich nicht wirklich unterhalten konnte. Er hatte dem Wirt eine Zigarette angeboten, der hatte abgelehnt, sich aber zu ihm gesetzt, an den kleinen Tisch, von dem der dunkelblaue Lackanstrich abbröckelte.
Nach der Zigarette war ihm schlecht geworden, er hatte seit zwei Tagen kaum etwas gegessen, er entschuldigte sich und war auf sein Zimmer gegangen. Er hatte sich doch nicht übergeben, wie er fürchtete, er legte sich einfach auf das Bett, starrte zur Decke, dachte nach und begann erneut zu rauchen.
Später klopfte der Wirt an, schob den Kopf herein, bedeutete gesellig, mit einem Glas Rotwein in der Hand, ob er nicht trinken wolle. Er war aufgestanden, mit dem Wirt nach unten gegangen, sie hatten sich wieder an den Tisch gesetzt, und der Wirt ließ ein Glas für sich bringen und eine Flasche Rotwein. Sie gestikulierten vom Meer, vom Wetter, von der vergangenen Saison. Am Abend war ein wirklich sehr hübsches Mädchen in sein Zimmer gekommen, vom Wirt geschickt, Signore Perucci.
Sie selbst hieß Alice, wie sich herausstellte, jung, hübsch. Er war zum Fenster getreten, hatte hinausgeblickt und schweigend geraucht. Dann hatte er sich jedoch plötzlich umgewandt und hatte sie genommen, ohne ein Wort zu sagen. Er wollte sie bezahlen, doch sie machte sofort ein todernstes, abwehrendes Gesicht, schüttelte entschieden den Kopf. Küsste ihn schließlich flüchtig und ging. Er ließ sich zurück auf die schmutzigen Decken fallen und griff nach dem Zigarettenpäckchen.
Einen Tag später verließ er die Pension und stieg in den nächstbesten Zug, endlose Bahnfahrt. In den Süden. Er schlief oder dämmerte vor sich hin. Er dachte, er sei krank. Kurz vor Rom bot ihm jemand eine Branntweinflasche an. Er machte einen riesigen Schluck und brachte das Zeug nur mit Mühe hinunter, der fette Reisende gegenüber grinste, nahm die Flasche zurück und verschloss sie sorgfältig.
Als sie draufkamen, dass sie beide kümmerlich Französisch konnten, unterhielten sie sich und radebrechten mit gewissen Schwierigkeiten über Bahnfahren und Reisende, über Italien im allgemeinen, Politik, Wirtschaft, Kunst, der Mann musste so etwas wie Industrievertreter sein, jetzt eine Menge zu tun, der Gestik nach zu schließen. Familie in Milano, bella, fünf Kinder, soviel verstand er, Mamma hatte Roma so sehr geliebt, jetzt tot (?), eines der Bambini schrecklich krank, Wetter in der letzten Woche scheußlich, fürchterlich freddo.
Die Schulter schmerzte. Er richtete sich auf und ging die paar Schritte hinüber zur Andenkenbude. Ansichtskarten, Schlüsselanhänger, Kugelschreiber, Toledoarbeiten, Trachtenpüppchen. Jemand ergriff seinen Arm.
„Sind wir nicht Landsleute ?“
Er drehte sich um.
Der Mann vor ihm lächelte, sagte, er habe nämlich eine große Bitte, lächelte mit starrem Gesicht, er wolle auf den Tibidabo, er habe ihn schon öfter am Strand gesehen, er sei meist am Vormittag dort.
Er antwortete nicht und sah den Mann an.
Man sähe ihn immer gleich nach dem Frühstück.
„Sind Sie sicher ?“
„Und wohnen im Don Pancho !“
„Ausgezeichnet.“
Er sei ihm richtig aufgefallen.
Er wandte sich ab.
Der Mann lief ihm eilig nach, man müsse sich natürlich erst einmal vorstellen, entschuldigte er sich verlegen, er heiße Robert, Robert sei sein Name.
Er blieb abrupt stehen und sah dem Mann ins Gesicht.
Robert lächelte verbindlich und errötete und bat zögernd, umständlich, mit viel Handbewegung, vielleicht könne er ihm sagen, wie er von hier aus auf den Tibidabo komme.
„Nehmen Sie ein Taxi. Der Fahrer weiß alles.“
Sie gingen nebeneinander.
Ob es nicht auch eine Metro dorthin gäbe.
„Nehmen Sie die Metro.“
Robert schwieg, versuchte Schritt zu halten, meinte dann plötzlich, es sei ganz wahnsinnig heiß heute, nicht?
Er lächelte.
Robert setzte fort, man solle bei so großer Hitze auch nicht gerade in eine solche Stadt fahren.
Er blieb am Straßenrand stehen und schaute nach links. Ein Lastwagen, blaue, graue, schwarze Autos, dann ein Taxi. Er riss die rechte Hand hoch und winkte heftig. Das Taxi blieb vor ihnen stehen, um die Mitte der gelbe Streifen im schwarzen Feld.
„Da haben Sie Ihr Taxi auf den Tibidabo“, sagte er.
Robert sah ihn verblüfft an. Senkte den Kopf, schüttelte den Kopf, sagte, er habe es sich überlegt, er wolle jetzt nicht auf den Tibidabo.
„Dann nicht.“ Und er öffnete den Schlag, setzte sich, schlug die Tür zu, sagte zum Fahrer „Plaza de Cataluña“, grinste aus dem Fenster und winkte dem anderen zu.
Das Taxi ordnete sich in den Verkehrsstrom ein. Er sank tief zurück in die Polsterung. Er schloss die Augen, hörte die dröhnenden Geräusche der Straße, zerflatternden Lärm. Verwischte Stimmen an einer Kreuzung. Er dachte an das Mädchen, ihre Lippen, ihren Körper, ihre Stimme. Wie sie ging und wie sie lachte. Er erinnerte sich an sie. Wie sie ihn rief und wie sie etwas sagte. Wie sie ihm etwas zeigte, weit entfernt, laut lachte, den Arm gerade ausgestreckt. Undeutliche Kreise und Linien und Punkte vor seinen Augen, in ständiger Bewegung, in Aufruhr.
In der Sonne war es warm. Farben auf den Beeten, Grün des Grases, der knirschender Sand unter seinen Füßen, der abbröckelnde Anstrich auf den Bänken, sämtliche Bäume in peinlichgenauer Ebene beschnitten, kaum Leute auf den Wegen. Er setzte sich. Das leere Bassin des Brunnens. Dunkle Verästelungen und Risse im verbrauchtem Stein. Er zündete sich eine Zigarette an und steckte die Packung und die Zündhölzer in die Manteltasche, nahm einen tiefen Zug, beobachtete den Rauch und schloss die Augen, lehnte sich zurück.
Ein Windstoß und das Zerren an seinem Mantel. Die Asche der Zigarette war auf den Stoff seiner Hose gefallen. Er putzte sie sorgfältig weg, es blieb ein grauer Fleck. Er starrte auf die Glut der Zigarette. Das Rot unter dem Verglimmten, brauner Rand gegen das weiße Papier, der dünne Faden Rauch, der nie stillstand, doch, jetzt, und wieder bewegt und kringelnd und zerstoben und aufgelöst. Und dann war die Glut verschwunden, und er schnippte die Asche herunter und beobachtete von ganz nahe. Rauch brannte in seinen Augen. Und er hielt den Daumennagel vor dıe Glut und dıe Augen voll Rauch, und er empfand dıe Wärme der Glut, und er blinzelte mit den Augen, und die Glut wurde heiß auf dem Nagel, Asche fiel auf seıne Kleidung, er presste die Glut gegen den Nagel, stöhnte tief auf und ließ dıe Hände sinken. Schwebte schwerelos. Dann empfand er Schmerz, mit dem Handrücken säuberte er Mantel und Hose, zog seın Taschentuch heraus und putzte über den Daumennagel. Zuckte zusammen. Dann stand er auf und verließ den Park. Gleichgültig.
Schrılle, grelle Musik aus den Lautsprechern, vibrierende, stampfende, träge Körper, ihre schweißnasse, nahe Haut eingekeilt zwischen den anderen, der sinnliche Geruch ihres Haars, Gitarre, der Sänger, Rhythmus, zwischen ihren Brüsten Schweißtropfen, er drückte das Gaspedal durch und warf den Kopf zurück, ihr Haar flatterte im Fahrtwind, die Augen halb geschlossen, er nahm die Kurve, bremste abrupt, sie fiel nach vor, er küsste sie heftig, du bist ein Narr, sagte sie und setzte sich voll Angst zurecht, er gab Gas, und sie fiel nochmals hart nach vor, und er lachte und schrie, ich liebe dıch, ich lıebe dich, ich liebe dich so sehr, und die Reifen surrten, Kurven, das Aufjaulen des Motors, die Straße holprıg, Holzumzäunungen der Wiesen, die Scheinwerfer voll aufgeblendet, neben dem Straßengraben weiß aufleuchtende Kılometersteıne, er schaltete das Radıo an, ein Klavierkonzert, sie hielt sich am Sitz fest, der Orchestereinsatz, er schrie laut auf und schrie mit dem Orchester mit, schrie gegen die Musik, Kurven, weit vorne blendende Leuchtreklame, Schreien und Musik, der harte Aufprall, der höllische Lärm und das Zerschmettern des Autos, Trümmer, Gestank, das rote, grüne, zuckende Licht, ihre wippenden Brüste tanzten im Rhythmus, die Hüften kreisten, sie keuchte, beugte sich vor, küsste ihn schallend, sie tanzten weiter, tosende Musik, ihr Abendanzug ließ den glatten Bauch und den kreisenden Nabel frei, er war in den Tunnel gerannt und keuchte und taumelte und tastete sich vorwärts, stolperte, riss sich Haut an den Händen und im Gesicht auf, wankte weiter, fiel, rannte, keuchte, lehnte sich an die Wand und wartete, legte sich auf den Boden, atmete laut, sprang auf und lief weiter in den Tunnel, gehetzt, hörte die Geräusche des Zuges leise hinter sich, blieb stehen, lauschte angestrengt, zitterte am ganzen Körper, ließ sich plötzlich fallen, sprang wieder auf, hastete weiter, stolperte und schlug gegen die Wand, der Tunnel begann laut zu dröhnen, er keuchte heftig, lief, lief vorwärts, das Dröhnen schmerzte, er presste die Handflächen gegen die Ohren, Lichtschein, das Dröhnen in seinen Ohren wurde unerträglich, sie schmiegte sich an ihn, und er fühlte ihre vibrierenden, feuchten Schenkel, ihre Zunge, sie lachte wild auf, stampfte im Rhythmus, weiße Zähne hinter den weit geöffneten Lippen, zurückgeworfener Kopf, ihr Körper zuckte, er setzte sich lässig auf den Hocker in der Küche und wickelte Rasierklingen aus, er hatte gleich vier Packungen gekauft, schob die Papierfetzen fort und schenkte sich Whisky ein, trank, schob den Hemdsärmel hinauf, nahm eine Klinge und presste die Finger der linken Hand zur Faust, beobachtete die Adern, strich mit der Fingerspitze leicht darüber, setzte die Klinge an und öffnete die breite Ader, starrte teilnahmslos auf das Blut, er öffnete die Faust, und weniger Blut drang nach, er schloss die Faust wieder, krampfte die Finger zusammen, schnitt andere Adern auf, zuckte plötzlich zusammen und warf die Klinge von sich, presste Zunge und Lippen auf die Wunde, nahm gleichgültig eine neue Klinge und schnitt weiter, ließ den Arm endlich hängen und trank das Glas mit dem Whisky leer, schenkte sich neu ein und prostete sich laut zu, schnitt die Adern des rechten Armes auf, zitterte und konnte die Klinge nicht gerade führen, versuchte, die Adern aufzuschlitzen, lächelte, ihr Körper drängte sich an seinen, seine Hand auf ihrer Hüfte glitt hinab, langsame, schwüle Musik, düstere Beleuchtung, die Hitze zwischen ihren Schenkeln, ihr schrilles, wildes Lachen, die glatte Haut ihres Bauchs, ihre Bewegungen, sie presste den Unterleib gegen ihn, ihr Keuchen und Aufschreien, er beugte sich halb über das Brückengeländer und spuckte ins Wasser, die träge braune, sich wälzende Masse, er zündete sich eine Zigarette an und warf die halbvolle Packung mit einer plötzlichen Bewegung in die Fluten hinunter, beugte sich nochmals über das Geländer, streckte den Arm mit dem Feuerzeug weit hinaus, löste die Finger, das Feuerzeug fiel in die Tiefe, er sah sich um, die Brücke völlig leer, er kletterte auf das Geländer, balancierte, nahm einen tiefen Zug aus der Zigarette, warf die Zigarette in hohem Bogen auf die Straße, schwankte und verlor das Gleichgewicht, Wind in seinem Gesicht, sie strich sich das Haar aus der Wange und zwinkerte ihm zu, schrille Musik, betäubender, bizarrer, zermürbender Rhythmus, Schweiß auf ihrem Nabel, sie lachte, küsste ihn mit weichen, feuchten Lippen, ihre Brüste, die Haut, der Geruch ihres Körpers, aufwühlende, harte verzerrte Klänge, sie warf den Kopf zurück, Haar auf ihren zuckenden Schultern, weit geöffnete Lippen, geschlossene Augen, keuchender Atem, Rhythmus, ihre Hand lag auf seinem Geschlecht.
Er schreckte hoch, als der Fahrer scharf hielt. Der Fahrer blickte ihn an. Er wühlte in der Hosentasche und gab ihm einen Geldschein. Der Fahrer nickte freundlich und sagte etwas, das er nicht verstand. Er murmelte hastig „Adios“ und stieg aus.
Er bog ab in die Seitengasse, blieb vor Auslagen stehen, Bonbons, Torten, dann Bücher, Zeitschriften, Bekleidung, Hausrat, er schlenderte weiter, beide Hände in den Hosentaschen vergraben. Die Passanten. Gedrungene Gestalten, verschlossene, mürrische Gesichter, stumpfe Blicke. Kaum Frauen. Vor ihm das Café.
Schatten unter der Plane. Er nahm an einem der leeren Tische Platz. Begann zu rauchen, bestellte Coca-Cola. Sah auf die Autos, die in der Hauptstraße vorbeiglitten. Am Tisch nebenan diskutierten Spanier. Das amerikanische Ehepaar besetzte den Tisch vor ihm. Der Kellner kam sofort, und der Amerikaner wünschte Wein, sie Eis. Sie hatten Schwierigkeiten bei der Bestellung, und der Kellner deutete immer wieder auf die große, silbrigglänzende Espressomaschine im Innern des Lokals. „Da bin ich wieder !“
Er blickte auf. Robert stand mit hängenden Schultern vor ihm. Verlegen. Fragte schüchtern, ob er sich setzen dürfe.
Er musterte ihn spöttisch. Rauchte. Zuckte die Achseln.
Robert rückte den Stuhl umständlich zurecht. Bekam ein rotes Gesicht. Setzte sich, legte die Ellbogen auf den Tisch. Verschränkte die Finger ineinander.
Er stieß die Zigarettenpackung zu ihm hinüber. Blickte auf die Straße, auf die Touristen, die am Café vorbeigingen und manchmal herübersahen. Autos auf der Hauptstraße vorne. Ein kleiner Junge an der Hand seiner Mutter.
Robert schob den Kopf vor.
Der Kellner kam, Robert deutete rasch auf die Coca-Cola-Flasche, der Mann nickte flüchtig und verschwand.
Robert: „Ich muss mich entschuldigen. Aber ich wollte bloß einmal mit Ihnen ins Gespräch kommen.“
Die Spanier diskutierten sehr heftig, und er versuchte ihr Thema herauszufinden. Der Mann mit dem einfältigen Gesicht nickte immer, nickte bedeutungsschwer und hob jedes Mal sein Glas und trank. Der Mann, von dem er nur den Rücken sah, sagte etwas, worauf alle verstummten. Er hatte nicht verstanden, was gesagt worden war. Er wünschte, sie mögen vom Tod sprechen, von der Leidenschaft zum Tod, von der Melancholie des Todes, von den Stieren, die stellvertretend starben. Der Mann mit dem einfältigen Gesicht trank.
Robert sagte: „Sie sollten wirklich kommen.“
Er sah ihn an.
„Hören Sie mir nicht zu ?“
Er musterte ihn.
„Ich meinte, vielleicht hätten Sie Lust, heute Abend in das Lokal in der alten Festung zu kommen. Wir sind um elf Uhr dort. Nach dem Abendessen.“
Der Spanier, der bisher geschwiegen hatte, sagte leise etwas. Der vierte Mann murrte und hob den Arm, erstarrte in der Geste, sah den Sprecher herausfordernd an. Der Mann mit dem einfältigen Gesicht lachte laut heraus, wurde ganz ernst, öffnete den Mund, als wolle er etwas sagen, setzte aber ab. Hob resigniert das Glas.
Er blickte Robert lächelnd an.
„Ich wollte Sie wirklich nicht überfallen oder unhöflich sein“, beteuerte Robert.
Die Amerikaner bezahlten. Der Kellner nahm das Geld gleichgültig, nickte, als er Trinkgeld bekam, stellte das Glas und den leeren Becher auf das Tablett, nahm alles in die linke Hand, wischte mit dem Tuch über den Tisch, sah auf die Straße, trug das Tablett hinein zur Theke. Wechselte ein paar Worte mit dem Mann hinter der Theke.
„Um elf Uhr“, sagte Robert eindringlich.
„Machen Sie schon lange Urlaub hier ?“ fragte er.
Robert wiegte den Kopf, erklärte, es sei leider kein richtiger Urlaub, wäre zu schön, er sei hier für einige Wochen im Auftrag seiner Firma eingesetzt.
„Und da kennen Sie nicht einmal den Tibidabo ?“
Robert sah ihn hilflos an.
Den Platz, auf dem die Amerikanerin gesessen war, nahm ein junger Bursche ein, rief nach dem Kellner, schlug die Beine übereinander, entfaltete die Tageszeitung, die er aus der Sakkotasche geholt hatte, begann zu lesen.
Er sah Robert an.
Robert hielt das Glas in der Hand, setzte es ab, lächelte. Sagte: „Ich habe mich vorgestellt – und wie heißen Sie ?“
„Mark.“
Der Spanier mit dem Rücken zu ihm sprach. Er hörte zu, aber er konnte ihn nicht verstehen. Mögen Sie endlich über den Tod sprechen, wünschte er, von den glühenden Nachmittagen, von den verdorrenden Feldern, von Liebe und Tod, von der Hingabe zum Tod. Er wünschte es sich. Der Mann mit dem einfältigen Gesicht hatte eine breite Narbe seitlich am Hals.
„Wahrscheinlich bin ich Ihnen nur ungeheuer lästig, Mark“, bemerkte Robert. „Sagen Sie es ruhig. Ich tauge nicht für Gesellschaft. Aber Sie gefallen mir so sehr, dass ich Sie einfach ansprechen musste.“
Der Kellner brachte dem Mädchen eine üppige Eisportion, sah über sie hinweg, blickte zu der diskutierenden Gruppe, schlug nachdenklich mit dem Tablett gegen seinen Oberschenkel, musterte flüchtig alle Tische.
Er winkte dem Kellner, kramte ein paar Münzen aus der Hosentasche, bezahlte.
„Um elf Uhr“, sagte Robert leise.
Er langte nach Zigarettenpäckchen und Feuerzeug, steckte beides ein. Stand auf.
„Es tut mir leid“, beteuerte Robert. Blasses Gesicht. „Es tut mir wirklich leid.“
Mark lachte. Ging am Tisch der Spanier vorbei. Der Kellner grüßte, er nickte zurück. Blickte auf die Uhr. Ein beleibter Herr kam ihm keuchend entgegen. Der Autobus würde in neun Minuten abfahren.
Vorne ein Gewimmel von Touristen. Er stellte sich an die Schlange der Wartenden. Zwei ziemlich stark geschminkte Mädchen in engen Hosen tuschelten und plapperten durcheinander. Der Mann mit dem schmalem Bart über der Lippe und Stadtplan in der Tasche sah nervös umher.
Er bekam einen guten Sitzplatz ganz hinten. Er kauerte sich zusammen. Stimmengewirr. Schließlich fuhr der Bus ab. Neben ihm ein aufgedunsener Mann mit Zeitung. Die öden Häuserfronten glitten vorüber.
Das Paar vorne unterhielt sich halblaut. Er schloss müde die Augen. Das Paar flüsterte miteinander.
Da war das Mädchen, mit dem er lachend die Sokratous hinaufgegangen war. Sie kam auf ihn zugelaufen, den Kopf zurückgeworfen, wehendes Haar, ihr ganzer Körper tiefbraun,