Aborigines Gestern und Heute - Sabine Koch - E-Book

Aborigines Gestern und Heute E-Book

Sabine Koch

0,0

Beschreibung

Dieses Buch ist für Australien-Reisende geschrieben. Die heutigen Probleme der Aborigines wie Alkoholmissbrauch, Gewalt in den Familien, Kriminalität, hohe Arbeitslosigkeit, etc. bilden den Schwerpunkt des Buches. Die aufgezeigten geschichtlichen, religiösen, und sozialen Hintergründe, im Kontext mit den Denk- und Verhaltensweisen der Aborigines, machen die Probleme verständlich. Die Maßnahmen der Regierung und ihre Folgen werden erläutert, Lösungsansätze aufgezeigt. Neutrale, wertefreie Informationen wie Statistiken und Gesetzestexte werden durch Zeitungszitate, Artikelauszüge aus Fachmagazinen und die Meinung der Autoren ergänzt. Abgerundet wird das Buch mit Empfehlungen für den Umgang mit Aborigines im Reisealltag. Das Wissen um deren Moralvorstellungen, Anstandsregeln, religiöse Sitten und Gebote baut verbreitete Vorurteile ab und gibt eine Orientierungshilfe, die dem Reisenden einige Fettnäpfchen erspart.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 160

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Sabine & Burkhard Koch

ABORIGINES GESTERN UND HEUTE

Gesellschaft und Kultur im Wandel der Zeiten

IMPRESSUM

Aborigines gestern und heute

Gesellschaft und Kultur im Wandel der Zeiten

Sabine & Burkhard Koch

Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek

Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der deutschen Nationalbibliografie.

Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar

© 2014360° medien gbr mettmann | Nachtigallenweg 1 | 40822 Mettmann

www.360grad-medien.de

Das Werk ist in allen seinen Teilen urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig. Dies gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung sowie Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Der Inhalt des Werkes wurde sorgfältig recherchiert, ist jedoch teilweise der Subjektivität unterworfen und bleibt ohne Gewähr für Richtigkeit, Vollständigkeit und Aktualität.

Redaktion und Lektorat: Jenny Menzel, Andreas Walter

Satz und Layout: Serpil Sevim

1. digitale Auflage: Zeilenwert GmbH 2015

Bildnachweis:

Alle Bilder von Sabine und Burkhard Koch außer den im Folgenden mit Seitenzahlen angegebenen: S. 17 unten: Herbert Basedow, pd; S. 19: W. W., pd; S. 20 oben: Nachoman-au, cc; S. 21 Kr.afol, cc; S. 26: Michael Ripoll, Free Art License; S. 28 Adrian Barnett, pd; S. 29 und S. 30: Tommy McRae, pd; S. 32: Charles Henry Kerry, pd; S. 40: Shiftchange, pd; S. 41: Joan Woodard, pd; S. 45: Steve Evans, cc; S. 46: Stuart Sevastos, cc; S. 47: Lludo, cc; S. 48: Andreas Walter; S. 49: unknown, pd; S. 50 Robert Merkel, pd; S. 51: Nationaal Archief Fotocollectie Anefo, cc; S. 56: Kerry Trapnell; S. 58 Tourism Australia; S. 64: Magnus Manske, pd; S. 65 oben: J.M. Donald, pd; S. 65 unten: National Maritime Museum, London, pd; S. 67: Robert Brough Smyth, pd; S. 69: Roke, pd; S. 70: Cgoodwin, pd; S. 75: Helene C. Stikkel, pd; S. 76: virginiam, cc; S. 77: Scarlet23, cc; S. 79: Wiki Townsvillian, cc; S. 81: Australian Typewriter Museum, Canberra; cc; S. 82: Bidgee, cc; S. 83: Djapa84, cc; S. 84: Australian Government, cc; S. 86 Idpercy, cc; S. 88: National Archives of Australia, NAA: A6180, 18/​12/​79/​7, cc; S. 89: The Stringer, cc; S. 102: Department of Arts and Museums of the Northern Territory, cc; S. 106: US State Department, pd; S. 108: Screenshot aus You Tube-Video; S. 122: bushabout, cc.

ISBN: 978-3-9449213-7-2

Hergestellt in Deutschland

www.360grad-medien.de

Inhalt

Cover

Titel

Impressum

Vorwort

1. Wer sind Aborigines?

1.1 Sprachgruppen und Stämme

Torres Strait Islanders

1.2 Aborigines im heutigen Australien

1.3 Stamm, Volk, Clan – Begrifflichkeiten und Beispiele

Pitjantjatjara oder Anangu (South Australia, Northern Territory)

Arrernte/Aranda (Northern Territory)

Gurindji (Northern Territory)

Warlpiri (Northern Territory)

Yolngu (Northern Territory)

Eora (New South Wales)

Gunditjara (Victoria)

Noongar (Western Australia)

Martu (Western Australia)

Spinifex People (Western Australia, South Australia)

2. Kultur und Religion der Aborigines

2.1 Die alte Welt der Aborigines

Spirituelle Welt und Religion: Traumzeit

Traditionelle Lebensweise

Soziales Zusammenleben im Clan

Verwandtschaftssystem der Aborigines

Initiation – Einführung in die Erwachsenenwelt

2.2 Was ist übrig geblieben? Religion und Tradition heute

2.3 Westliche Kultur und Aborigine-Kultur

Unterschiedliche Weltanschauungen, unterschiedliche Werte

3. Von der traditionellen Kunst zur modernen Kultur der Aborigines

3.1 Felszeichnungen und Körperbemalung

Die Entwicklung des „Dot Painting“

3.2 Musik und Tanz

Moderne Aborigine-Musik

3.3 Vom Erzählen zum Aufschreiben

3.4 Filme von und über Aborigines

3.5 Aborigines im Sport

4. Begegnungen mit Aborigines

4.1 Unterschiedliche Verhaltensregeln

Begrüßung und Augenkontakt

Gesicht wahren

Verhältnis zwischen Männern und Frauen

4.2 Aborigines und Tourismus: vom Massentourismus zur Individualität

Tourismus als Chance?

4.3 Unsere eigenen Erfahrungen

5. Rückblick in die Geschichte

5.1 Erste Besiedlung Australiens

5.2 Die Kolonialisierung Australiens

Besiedlung durch die Briten – Terra nullius

Ausbreitung der Siedlungsgebiete und Eskalation der Gewalt

Die letzten Tasmanier

Missionsstationen und Reservate

Aborigines im Ersten und Zweiten Weltkrieg

5.3 Assimilation: „The Stolen Generations“

Aborigines – eine aussterbende Rasse

Assimilationspolitik der Regierung

Öffentliche Kenntnisnahme

Das lange Warten auf eine offizielle Entschuldigung

5.4 Politischer Kampf der Aborigines

Der Kampf um Bürgerrechte

Das Referendum von 1967

Der Gewinn der Bürgerrechte und seine unbeabsichtigten Folgen

Der Kampf um Landrückgabe

Anspruch auf Land: „Native Title“

5.5 Versöhnung und Rückschritte

5.6 Aborigines in der Politik

6. Aborigines heute: Integration in die Moderne oder Spirale in den Abgrund?

6.1 Die Situation der Aborigines im Vergleich zuraustralischen Mehrheit

Lebenserwartung

Schulbildung

Beschäftigung

Die Wohnsituation der Aborigines

Gesundheitsprobleme und ihre Gründe

Lösungsmaßnahmen der Regierung: „Closing the Gap“

6.2 Alkoholmissbrauch, Gewalt und sexueller Missbrauch

„Little Children are Sacred“: der Untersuchungsbericht

Die umstrittenen Maßnahmen der Regierung

Unsere Begegnung mit Dave und Bess Price

6.3 Ein grundlegendes Problem: gegensätzliche Rechtssysteme

Unbequeme Wahrheiten

Der lange Weg der Veränderung

6.4 Aborigines und Kriminalität

Ursachen für die hohe Straffälligkeit von Aborigines

Circle Sentencing: eine Lösungsmöglichkeit?

6.5 Rückkehr auf traditionelles Land: die Homeland-Bewegung als Lösung?

Nachwort

Positive Veränderungen

Abhängig von Sozialhilfe

Hat die Kultur der Aborigines eine Zukunft?

Stichwortverzeichnis

Quellenangaben

Vorwort

Sie sitzen in alten, schmutzigen Kleidern mit glasigen Augen und zerzausten Haaren vor dem „bottle store“ und warten, dass es 14 Uhr wird und sie ihre Sozialhilfe in Alkohol umsetzen können. Sie schreien ihre verwahrlosten Kinder an, raufen und prügeln sich.

Das sind sie also, die „edlen Wilden“, die auf den Hochglanzprospekten der Tourismusindustrie Didgeridoo spielen und im Schein der untergehenden Sonne den Regentanz aufführen, der australische Dollars in die Kassen spült.

Der Gegensatz dieser beiden Welten wird den Touristen auf der gesamten Reise durch Australien begleiten. Er wird kaum mit Aborigines in Kontakt kommen und wenig von ihnen selbst erfahren. Fremden gegenüber verschließen sie sich, Fragen gehen sie aus dem Weg. Die Antworten geben Weiße: „Die Aborigines sind faul, sie zerstören die Häuser, die sie von der Regierung zur Verfügung gestellt bekommen, und versaufen ihre Sozialhilfe, die wir Weißen mit unseren Steuergeldern finanzieren.“ Diese pauschalisierten Vorurteile helfen aber nicht weiter – sie lösen weder den Konflikt noch geben sie eine Erklärung.

Die australischen Aborigine-Kulturzentren romantisieren das Leben der Ureinwohner. Kein Wunder: Kulturzentren werden an touristischen Orten errichtet und ins touristische Marketingkonzept eingebunden. Hier geht es um Geld, hier werden die Vorurteile der Touristen bedient und man präsentiert eine heile Hochglanzwelt. Hier will sich niemand mit Problemen und Konflikten belasten.

Ein Blick in den Reiseführer liefert allenfalls historische Daten und kratzt ein wenig an der Oberfläche. Die Seitenzahl ist begrenzt, der Tourist möchte zu den Sehenswürdigkeiten geführt werden, zu edlen Restaurants oder billigen Unterkünften. Für die Bewohner des Landes ist kein Platz vorhanden.

Auf unserer 18-monatigen Reise durch Australien haben wir uns mit diesen Gegensätzen beschäftigt und Antworten gesucht. Haben mit Betrunkenen und Ältesten gesprochen, mit Polizisten, mit Künstlern und Politikern. Haben Gerichtsverhandlungen besucht, das traditionelle Land der Aborigines bereist, ihre Autos repariert und mit ihnen gegessen. Aufschlussreich waren auch viele Gespräche mit Weißen, die in den abgelegenen Communities im Outback mit den Aborigines arbeiten und leben. Oft tun sie dies aus sozialem Engagement.

Besonders beeindruckte uns Dave Price, der in Alice Springs zusammen mit seiner Frau Bess Schulungen für Organisationen und Unternehmen gibt, die mit Aborigines arbeiten und/​oder leben. Bess ist eine Aborigine aus dem Stamm der Warlpiri und Mitglied im Parlament des Northern Territory.

Dave und Bess Price gaben die Idee und ermutigten uns zu diesem Buch. Ihnen gilt unser besonderer Dank.

Sabine & Burkhard Koch

1. Wer sind Aborigines?

Aborigines in Halls Creek

1. Wer sind Aborigines?

Der Begriff „aborigine“ kommt aus dem Lateinischen („ab origine“: von Beginn an), in der englischen Sprache ist es die generelle Bezeichnung für Ureinwohner. Demnach sind beispielsweise die Ureinwohner Kanadas oder der USA auch Aborigines. In Australien setzte sich „Aborigine“ als Bezeichnung für die dort lebenden Ureinwohner seit 1803 durch. Heute benutzt man den Begriff „Aboriginal“ und unterscheidet zwischen diesen und den „Torres Strait Islanders“ (siehe unten).

Menschen in Billiluna

Hinweis: Im deutschen Sprachgebrauch sind mit dem Begriff „Aborigines“ in der Regel alle Ureinwohner Australiens gemeint. In diesem Buch verwenden wir der Einfachheit halber die Begriffe Aborigine oder indigen anstelle der Namen von Volksgruppen. Wenn nicht anders erwähnt, sind die „Torres Strait Islanders“ darin eingeschlossen.

Die gesetzliche Definition eines Aborigine ist durch drei Kriterien festgelegt:

1. indigene Abstammung

2. Identität, das heißt Identifikation von sich selbst als Aborigine

3. Akzeptanz in einer „Aboriginal Community“

Nachkommen von gemischten Paaren (ein Elternteil europäischer Abstammung) fühlen sich überwiegend als Aborigines. Der Begriff „Mischling“ ist bei den Aborigines nicht gebräuchlich. Die Nachfahren aus gemischten Familien bekennen sich in den letzten Jahren mehr und mehr als Aborigines (vermutlich nicht zuletzt deshalb, um an den besonderen Sozialleistungen für Aborigines teilzuhaben).

„whitefellas“ und „blackfellas“

Die Aborigines selbst bezeichnen sich oft nach ihren jeweiligen Volksgruppen, beispielsweise die Koori in New South Wales oder die Noongar in Western Australia.

“How do you call yourself?”, fragte Dave Price einmal einen Aborigine. Dessen Antwort war: “We call us ‘blackfella’, but the whitefella said to us we are now ‘indigenous’.”

1.1 Sprachgruppen und Stämme

Die Aborigines sind kein einheitliches Volk. Es gibt viele verschiedene „Sprachgruppen“ und Stämme mit unterschiedlichen Sitten und Gebräuchen. Die Bewohner der Küstengebiete entwickelten im Laufe der Zeit andere Überlebensstrategien als die Wüstenbewohner. Vermutlich gab es bei der Ankunft der ersten Briten im Jahr 1788 etwa 250 Aborigine-Sprachen mit unterschiedlichen Dialekten innerhalb der Sprachgruppen (die einzelnen Schätzungen gehen weit auseinander).

Jeder Stamm hat seine eigene Sprache, die nur teilweise den Sprachen der benachbarten Stämme ähnelt. Sprachwissenschaftler haben die Aborigine-Sprachen in zwei Hauptgruppen eingeteilt: Sprachen, die ausschließlich Suffixe (Endsilben) verwenden, werden als „Pama-Nyunga-Sprachen“ (beide Wörter bedeuten „Mensch“) zusammengefasst. Man vermutet, dass sie zu einer Sprachfamilie gehören, die über sieben Achtel des australischen Kontinents verbreitet ist.

Im Norden Australiens (von den Kimberleys bis zum Gulf of Carpentaria) werden dagegen Sprachen mit Suffixen und Präfixen (Vorsilben) gesprochen, sie werden als „Non-Pama-Nyunga-Sprachen“ bezeichnet. In diesem kleinen Gebiet (ein Achtel des Kontinents) gibt es die meisten unterschiedlichen Sprachen, sie werden in 26 Sprachfamilien unterteilt. Aborigines sprechen oft mehrere Sprachen der umliegenden Stämme und können sich so verständigen.

Die traditionellen Sprachen sind mündlich und haben für viele Begriffe aus der westlichen Welt keine Wörter, was die erste Verständigung mit den britischen Siedlern deutlich erschwerte. Ungefähr 17 dieser ursprünglichen Sprachen werden heute noch von etwa 56000 Aborigines (0,3 Prozent der australischen Bevölkerung) als erste Sprache bzw. Muttersprache gesprochen, überwiegend im Northern Territory. Doch auch sie sind vom Aussterben bedroht. Deshalb führte die australische Regierung 1970 in den Gebieten, wo die Muttersprachen noch dominierten, zweisprachigen Unterricht in den Schulen ein. Anstelle der traditionellen Sprachen sprechen die meisten Aborigines (86 Prozent) heute australisches Englisch im Alltag. Daneben hat sich das „Aboriginal English“ entwickelt, in dem einige Begriffe eine andere Bedeutung haben bzw. anders benutzt werden. Einige der alten Aborigines sprechen gut Englisch, sie haben es in ihrer Jugend auf den Farmen gelernt, wo sie arbeiteten. Vor allem junge Aborigines vermischen ihre Muttersprache mit Englisch und sprechen diese eher als das Standard-Englisch.

Im Norden Australiens hat sich eine Kreol-Sprache entwickelt, das auf Englisch basierende „Kriol“. Sie wird heute nur noch von etwa 4000 Aborigines gesprochen.

Beispiel aus dem „Aboriginal English“

Mit dem Begriff „mob“ wird eine Gruppe von Menschen bezeichnet, die eine enge Verbindung zueinander haben, meistens ist dies die Verwandtschaft oder der Stamm. „My mob“ bezeichnet „meine Verwandten“, „the mob from the Yolngu“ sind „die Leute vom Stamm der Yolngu“. Der Begriff hat keine abwertende Bedeutung wie ansonsten im Englischen!

Torres Strait Islanders

Die Briten beanspruchten die Inseln in der Torres Strait vom Beginn ihrer Besiedlung des Festlands an als britisches Gebiet, sie gehörten von da an zu Queensland. Die australischen Ureinwohner lebten erst seit etwa 2500 Jahren auf einigen der Inseln. Kulturell, sprachlich und genetisch sind sie mit den Einwohnern von Papua-Neuguinea verbunden. Dies unterscheidet sie von den Aborigines des australischen Festlands.

Im Gegensatz zu diesen betrieben die Torres Strait Islanders auch Ackerbau und ergänzten damit ihre Nahrung, die vor allem aus gesammelten Früchten, gejagten Tieren und Fischen bestand. Von der Kolonialisierung des Festlands blieben sie weitestgehend unberührt. 2011 machten die 52600 Torres Strait Islanders acht Prozent der indigenen Bevölkerung Australiens aus. 63 Prozent von ihnen leben heute in Queensland, incl. 11 Prozent (5800 Personen), die noch auf den Inseln der Torres Strait leben, der Rest lebt in den anderen Bundesstaaten. Statistisch gesehen, weisen die Torres Strait Islanders eine höhere Hochschulabschlussrate und auch höhere Beschäftigungsraten auf als der Durchschnitt der Aborigine-Bevölkerung.

1.2 Aborigines im heutigen Australien

Laut einer Statistik von 2011 leben heute etwa 670000 Aborigines in Australien. Das entspricht drei Prozent der Gesamtbevölkerung (alle Daten stammen im Folgenden vom Australian Bureau of Statistics, wenn nicht anders angegeben).

Prozentual leben die meisten Aborigines im Northern Territory; hier machen sie fast ein Drittel der Bevölkerung aus. Der größte Teil der Aborigines lebt jedoch in den insgesamt bevölkerungsreicheren Bundesstaaten New South Wales (31 Prozent) und Queensland (28 Prozent).

Tabelle 1: Bevölkerungsentwicklung der Aborigines 1901–2006

Tabelle 2: Verteilung der Aborigines auf die einzelnen Bundesstaaten (Stand 30.06.2011)

Bundesland oder

Territorium

Bevölkerung

gesamt

Indigene

Bevölkerung

Anteil an

gesamter

Bevölkerung

(in Prozent)

Anteil an

gesamter

indigener

Bevölkerung

(in Prozent)

Australian Capital

Territory

367752

6167

1,7

0,9

New South Wales

7211468

208364

2,9

31,1

Northern Territory

231331

68901

29,8

10,3

Queensland

4474098

188892

4,2

28,2

South Australia

1638232

37392

2,3

5,6

Tasmania

511195

24155

4,7

3,6

Victoria

5534526

47327

0,9

7,1

Western Australia

2352215

88277

3,8

13,2

Summe

22

1.3 Stamm, Volk, Clan – Begrifflichkeiten und Beispiele

Die Aborigine-Stämme unterscheiden sich in erster Linie durch ihre Sprachen. Ihre Traditionen sind in vielen Stämmen recht ähnlich. Die Bezeichnung eines Stammes, beispielsweise „Arrernte“, ist meist gleichzeitig der Name der Sprache. Es gibt aber auch Sprachen, die von mehreren Stämmen gesprochen werden, etwa die „Warlpiri“-Sprache.

Eine Sprachgruppe wird als Volk (englisch „nation“) oder Stamm (englisch „tribe“) bezeichnet. Manche finden die Bezeichnung Stamm nicht treffend, weil es bei den Aborigines kein Stammesoberhaupt gibt. Andere streiten darüber, ob die Bezeichnung „Volk“ für eine Sprachgruppe korrekt ist.

Die Aborigines lebten bzw. leben in kleinen Familienverbänden zusammen, die als „clan“ bezeichnet werden. Ein Stamm oder Volk besteht aus mehreren Clans mit unterschiedlichen Dialekten.

Christopher, der Älteste der Martu in Kunawarritji

Zwischen den Stämmen herrschen nachbarschaftliche Beziehungen: Zu großen Zeremonien wie der Initiation der Jungen kommen oft mehrere Stämme oder Clans zusammen und tauschen Geschichten, Gesänge und Tänze aus. Diese Zusammenkünfte werden als „Corroborree“ bezeichnet. Für die Verständigung wurden früher Nachrichten durch Boten mit hölzernen „message sticks“ überbracht, in die man Symbole einritzte. Ein Bote durfte nicht direkt zum Lager eines fremden Stammes gehen, sondern musste in sichtbarer Entfernung warten, bis er von einem Stammesmitglied abgeholt wurde. Funde von Tierknochen, Muscheln und Steinwerkzeugen in South Australia und Zentralaustralien, die aus dem Norden des Landes stammen, beweisen, dass auch Handel zwischen den Stämmen stattgefunden haben muss. Kriegerische Auseinandersetzungen gab es weniger um das angestammte Land; die Stammesgebiete wurden gegenseitig respektiert. Doch unerlaubtes Jagen auf fremdem Gebiet konnte zum Beispiel zu lang andauernden Kriegen zwischen den Stämmen führen.

Pitjantjatjara oder Anangu (South Australia, Northern Territory)

Zum Land der Anangu, wie sie sich selbst nennen, gehört der weltbekannte Uluru (Ayers Rock), aber ihr Stammesgebiet dehnt sich viel weiter, bis in den Nordwesten von South Australia, aus. Die Anangu sind sehr eng mit ihrem Land verbunden; jedes Merkmal, jeder Fels und natürlich auch der Uluru und die Kata Tjuta haben für sie eine wichtige spirituelle Bedeutung.

Uluru

Als die Briten auf dem Gebiet von Maralinga in South Australia Anfang der 1950er-Jahre Atomtests durchführten, zwang man die Anangu, ihr angestammtes Land verlassen. Trotz der Evakuierungsmaßnahmen wurde eine große Zahl von ihnen durch den nuklearen Fallout der Atomtests kontaminiert.

Durch den „Pitjantjatjara Land Rights Act“ („Native Title“-Gesetz) wurden den Anangu im Jahr 1981 mehr als 103000km2 Land im Nordwesten von South Australia bis an die Grenze des Northern Territory zurückgegeben. Dort leben heute etwa 2200 Anangu in kleinen „homelands“.

Arrernte/​Aranda (Northern Territory)

Die Arrernte leben in Zentralaustralien, entlang der MacDonnell Ranges und in Alice Springs, wo ihre gleichnamige Sprache noch von etwa einem Viertel von ihnen als Muttersprache gesprochen wird. Die Arrernte-Sprache wird in den meisten Schulen in Alice Springs als Pflichtfach gelehrt.

Typische Hütte der Eastern Arrernte im Arltunga District (August 1920)

In Hermannsburg wurde 1902 der Künstler Albert Namatjiara geboren, der als erster Aborigine die Landschaftsmalerei entwickelte (mehr dazu siehe in Kapitel 3.1).

Gurindji (Northern Territory)

In Sprache und Kultur haben die Gurindji viel mit dem angrenzenden Nachbarvolk der Warlpiri gemeinsam. Bekanntheit erlangten sie durch den „Wave Hill Cattle“-Streik von 1966, der große Bedeutung für den Kampf der Aborigines um ihre Landrechte hatte (siehe Kapitel 5.4).

1975 gab die Regierung 330000 Hektar ihres Landes an die Gurindji zurück. Es liegt etwa 460 Kilometer südwestlich von Katherine in der Victoria-River-Region, wo die Communities Daguragu und Kalkaringi mit etwa 700 Bewohnern gegründet wurden. In Daguragu wird in der ersten von Aborigines bewirtschafteten Rinderfarm Viehzucht betrieben.

Warlpiri (Northern Territory)

Etwa 5000 bis 6000 Warlpiri leben heute im Northern Territory, die meisten in kleinen Siedlungen. Yuendumu, die größte Gemeinde, wurde einst als Missionsstation gegründet. Die Warlpiri leben als Nomaden und ziehen aufgrund der Nahrungs- und Wasserknappheit ihres Stammesgebiets durch weite Gebiete Zentralaustraliens. Viele von ihnen sprechen bis heute kein Englisch. Die Warlpiri-Sprache ist noch sehr aktiv und wird von vielen Aborigines von Darwin über Katherine bis nach Alice Springs gesprochen. Für etwa 3000 Aborigines ist es die Muttersprache. Doch auch sie ist vom Aussterben bedroht.

Eine Besonderheit dieses Stammes ist eine eigene Gebärdensprache. In der Kultur der Warlpiri unterliegen Frauen, die sich in Trauer befinden, einem Sprechverbot. Sie benutzen für diese Zeit Gebärden.

Yolngu (Northern Territory)

Das abgelegene Arnhemland im Nordosten des Northern Territory ist das traditionelle Gebiet der Yolngu. Durch die Küstennähe hatten die Yolngu Kontakt zu anderen Völkern. Von den Makassar (einem Volk aus Indonesien) lernten sie beispielsweise, seetüchtige Boote zu bauen, mit denen sie Fische und Schildkröten fingen.

1976 wurde das Arnhemland an das Volk der Yolngu zurückgegeben. Heute leben auf dem 97000km2 großen Gebiet etwa 20000 Aborigines. Bekannt wurden die Yolngu 1963 durch die „Yolngu Bark Petition“, eine Beschwerde gegen den Abbau von Bauxit auf ihrem angestammten Land (siehe Kapitel 5.4) und durch die international bekannte Band Yothu Yindi (siehe Kapitel 3.2).

Eora (New South Wales)

Bennelong, der Älteste der Eora

Als 1788 die erste britische Flotte an der Ostküste eintraf, hatte sie ihren ersten Kontakt mit Ureinwohnern aus dem kleinen Stamm der Eora (damals etwa 1500 Personen). Der Älteste der Eora, Bennelong, lernte Englisch und vermittelte zwischen den Engländern und den Aborigines. Er reiste sogar nach England und traf dort den britischen König GeorgIII. Vor allem durch die aus Europa eingeschleppten Krankheiten dezimierte sich der Stamm der Eora sehr schnell und starb noch im 19. Jahrhundert aus.

Einige bekannte australische Wörter stammen aus der Eora-Sprache, zum Beispiel