Abschied und Wiederkehr - Alfred Döblin - E-Book

Abschied und Wiederkehr E-Book

Alfred Döblin

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Beschreibung

Döblins Flucht und Rückkehr nach Deutschland ›Abschied und Wiederkehr‹ ist in seiner Kürze und Eindringlichkeit einer der bewegendsten autobiographischen Texte Alfred Döblins. Döblin schildert darin die Bedrohung der eigenen Existenz nach dem Reichstagsbrand und die Flucht ins Exil. Wiederkehr aus diesem Exil kann es für Döblin insofern nicht geben, als derjenige, der zurückkehrt, nicht mehr derjenige ist, der wegging. Es fällt ihm schwer, sich nach 1945 in dem zertrümmerten Deutschland zurechtzufinden. Aber: Er möchte helfen.

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Seitenzahl: 24

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Alfred Döblin

Abschied und Wiederkehr

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Inhalt

Abschied und WiederkehrAls ich Abschied nahm …Als ich wiederkam …AnhangEditorische NotizDaten zu Leben und WerkLiteraturhinweise1. Texte von Alfred Döblin2. Texte über Alfred DöblinAlfred Döblin Gesammelte Werke Herausgegeben von Christina Althen

Abschied und Wiederkehr

Als ich Abschied nahm …

Morgens um neun hörte ich am Radio: Der Reichstag sei in Brand gesteckt worden; das Feuer habe gelöscht werden können; es sei gelungen, einen der Verbrecher an Ort und Stelle zu ergreifen; es handele sich um ein kommunistisches Attentat – eine unerhörte Untat, die sich gegen das deutsche Volk richte, und so weiter. Ich stellte den Apparat ab. Mir fehlten die Worte. Ich war allerhand vom Radio und seinen jetzigen Beherrschern gewöhnt: das war die Höhe. Offenbar war der Reichstag wirklich angesteckt worden [,–] von den Kommunisten? Solchen faustdicken Schwindel wagte man anzubieten. Man muß »Cui bono?« fragen; wem nützte die Brandstiftung? Die Antwort lag auf der Hand.

Ich war unbekümmert für mich, wenn auch tief beunruhigt und empört – bis man mich anrief und fragte, was ich machen wolle. Ich war erstaunt: Warum? Nun, die Verhaftungen; ich solle mich vorsehen. Ich dachte: lächerlich! Das Telephon riß aber nicht ab. Dann kam man zu mir; es war immer dasselbe: ich möge, wenigstens vorübergehend, verschwinden; ich sei gefährdet, es gäbe Listen. Das leuchtete mir alles nicht ein. Die innere Umstellung von einem Rechts- auf einen Diktatur- und Freibeuterstaat gelang mir nicht sogleich. Gegen Abend war ich so weit. Meine Frau war auch dafür. Es war ja nur ein Ausflug; man läßt den Sturm vorübergehen; nur für drei bis vier Monate, dann sei man mit den »Nazis« fertig. Man besuchte mich, es gab Tränen. Ich lachte und war ruhig. Mit dem kleinen Koffer in der Hand zog ich ab, allein. Unten erwartete mich eine Überraschung. Ein Nazi, über der Uniform einen zivilen Mantel, stand vor meinem Arztschild, fixierte mich – und folgte mir zur Untergrundbahn. Er wartete ab, welchen Zug ich nähme, stieg in dasselbe Abteil. Am Gleisdreieck stieg ich aus, er auch. Er ging hinter mir her.

Dann gab es ein Gedränge, ein ankommender Zug entleerte sich, ich lief eine Treppe hinunter und fuhr von einem anderen Bahnsteig in irgendeine Richtung, später an mein Ziel: Potsdamer Platz, Möckernbrücke. Ich wollte zum Anhalter Bahnhof. Der Zug in Richtung Stuttgart fuhr gegen zehn. Ich fand einen Schlafwagenplatz. (Das Billett habe ich während der zwölf Jahre Emigration in der Brieftasche mit mir herumgetragen.)