Absolut analog - Monika Andrae - E-Book

Absolut analog E-Book

Monika Andrae

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Beschreibung

In 3., aktualisierter und erweiterter Auflage

  • Von Kamerakauf bis Scan und Archivierung
  • Großer Praxisteil S/W- und Farbentwicklung (inkl. Dia) in allen Formaten
  • Kreativkapitel zu Holga, Lochkamera, abgelaufenen Filmen und Cyanotypie

Das Arbeiten mit Film und manuellen Kameras eröffnet kreative Spielräume und macht das Handwerkliche an der Fotografie von Grund auf begreifbar. Mit diesem Buch teilen Monika Andrae und Chris Marquardt von absolutanalog.de ihr Wissen und ihre Erfahrungen und geben Ihnen einen intensiven Einstieg in die Welt der Analogfotografie.
Geschrieben haben sie es für alle Neugierigen, die Freude an der Neuentdeckung der Fotografie im Kleinbild-, Mittel- oder sogar Großformat haben. Andrae und Marquardt erläutern unterschiedliche Filme und deren Einsatzgebiete, was Sie beim Kauf einer gebrauchten Kamera beachten müssen, wie Sie zu Hause S/W-, Farb- und Diafilm entwickeln, die Negative scannen, als Fotos ausdrucken und angemessen präsentieren. Außerdem vermitteln sie Ihnen alles Wichtige zu manueller Belichtungsmessung, zum Abbildungsverhalten von Filmen, zu unterschiedlichen Entwicklungsverfahren, zur richtigen Archivierung und zum spielerisch-kreativen Arbeiten mit Pinhole- und Toy-Kameras sowie abgelaufenen Filmen.
Ob Sie digitalen Ballast abwerfen und sich wieder mehr auf das Fotografieren selbst konzentrieren wollen, ob Sie Ihre handwerklichen Fertigkeiten weiterentwickeln möchten oder neue Impulse für Ihre fotografische Arbeit suchen – mit diesem Buch steigen Sie tief und praxisnah in die analoge Fotografie ein.

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Seitenzahl: 339

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Monika Andrae widmet sich seit Anfang der 90er Jahre der Fotografie. Als Studentin verbrachte sie viel Zeit in der Dunkelkammer, um die Ergebnisse ihrer Fotostreifzüge in Silber zu dokumentieren. Nach ihrem späten Wechsel in die digitale Fotografie 2005 arbeitete sie einige Jahre ausschließlich in Nullen und Einsen, bis sie sich 2010 wieder in den Film verliebte. Ihr liegt es am Herzen, die immer technischer werdende Fotowelt etwas weniger technik-verliebt zu machen. Deshalb versucht sie, mit ihrem Podcast »Monis Motivklingel« die Welt ein Stück kreativer zu machen. Sie produziert noch weitere Podcasts und veranstaltet mit Chris Marquardt Workshops zur analogen Fotografie.

Mehr zu Monika Andraes Podcasts und Projekten finden Sie unter www.monikaandrae.com

Foto: Pax Ahimsa Gethen

Chris Marquardt ist Fotograf und Mitgründer des »Happy Shooting«-Foto-Podcasts. Er bringt auf seinen Fotoreisen weltweit interessierten Menschen das Fotografieren in spannender Umgebung näher. Gemeinsam mit Monika Andrae hat er wiederholt Fotografen und Fotografinnen auf dem höchsten Fotoworkshop der Welt zu allen drei Basislagern des Mt. Everest gebracht. Getreu seiner Maxime »Fahrrad fahren lernt man nicht aus Büchern« sind seine Veranstaltungen auf das Begreifen ausgerichtet. Außerdem produziert Chris Marquardt die englischsprachige Sendung »Tips from the Top Floor«, wo er für ein internationales Publikum Fotofragen beantwortet und seine Ansichten zur Fotografie bespricht. Als »Photo Guy« erklärt er jedes Wochenende in Leo Laportes »Tech Guy Radio Show« einem US-amerikanischen Millionenpublikum die Fotografie.

Mehr zu Chris Marquardts Podcasts und Projekten finden Sie unter www.chrismarquardt.com, Informationen und Workshops zur analogen Fotografie unter www.absolutanalog.de.

Copyright und Urheberrechte:Die durch die dpunkt.verlag GmbH vertriebenen digitalen Inhalte sind urheberrechtlich geschützt. Der Nutzer verpflichtet sich, die Urheberrechte anzuerkennen und einzuhalten. Es werden keine Urheber-, Nutzungs- und sonstigen Schutzrechte an den Inhalten auf den Nutzer übertragen. Der Nutzer ist nur berechtigt, den abgerufenen Inhalt zu eigenen Zwecken zu nutzen. Er ist nicht berechtigt, den Inhalt im Internet, in Intranets, in Extranets oder sonst wie Dritten zur Verwertung zur Verfügung zu stellen. Eine öffentliche Wiedergabe oder sonstige Weiterveröffentlichung und eine gewerbliche Vervielfältigung der Inhalte wird ausdrücklich ausgeschlossen. Der Nutzer darf Urheberrechtsvermerke, Markenzeichen und andere Rechtsvorbehalte im abgerufenen Inhalt nicht entfernen.

Monika Andrae • Chris Marquardt

Absolut analog

Fotografieren wieder entdecken: in Kleinbild-, Mittel- und Großformat

3., erweiterte und aktualisierte Auflage

Monika Andrae • Chris Marquardt

Lektorat: Boris Karnikowski

Lektoratsassistenz: Anja Weimer

Fachlektorat: Henning Serger, Hannover

Grafiken: Peter Marquardt

Fotos: Monika Andrae und Chris Marquardt (wenn nicht anders angegeben)

Satz: Ulrich Borstelmann, www.borstelmann.de

Herstellung: Stefanie Weidner

Umschlaggestaltung: Helmut Kraus, www.exclam.de

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

ISBN:

Buch:

978-3-86490-917-7

PDF:

978-3-96910-784-3

ePub:

978-3-96910-785-0

mobi:

978-3-96910-786-7

3., aktualisierte und erweiterte Auflage 2022

Copyright © 2022 dpunkt.verlag GmbH

Wieblinger Weg 17

69123 Heidelberg

Hinweis:

Der Umwelt zuliebe verzichten wir auf die Einschweißfolie.

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Die vorliegende Publikation ist urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte vorbehalten. Die Verwendung der Texte und Abbildungen, auch auszugsweise, ist ohne die schriftliche Zustimmung des Verlags urheberrechtswidrig und daher strafbar. Dies gilt insbesondere für die Vervielfältigung, Übersetzung oder die Verwendung in elektronischen Systemen.

Es wird darauf hingewiesen, dass die im Buch verwendeten Soft- und Hardware-Bezeichnungen sowie Markennamen und Produktbezeichnungen der jeweiligen Firmen im Allgemeinen warenzeichen-, marken- oder patentrechtlichem Schutz unterliegen.

Alle Angaben und Programme in diesem Buch wurden mit größter Sorgfalt kontrolliert. Weder Autoren noch Verlag können jedoch für Schäden haftbar gemacht werden, die in Zusammenhang mit der Verwendung dieses Buches stehen.

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Inhaltsverzeichnis

1Warum analog?

1.1Freude am Prozess

1.2Zu viele Optionen machen unglücklich

2Analog oder digital?

2.1Filmkorn

2.2Anordnung

2.3Schärfe

2.4Fläche

2.5Kontrastumfang

2.6Einfallswinkel Licht

2.7Die Bayer-Matrix

2.8Banding

2.9Weißabgleich vs. Filmtyp

2.10Die Weiterverarbeitung

3Kameras und Filmformate

3.1Kleinbild 35 mm

3.1.1Der Film

3.1.2Die Messsucherkamera

3.1.3Die Spiegelreflexkamera

3.2Mittelformat 6 × 6, 6 × 7, 6 × 9

3.2.1Filmtypen

3.2.2Bildformate

3.2.3Kameratypen

3.3Großformat 4 × 5"

3.3.1Großformatkameras

3.4Tipps zum Kamerakauf

3.4.1Lichtdichtungen

3.4.2Verschlüsse

3.4.3Objektive

4Belichtung

4.1Stufen

4.2Die Blendenreihe

4.3Belichtungsmessung

4.3.1Die Objektmessung

4.3.2Die Lichtmessung

4.4Ohne Belichtungsmesser

4.4.1Sunny 16

4.4.2Looney 11

4.5Mit Belichtungsmesser

4.5.1Handbelichtungsmesser

4.5.2Smartphone

4.5.3Digicam & Graukarte

4.5.4Profi-Belichtungsmesser

4.6Belichtung mit dem Zonensystem

5Filme

5.1Schwarzweißfilm

5.1.1Von Farbe nach Schwarzweiß

5.1.2Orthochromatischer Film

5.1.3Panchromatischer Film

5.1.4Infrarot-(IR-)Film

5.1.5Filme mit Aura-Effekt

5.1.6Farbfilter

5.2Farbfilm

5.2.1Farbnegativfilm

5.2.2Diafilm

5.2.3Andere Filmtypen

5.3Instantfilme

5.4ISO – Die Nennempfindlichkeit

6Im Labor

6.1Großlabor

6.2Fachlabor

6.3Selbst entwickeln: Schwarzweiß

6.3.1Übersicht: Negativentwicklung

6.3.2Chemie

6.3.3Hardware

6.3.4Generelles Vorgehen bei der Filmentwicklung

6.3.5Staub

6.3.6Fehlersuche

6.3.7Digitale Helferlein

6.3.8Community

6.3.9Push und Pull

6.4Selbst entwickeln: Farbe

6.4.1Das typische C-41-Negativ-Kit

6.4.2Temperaturen

6.4.3C-41 Schritt für Schritt

6.4.4E-6 Schritt für Schritt

6.4.5Hilfsmittel

7Weiterverarbeitung

7.1Traditionell

7.2Hybrid analog/digital

7.2.1Scannertypen

7.2.2Scannerparameter

7.2.3Scan-Software

7.2.4Scannerprofilierung

7.2.5Hilfsmittel

7.2.6Der Scanprozess

7.2.7Abfotografieren: Scannen ohne Scanner

7.3Die digitale Druckerei

7.3.1Drucken lassen: beim Discounter

7.3.2Drucken lassen: beim Fachlabor

7.3.3Günstig selbst drucken

7.3.4Hochwertige Tintenstrahldrucke

7.3.5Profilierung

7.3.6Vorgehen beim Drucken

7.4Edeldruck

7.4.1Cyanotypie

7.4.2Albumindruck

8Präsentation

8.1Passepartouts

8.1.1Auf die richtige Größe kommt es an

8.2Rahmen

8.3Montieren vs. Kaschieren

8.3.1Montieren

8.3.2Aufziehen und Kaschieren

9Aufbewahrung und Archivierung

9.1Allgemeines

9.2Aufbewahrung von Negativen

9.3Abzüge und Ausdrucke

9.4Ordnung ist das halbe Leben

10Spaß am »geplanten Zufall«

10.1Kameras und Optik

10.1.1Die Box-Kamera

10.1.2Diana, Holga und andere Toykameras

10.1.3Die Lochkamera

10.1.4Das Subjektiv

10.1.5Zonenplatte

10.1.6Lensbaby

10.2Abgelaufene Filme

10.2.1Probieren geht über Studieren

10.2.2Filmempfindlichkeit und Lichtverhältnisse

10.2.3Die besonderen Freuden der Crossentwicklung

10.2.4Ein Restrisiko bleibt immer

10.2.5Behandelte Filme

10.3Doppel- und Mehrfachbelichtungen

Anhang

A.1Bezugsquellen

A.1.1Filme, Fotochemie, Laborzubehör

A.1.2Künstler- und Kreativbedarf

A.1.3Reparaturservices/Werkstätten

A.2Links

A.2.1digital service center Berlin

A.2.2Apps

A.2.3Making Kodak Film

A.2.4Filmscanner.info

A.2.5Weitere Links

A.2.6Kamerabörsen

A.2.7Digitalisieren durch Abfotografieren

A.3Literaturliste

Index

Herzlich willkommen bei Absolut analog!

Fotografisch sind wir »analog natives«. Unsere Lehrmeister waren die Spiegelreflexkamera und der Film.

Als die digitale Fotografie ihren Siegeszug antrat, ging es uns wie vielen anderen: Wir haben die analogen Schätzchen im Schrank verstaut und verbrachten die nächsten Jahre damit, tief in die digitale Welt einzutauchen. Als hybride Wesen fühlen wir uns dort noch heute wohl, und trotzdem bleibt der Gedanke an die Ursprünge.

Unsere Website Absolut analog ist aus der Wiederentdeckung unserer Leidenschaft für die analoge Fotografie entstanden.1

Falls Sie nun vermuten, dass es Nostalgie ist, die uns zwickt, dann liegen Sie nur zum Teil richtig. Es sind vielmehr die intensivere Beschäftigung mit der Materie, das tiefere Einsteigen und das Begreifen, das uns an so vielen Stellen auch in der digitalen Welt neue Horizonte eröffnet. Und nicht zuletzt zeigen uns die Einschränkungen der analogen Fotografie seit Jahren wieder ungeahnte neue kreative Möglichkeiten.

Podcast

In unserem Podcast »Absolut analog« können Sie uns dabei belauschen, wie wir uns mit einem Teilaspekt der analogen Fotografie beschäftigen. Von der Lochkamera über die Farbentwicklung, vom Digitalisieren von Negativen bis zum Erfahrungsbericht über das Reisen mit Film.

Wir freuen uns auch immer über Fragen von Zuhörerinnen und Zuhörern.

Sie finden den Podcast unter absolutanalog.de/podcast bzw. im Verzeichnis Ihres Podcast-Clients.

Workshops

Für Neugierige, Einsteiger und selbst für alte Hasen bieten wir auf www.absolutanalog.de Workshops rund um die Filmfotografie an. Wir wünschen uns, dass möglichst viele Menschen diese Erfahrungen machen können, und unsere Teilnehmer finden sich tatsächlich in allen Altersgruppen. Selbst unter den »digital natives« bemerken wir eine wachsende Neugier, die Essenz der Fotografie zu erkunden.

Bei uns lernen Sie:

Filme zu entwickeln

das Scannen im hybriden Workflow

den Weg vom Negativ bis zum hochwertigen Druck

neue kreative Erfahrungen im Spiel mit Box-, Toy- und Lochkameras

den Einstieg in die Welt des Mittel- und Großformats

Wir freuen uns auf Sie!

Videos

Neugierig? Schauen Sie sich hier ein paar Videos über unsere Einsteiger-, Scan- und Großformat-Workshops an: www.absolutanalog.de/videos.

Vorwort

Die Analogfotografie ist eines der Felder, in denen es eine enorme Menge unterschiedlicher Meinungen, Erfahrungen und Glaubensrichtungen gibt. Besonders in der Zeit der Blogs, sozialen Netzwerke und einer Menge an Communities zu diesem Thema treffen fast zwangsläufig auch immer mehr unterschiedliche Meinungen aufeinander.

Dabei trägt es nicht zur Verständigung bei, dass wir im Digitalen mit diskreten Zahlen und definierten Zuständen arbeiten, während wir im Analogen eher vom Kontinuum und von fließenden Übergängen zwischen den Zuständen sprechen.

Das bildet einen idealen Nährboden für Voodoo und selbst ernannte Schamanen aller Art. Entsprechend finden Sie heute neben einer Menge an gutem Wissen und vielen hilfreichen Informationen auch einen Haufen Halbwissen oder – noch schlimmer – manchmal den reinen Blödsinn. Wir haben mit großer Sorgfalt versucht, diesem hier keinen Raum zu geben. Unser Buch kommt zu 100 % aus der Praxis. Wir behaupten nicht, auf alle Fragen die Antwort zu wissen. Aber weil wir selbst enorm neugierig sind und quasi ständig nach dem Warum fragen, versuchen wir dort, wo wir es können, das, was wir schreiben, auch zu begründen. Und da, wo dieses Buch – allein schon aus Platzgründen – nicht den Raum für das Abtauchen in die Tiefe bietet, verweisen wir auf entsprechende Quellen zum Weiterlesen.

Gibt es überhaupt noch Film?

Lassen Sie uns gleich zu Beginn die große Frage beantworten, die wir als Analogfotografen wohl am häufigsten hören: »Gibt es überhaupt noch Filme?« Die Antwort ist ein lautes Ja!

Sicher, seinen Zenit hat der Film bereits überschritten. Der globale Absatzrekord wurde mit gut 3 Milliarden verkauften Filmen weltweit in den Jahren 1999 und 2000 erreicht. Davon entfielen knapp 200 Millionen Filme auf den deutschen Markt. In einigen Märkten erreichte der Filmabsatz sogar erst nach dem Jahr 2000 seinen jeweiligen Gipfel, so z. B. in China und in den USA (2003). An solche Zahlen wird der Film sicher nie wieder herankommen, doch die Anzahl derer, die das Arbeiten mit diesem traditionellen Material schätzen und es (wieder) neu entdecken, steigt.

Nachrichtenmeldungen über den Niedergang Kodaks oder die Einstellung bekannter Filme, wie zum Beispiel des guten alten Kodachrome, bleiben in Erinnerung, weil die Medien laut darüber berichten. Dabei gibt es in fast allen Drogeriemärkten noch ein Basis-Angebot an Kleinbildfilmen und seit jüngstem teilweise auch an Fujifilm-Instax-Sofortbildfilm. Auch die Filmentwicklung von Farbnegativ-, Farbdia- und Schwarzweißnegativfilm sowie Abzüge auf echtem Silberhalogenid-Fotopapier werden noch angeboten. Die Fächer für die Papiertaschen mit den entwickelten Filmen sind jedoch meist stark geschrumpft und oft schon durch druckende Kiosksysteme mit Speicherkartenlesern ersetzt. Die Digitalkamera hat eindeutig übernommen, und so hat sich der Film in eine Nische zurückgezogen.

In der ist er aber quietschfidel.

Der Vormarsch der digitalen Technik hat es Filmenthusiasten nicht leicht gemacht. Doch nicht nur die großen Namen wie Kodak, Fuji und Ilford verkaufen nach wie vor Film. Auch einige kleinere Produzenten behaupten sich noch am Markt, und mit der italienischen Ferrania wurde 2014 sogar eine traditionelle alte Filmfabrik per Crowdfunding-Kampagne wiederbelebt. Und mit dem deutschen Hersteller ADOX wurde die älteste Fotomarke der Welt wiederbelebt: Als innovatives und sehr flexibles Unternehmen produziert ADOX an seinen beiden Standorten in der Schweiz (früher Ilford Imaging) und Deutschland (neu aufgebautes Werk in Bad Saarow, Brandenburg) Filme, Fotopapiere und Fotochemie. Dabei ist es ADOX sogar gelungen, viele frühere SW-Fotoprodukte von Agfa in der Produktion fortzuführen.

Der Markt für Sofortbildfilme erlebt seit vielen Jahren einen außergewöhnlichen Boom: Sowohl Polaroid Originals (früher »The Impossible Project«) als auch der mit über 95 % weltweitem Marktanteil dominierende Marktführer Fujifilm mit seinem Instax-Sofortbild-System weisen seit mehreren Jahren jährlich zweistellige Wachstumsraten auf. Fujifilm hat allein in den letzten fünf Jahren weltweit über 25 Millionen Instax-Kameras verkauft. Instax-Film ist mittlerweile der erfolgreichste Fotofilm-Typ überhaupt geworden: Das jährliche Verkaufsvolumen an Instax-Film übertrifft das jährliche Verkaufsvolumen an konventionellem Fotofilm.

Heute findet der Handel mit Film hauptsächlich im Internet statt. Diverse Onlinehändler vertreiben alles, was man für anspruchsvolle Analogfotografie benötigt – von Filmen über Fotochemie bis zur Ausstattung für Fotolabor und Dunkelkammer.

Viele Filmregisseure drehen nach wie vor auf Film, und im Februar 2015 kündigte Kodak neue Verträge mit einigen großen Hollywood-Studios an, womit die Herstellung von Material für analoge Kinofilme auf Jahre sichergestellt sein sollte.

Wir sind heute beide sowohl digital als auch analog unterwegs, und eines wollen wir in diesem Buch ganz speziell vermeiden: die Welt in zwei Lager zu spalten. Beide Verfahren haben ihre Berechtigung, ihre Vor- und Nachteile und ganz besonders ihren festen Platz in unserem fotografischen Leben.

Am Ende geht es uns – ganz gleich mit welchem Medium – um die Fotografie. Um den kreativen Prozess. Darum, Bilder zu schaffen, die sich der Betrachter möglicherweise doch ein zweites Mal anschaut, statt sofort weiterzublättern.

Der Prozess, mit dem diese Bilder entstehen, ist für uns aus vielen und aus sehr individuellen Gründen wichtig. Über diese Gründe und über den Prozess selbst schreiben wir in diesem Buch.

Wir wollen eine Lanze für die analoge Fotografie brechen.

Für wen ist dieses Buch?

Wenn Sie diese Zeilen lesen, begegnen Sie der analogen Fotografie mit einer ordentlichen Portion Neugier. Das freut uns. Denn für die Neugierigen wie Sie ist dieses Buch gedacht. Wir richten uns an alle, die einen weiteren – vielleicht neuen – Zugang zur Fotografie suchen.

Was uns zur analogen Fotografie hinzieht, ist die Freude an einem Prozess, der unser Verständnis von Fotografie nachhaltig vertieft hat. Durch die intensive und vor allem spielerische Beschäftigung mit dem Thema hat sich unser Blick auf das Medium allgemein, aber auch auf Motive verändert. Wir haben gelernt, Zufälle willkommen zu heißen und aus Fehlern zu lernen. Nicht alles, was wir ausprobiert haben, gelang. Nicht alles, was uns gelang, gefiel uns. Dafür haben wir an Stellen Schönheit gefunden, wo wir sie nicht vermutet hatten.

Gute Ideen und Kreativität können wir nicht als Rezept verordnen, aber wir möchten Impulse geben. Impulse, die Ihnen helfen können, einmal andere fotografische Wege zu gehen und Ihren Werkzeugkasten um neue Möglichkeiten zu erweitern.

Wenn Sie Spaß am Selbermachen haben und gerne Dinge beGREIFEN, um sie zu verstehen, ist dieses Buch für Sie. Wenn Sie gern experimentieren und sich im schrittweisen Durchlaufen eines Prozesses verlieren können, dann ist dieses Buch für Sie.

Bitte nutzen Sie die Anregungen in diesem Buch als Startpunkt für eigene Versuche. Picken Sie sich heraus, was Ihnen gefällt, wandeln Sie Dinge ab, verwerfen Sie andere. Und wenn Sie mögen, lassen Sie uns und andere unter www.absolutanalog.de an Ihren Ergebnissen teilhaben. Wir freuen uns darauf!

Für wen ist dieses Buch nicht geeignet?

Wir möchten Sie mit diesem Buch dazu einladen, Dinge zu erforschen und dem Prozess des Suchens Zeit einzuräumen. Wir haben Freude am Spielen und sind überzeugt davon, dass das ein guter Weg ist, neue Ideen zu entwickeln.

Wir beschreiben auf den folgenden Seiten unter anderem und ganz bewusst auch Materialien oder Kameras, die nach heutigen Maßstäben vielleicht als fehlerhaft, inadäquat oder veraltet und nicht als Stand der Technik angesehen werden. Wir glauben fest daran, dass technische Präzision nicht alles ist, was ein gutes Bild ausmacht. Aus unserer Sicht steht sie diesem oft sogar im Wege.

Nicht alles, was Sie ausprobieren, wird gelingen. Auch Dinge, die gelingen, müssen nicht zwangsläufig museumsreif sein. Uns geht es nicht darum, den Weg zu großer Kunst aufzuzeigen. Es geht uns darum, Spaß zu vermitteln und Widerspruchsgeist im Sinne von »Was wäre wenn?« anzustacheln. Es reicht, wenn Ihnen das Ergebnis gefällt – ob andere Ihre Meinung teilen, sollte Nebensache sein.

Wenn Sie zu den Menschen gehören, die von Beginn an möglichst schnell und effizient zu standardisierten Ergebnissen kommen möchten, werden Sie hier möglicherweise nicht fündig. Wenn Sie maximale Präzision und unbedingte Reproduzierbarkeit in der Fotografie schätzen, können Sie diese in der analogen Fotografie sicherlich erreichen, doch haben wir in diesem Buch keinen Schwerpunkt darauf gelegt.

Der Schwerpunkt dieses Buches liegt auf der analogen Fotografie und den kreativen Möglichkeiten, die sich bei der Negativentwicklung bieten. Wir behandeln sowohl die hybride Verarbeitung (d. h. die Digitalisierung) der Bilder als auch deren digitale Weiterverarbeitung.

Der Schwerpunkt dieses Buches liegt nicht auf traditioneller Dunkelkammerarbeit. Dieses Thema würde den Rahmen sprengen und vermutlich mehr als ein eigenes Buch füllen.

Danke

Wir möchten uns bei ein paar Menschen bedanken.

Wir danken Lothar Muth für die Berliner Außenstelle unserer Workshops und für reichliche Entwicklungen und Abzüge; Frauke und Michael für das Wieder-Entfachen unseres analogen Feuers; Annik Traumann für Inspiration, gute Gespräche und Kontakte; Heinz Wille für Begeisterung und Bilder; Allan Attridge für unsichtbare Kameras und sichtbare Stühle; Alexander Waschkau für tiefe Einsichten ins Ich und @baumbaTz, @Hamateur und @klein_gedruckt für App-Tipps aus der Welt der Androiden; Peter Marquardt für meisterlich gefertigte Vektoren. Außerdem danken wir Fräulein Kümmel und Herrn Koriander für jedes Haar, das sie nicht auf unseren Negativen platziert haben.

1

Warum analog?

Die Frage nach dem »Warum« stellt sich speziell bei analoger Fotografie häufig. Sind wir etwa nostalgische Spinner? Oder tun wir’s, weil es gerade modern ist, retro zu sein?

Am liebsten würden wir sagen: »Probier es doch einfach mal selbst, danach weißt du es«, und tatsächlich finden sich immer wieder Neugierige in unseren Workshops, die gar nicht so genau wissen, warum sie mehr über das Thema lernen wollen, hinterher aber umso überzeugter von der Sache sind.

Aber die eine oder andere Überlegung wollen wir hier trotzdem in Worte fassen.

1.1Freude am Prozess

Wer sich heutzutage trotz ungezählter digitaler Optionen dazu entschließt, analog zu arbeiten, muss sich häufig erklären. Das Thema ist viel diskutiert – und trotzdem berührt es immer wieder einen Nerv. Die Erwähnung, dass man (wieder) auf Film fotografiert, wird oft Verständnislosigkeit hervorrufen und immer dieselben Fragen provozieren.

»Was kannst du mit einer analogen Kamera, was ich nicht auch mit der digitalen kann? Beide fangen doch nur Licht ein – einziger Unterschied, die eine auf Film, die andere auf einem Sensor.«

Mit der Entscheidung für Film und analoge Kameras wählt man nicht nur ein anderes Ausgabemedium oder eine spezielle Ästhetik – man stellt die Weichen für einen gänzlich anderen Prozess.

Was können Sie mit einer analogen Kamera, das Sie nicht auch mit der digitalen können? Beide nehmen Licht auf – so viel ist richtig. Aber der Unterschied zwischen Film und Sensor ist gravierend. Hier handelt es sich um weit mehr, als nur um zwei unterschiedlich farbige Eimer, die aber in gleicher Art und Weise Wasser aufnehmen.

Wer auf Film arbeitet, hat – bevor überhaupt Licht auf den Film fällt – meist schon Entscheidungen getroffen, die das Endergebnis maßgeblich beeinflussen. Es beginnt mit der Wahl der Kamera, mit dem ihr eigenen Format, ihren bildbestimmenden Eigenarten, technischen Möglichkeiten und Einschränkungen.

Danach fällt der Entschluss hinsichtlich des Films, abhängig davon, wie viel bzw. welches Licht und welche Kontrastsituation am Aufnahmeort zu erwarten sind und wie beides in Bildwirkung übersetzt werden kann. Die Emulsionscharakteristik der verschiedenen Fabrikate wird unter Umständen ebenso viel Einfluss auf das Ergebnis nehmen wie der verwendete Entwickler. Ambitionierte Analogfotografen haben hier gern eine Auswahl und legen sich schon vor dem Beginn der Fototour auf eine Film-/Entwicklerkombination fest, von der sie denken, dass sie die gewünschte Bildaussage oder das Sujet unterstützt.

Diese Liste ließe sich noch weiter fortsetzen, denn streng genommen ist da noch nicht das Ende der Fahnenstange erreicht: Sie können auch noch mit der Entwicklungstemperatur, dem Kipp-Rhythmus etc. spielen, ohne in Esoterik abzugleiten – und das betrifft nur die Entwicklung des Films und die Annahme, dass er hybrid weiterverarbeitet wird. In der Dunkelkammer waren Sie da noch nicht mal.

Hier liegt ein wichtiger und faszinierender Aspekt der analogen Fotografie: nämlich in dem enormen kreativen Potenzial, das – vor allem beim S/W-Film – die verschiedenen Kamera-Belichtungs-Film-Entwickler-Kombinationen bieten. Das gilt umso mehr deshalb, weil sie sich so wenig linear verhalten, dass die Softwareentwickler dieser Welt dieses Verhalten höchstens im Ansatz digital simulieren können.

Kloster Inzigkofen, Großformat auf Ilford Ortho Plus

Wer schon einmal Filme in Licht ertrinken ließ und anschließend in der Entwicklung gepullt hat oder (andersherum) in der hellsten Mittagssonne um drei Blenden unterbelichtet und anschließend gepusht hat, wird sich erinnern, dass die Unterschiede alles andere als vernachlässigbar sind.

Wer sich nicht vorher Gedanken macht, mit welchem Film und entsprechender Belichtung sowie Entwicklung konkrete Vorstellungen umgesetzt werden können, bekommt entweder nur ein durchschnittliches Ergebnis oder im Extremfall einfach leere Negative.

Beim digitalen Arbeiten kann man sehr viele Entscheidungen (auch technischer Art) erst hinterher treffen. Bei der Fotografie auf Film muss man sich vorher entscheiden. Viele kreative Ideen werden sonst nie das Licht der Welt erblicken. In vielen Entscheidungsprozessen rund um scheinbar technische Faktoren liegt der Schlüssel zum kreativen Arbeiten.

Natürlich kann man Filme auch grundsätzlich nur auf Nennempfindlichkeit belichten und dann in einem Labor entwickeln lassen. Mit irgendeinem Entwickler. In einem standardisierten Prozess. Man kann dann das Ergebnis nehmen, wie es kommt, und sich einfach daran erfreuen. Viel spannender ist es jedoch, die Zusammenhänge dahinter zu erkunden, die Stellschrauben und Parameter zu finden, die die Ausdrucksmöglichkeiten des Fotografen fast unendlich erweitern.

»Warum sollte ich mich mit dem Aufnahmeprozess stärker als unbedingt nötig auseinandersetzen? Für mein Endergebnis ist das doch nicht entscheidend.«

Der Aufnahmeprozess, angefangen von der manuellen Belichtungsmessung über die Fokussierung bis hin zum manuellen Aufziehen des Verschlusses kann einem je nach Kameratyp natürlich völlig egal sein – man verpasst jedoch eine Chance, mehr zu lernen und zu begreifen. So wird einem am Beispiel des analogen Großformats sehr eindrücklich klar, wie viele Arbeitsschritte einem jede halbwegs moderne Kleinbild- oder Mittelformatkamera abnimmt. Implizit weiß wahrscheinlich jeder, dass man einen Verschluss spannen muss, damit er seinen Job tut – be-»greifen« wird man es vielleicht erst, wenn man sich einmal vor dem ersten Schuss mit einer Graflex durch seine mentale Checkliste gearbeitet hat.

Wer einen Fokus (womöglich noch mit Lupe) manuell sauber setzt, anstatt das irgendeinem Autofokus-Messfeld zu überlassen, der wird sich zwangsläufig noch mehr Gedanken über das Motiv und die wirklich bildwichtigen Elemente machen. Gleiches gilt für die Belichtung: Wohin und in welchem Winkel misst man denn nun, wenn man keine Matrixoder Mehrfeldmessung mit angeschlossener kamerainterner Datenbank zur Verfügung hat, sondern nur einen alten Belichtungsmesser vom Flohmarkt schwingt?

Die Chancen stehen gut, dass haptisches Begreifen und Erfahren dem Fotografie-Verständnis auf die Sprünge hilft und sich das irgendwann auch in den Bildresultaten wiederfindet. Oder, wie ein kluger Mensch in meinem Umfeld neulich meinte: »von der Hand in den Kopf, in den Bauch«.

Dieses Verständnis ist sicher keine Garantie für preisverdächtige Werke. Die Gestaltungsmöglichkeiten analoger Prozesse bieten aber ein Feld, in dem man tief in sein Hobby eintauchen und den Alltag hinter sich lassen kann. Genau deshalb ist der Prozess ebenso wichtig wie das Endergebnis.

1.2Zu viele Optionen machen unglücklich

Die digitale Welt lockt mit vielen Versuchungen. Einerseits ist da die unglaubliche Geschwindigkeit, mit der die Bilder in Sekundenbruchteilen auf dem Kameradisplay erscheinen. Zum anderen bieten günstige Speicherkarten heute fast unbegrenzten Platz für Abertausende von Fotos.

Bilder können in der Nachbearbeitung immer und immer wieder anders gestaltet werden. Sie lassen sich optimieren, und selbst Entscheidungen über wichtige Faktoren wie den Weißabgleich und viele weitere Details dürfen auf später vertagt werden. Neue Kameratechnologien, z. B. die Lichtfeldfotografie, ermöglichen es sogar, den Schärfepunkt eines Fotos erst in der Nachbearbeitung zu setzen.

Treppenhaus, Berlin, Kodak Tri-X in HC-110

Mit so viel Flexibilität kann die analoge Fotografie auf den ersten Blick nicht wirklich mithalten. Manche Dinge dauern im Analogen einfach länger, und viele Entscheidungen sind – einmal getroffen – nicht mehr zu ändern. Wenn wir einen Schwarzweißfilm einlegen, ist unsere Welt für die nächsten Bilder eben schwarzweiß. In dem Moment, in dem wir den Auslöser drücken, ist das Foto gemacht und der Film dafür verbraucht.

In der analogen Fotografie müssen wir (wieder) lernen, Entscheidungen zu treffen und dann auch zu ihnen zu stehen. Viele werden das zunächst als Nachteil empfinden. Warum sollte man sich einschränken? Ist mehr nicht besser?

Nicht unbedingt. Die Filmfotografie zwingt einen dazu, sich aufs Wesentliche zu konzentrieren. Und das hat auch Vorteile.

Die Notwendigkeit, Entscheidungen im Vorfeld zu treffen, hat nämlich nicht nur eine fotografische Dimension, sondern vor allem auch eine psychologische. Viele Experimente und Studien zeigen, dass unsere Zufriedenheit zwar mit steigender Menge der Möglichkeiten zunächst zunimmt. Ab einem gewissen Punkt kehrt sich das allerdings um. Unendliche Möglichkeiten machen nicht zwangsläufig unendlich zufrieden. Eher das Gegenteil ist der Fall.

»Dieser paradoxe Sachverhalt mag zunächst überraschen. Allerdings zeigen viele Studienergebnisse genau diesen Effekt. Je mehr Entscheidungsmöglichkeiten man hat, desto schwieriger wird es, eine rationale Entscheidung zu treffen. Der Autokauf ist ein gutes Beispiel. Heute gibt es zahllose Ausstattungsvarianten, die der Kaufwillige alle rational gewichten will. Studien zeigen, dass der Mensch aber bei mehr als ca. zehn Optionen unzufrieden wird und sich eher überfordert fühlt. Wenn man aus 30 Weinsorten auswählen soll, so fällt das schwerer, als eine Auswahl aus nur zehn Sorten. Und auch die Anzahl der tatsächlich gekauften Flaschen wird mit der Menge an Sorten weniger. Diesen Effekt gibt es stabil über viele Studien hinweg. Der Wunsch nach einer rein rationalen Entscheidung ist psychologisch gesehen auch eher unrealistisch, da emotionale Faktoren ebenfalls eine große Rolle spielen. So z. B. die Frage, welche Automarke der Vater jahrzehntelang fuhr, oder welche Marke das erste eigene Auto hatte. Menschen mit Schädigungen in den Hirnarealen, die für Emotionen zuständig sind, haben überhäufig schwerste Probleme, Entscheidungen zu treffen. Somit ist klar, dass Entscheidungen immer eine Synthese aus Ratio und Emotion sind. Und wie so oft gilt: ›Weniger ist manchmal Mehr!‹ « — Alexander Waschkau, Psychologe

Das erklärt, warum Analogfotografen oft viel zufriedener mit den Ergebnissen ihrer Fotografie sind.

Wir beobachten das übrigens auch regelmäßig an uns selbst. Während wir aus hundert unserer digitalen Fotos vielleicht nur eine Handvoll Bilder mögen, ist diese Quote beim Fotografieren auf Film meist deutlich höher.

An dieser Stelle spielt es natürlich auch eine Rolle, dass die analogen Fotografen oft mit einer ganz anderen Sorgfalt ans Werk gehen. Jedes Bild auf Film kostet messbar Geld. Im Gegensatz zur Speicherkarte ist Film nicht wiederverwendbar, und obwohl Computer Strom verbrauchen, ist der verbrauchte Entwickler für den Menschen immer noch deutlicher greifbar. Allein darum erzeugen wir in der analogen Fotografie fast immer weniger Ausschuss als in der digitalen.

Die stärkere Konzentration auf den Prozess hat dabei fast unweigerlich eine wichtige positive Nebenwirkung: Die umfassendere Beschäftigung mit dem »Wie« und dem »Warum« mündet in einen Lernprozess, zu dem wir im Digitalen oft erst später finden. Wenn überhaupt. Die analog gewonnenen Erkenntnisse finden also wieder Anwendung in der digitalen Fotografie, die dadurch fast notwendigerweise besser wird.

So schließt sich der Kreis, und die Zufriedenheit wächst.

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Analog oder digital?

Selbstverständlich werden auch immer schnell Vergleiche gezogen. Besonders oft hören wir da die Frage: »Wie viele Megapixel sind das denn?«

Das ist ohne Weiteres nicht zu beantworten. Es gibt leider keine geradlinige Übersetzungsformel vom Film zum digitalen Sensor. Dafür gibt es zwischen den beiden Welten einfach zu viele Unterschiede.

Auch wenn wir die jeweils kleinsten lichtempfindlichen Einheiten zum Vergleich he-ranziehen, also das digitale Pixel und das lichtempfindliche Korn beim Film, kommen wir nicht weiter. Sollten wir statt vom Korn vielleicht doch lieber vom einzelnen Silberhalogenid-Partikel reden?

Schauen wir uns trotzdem mal einzelne Bereiche etwas genauer an. Vergleichen ist nicht verboten.

2.1Filmkorn

Betrachten wir zunächst die Ausprägung des Filmkorns. Es kann groß oder klein, hart oder weich, in seiner Verteilung regelmäßig oder eher unruhig sein.

Die Kornstruktur eines Films kann je nach Art der Entwicklung völlig unterschiedlich ausfallen. Eine Filmentwicklung (z. B. in Rodinal), bei der während des Entwicklungsvorgangs viel Bewegung im Spiel ist, wird das Filmkorn deutlich mehr akzentuieren, als eine 90-minütige Standentwicklung, bei der der Film nahezu völlig in Ruhe gelassen wird.

Temperatur, Entwicklungszeit, Entwicklertyp und sogar die Stärke der Bewegung beim Entwickeln (die sogenannte Agitation), können ein und denselben Film entweder zum (scharfen) Kornmonster machen oder eben, wie bei der Standentwicklung, seidenweich und glatt daherkommen lassen.

Warum der Film einmal deutliches und kantiges Korn zeigt und ein anderes Mal fast gar keines, liegt unter anderem am Aufbau der Filmemulsion. Diese besteht nicht, wie oft geglaubt wird, aus einer einzigen Schicht nebeneinander liegender Silberpartikel. Sie ist vielmehr ein dreidimensionales Gebilde, in dem je nach Herstellungsprozess fast immer mehrere Schichten verschieden großer und verschieden geformter Partikel übereinander liegen.

Die erste Version des beliebten T-MAX von Kodak ist ein gutes Beispiel. Hier lag unten eine Schicht mit traditionellem und eher rundem Korn und darüber eine weitere mit flachen, sogenannten T-Kristallen. In der aktuellen Version verwendet Kodak ausschließlich T-Kristalle.

Kodak T-MAX (erste Version), mehrschichtiger Aufbau

Schaut man nun nach der Entwicklung von oben durch diese dreidimensionale Struktur, wird deutlich, dass sich das, was wir als »Korn« bezeichnen, fast immer als optischer Cluster aus mehreren Schichten von Partikeln zusammensetzt.

2.2Anordnung

Legt man neben dem Film einen digitalen Sensor unters Mikroskop, fällt zunächst die regelmäßige Anordnung der Pixel auf. Jede lichtempfindliche Zelle hat einen ihr zugewiesenen Platz im Gitter. Aus der Reihe tanzen gilt nicht. Das Korn des Analogfilms ist dagegen überhaupt nicht regelmäßig. Seine Verteilung ist über die komplette Fläche des Films chaotisch.

Korn oder Pixel?

Das regelmäßige Muster des Sensors führt dazu, dass Linien, die diagonal zu den Sensorstrukturen verlaufen, als Treppchen abgebildet werden. Je näher sich dieser Winkel der Anordnung auf dem Sensor nähert, desto größer wird die Gefahr der Treppenbildung. Das führt beim Farbsensor zu Moirémustern oder lokalen Farbverfälschungen im Bild.

Den Film beeindrucken solch regelmäßige Muster innerhalb des Motivs dank der organischen Kornverteilung gar nicht.

Die Hersteller von Digitalkameras müssen tricksen, damit solche Strukturen trotzdem sauber abgebildet werden: Sie verpassen ihren Kameras einen »Anti Aliasing«-Filter, der das Bild während der Aufnahme leicht unscharf macht. Auf Kosten der Bildschärfe wird so die Treppchenbildung verhindert. Das ist auch der Grund, warum man die meisten digitalen Bilder im letzten Schritt schärfen sollte.

Film braucht das nicht.

2.3Schärfe

Die Bildschärfe lässt sich technisch über die Auflösungsfähigkeit von Linienpaaren messen. Viel wichtiger für künstlerisches Arbeiten ist allerdings der Schärfeeindruck, der beim Betrachter ankommt. Dieser hängt von einigen Faktoren ab.

Wien, Großformat, Kodak Tri-X 320. Die hohe Auflösung des Großformats äußert sich in einer entsprechend hohen Bildschärfe.

Hier spielen Betrachtungsabstand und Auflösung des Bildes eine wichtige Rolle. Je weiter man vom Bild entfernt ist, desto weniger Auflösung reicht aus, um trotzdem einen scharfen Bildeindruck zu gewinnen.

Der Kontrast im Bild spielt auch eine große Rolle. Schärfeempfinden ist synonym mit den Lokalkontrasten im Bild. Wenn zwischen angrenzenden Flächen weiche (kontrastarme) Übergänge herrschen, deuten wir das als Unschärfe. Sind die Übergänge kontrastreich, so empfindet der Betrachter das als scharf.

Um die empfundene Schärfe zu erhöhen, bedient man sich heutzutage der Unscharfmaske, einer alten Technik aus der Dunkelkammer. Hier wird der Kontrast an den Kanten im Bild erhöht. Die dunklen Seiten der Kontrastkanten werden weiter abgedunkelt, die hellen Seiten werden entsprechend heller. Diese Kontrasterhöhung nehmen wir dann als erhöhte Schärfe wahr.

Aber auch das Korn des Films trägt zum Schärfeeindruck bei.

2.4Fläche

Neben der Abbildung feiner Strukturen unterscheiden sich Film und Sensor auch darin, wie viel ihrer Fläche lichtempfindlich ist. Beim Film ist es einfach: Seine komplette Fläche ist lichtempfindlich.

Beim Sensor sieht das anders aus. Damit die Kamera an die Belichtungsinformationen jedes einzelnen Pixels herankommt, befinden sich auf der Sensorfläche neben den lichtempfindlichen Zellen zusätzlich Leiterbahnen. Diese sind nicht lichtempfindlich. Dadurch wird ein Teil der Fläche für den Lichtempfang nutzlos. Es ist noch nicht lange her, da lag die diesbezügliche Ausnutzung der Sensorfläche bei deutlich unter 30 %.

Inzwischen werden auch sogenannte »Backlit«-Sensoren verbaut, bei denen die Verkabelung auf die Rückseite des Sensors gelegt wird, um diese Fläche zu vergrößern. Von einer hundertprozentigen Ausnutzung der theoretisch verfügbaren Sensorfläche sind wir aber immer noch entfernt.

2.5Kontrastumfang

Zwischen den Polen aus tiefstem Schwarz und hellstem Weiß ist jedes Medium nur in der Lage, einen gewissen – unterschiedlich großen – Bereich abzubilden. Diesen abbildbaren Bereich bezeichnen wir auch als Kontrast- oder Dynamikumfang. Gemessen wird er in Blendenstufen. Eine Blendenstufe entspricht einer Verdopplung oder Halbierung der Helligkeit.

Bushaltestelle. Fomapan 100 in Rodinal 1+100. Das hilft, den besonders hohen Kontrastumfang des Bildes zu zähmen.

Egal ob wir einen digitalen Kamerasensor oder analogen Film betrachten, eines haben beide gemeinsam: Im mittleren Bereich ihres Kontrastumfangs können sie feine Helligkeitsabstufungen am besten differenzieren. Entfernt sich die Belichtung weit von dieser Mitte, dann werden weniger Abstufungen und damit z. B. weniger Details in Texturen abgebildet.

Eine Aufgabe des Belichtungsmessers einer Kamera ist es deshalb, bei unterschiedlichen Belichtungssituationen die Menge des einfallenden Lichts so zu steuern, dass sich die Belichtung möglichst innerhalb dieses Kontrastumfangs befindet. Sonst droht Überoder Unterbelichtung. Kamerahersteller prahlen gerne mit großen Zahlen, wenn es um ihre Flaggschiffe geht. So auch beim Dynamikumfang.

Aber wie schlägt sich da im Vergleich der Film?

Farbnegativ- und Diafilm sind weitgehend standardisiert, die Entwicklung findet voll automatisiert statt. Damit ist auch ihr jeweiliger Kontrastumfang einigermaßen klar umrissen.

Der Schwarzweißfilm ist hier das wahre Universaltalent. Jeder Schwarzweißfilm kann in jedem der unzähligen Entwickler entwickelt werden, und Variationen bei der Entwickler-Verdünnung, der Entwicklungszeit und der Temperatur tun ihr Weiteres, um die Ausprägung der Kontraste zum Teil deutlich zu verändern.

Besonders Push und Pull, zwei unterschiedliche Methoden der Filmbehandlung und -entwicklung, über die wir in Kapitel 6, Im Labor, etwas ausführlicher reden, haben einen enormen Einfluss auf den Kontrastumfang, den der entwickelte Film an den Tag legt.

2.6Einfallswinkel Licht

Die Winkelabhängigkeit gegenüber dem auftreffenden Licht ist ein weiterer Unterschied. Licht fällt zwar generell von vorne auf Sensor und Film, doch je nach Brennweite unterscheiden sich die Winkel und damit die Lichtausbeute. So werfen z. B. Teleobjektive eher gebündelte Strahlen in die Kamera, die Sensor oder Film mit einem Winkel von fast 90 Grad treffen. Die Strahlenbündel von Weitwinkelobjektiven fallen speziell zum Rand hin eher flach ein. Film fängt das Licht fast unabhängig vom Winkel ein, während viele digitale Sensoren bedingt durch ihre Bauart deutlich winkelabhängiger sind. Um die lichtempfindliche Fläche zu erhöhen, werden in Sensoren oft Mikrolinsen eingebaut. Das sind kleine Lupen, die das einfallende Licht in Richtung der Pixel bündeln. Fällt das Licht nicht im rechten Winkel ein, kommt in der Digitalkamera weniger Licht bei den einzelnen Pixeln an. Und das wird beim Einsatz von Weitwinkelobjektiven besonders in den Randbereichen des Sensors durch Abdunklung sichtbar.

Was noch erschwerend hinzukommt: Spiegellose Kameras haben ein kürzeres Auflagemaß, d. h., der Abstand zwischen Objektivbajonett und Filmebene ist entsprechend kleiner. Entsprechend flacher sind die Winkel, und umso ausgeprägter zeigt sich die Vignettierung.

Falls Sie sich jetzt fragen, warum das Weitwinkelobjektiv auf Ihrer Digitalkamera nicht vignettiert, dann lautet die Antwort: Hier wird digital getrickst. Falls die Kamera weiß, durch welches Objektiv sie schaut, dann kann sie die Abdunklung der Bildecken einfach herausrechnen.

Fast alle Kamerahersteller tun das inzwischen – sogar Leica und Hasselblad.

2.7Die Bayer-Matrix

Ein weiterer Grund für eine leichte Verunschärfung des digitalen Bildes ist die Verwendung der sogenannten Bayer-Matrix. Die meisten Sensoren teilen das Licht in Viererblöcken in die drei Grundfarben Rot, Grün und Blau auf. Dabei sind jeweils zwei Pixel empfindlich für Grün, eines für Rot und eines für Blau. Das bedeutet, dass nur je ein Viertel der Fläche eines Sensors blaues oder rotes Licht wahrnehmen kann und nur die Hälfte für grünes Licht sensibel ist.

RGB-Sensor mit Bayer-Matrix

Während die meisten digitalen Sensoren nur auf je einem Viertel der Fläche Rot und Grün sehen können, sieht der Film aufgrund seines in die Tiefe gehenden Schichtaufbaus auf der gesamten Fläche an jeder Stelle alle Farben.

Diese drei Farbkanäle werden in der Kamera dann in 16 Millionen bunte Pixel umgerechnet, wobei wieder ein Teil der Schärfe auf der Strecke bleibt.

Statt der in den meisten Kameras verwendeten Bayer-Matrix nutzt Fujifilm mit dem selbst entwickelten X-Trans-Sensor in einigen Kameras eine andere Matrix. Die filtert zwar auch nach den Grundfarben Rot, Grün und Blau, besteht aber aus einem 6 × 6-Pixel-Muster. Es soll u.a. weniger anfällig für Moirée-Muster sein und außerdem eine höhere Auflösung ermöglichen.

Eine weitere interessante Sensor-Technik stammt von Sigma. Auf deren Foveon-X3-Sensor liegen die Grundfarben nicht neben-, sondern untereinander und nutzen so geschickt die Absorption unterschiedlicher Wellenlängen im Silizium aus. Damit ist jedes Pixel des Foveon-Sensors für alle drei Grundfarben empfindlich. Theoretisch kommt dieser Sensor damit dem Farbfilm recht nahe, denn auch dieser ist in übereinander gelagerten Schichten aufgebaut und »sieht« damit an allen Stellen alle Farben.

2.8Banding

Ein weiterer Bereich der digitalen Welt, in dem viele Umsteiger von der analogen Seite etwas straucheln, ist die Bittiefe der digitalen Bilder. Die Anzahl der Bits, mit denen die einzelnen digitalen Pixel gespeichert werden, bestimmt die Anzahl der verschiedenen Helligkeitsabstufungen, die dieses Pixel haben kann. Würden wir mit einer Bittiefe von eins speichern, dann könnte man damit genau zwei Zustände abbilden: Schwarz und Weiß. Jedes weitere Bit verdoppelt die Zahl der möglichen Abstufungen, d. h., mit jedem zusätzlichen Bit erhöht sich die mögliche Menge der abzubildenden Graustufen.

Fabrik, Hannover, Universal 200

In der Literatur über digitale Bildbearbeitung lesen wir häufig von Bittiefen von 8 oder 16 Bit. Glücklicherweise müssen wir uns heute als Ditigalschaffende nicht mehr wirklich in der Tiefe damit auseinandersetzen. Moderne Bearbeitungsprogramme nehmen uns die Entscheidung ab und arbeiten unter der Haube fast immer mit sehr hohen Bittiefen. Nur beim Übergang zwischen verschiedenen Programmen kommt es ab und zu noch zu Fragen rund um die beste Einstellung. Falls Sie sich nicht sicher sind, wie viele Bit Sie für das Bearbeiten in einem anderen Programm einstellen sollen, dann gilt die Faustregel: Mehr schadet nicht. In unserem Fall steht dieser Wert meist für Schwarzweißbilder auf 16 Bit, für Farbbilder auf 16 Bit pro Farbkanal, d. h. auf 48 Bit. Das Thema wird Ihnen im Kapitel 7, Weiterverarbeitung, noch mal begegnen.

Eine zu geringe Bittiefe wird besonders an solchen Stellen im Bild sichtbar, an denen besonders feine Abstufungen und Farbübergänge vorherrschen. Das sind unter anderem Himmelspartien, in denen wir z. B. gern über größere Bildbereiche Übergänge von Hellblau zu Ein-winziges-bisschen-helleres-Hellblau sehen. Zu wenige Bits – und diese Übergänge zerfallen in diskrete Bänder, das sogenannte »Banding«.

Den Film kümmert das erst beim Übergang ins Digitale.

2.9Weißabgleich vs. Filmtyp

Der Begriff Weißabgleich tauchte spätestens mit dem Erscheinen der ersten (damals noch analogen) Videokameras auf, in denen das Farbbild aus den drei unterschiedlichen Grundfarben Rot, Grün und Blau zusammengesetzt wurde. Da das bei einem Großteil der Digitalkameras immer noch der Fall ist, wird auch der Begriff Weißabgleich weiterverwendet. Unser Sehapparat ist enorm flexibel, wenn es um verschiedene Lichtfärbungen geht. Wir werden Weiß fast immer als Weiß wahrnehmen, auch wenn eine Kerze eine deutlich wärmere Färbung zeigt als eine kaltweiße Leuchtstoffröhre. Das goldene Abendlicht der Sonne unterscheidet sich in der Farbe deutlich von der kühlen Stimmung an einem Winternachmittag unter bedecktem Himmel.

Wir reden hier von der Farbtemperatur, die in Kelvin (K) gemessen wird. Nicht besonders intuitiv ist die Tatsache, dass Licht, das wir als warm wahrnehmen, niedrigere Werte hat (Kerze: 1200 K). Je mehr Blauanteile das Licht enthält, desto höher wird die Farbtemperatur (bedeckter Himmel in nördlichen Breiten: 7000 K).

Digitale Kameras können die unterschiedlichen Lichtfarben – im Gegensatz zu uns – nicht ohne Weiteres als neutral wahrnehmen. Ohne den Weißabgleich wird ein bei Kerzenlicht fotografiertes weißes Blatt Papier eher gelb erscheinen. Unter bedecktem Nachmittagshimmel mit seinen eher kühlen Farbanteilen sieht dann auf dem Foto alles blau aus.

Damit diese Unterschiede nicht zu stark ins Gewicht fallen, versuchen digitale Kameras über den automatischen Weißabgleich die Verteilung der drei Farbkanäle Rot, Grün und Blau zu steuern. Wenn die Digitalkamera also Kerzenlicht mit seinen starken warmen – d. h. roten – Farbanteilen erkennt, wird sie im Idealfall den Rotkanal etwas reduzieren und so das Bild etwas neutraler darstellen.

Beim Farbfilm finden wir etwas Ähnliches: Die Empfindlichkeit der unterschiedlichen Farbschichten ist je nach Einsatzzweck des Films verschieden stark ausgeprägt. Die Norm bildet in der Regel der Tageslichtfilm, der meistens auf eine durchschnittliche Farbtemperatur von ca. 5500 K eingestellt ist. Unter entsprechendem Tageslicht werden dann Farben möglichst neutral, d. h. weder zu kühl noch zu warm dargestellt.

Zeiss Ikon Tenax, Halbformat

Kunstlicht kann je nach Art sehr kühl (Leuchtstofflampen) oder warm (Glühlampen) ausfallen, und um neutrale Farben zu erreichen, muss das Filmmaterial entsprechend ausgeprägt sein.

Es gibt heute allerdings nur noch wenige Filme, die für Kunstlicht optimiert sind. Ein Beispiel dafür ist der CineStill Xpro C-41 800 Tungsten, der für warmes Glühlampenlicht (Tungsten) benutzt wird.

Um Tageslichtfilme trotzdem bei Kunstlicht einsetzen zu können, lässt sich auch mit Filtern vor dem Objektiv das Farbspektrum entsprechend an den Film anpassen.

Eine hundertprozentige Anpassung für absolut neutrale Farben ist beim Film in der Regel weder möglich noch erwünscht. Jeder Farbfilm hat seine ganz eigene charakteristische Ausprägung von Farben und Kontrasten. Oft sind genau diese Eigenheiten erwünscht und bestimmen die Auswahl des Filmmaterials für den jeweiligen Zweck.

2.10Die Weiterverarbeitung