Abstieg zu den Fischen - David Donachie - E-Book
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Abstieg zu den Fischen E-Book

David Donachie

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Beschreibung

Eine letzte Prise für Ihre Majestät: Der Seefahrerroman »Freibeuter Harry Ludlow: Abstieg zu den Fischen« von David Donachie als eBook bei dotbooks. Der Ärmelkanal im Jahre 1796. Nach zwei Jahren auf hoher See und vielen geschlagenen Schlachten will Harry Ludlow, der »Detektiv der Meere«, mit seiner stolzen Fregatte »Bucephalas« wieder im sicheren Heimathafen einlaufen. Doch bevor der erfahrene Kapitän die Cinque Ports erreichen kann, werden sie im Englischen Kanal in eine tödliche Falle gelockt: Als die Freibeuter inmitten des dichten Nebels das Donnern von Kanonen vernehmen, können sie nicht anders, als diesem Lockruf zu folgen. Doch was als Jagd nach einer letzten Beute beginnt, wird bald zu einem erbitterten Kampf auf Leben und Tod … »Abenteuer pur voller Spannung und Wagemut: Historische Unterhaltung vom Feinsten.« Historical Novels Review Online Jetzt als eBook kaufen und genießen: Der nautische Kriminalroman »Freibeuter Harry Ludlow: Abstieg zu den Fischen« von David Donachie wird Fans von C.S. Forester und Patrick O’Brian begeistern; das Hörbuch ist bei SAGA Egmont erschienen. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.

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Über dieses Buch:

Der Ärmelkanal im Jahre 1796. Nach zwei Jahren auf hoher See und vielen geschlagenen Schlachten will Harry Ludlow, der »Detektiv der Meere«, mit seiner stolzen Fregatte »Bucephalas« wieder im sicheren Heimathafen einlaufen. Doch bevor der erfahrene Kapitän die Cinque Ports erreichen kann, werden sie im Englischen Kanal in eine tödliche Falle gelockt: Als die Freibeuter inmitten des dichten Nebels das Donnern von Kanonen vernehmen, können sie nicht anders, als diesem Lockruf zu folgen. Doch was als Jagd nach einer letzten Beute beginnt, wird bald zu einem erbitterten Kampf auf Leben und Tod …

»Abenteuer pur voller Spannung und Wagemut: Historische Unterhaltung vom Feinsten.« Historical Novels Review Online

Über den Autor:

David Donachie, 1944 in Edinburgh geboren, ist ein schottischer Autor, der auch unter den Pseudonymen Tom Connery und Jack Ludlow Bekanntkeit erlangte. Sein Werk umfasst zahlreiche Veröffentlichungen; besonders beliebt sind seine historischen Seefahrerromane.

David Donachie veröffentlichte bei dotbooks bereits seine Serie historischer Abenteuerromane um den Freibeuter Harry Ludlow mit den Bänden »Klar Schiff zur Höllenfahrt«, »Im Windschatten des Schreckens«, »Kurs ins Ungewisse«, »Die zweite Chance«, »Im Kielwasser: Verrat« und »Abstieg zu den Fischen«.

Der Autor im Internet: www.facebook.com/daviddonachieauthor/

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eBook-Neuausgabe September 2023

Die englische Originalausgabe erschien erstmals 1997 unter dem Originaltitel »A Game of Bones« bei Macmillan, London

Copyright © der englischen Originalausgabe 1997 by David Donachie

Copyright © der deutschen Erstausgabe 2000 by Econ Ullstein List Verlag GmbH & Co. KG, München

Copyright © der Neuausgabe 2023 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Nele Schütz unter Verwendung von Shutterstock/Abstractor, Vector Tradition, paseven, MF production, Taras Valerievich und AdobeStock/Terablete

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (fb)

ISBN 978-3-98690-689-4

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David Donachie

Abstieg zu den Fischen

Roman – Freibeuter Harry Ludlow 6

Aus dem Englischen von Uwe D. Minge

dotbooks.

Vorwort des Autors

Diejenigen, denen die Küste der Normandie bekannt ist, werden den Ort mit dem Namen Îles de St. Aubin wiedererkennen, wenn vielleicht auch nicht den Namen. Um das Geschehen spannend wiederzugeben, habe ich den Marcoufs eine größere Bedeutung verliehen, als sie sie in der Wirklichkeit haben, obwohl man sagen muß, daß sie zur Zeit der Seefahrt tatsächlich eine echte Gefahr darstellten.

Für Helen, Bob, Donna und Diana

Kapitel 1

Das Geräusch war nicht, wie es sein sollte, das Krachen der Kanonen wurde durch den großen Abstand zu einem fernen rollenden Donner. Aber der Ton, den Harry Ludlow hoch oben auf der Saling hörte, war zu regelmäßig, um eine natürliche Ursache haben zu können. Harry ging davon aus, daß er im Englischen Kanal segelte, jedenfalls war er sich dessen so gewiß, wie ein Seemann es sein kann, der sich in tiefem Wasser befindet. Außerdem wußte er, daß außerhalb seines eingeschränkten Gesichtsfelds ein Seegefecht tobte. Aber der dichte weiße Nebel schien sich förmlich vor seine Augen zu legen. Und natürlich gab es auch nur wenig Wind, der ihn vorwärtstrieb. Wieder und wieder hörte er das dumpfe, widerhallende Grollen, das vom endlosen Klappern der Pumpen und dem nervigen rhythmischen Rasseln begleitet wurde, das Flowers mit seinen geschnitzten Schlaghölzern aus Knochen produzierte. Harry drehte den Kopf hin und her, um die Richtung auszumachen, aus der dieses verdammte Geräusch kam.

Wenn er nach unten blickte, konnte er nicht einmal das Deck der Bucephalas erkennen, so daß er sich fühlte, als ob er ohne erkennbare Stütze frei in der Luft schwebte. Er war sicher, daß jeder Mann, mit Ausnahme derjenigen an den Pumpen, an Deck war und wie er selbst vergebens versuchte, über den Klüverbaum hinweg einen Hinweis zu erspähen, welchen Kurs man steuern sollte. Mit geschlossenen Augen lehnte Harry seinen Kopf gegen das rauhe Holz der Maststenge. Er vermutete, daß in der Nähe die kleine Korvette stand, die sein Ausguck in der vergangenen Nacht gesichtet hatte. Sie war so langsam gesegelt, daß er ihr bei guter Sicht vielleicht Schwierigkeiten hätte bereiten können. Harry war sich ziemlich sicher, gleichgültig was für Schiffe vor ihm waren, daß die Entfernung stetig abnahm. Doch er hatte fast sein ganzes Leben auf See verbracht, zuerst als Kabinenjunge eines Kommandanten, später als Marineoffizier und dann als Freibeuter, deshalb wußte er genau, wie sehr der Nebel den Schall und seine Übertragung verzerren konnte.

Harry spürte, wie sich die Tampen bewegten, schon lange bevor Pender ihn oben erreichte.

»Wie sieht es aus, Euer Ehren?« Penders Gesicht, das tief gebräunt und feucht war, tauchte wie aus einem Wattemeer auf.

»Ein Schiff feuert mit schweren Geschützen«, antwortete Harry, »das zweite antwortet mit einem leichteren Kaliber, aber beide schießen mit einer Regelmäßigkeit, die auf lange Übung schließen läßt. Die großen Schiffe dagegen feuern willkürlicher, vermutlich weil es dort an der notwendigen Besatzung für einen richtigen Kampf fehlt.«

»Könnte es sich um ein Kriegsschiff handeln?«

In Penders Frage lag eine Menge versteckter Besorgnis, denn es war von größter Wichtigkeit, ein Zusammentreffen mit einem derartigen Fahrzeug zu vermeiden. Die Bucephalas war nicht in der Lage, es auch nur mit einem mittelmäßig starken Gegner aufzunehmen. Zwei Jahre auf hoher See hatten ihrem Rumpf nicht gut getan, und in einem Seegefecht hatte sie einen Schaden unterhalb der Wasserlinie erlitten, der eine erhebliche Leckage verursacht hatte, die man zunächst mit Bordmitteln selbst beheben mußte. Aber selbst in einem perfekten Zustand wär es offensichtlich gewesen, daß sich die Bucephalas von einem Kriegsschiff, gleichgültig ob es sich um ein französisches, spanisches oder holländisches handelte, freihalten sollte. Freibeuter machten ihren Profit durch das Aufbringen und Verkaufen von Schiffen und deren Ladung, die den Feinden des Königs gehörten, nicht durch erbitterte Seegefechte, bei denen der einzige Lohn die Ehre war.

Und Pender erinnerte Harry außerdem daran, allerdings ohne es offen auszusprechen, daß ihnen hier in den heimatlichen Gewässern sogar durch die eigenen Kriegsschiffe Gefahr drohte. Die Kämpfe dauerten jetzt schon vier Jahre, und die Anzahl der Gegner, denen sich Großbritannien gegenübersah, hatten dramatisch zugenommen. Daher gab es kein Schiff in der Royal Navy, angefangen von der kleinsten Slup bis hoch zum als erstrangig ratifizierten Schlachtschiff, das nicht unterbemannt war.

Harry Ludlow hatte jedoch an Bord der Bucephalas eine Mannschaft aus kampferprobten Seeleuten aus echtem Schrot und Korn. Sie waren alle Blauwassermatrosen, und ein jeder Offizier des Königs würde für sie zwei Finger jeder Hand opfern. Rechtmäßig konnte die Marine Harrys Männer jedoch nicht vom Schiff holen, da er Freistellungen für seine Besatzung erwirkt hatte. Aber nachdem, was das letzte Mal geschehen war, als sie so dicht vor der eigenen Haustür gekreuzt waren, schienen solche juristischen Feinheiten die Männer des Königs eher dazu herauszufordern, sie zu mißachten, als sie zu befolgen.

Nach der langen Zeit auf See und in Erwartung des ihnen zustehenden Anteils von dem Vermögen, das Harry während des zweijährigen Törns erbeutet hatte, wollte die Besatzung der Bucephalas jedenfalls keinerlei Risiko provozieren. Aber sie hatten in ihrem Kapitän einen Mann, der nie widerstehen konnte, wenn er den Donner von Kanonen hörte. Er hielt darauf zu, sogar in diesem pottendicken Nebel, durch den er nicht abschätzen konnte, ob die Kanonen eine Gefahr für ihn darstellten. Das lag nun einmal in seiner Natur und hatte sich vom ersten Tag an gezeigt, als er ein Kommando über ein eigenes Schiff übernommen hatte. Und die letzten Erfahrungen hatten diesen Charakterzug noch verstärkt. Harry Ludlow hatte nämlich einen schweren persönlichen Verlust erlitten. Die Männer, die mit ihm aus dem Golf von Mexiko über New York hierher gesegelt waren, hatten eins sehr schnell gelernt: Das einzige, was seine tiefen Depressionen vertreiben konnte, war die Hitze des Gefechts, ganz besonders, wenn aller Leben auf des Messers Schneide standen.

»Wie es scheint, werden wir die anderen nicht in Sicht bekommen«, stellte Pender fest, der versuchte, seine Stimme nur vernünftig überlegend, anstatt hoffnungsvoll klingen zu lassen. »In dieser verdammten Waschküche können wir genau an ihnen vorbeisegeln und fast die Rahnock streifen, ohne mitzubekommen, daß wir uns in unmittelbarer Nähe befinden.«

»Rudergänger!« rief Harry und lehnte sich hinten über, um von Pender frei zu kommen. »Den Kurs zwei Strich nach Backbord ändern! Und sagen Sie dem Bastard Flowers, daß er das Klappern mit seinen Schlaghölzern einstellen soll!«

»Kapitän«, grollte Pender, als das erwähnte Instrument, das aus dem Kieferknochen eines echten Wales geschnitzt war, mit einem letzten »Klapp« verstummte, »wir können so einen Ärger wahrlich nicht gebrauchen.«

»Quatsch!« fauchte Harry. Seine Stimme klang so gepreßt wie seine Hand, die sich um das Stag spannte. »Das wäre doch der Löffel Schlagsahne auf dem Pudding. Besonders, wenn es sich um diese Korvette handeln sollte, die wir gestern nacht gesichtet haben.«

»Es könnte aber auch sein, daß wir den ganzen Pudding verlieren, wenn sie es nicht ist.«

»Du hast wohl Schiß, oder was ist mit dir los?« zischte Harry in einem Tonfall, den er noch nie gegenüber diesem Manne benutzt hatte.

Penders Tonfall war gleichermaßen unfreundlich. »Ich weiß nicht, was ich entgegnen würde, wenn mir ein anderer als Sie diese Fragen stellen würde.«

Es hatte Zeiten gegeben, in denen sich Harry Ludlow für eine solche Entgleisung sofort entschuldigt hätte. Aber er hatte zu viel Zeit alleine verbracht, das hatte ihn verändert. Sein Bruder James, der jetzt an Deck stand und genauso besorgt wie die übrige Besatzung war, hatte dies mit dem Ausdruck »Verinnerlichung« bezeichnet.

Pender kehrte sich einen Dreck darum, wie das auf Lateinisch, Griechisch oder Wasserpolnisch rückwärts hieß. Für ihn war es eine Bedrohung für sie alle, und das war ihm Entschuldigung genug, um bis an die äußerste Grenze der zwischen ihm und seinem Kapitän eigentlich fast freundschaftlichen Beziehung zu gehen, und seine Meinung zu verdeutlichen.

»Wir brauchen kein Sahnehäubchen. Und ich brauche keinen Kampf, um ruhig schlafen zu können.«

»Geh zurück an Deck, Pender«, befahl ihm Harry ruhig, »und das ist, nur für den Fall, daß du dir darüber nicht im klaren bist, ein Befehl!«

Die Versuchung einer deutlichen Antwort war fast übermächtig, aber Pender wußte, daß er erfolglos bleiben würde. Das Band zwischen ihm und Harry, von welcher Art es auch immer gewesen sein mochte, existierte nicht mehr. Die Ereignisse in New Orleans hatten Harry Ludlow verändert. Den Mann, der gerne gelacht und das Leben geliebt hatte und jede Gefahr äußerst präzise abschätzen konnte, gab es nicht mehr. Wo war nur der Kapitän geblieben, der sich nur um das Wohlergehen seiner Besatzung, sondern auch um ihre Meinung gekümmert hatte?

»Und, Pender«, fügte Harry noch hinzu, als der Mann, der jetzt nur noch sein persönlicher Diener, aber bis vor kurzem sein Freund gewesen war, sich umdrehte, um ihn zurückzulassen, »du schätzt deinen Platz falsch ein. Du wirst dich in Zukunft daran erinnern, daß ich der Kapitän dieses Schiffes bin. Wir gehören nicht zur Marine, aber das nimmt mir nicht das Recht, die Disziplin durchzusetzen, wenn es sein muß bis zur Auspeitschung.«

Pender war zu schockiert, um zu antworten, was für einen Mann, der sich rühmte, nie den Buckel vor einer Autorität krumm zu machen, enorm war. Und er war tief verletzt, was sogar Harry Ludlow klargeworden wäre, wenn er sich umgedreht hätte. Sie waren jetzt seit beinahe fünf Jahren zusammen, und in dieser Zeit waren sie durch jede Menge gefährliche Abenteuer gegangen. Harry, der gerade mit der Auspeitschung gedroht hatte, war sogar einmal um die halbe Welt gesegelt, um Pender und mit ihm ein guter Teil der Crew aus der Hölle eines Kriegsschiffs zu retten. Pender glitt am Backstag hinunter, dabei schien der Klumpen in seiner Kehle im gleichen Maße zu wachsen wie der Ärger in seinem Inneren.

Auf dem Deck schien der Nebel durch die von unten aufsteigende Wärme etwas dünner zu werden, und man konnte jetzt etwas mehr erkennen. Die Matrosen hatten Ausguck über die Seite gehalten, aber drehten sich um und blickten Pender besorgt an. James Ludlow, der neben dem Kompaßhäuschen gestanden hatte, trat zu ihm, als Harry, der eine neue rollende Salve gehört hatte, eine leichte Kurskorrektur befahl.

»Was hat der Kapitän gesagt?«

»Er hat mich an die Rechte eines Kapitäns aus der Disziplinarordnung erinnert. Ein Artikel reicht so weit, daß er, wenn er es für notwendig erachtet, die Katzei aus dem Sack lassen kann.«

Für James war das keine wirkliche Überraschung. Er hatte die große Kabine mit Harry während der vergangenen Wochen geteilt, als sie den Atlantik überquert hatten, ohne einem Schiff zu begegnen, das größer als ein Fischkutter war. Und diese Zeit war eine höchst unerfreuliche Erfahrung gewesen, denn sein sonst so rücksichtsvoller Bruder hatte sich in einen giftigen Ungeist verwandelt. Durch die beengten Wohnverhältnisse konnte man sich kaum aus dem Weg gehen, obwohl James sein Bestes in dieser Hinsicht versuchte, indem er seine Anwesenheit in der Kabine möglichst nur auf das Schlafen begrenzte. Harry aß alleine, starrte in völliges Schweigen gehüllt aus den Heckfenstern in das Kielwasser und verbannte jeden aus seiner Nähe, wenn er auf dem Achterdeck auf und ab lief. Wenn Segel gewechselt werden mußten oder er Befehle geben mußte, dann benahm er sich wie die Leuteschinder bei der Marine, von denen er häufig genug gesagt hatte, wie sehr er sie verachtete.

»Er wird erst glücklich sein, wenn wir zu den Fischen abgestiegen sind«, stöhnte James.

»Wenn er will, dann kann er ja von dort, wo er jetzt sitzt, hinunterspringen«, knurrte Pender bitter.

Wieder grollten die Geschütze und schienen die Luft in Schwingungen zu versetzen.

»Meinen Segen hat er, solange er sich die Mühe macht und auf das Deck klatscht.«

James legte eine Hand auf Penders Schulter, seine Stimme war leise und überzeugend. »Das ist ein vorübergehender akuter Anfall von Melancholie, der durch einen schweren Verlust ausgelöst worden ist. Es wird vorbeigehen – mit der Zeit.«

»Das haben Sie auch schon im Golf gesagt, als wir die beiden bewaffneten Handelsschiffe angegriffen haben«, erwiderte Pender und blickte sich auf dem Schiff um, obwohl die zahlreichen Narben, die dieses Gefecht hinterlassen hatte, vom Nebel verdeckt wurden.

In der Floridastraße war es dann sogar noch verdammt viel knapper geworden, als sie sich mit der spanischen Fregatte angelegt hatten. Wäre der Wind nicht eingeschlafen, so daß die Dons nicht drehen konnten, dann würden Harrys Leute jetzt nicht mehr leben. James war sich völlig bewußt, daß die Besatzung seit diesem Tag an den Pumpen schuften mußte, nur um den Wasserstand in den Bilgen unter Kontrolle zu halten. Diese ganzen Schwierigkeiten wären nicht nötig gewesen, wenn Harry während ihres Aufenthaltes in New York etwas mehr Geduld aufgebracht hätte.

»Wir haben es nur der Gnade Gottes zu verdanken«, fuhr Pender fort, »daß wir die Überfahrt bis hierher geschafft haben, ohne daß wir ein Linienschiff sichteten, das wir hätten angreifen können. Und jetzt, da alle Männer schon den Torf des heimatlichen Herdfeuers in der Nase haben und darauf warten, daß eine prächtige Beute unter ihnen aufgeteilt wird, steuert er einen Kurs, der die Gefahr in sich birgt, daß wir entweder alle in die Navy gepreßt oder in Sichtweite der Küste versenkt werden.«

Er machte keinen Versuch, seine Stimme zu dämpfen, das Murmeln der Crew verstärkte sich zu einem Grollen. Flowers begann wieder mit seinen Walknochen zu klappern, das durchdringende Stakkato des Rhythmus spiegelte die Stimmung an Bord genau wider. Alle drängten sich in Richtung der beiden Männer an den Wanten zusammen, so als ob sie dadurch eine Art gemeinsames Handeln erzwingen wollten. James wollte etwas sagen, wollte ihnen Mut zu sprechen, als Harrys Stimme, lauter diesmal, erklang.

»Zwei Schiffe gut an Steuerbord voraus. Ich kann nur ihre Toppstengen sehen! Klar bei Backbordbatterie! Klar zum Feuern, sobald Ziel aufgefaßt!«

Das Zögern währte nur den Bruchteil einer Sekunde, aber es war da gewesen, was James kurz darüber nachdenken ließ, wie sich die Männer verhalten würden, wenn es tatsächlich zu einem Kampf kam. Auch war er sich nicht sicher, ob es tief verwurzelte Disziplin, die Angst oder Penders Stimme, die den Befehl wiederholt hatte, gewesen war, was die Männer hatte gehorchen lassen. Aber sobald der Bann gebrochen war, bewegten sie sich mit der gewohnten Schnelligkeit, denn sie wußten, mit wem auch immer sie im Begriff waren sich anzulegen, Zögerlichkeit würde alles nur schlimmer machen.

Oben spürte Harry, wie sich seine Lebensgeister belebten, als der Nebel etwas dünner wurde. Die Bucephalas wurde von einem der sich ständig ändernden Ströme des Englischen Kanals vorwärtsgetrieben, und die etwas wärmere südliche Strömung reichte aus, um die Sicht leicht zu verbessern. Die dünnen Umrisse der Maststengen der beiden Schiffe, die noch vor einem Augenblick verborgen waren, lagen nun wie ein Spinnennetz genau voraus. Scharf starrte Harry nach vorne, um die Flaggen auszumachen. Was er sah, machte ihn noch fröhlicher. Er erkannte, daß das eine Schiff ein Franzose war und das andere die Flagge der Ostindischen Handelskompanie gesetzt hatte. Die Toppen des Gegners waren nicht so hoch wie die des Frachters, was darauf hinwies, daß es sich um die Korvette handeln mußte. Entweder handelte es sich um einen Freibeuter wie die Bucephalas oder um ein Kriegsschiff auf einer spekulativen Jagd nach Beute. Wie auch immer: Es war ein angemessener Gegner, einer, der Harrys ganze Aufmerksamkeit beanspruchen würde, so daß die Bilder, die seinen Verstand in den letzten Wochen gefangengehalten hatten, ausgelöscht werden würden.

Der Nebel, der jetzt abnahm, machte es immer noch schwer, den aktuellen Stand des Gefechts abzuschätzen. Bei den Schiffen von »John Company« handelte es sich um große ozeantüchtige Segler, die schwer bewaffnet waren. Das war auch nötig, wenn sie die lange Reise von und nach Indien überleben wollten, bei der die Gefahr begann, sobald sie den Anker gelichtet hatten, und erst aufhörte, wenn sie ihn wieder in Hooghly geworfen hatten. Aber ihre Besatzung, die zwar im Vergleich mit einem normalen Handelsschiff zahlreich war, war dennoch nicht stark genug, um gleichzeitig kämpfen und das Schiff segeln zu können. Ganz gewiß war sie zu klein, um einem entschlossenen und gut durchgeführten Angriff eines zahlenmäßig überlegenen Gegners standhalten zu können, der zum Entern entschlossen war.

Betrachtete man den Winkel, in dem sich die beiden Toppstengen aufeinander zu bewegten, dann war es aber genau das, was der Franzose vorhatte. Er blieb in Lee des größeren Schiffes, das einen geringeren Tiefgang hatte, aber durch seine hohen Aufbauten schneller trieb, wodurch sich der Abstand zwischen ihnen ständig verringerte. Bei dem wenigen Wind, der den Restnebel an seinem Platz hielt, blieb dem Indienfahrer auch kaum eine Wahl, um diesem Schicksal auszuweichen. Die Segel, die er gesetzt hatte, hingen schlaff in der feuchten Luft herunter, nur gelegentlich ließ ein schwacher Hauch, der über das Luvliek einfiel, die Leinwand erzittern. Die ganze Zeit donnerten die Kanonen weiter ihr schauriges Lied. Das Dröhnen hallte dumpf in Harrys Ohren wider.

Nichts in ihrem Verhalten deutete darauf hin, daß sie seine Annäherung bemerkt hatten. Harry Ludlow war stolz darauf, sich einen ausgefuchsten Taktiker zu nennen, daher ließ er in einer Situation, in der es ihm an handfesten Informationen mangelte, normalerweise erhöhte Vorsicht walten. Bei dem schwachen Wind und ohne eine genaue Vorstellung darüber, wie die Dinge standen, hatte er keine Möglichkeit, sicherzustellen, daß ihn nicht beide Schiffe für einen Gegner hielten und ihre Geschütze auf die neue Bedrohung richteten. Es konnte passieren, daß er zwischen zwei Feuern landete, beschossen sowohl von seinem Landsmann als auch vom Feind. Aber getrieben von der freudigen Erregung, die jetzt völlig von ihm Besitz ergriffen hatte, war ihm das gleichgültig. Da gab es einen Kampf, in den man sich mit dem vollen Risiko von Sieg, Tod oder Verstümmelung stürzen konnte! Für einen Mann in seiner seelischen Verfassung war das ganz und gar ausreichend.

»Ein Ausguck nach oben!« rief er, da ihm bewußt war, daß er von hier oben nichts mehr bewirken konnte. In jedem Gefecht war sein Platz an Deck. Der Mann bekam seine Befehle von einem Kapitän, der bereits zurück an Deck rutschte, einfache Instruktionen, die Masten im Auge zu behalten und ihm Bescheid zu geben, wenn es Anzeichen gab, daß sie unklar kommen konnten.

Mit einem dumpfen Aufprall landete er jetzt auf dem Deck, er blickte sich um und sah, daß seine Männer auf ihren Stationen waren. Das Achterdeck war verlassen, niemand war willens, sich einen Anpfiff seines Kapitäns einzuhandeln, weil er auch nur eine Plankenbreite in seine geheiligte Domäne eingedrungen war. Er rief einen Rudergänger heran und befahl ihm, so zu steuern, daß das Schiff, das langsam durch das Wasser glitt, auf die abgewandte Seite des Franzosen zuhielt. Er würde es vielleicht nicht schaffen, eine volle Breitseite in den Rumpf der Korvette zu jagen, bevor sie zusammenstießen, aber das schien ihn nicht zu kümmern.

Erst in diesem Augenblick bemerkte Harry Ludlow, daß er unbewaffnet war. Pender, der normalerweise immer an seiner Seite präsent war, war nirgends zu sehen. Und die Waffen, die sein Diener üblicherweise bereit hielt, fehlten auch. James glänzte ebenfalls durch Abwesenheit. Sein Bruder, der Künstler, hatte sonst in Situationen wie diesen immer mit seinem Skizzenblock parat gestanden, damit er schon den Beginn der Schlacht akkurat festhalten konnte. Die Mannschaft, Männer, die sonst bei solchen Gelegenheiten gerne nach achtern geschaut hatten, um aus den Augen ihres Kapitäns den Stand des sich nähernden Gefechts abzulesen, starrte wie gebannt nach vorne.

Harry hatte auf Schiffen gedient, die von unpopulären Kapitänen geführt worden waren, und er wußte nur zu gut, was das bedeutete. Aber es interessierte ihn kein bißchen. Seine gesamte Aufmerksamkeit konzentrierte sich auf die geisterhaften Schemen, die plötzlich vor der Bucephalas in die Höhe wuchsen. Es waren die beiden kämpfenden Schiffe, die jetzt so dicht beieinander lagen, daß der Frachter schon geentert sein mochte. Dann blickte er nach oben, da er nicht sicher wußte, ob es der Wind oder der verzwickte Strom des Kanals schaffen würden, ihn hinter den Franzosen zu treiben und ihm eine gute Chance geben würden, diesen zu überraschen. Wahrscheinlich war es besser, ihm eine Salve hineinzujagen und so den Gegner dazu zu zwingen, das Feuern zu erwidern. Harry drehte sich um, trat hinter den Rudergänger und zog ein Entermesser aus dem Gestell. Gleichzeitig gab er den Befehl, das Ruder nach Backbord zu legen.

»Backbordbatterie Feuer frei, wenn Ziel aufgefaßt!«

»Auf welches Schiff, Kapitän?« rief fragend einer der erfahrenen Geschützführer.

»Verdammt sollst du sein, du Trottel!« kreischte Harry. »Kannst du nicht sehen, daß der Größere ein Indienfahrer ist? Feuert auf die Hundesöhne auf der Korvette, dann klar zum Entern!«

Die Bucephalas schwang auf einen südlichen Kurs herum und schlich an der Seite des Indienfahrers entlang, die Geschütze waren soweit wie möglich nach vorne gerichtet. Der Franzose war halb hinter dem Frachter verborgen, er lag in einem schiefen Winkel zu dessen Rumpf und zeigte seinen gesamten Rumpf hinter seinem Großmast Harrys Kanonieren. Der Lärm des Gefechts, Metall schlug gegen Metall, Männer brüllten und fluchten, wurde zu ihnen herübergetragen. Sobald die Geschützführer, die durch die Pforten peilten, den schattenhaften Umriß des Hecks der Korvette im Blickfeld hatten, zogen sie die Reißleinen der Feuersteinschlösser und sandten ihre Kugeln krachend in den Rumpf des anderen Schiffes.

Die Antwort des Indienfahrers folgte auf dem Fuß und war von umwerfender Brutalität. Seine Kanonen waren doppelt geladen und hatten die Bucephalas genau vor den Rohren. Sie spuckten röhrend eine Salve aus, die Harrys Schiff über die gesamte Länge von mittschiffs bis zum Bug bestrich. Die Vormaststenge brach knapp über dem Eselshaupt wie ein Streichholz ab. Sie fiel langsam über die Steuerbordseite, Tampen brachen und Blöcke fielen herunter. Der schon angeknackste Klüverbaum wurde mitgerissen. Harry Ludlow hatte nun vor seinem Großmast nichts mehr, mit dem er sein Schiff kontrollieren konnte. Der Strom tat sein übriges, um das Schiff zu drehen, so daß sein Bug ungeschützt dalag. Harry rief nach Äxten, gleichzeitig befahl er den Männern, die noch einsatzbereiten Kanonen an der Backbordseite zu bemannen und feuerbereit zu machen. Das Schiff lag praktisch bewegungslos im Wasser, und er konnte in dieser Situation so gut wie nichts tun, um sich zu verteidigen. Es folgten einige schlimme Minuten der Ungewißheit.

Kapitel 2

»In die Boote!« brüllte er, als er sah, daß die letzten schwachen Umrisse der Rümpfe verschwanden. Die Besatzung war einerseits verzweifelt damit beschäftigt, das Schiff von den Trümmern des Riggs zu befreien, und mußte sich andererseits um die Verwundeten kümmern, jedenfalls hatten alle zuviel zu tun, um umgehend darauf zu reagieren. Die Art der Beschimpfung, der sie ausgesetzt waren, als deutlich wurde, daß sich Harry Ludlow nicht um die erlittenen Verluste scherte, ließ die Achtung für ihren jähzornigen Kapitän weiter schwinden.

Der war völlig außer sich, sprang wild hier- und dorthin, offensichtlich blind für das Blut, welches das Deck bedeckte, verfluchte die Männer einzeln und kollektiv, während sie die Boote längsseits holten. Pender, der nicht auf seinem üblichen Posten an der Seite seines Kapitäns gewesen war, war besonders betroffen – so daß er zur Bewahrung seiner Selbstachtung, nicht zu reden von seiner Stellung in der Hierarchie seiner Bordkameraden, gar nicht anders konnte, als darauf zu antworten.

»Haben Sie völlig den Kopf verloren, Käpt’n?«

»Wie kannst du es wagen!« röhrte Harry.

Pender antwortete in derselben Tonart: »Das kann ich, und das werde ich. Wir sind im Englischen Kanal mit fünfzig Faden Wasser unterm Kiel und mit einer Dünung, die das Rudern eines Bootes nahezu zum Hasardspiel macht!«

Drohend hob Harry sein Entermesser. »Geh an das verdammte Tau und hol die Boote heran, Pender, oder ich sehe mich gezwungen, dieses Ding hier zu benutzen!«

»Harry!«

Er wirbelte herum. Sein Bruder James stand dort, das Entsetzen war ihm ins Gesicht geschrieben.

»Woran, in Gottes Namen, denkst du nur?«

»Ich denke daran, eines oder beide dieser Schiffe zu entern und zu erobern, was ich ganz leicht tun könnte, wenn es einen Mann an Bord dieses Schiffes geben würde, der genug Mumm hätte, einem Kampf nicht auszuweichen!«

»Wir können kein sich bewegendes, bewaffnetes Schiff in tiefem Wasser entern!« beharrte Pender auf seinem Standpunkt, dabei mehr zu James gewandt als zu seinem Kommandanten. Sogar eine Landratte, wie es der jüngere Ludlow nach seinem eigenen Selbstverständnis war, konnte die Schwierigkeiten eines solchen Unternehmens erkennen. Es war schwer genug, von einem Boot aus ein Schiff im Hafen zu entern, wenn die Besatzung schlief. Aber hier auf offener See mit einer hohen Dünung und mit einer Besatzung, die alarmiert und gefährlich war? »Das ist Selbstmord!«

»Ist es das, was du möchtest, Harry, willst du dich umbringen?«

James mußte der Versuchung widerstehen, zurückzuweichen, als sein Bruder mit einem aggressiven Gesichtsausdruck auf ihn zu trat. Aber er rührte sich nicht vom Fleck und spürte Harrys heißen Atem im Gesicht, als der ihn leise, aber eindringlich anzischte. Seine Stimme war völlig gefühllos.

»Ich wäre dir sehr verbunden, wenn du nach unten gehen und in meiner Kabine bleiben würdest. Die Schiffsführung ist allein meine Sache.«

»Mir gehört ein Anteil ...«

Harrys Stimme wurde wieder lauter, ganz offensichtlich kümmerte es ihn nicht länger, welchen Abbruch seine Worte dem Ansehen seines Bruders zufügen würden: »Dein Anteil! Den hat jeder Mann an Bord an dem Profit, den wir machen. Aber ich kann keinen von ihnen hören, der die Frechheit hätte, von mir eine Erklärung auf dem Deck meines eigenen Schiffes zu verlangen. Du nimmst dir zuviel heraus, Bruder.«

»Und was ist mit mir, Kapitän?« fragte Pender.

Wieder fuhr Harry herum. »Du kannst nach unten gehen, falls du das wünschst, und dich in der Bilge verkriechen, wo du in Sicherheit sein wirst.«

»Gilt das für alle, die seine Meinung teilen?«

Die Stimme war aus der im Hintergrund zusammengerotteten Mannschaft gekommen. Und das Murmeln, das durch die Reihen lief, zeigte an, daß das nicht die Meinung eines einzelnen Mannes war.

»Ich will niemanden bei mir haben, dem es an Mut mangelt.«

»Was ist mit denen, die sowohl Mut als auch Verstand genug haben, um zu erkennen, daß die Sache keinen Sinn macht?«

»Ich glaube, Harry«, stellte James ruhig fest, »daß du es mit einer Meuterei zu tun hast.«

»Dann gehe ich eben alleine!« knurrte Harry und drehte sich um. Er hatte die Worte hervorgestoßen, bevor er die Pistole sehen konnte, die James in der Hand hielt und fest auf ihn gerichtet hatte.

»Das könnte deine Entscheidung ändern!«

»Du würdest sie nicht benutzen, James«, meinte Harry bitter und hob sein Entermesser so weit, bis es auf seinen Bruder zielte. »Und wenn du es tun würdest, bin ich mir nicht sicher, ob es mir etwas ausmachen würde.«

»Es gibt keinen Mann, der das möchte, Kapitän«, sagte Pender und trat näher.

»Da steht einer«, erwiderte Harry.

Er hatte sich nicht zu Pender umgedreht, daher bekam er noch nicht mal aus den Augenwinkeln mit, daß der Sandsack auf seinen Hinterkopf herabsauste. James sah es, und als der Sandsack sein Ziel gefunden hatte, trat er schnell einen Schritt zurück, damit ihn sein Bruder im Fallen nicht durchbohrte. Zuerst sah er das Erstaunen in Harrys Augen, dann beobachtete er gelassen, wie er sie verdrehte, was das erste Anzeichen dafür war, daß er die Kraft verlor, aufrecht zu stehen. Zwei Matrosen, der Pole Jubilee und einer mit dem Namen Carrick, traten vor, um ihrem Kapitän unter die Arme zu greifen. Als sie ihn sicher zu fassen hatten, befahl ihnen James: »Bring ihn in die Kabine, Jubilee. Pender, wir sollten vorsichtshalber die Anzahl der Männer an den Pumpen verdoppeln. Und wäre es möglich, daß wir vorn eine Art Notmast riggen, damit wir richtig steuern können?« Als er sah, wie der Mann ihn anblickte, verflog etwas von dem Selbstvertrauen, das er ausgestrahlt hatte, statt dessen schlug er jetzt einen etwas unsicheren Ton an. »Das war doch der richtige Ausdruck, oder nicht?«

»Das war er«, bestätigte ihm Pender grinsend, »aber ich hätte nie erwartet, ihn aus Ihrem Mund zu hören.«

James blickte traurig zu Harry hinüber, der von den beiden Seeleuten weggezogen wurde, während seine Füße über das Deck schleiften.

»Das hätte ich selbst nicht geglaubt, Pender, das kannst du mir glauben.«

Als Harry wieder zu sich kam, hatte die Aprilsonne den Nebel vertrieben. Licht strömte durch die Heckfenster in die Kabine, woraus er sofort schloß, daß der Bug nach Norden zeigte. Er versuchte sich aufzurichten, aber James legte ihm eine Hand auf die Brust, und da er von dem Schlag immer noch mitgenommen war, brachte er nicht genug Kraft auf, um sich dagegen zu wehren.

»Ich habe nicht übertrieben. Als ich von Meuterei gesprochen habe, Bruder«, bemerkte James, der bemerkte, wie sich Harry unsicher umsah. »Und da du dich in einer Verfassung befindest, in der ich dich zumindest zeitweise außer Kraft setzen kann, beabsichtige ich, diese Gelegenheit zu nutzen, um dir ein paar Wahrheiten zu sagen, die dir nicht schmecken werden.«

Die Augen wendeten sich von ihm ab, als Harry auf das Schott neben seiner Koje schaute.

»Niemand kann trauriger als ich über den Verlust sein, den du erlitten hast. Aber ich muß dir sagen, daß du seit diesem Tag für ein menschliches Wesen kein geeigneter Umgang mehr bist. Du bist rüpelhaft, schlecht gelaunt, trübsinnig und verdammt unhöflich und das sowohl zu mir als auch zu deiner Besatzung. Und bei dem Versuch, deine Trauer zu besänftigen, hast du uns alle mehr als einmal an den Rand des Verderbens gebracht.«

»Bist du fertig?«

»Nein, Harry, das bin ich nicht. Du hast Männer der Feigheit beschuldigt, die dir gegenüber immer loyal gewesen sind, nicht zuletzt Pender. Wie du das einem Mann antun konntest, der mehr als einmal unser beider Leben gerettet hat, entzieht sich meinem Verständnis.«

»Dann hast du in der Zeit, in der du mit mir zusammen zur See gefahren bist, nichts gelernt. Einem Kapitän muß man gehorchen!«

»Auch einem Narren?«

Harry öffnete den Mund, um zu antworten, aber James war schneller als er.

»Das klingt sehr nach dem schlimmsten Typ von Seeoffizier, den wir getroffen haben, einer Spezies, die du immer vorgegeben hast, zu verabscheuen. Willst du wirklich zu diesen Männern gehören, die einem Seemann hundert Peitschenhiebe nur aus angekratzter Eitelkeit verordnen? Vielleicht hättest du doch besser im Dienst des Königs bleiben sollen. Oder ist es nur der korrumpierende Einfluß der Macht, dem ihr Kapitäne immer ausgesetzt seid? Was mich angeht, so bin ich sehr froh darüber, daß unser Vater sich damals entschlossen hat, mich zur Schule und nicht zur See zu schicken.«

Damit wollte er Harry tief verletzen, und James konnte sehen, daß er Erfolg damit gehabt hatte. Als Sohn eines erfolgreichen Seemanns war Harry schon in den Büchern der Schiffe seines Vaters geführt worden, kaum daß er geboren worden war. Seine gesamte Erziehung hatte auf See stattgefunden, zuerst als Kabinenjunge eines Kapitäns, dann als Midshipman und schließlich als Leutnant. Während er also mit Salzwasser in den Adern aufwuchs, hatte James von dem wachsenden Reichtum ihres Vaters profitiert. Harry war weiter von Schiff zu Schiff gewandert, als Thomas Ludlow sowohl Admiral als auch geadelt worden war.

Nachdem er ganz erheblich aus dem Kommando auf den Inseln Unter dem Winde Profit gezogen hatte und in seinen Auseinandersetzungen mit der Admiralität zu unverblümt seine Meinung gesagt hatte, um wieder ein Kommando zu bekommen, hatte Sir Thomas seinen Abschied genommen, um das Leben eines Landedelmannes zu führen. Als Witwer hatte er noch dafür gesorgt, daß seine Tochter den Sprößling eines Earls heiratete und daß sein jüngerer Sohn seinen Weg durch die Schule, die Universität machte und durch Privatunterricht zu einem erfolgreichen Künstler wurde. Aber trotz dieser Leistungen war er auf seinen ältesten Sohn besonders stolz, der – mit etwas Glück und falls ihm nichts Ernsthaftes zustieß – das Zeug dazu hatte, ihm bis an die Spitze der Marinehierarchie nachzufolgen.

James hatte sich oft gefragt, ob das Kriegsgerichtsverfahren gegen Harry den Tod des Vaters beschleunigt hatte. Nachdem Harry damals an einer erfolgreichen Schlacht gegen die Franzosen teilgenommen hatte, in der Admiral Rodney eine feindliche Flotte bei den Saintes geschlagen hatte, stand Harry zu Recht die Aussicht auf eine finanzielle Belohnung und einen Schritt auf der Karriereleiter nach oben bevor. Statt dessen war es aus Gründen, die nie völlig offen gelegt wurden, zu einem Duell mit seinem Ersten Offizier Carter gekommen, und er hatte dem Mann eine Pistolenkugel in die Schulter gejagt. Als man ihn aufforderte, sich zu entschuldigen, hatte Harry das abgelehnt, was dem Gericht, das ihm freundlich gesonnen gewesen war, keine andere Möglichkeit offen ließ, als ihm seine Bestallung zu entziehen.

James, der die Gefühle seines Bruders respektierte, hatte diese leidige Angelegenheit nie erwähnt oder gar Nachforschungen angestellt. Aber mehrere Jahre auf See und dunkle Hinweise, die sein Bruder fallen ließ, hatten es ihm erlaubt, sich eine eigene Meinung zu bilden. Carter war als Leuteschinder bekannt gewesen. Er liebte es nicht nur, Männer auspeitschen zu lassen, es machte ihm darüber hinaus Spaß, seine Offiziere zu demütigen. James vermutete, daß es viele Streitpunkte gegeben hatte, aber daß damals es im wesentlichen darum ging, daß die Disziplinarordnung der Marine zu extensiv ausgelegt wurde.

Harry gehörte nicht zu den Männern, die das Auspeitschen von Besatzungsmitgliedern völlig von der Hand wiesen. Wie er James oft erklärt hatte, gehörte es zu den Rechten, die das Gesetz je dem Kapitän an die Hand gab, und daß er häufig mit Männern auf einem Schiff gefahren war, die keine andere Sprache verstanden. Auch die Gefühle der restlichen Besatzung mußten berücksichtigt werden, besonders wenn der Übeltäter des Kameradendiebstahls überführt worden war. Aber Harry machte von diesem Mittel nur Gebrauch, wenn es unbedingt notwendig war. Auf einem Schiff, das mit Freiwilligen bemannt war, von denen jeder ein Eigeninteresse an der Effizienz des Kapitäns hatte, war er während der gesamten Reise nie in die Verlegenheit gekommen, die Katze aus dem Sack lassen zu müssen. In glücklicheren Tagen hatte James Harry über das System schimpfen hören, das unwillige Männer in den Seedienst preßte, auf Schiffe zusammenpferchte, die oft genug von Sadisten befehligt wurden, wo man sie mit verfaultem Essen fütterte, ihnen die magere Heuer raubte und im Hafen jeden Landgang verwehrte. Das alles wurde von regelmäßigen Auspeitschungen begleitet, um sie im Zaum zu halten.

»Verdiene ich das?« fragte Harry und versuchte, den ärgerlichen Tonfall in seiner Stimme zu unterdrücken.

»Allerdings, Bruder, und außerdem noch viel mehr. Die Männer, die du führst, sind dir ohne zu fragen in Schlachten gefolgt, deren Sinn ihnen nicht ohne weiteres einleuchtete.«

»Wenn man dir zuhört, sind sie eine Versammlung von Heiligen.«

Die Besatzung der Bucephalas war natürlich alles andere als das. Zum größten Teil bestand sie aus hartgesottenen Schurken, die auf jeden Kampf scharf waren, die ihren Anteil vom Prisengeld an Land auf den Kopf zu hauen pflegten: mit Alkohol, Glücksspielen, Frauen und Gesang. Wenn das Geld ausgegeben war, dann wollten sie zurück an Bord und neues verdienen.

»Ihre persönliche Moral steht hier nicht zur Debatte, aber sie haben immer zu dir gehalten. Deshalb ist es besonders traurig, mitansehen zu müssen, wie du jetzt mit ihnen umspringst. Ich vermute, daß du dir keine lange Zeit an Land gönnen wirst. Das Leben an Land hat dich immer gelangweilt. Sobald das Schiff repariert ist, sehe ich schon vor mir, wie du verzweifelt versuchen wirst, wieder in See zu gehen. Und dann wirst du deine Mannschaft brauchen.«

Harry saß kerzengerade im Bett, und seine Augen funkelten zornig. »An Männern, die mit mir segeln wollen, herrscht kein Mangel, Bruder, obwohl einige darunter sind, die ich lieber an Land lassen möchte.«

James gähnte dezent, bevor er mit dieser einstudierten Lässigkeit antwortete, die Harry bei ihm schon oft erlebt hatte. »Wenn du damit auf mich anspielst, Harry, so muß ich dir sagen, daß dazu keine Überredung oder Befehl erforderlich sein werden. Sollte sich deine Stimmung nicht verbessern, sobald du Land unter die Füße bekommst, bezweifle ich, daß ich deine Gesellschaft auf terra firma suchen werde.«

Der Ruf aus dem Masttopp war nur schwach und undeutlich zu vernehmen, da das Skylight geschlossen war. Harry stemmte sich auf die Füße und rieb sich dabei den Hinterkopf.

»Wer hat mich niedergeschlagen?« wollte er wissen.

»Alle zusammen! Jeder, der sich an Deck befunden hat, was mich einschließt.«

»Hättest du mich erschossen, James?«

Es gab keine Möglichkeit, Harrys scharfem forschenden Blick auszuweichen, und James versuchte es auch gar nicht erst. Sie wußten beide, daß James Ludlow trotz seiner gepflegten raffinierten Bildung und seinen geschliffenen Manieren, die er sich über viele Jahre während seines Umgangs mit den Spitzen der Gesellschaft angeeignet hatte, ein sehr hitziges Temperament hatte. Seine lässige Haltung verdeckte eine stahlharte Entschlossenheit, die aber nur selten an die Oberfläche durchbrach. Aber wenn sie es tat, dann war er genau wie sein Bruder unberechenbar.

»Wie kann ich das sagen, Harry? Aber ich möchte es mal so ausdrücken, wenn ich den Abzug betätigt hätte, dann hätte ich weder einen Bruder noch einen Freund niedergestreckt.«

»Es wird angenehm sein, meine Kabine wieder alleine zu bewohnen«, knurrte Harry und drückte sich an James vorbei, um an Deck zu gelangen.

Die Besatzung, die teilweise nach oben blickte oder über die Seite nach Backbord starrte, wußte, daß er an Deck gekommen war. Aber niemand drehte sich nach ihm um, und er nahm ihnen ihre Gleichgültigkeit nicht ab. Sie führten sorgfältig die Arbeiten aus, mit denen sie auch ohne jeden Befehl beschäftigt gewesen waren. Die Pumpen klapperten weiter und schickten ein ständigen Strom silbrig glänzendes Wasser über die Seite. Der Stumpf eines Notmasts war aufgeriggt worden, eine andere Spiere diente als provisorischer Klüverbaum. Die Männer, die damit beschäftigt waren, hatten alle Hände voll zu tun, die Taljen zu scheren, die die kleinen Segelfetzen bedienen sollten, so viele das Behelfsriff aushalten konnte. Harry widerstand der Versuchung, den Ausguck oben anzurufen. Schließlich kam Pender, der die Arbeiten überwacht hatte, nach achtern, um Bericht zu erstatten.

»Da sind zwei Boote zu sehen, genau im Osten. Sie sind voller Männer.« Seine Stimme war ausdruckslos, nicht freundlich, nicht unterwürfig. »Einer hat mit einem Hemd gewunken, so daß wir annehmen, daß sie in Not sind.«

»Wie ist unsere Position?« fragte Harry und sah ihm dabei nicht in die Augen.

Pender ließ sich aber nichts anmerken, falls ihn das ärgerte. »Das kann ich nicht genau sagen. Wir sind etwas abgetrieben, seit sich der Nebel gelichtet hat. Sogar bei einem Seegang wie diesem macht das die Arbeit leichter.«

»Wie lange?«

»Vier Stunden. Ich nehme an, daß wir auf dem Kurs liegen, den Sie vorher festgelegt hatten.«

Schließlich blickte ihn Harry an, und weder in seinem Blick noch in seiner Stimme war eine Spur von Bedauern. »Deine Annahmen sind nicht von Interesse, Pender.«

»Sie haben eben die Tendenz, sich nach den Fragen zu richten, die gestellt werden, Käpt’n«, entgegnete Pender bitter, »wenn Sie das eine fragen, bekommen Sie dafür das andere.«

Harry ignorierte ihn und wandte sich ab. Er zog ein Fernglas aus dem Gestell und ging zur Verschanzung des Schiffes hinüber. Ein Ruf zum Ausguck sagte ihm, wohin er schauen mußte, und bald sah er die vollbesetzten Boote, die tief im Wasser lagen. Er ließ das Glas sinken, um den Fortgang der Arbeiten auf dem Vorschiff zu kontrollieren, und schätzte ab, daß sie die Boote mit den Segeln, die gesetzt waren, bald erreichen konnten. Die Kommandos, die er gab, wurden so flott ausgeführt, daß er keinen Grund für eine Beanstandung fand, aber es gab keine Witze und kein Grinsen, nicht eins der üblichen Scherzworte wurde gerufen, die sonst anzeigten, daß die Matrosen mit Freude bei der Arbeit waren.

Nachdem der Kurs korrigiert worden war und die schwache Brise sanft raumschots einfiel, zogen sich die Männer so weit wie möglich von Harry Ludlow zurück und überließen ihm die Luvseite des Achterdecks, das traditionelle Refugium eines Schiffskapitäns zum Herumwandern. Sobald die Bucephalas in Rufweite gekommen war, nahm Harry eine Flüstertüte und forderte die Männer in den Booten auf, sich zu identifizieren. Der Mann, der antwortete, trug einen salzverkrusteten, aber gut geschnittenen blauen Überrock. Er schwenkte einen Hut, der mit teuren Straußenfedern verziert war, der Harry ihre Herkunft erahnen ließ, bevor die Stimme deutlich genug wurde, um sie verstehen zu können.

»Lothian!« rief er, »Indienfahrer! Vor zehn Wochen von Kalkutta ausgelaufen. Bestimmt nach London!«

»Wir werden beidrehen«, antwortete Harry. Es mochte zwei Indienfahrer geben, die im Englischen Kanal am selben Tag in Schwierigkeiten gerieten, aber er bezweifelte das. Den einen hatte er im Nebel angegriffen. »Wir haben große Beschädigungen, die es uns erschweren, schnell zu manövrieren, daher ist es sicherer, wenn Sie dicht an uns herankommen.«

»Gott segne Sie, Sir, daß Sie gestoppt haben.«

»Öffnet die Relingspforte!« rief Harry laut, seine Stimme enthielt eine gute Portion Ärger. Die Bucephalas hatte nicht gestoppt, sondern schaukelte, während sie weitertrieb. »Und fiert für den Fall, daß er Passagiere hat, ein paar Enden über die Seite. Außerdem ein Jolltau an die Rahnock und ein Stück Persenning als Trage, um Verwundete zu übernehmen!«

Die Boote rollten in der Dünung, während sie sich abmühten, die Abdrift von Harrys Schiff gutzumachen. Wenn es auch harte Arbeit war, so bedeutete es doch zumindest Sicherheit. Da vorn kein Segel als Ausgleich stand, konnte jede kleine Bö das Schiff drehen lassen und die Boote unter Wasser drücken. Schließlich polterte das erste Boot gegen die Bordwand der Bucephalas, und die Crew bemannte die Tampen an der Bordwand, um den Überlebenden an Bord zu helfen. Mehrere verwundete Männer wurden mit dem Jolltau an Deck gehievt und dann sofort unter Deck ins Lazarett gebracht, wo sie zu den Männern geleitet wurden, die schon medizinisch betreut wurden.

Der Kapitän in dem gut geschnittenen Rock hatte erst überwacht, daß alle seine Männer übernommen wurden, ehe er selber an Bord kam. Dabei achtete er darauf, daß sein letzter verbliebener Besitz, sein Kutter und das Langboot, sicher an seinem Retter befestigt wurden. Er kletterte die Leiter mit der Leichtigkeit herauf, die aus langer Übung erwuchs, und als er durch die Relingspforte trat, blickte er sich um und musterte die Beschädigungen, die keine mit noch so großer Anstrengung durchgeführten Notreparaturen verdecken konnten. Schließlich entdeckte er Harry Ludlow, der auf dem Achterdeck stand, und er grüßte ihn, indem er seinen federgeschmückten Hut zog.

»Kapitän Henry Illingworth. Wem verdanke ich diese Ehre, Sir?«

»Der Vorsehung«, erwiderte Harry kläglich, »die, wie Sie wissen, äußerst launenhaft ist.«

Kapitel 3

»Er ist ein verdammter Verbrecher, Sir!« dröhnte Illingworth, seine Stimme wurde von den niedrigen Decksbalken in Harrys Kabine verstärkt, in die sich die beiden Kapitäne sofort zurückgezogen hatten, nachdem die Vorstellung abgeschlossen worden war.

Seine rosige Gesichtsfarbe, die zweifellos von dem genossenen Wein noch verstärkt wurde, verlieh ihm eine Röte, die mit dem von Grau durchsprenkelten Rot seiner Haare mithalten konnte. Seine wulstigen Lippen, die vorstehenden Zähne, die hervorquellenden Augen in einem Gesicht, das von einer riesigen Nase beherrscht wurde, machte es Illingworth unmöglich, eine Gefühlsregung zu verbergen. Es sah entweder sehr ärgerlich, sehr niedergeschlagen oder – wenn er lächelte – außerordentlich selbstzufrieden aus. Alle drei Gefühlsregungen waren zutage getreten, als er Harry schilderte, wie er in Kalkutta Segel gesetzt hatte und zuerst im Konvoi gesegelt war. Dann war er seinen Kollegen in der Absicht davongeeilt, als erstes Schiff in London zu sein. Das hatte dazu geführt, daß ihn die Mißgunst der Nemesisii im Englischen Kanal ereilt hatte.

»Ich will verdammt sein, wenn er mir nicht angeboten hat, mir mein Schiff zurückzuverkaufen, falls wir uns über eine vernünftige Summe in gemünztem Geld einigen könnten. Er nennt sich Auguste Tressoir. Er hatte tatsächlich die Frechheit sich vorzustellen und hat mir in allen Einzelheiten die Vorzüge seines Heimathafens beschrieben«, fuhr er fort.

»Und der ist?« hakte James nach.

»Isigny-sur-Mer«, schnaubte Illingworth abfällig. »Es mag in der Antike sur mer gewesen sein, Sir. Aber soviel ich weiß, handelt es sich heutzutage um einen Ort, der fast abgeschnitten im Hinterland liegt, unbrauchbar für fast jedes Schiff mit einigem Tiefgang, außer bei Hochwasser. Aber genau dahin hat er mein Schiff gebracht. Schlimmer noch ist, daß dieser verdammte Tressoir meine Passagiere zu Gefangenen gemacht hat. Er beabsichtigt, sie festzuhalten – genauso wie die Lothian –, bis ein Lösegeld bezahlt wird.«

»Dann müssen sie es wert sein«, warf James ein, während ihm Illingworth seinen Pokal zum Nachgießen entgegenhielt.

Ein großes Taschentuch wurde umständlich herausgezogen, dann wurde die dicke Nase nach einem herzerfrischenden Schnauben ausgiebig geputzt. »Sie haben recht, Mr. Ludlow. Sir William Parker und seine Familie verfügen über außerordentlich gute Verbindungen. Um genau zu sein: Zwei seiner Brüder sind Admirale, beide haben gütigerweise durch das Ministerium sehr wichtige Kommandos bekommen, die ihrem weiteren Aufstieg sicher helfen werden.«

Harry war sich nicht sicher, ob es sein fragender Blick war oder sein eigener Überschwang, der Illingworth fortfahren ließ: »Es war ein sehr unglücklicher Einfall, der Parker veranlaßte, sich darüber laut auszulassen. Aber er ist ein gestandener Mann, fast könnte man ihn als Prahlhans bezeichnen, jedenfalls hat er lautstark von Tressoir verlangt, daß man sowohl ihn wie auch seine Begleitung mit Respekt zu behandeln habe.«

»Sie hätten nicht so gehandelt?«

»Niemals, Sir. Zu schweigen ist immer die beste Politik bei derartigen Vorfällen. Tressoir hatte schon durch mein Schiff genug eingesackt. Die Lothian hatte eine Ladung an Bord, deren Wert eine Viertelmillion Pfund Sterling betrug.«

»Schließt das Ihre privaten Kaplakeniii ein?« erkundigte sich Harry.

»Nur ein paar Perlen, Sir, von geringem Wert«, entgegnete Illingworth und hüstelte ein wenig, dann zog er plötzlich wieder das Taschentuch hervor, um seine Verlegenheit zu verbergen. Immerhin hatte er nicht versucht, die Ludlows mit einer platten Lüge abzuspeisen.

James lächelte, denn ihm war Illingworths Versuch, etwas zu verbergen, genauso aufgefallen wie Harry. Jeder Kapitän der John Company brachte wertvolle Güter aus dem Fernen Osten mit, um auf ein Gehalt zu kommen, das weit über dem üblichen Salär eines Schiffskapitäns lag. Diamanten, Perlen, Seide und Gewürze waren die bevorzugten persönlichen Ladungsanteile. Das alles wurde üblicherweise schon lange, bevor das Schiff seinen Landfall machte, an professionelle Schmuggler verkauft, was den Vorteil hatte, das weder ein Einfuhrzoll zu bezahlen war, noch daß offiziell jemand davon Kenntnis erhielt. Ein Gewinn von fünftausend Pfund war während einer Rundreise keine Seltenheit, der Erlös konnte noch steigen, wenn der Kapitän sein eigenes Interesse vor das der Reederei setzte.

Da ihm wohl bewußt war, daß man ihm nicht glaubte, fuhr Illingworth fort, sogar eine Spur lauter als zuvor: »Auch Sir Williams mag durchaus seine Verdienste haben. Gott weiß, daß die Juwelen seiner Gattin eine hübsche Stange Geld wert sind. Außerdem ist es nicht ungewöhnlich, daß hohe Repräsentanten der Company die Ergebnisse ihrer Arbeit in die Heimat mitnehmen. Sie folgen damit lediglich dem Beispiel von Clive und Warren Hastings, obwohl ich bezweifle, daß sich Sir William unter der ersten Garnitur der bengalischen Nabobs befunden hat.«

»Sollte das der Fall sein, dann könnte Ihr Schiff unter Brüdern gut und gerne eine Million Pfund wert sein«, schätzte James und genoß die überraschte Reaktion, die diese Äußerung hervorrief.

»In keinster Weise, das kann ich Ihnen versichern, Sir!«

»Na, dann aber ungefähr die Hälfte?«

»Es ist traurig genug, aber das könnte stimmen«, bestätigte Illingworth.

Er war keineswegs niedergeschlagen. Im Gegenteil. Er blickte aufmerksam zu Harry hinüber, dessen Mund halb geöffnet war und dessen Augen blitzten. Die Gründe waren offenkundig. Über das Verlassen des Konvois könnte man hinwegsehen, wenn er heil in London angekommen wäre. Aber da man ihn aufgebracht hatte, weil er alleine unterwegs gewesen war, hatte Illingworth ganz erhebliche Schwierigkeiten zu erwarten.

»Ich weiß, daß das Schiff keine potentielle Prise wird, bevor Tressoir es vierundzwanzig Stunden in seiner Gewalt hat, aber ein Versuch könnte sich lohnen. Natürlich würde ich jeden Mann reich belohnen, der es wagt, es vor Ablauf dieser Zeit zurückzuerobern. Und ich bin sicher, daß Sir William sowohl über die Mittel verfügt als auch die Absicht haben wird, es mir gleichzutun. Nicht zuletzt darf ich anmerken, daß die Company in solchen Fällen außerordentlich großzügig sein kann.«

»Ich kann leider Ihr Schiff nicht verfolgen, Kapitän Illingworth. Während Ihres kurzen Aufenthalts an Deck haben Sie sicherlich bemerkt, daß die schweren Schäden, die wir erlitten habe, das unmöglich machen. Und ohne Zweifel werden Sie das ständige Klappern der Pumpen gehört haben.«

»Ich habe beides bemerkt, als ich an Bord kam, Kapitän Ludlow.« Illingworth hob fragend eine der dicken buschigen Augenbrauen. »Es gab ein Schiff, das versucht hat, uns anzugreifen, gleich nachdem wir geentert worden sind. Wegen des Nebels war es unmöglich, seine Herkunft und seine Absichten auszumachen, aber ich vermute, daß es ein britisches Schiff war. Tressoir hatte einen Mann im Masttopp, der ihm den Kurs und die Geschwindigkeit des Schiffes aussang. Er legte eine Menge Geschick bei seiner Zeiteinteilung an den Tag, das galt auch für die Art und Weise, wie er mit meinen Kanonen umging. Es gelang ihm tatsächlich, dem Burschen die Vormaststenge wegzuschießen und darüber hinaus auch ein gutes Stück der Verschanzung.«

»Das waren die Bucephalas«, antwortete James.

Illingworth wandte sich ihm zu, seine Brauen waren jetzt zusammengezogen, um seinem Unwillen Ausdruck zu verleihen. »Mit ein wenig mehr Fingerspitzengefühl wäre ein Erfolg möglich gewesen. Dieser Angriff, ausgeführt wie von einem Stier mit gesenktem Kopf und geschlossenen Augen, war sicherlich sehr mutig, aber ohne den Stand der Dinge zu kennen, war er selbstmörderisch. Damit wurde der Vorteil, den der Nebel bot, leichtfertig verspielt.«

Die Hände des Handelsschiffkapitäns hatten zu gestikulieren begonnen, als er versuchte, die Bewegungen der gegnerischen Schiffe darzustellen. Da er damit vollauf beschäftigt war, konnte er die Reaktion nicht sehen, die seine Worte auf Harrys Gesicht auslösten.

»Wären Sie auf Tressoirs ungeschützter Seite längsseits gegangen und hätten Sie ihn geentert, dann hätte er erhebliche Schwierigkeiten bekommen, denn er hatte auch meine Besatzung noch nicht völlig unter seiner Kontrolle. Ich hätte Ihnen natürlich sein Schiff als Prise überlassen, und die Direktoren der Ostindischen Handelskompanie wären zweifellos damit einverstanden gewesen.«

»Wir brauchen die Belohnungen Ihrer Reederei nicht, Kapitän Illingworth«, schnappte Harry, »und auch keinen Rat, wie man feindliche Schiffe erobert. Das ist ein Feld, auf dem ich mit Fug und Recht behaupten kann, daß ich etwas mehr Erfahrung habe als Sie.«

»Ich wollte Sie nicht kränken, Sir.«

Harry stand auf und blickte drohend auf ihn hinunter. »Trotzdem haben Sie genau das getan. Einen Seemann, der alles versucht hat, Ihnen zur Hilfe zu eilen! Ich sage Ihnen mit allem Nachdruck, daß auch Ihre persönliche Notlage Ihnen nicht das Recht gibt, meine Handlungen zu kritisieren.«

»Vergeben Sie mir, Sir«, protestierte Illingworth. Aber er sprach in den Wind, denn Harrys Rücken war schon halbwegs durch die Kabinentür hinaus. Er sah wieder James an. »Ich wollte ihm wirklich nicht zu nahe treten.«

»Das brauchen Sie bei einem Mann in seiner Stimmungslage auch gar nicht«, entgegnete James traurig. »Das beste ist, wenn Sie ihm möglichst aus dem Weg gehen, bis wir unseren Landfall gemacht haben.«

»Wohin wollen Sie?«

»In die Downs, Kapitän. Unser Familienbesitz liegt nur sechs Meilen von der Reede von Deal entfernt.«

»Ein ausgezeichneter Liegeplatz, Sir. Ich selbst wollte dicht an den Goodwins entlangschrapen, denn ich hatte immer den Eindruck, daß die Händler dort vor der Küste besonders zuvorkommend sind.«

Die Art, wie er »Händler vor der Küste« betonte, machte deutlich, daß er einerseits das Wort »Schmuggler« vermeiden wollte, ohne andererseits James im Zweifel darüber zu lassen, was er wirklich meinte. James giftige Reaktion, der dabei fast den Tonfall seines Bruders anschlug, schockierte ihn.

»Ich habe einige Erfahrung mit den Schmugglern von Deal, Sir, und die waren alles andere als zuvorkommend. In der Tat sind sie für mich eine verdammte Bande!«

Illingworth erholte sich schnell von dieser zweiten Rüge und kam wieder auf das ungefährlichere Thema seines Schiffes und seiner Probleme zurück.

»Deal verfügt nicht über eine Werft, Sir, und der Stout ist verdammt zu flach für ein Schiff wie Ihres mit soviel Tiefgang. Wenn ich mich nicht sehr täusche, dann braucht Ihr Schiff aber dringend eine Überholung.«

»Da haben Sie sicherlich recht. Der Rumpf hat zwei Jahre ohne ein einziges Abkratzen des Unterwasserschiffs hinter sich. Und fast die gesamte Zeit haben wir uns in warmen Gewässern aufgehalten. Man hat mir gesagt, daß wir einen Bart von mehreren Fuß Länge hinter uns herziehen. Hinter uns liegen viele Gefechte, Kapitän Illingworth, und während einer dieser Auseinandersetzungen wurden wir schwer unterhalb der Wasserlinie getroffen.«

James blickte zur Seite und erinnerte sich an die Tage im Hafen von New York. Wegen ihres aufblühenden Handels war jeder Schiffbauer dieser jungen Nation zu beschäftigt gewesen, um die notwendigen Reparaturen sofort durchzuführen. Sie hatten natürlich angenommen, daß der Freibeuterkapitän warten könne. Das hatte er auch, aber nur lange genug, um alles Gold und Silber, das er bei sich hatte, gegen Federal Bonds einzutauschen, die ihm riesige Ländereien garantierten, falls sie nicht eingelöst werden sollten.

Ein paar Angehörige der Crew, die sahen, daß sich das Ergebnis ihrer Fahrt von blanken Münzen in Papier verwandelte, waren darüber keineswegs glücklich gewesen, sogar als man ihnen ausführlich erklärte, daß Harry eine außerordentlich vorteilhafte Transaktion durchgeführt hatte, weil in dem Land ohnehin ein außerordentlich großer Mangel an Bargeld herrschte. Aber sobald der Handel abgeschlossen war, hatte er die Untätigkeit nicht ertragen können. Also ließ er Segel setzen, ohne daß sein Unterwasserschiff repariert worden war.

Illingworth redete noch immer und brachte James aus diesen unerfreulichen Erinnerungen in die Gegenwart zurück.

»Dann würde es mich nicht wundern, wenn Sie auch einen Teil Ihres Kupferbeschlags verloren hätten, Mr. Ludlow, so daß in diesem Augenblick der Wurm an Ihren Planken nagt.«

»Das verhüte Gott«, meinte James und stand auf, »hier möchte ich nun wirklich nicht untergehen.«

»Ich bitte Sie, sprechen Sie leise, Mr. Ludlow«, erwiderte Illingworth allen Ernstes, »der Toredowurmiv hat scharfe Ohren und einen ausgeprägten Haß auf die Spezies des Homo sapiens. Wann immer ich mich in den Gewässern Indiens aufgehalten habe, habe ich beobachtet, welche Schäden er in ein paar Wochen anrichten kann.«

»Ohne jeden Zweifel hat mein Bruder Pläne, die diesem Umstand Sorge tragen. Ich vermute, daß er die Werft im Blackwall Reach aufsuchen wird, denn dort wurde die Bucephalas gebaut.«

»Sie würden mir einen Gefallen damit tun, Sir«, fügte Illingworth hinzu, der jetzt doch ausgesprochen beklommen wirkte, »denn ich sehe mit einigem Bangen meinem Gespräch mit den Direktoren der Reederei entgegen, wenn ich ihnen über den Verlust meines Schiffes beichten muß. Noch weniger freue ich mich, ihnen die Bedingungen präsentieren zu müssen, zu denen dieser Schurke Tressoir es wieder herausrücken will.«

James kam lange, nachdem man ihm die Meldung des Ausgucks überbracht hatte, an Deck. In der Zwischenzeit hatten alle anderen, die dort standen, die Nationalität der zwei Fregatten ausgemacht. Beide näherten sich rasch, ihre Kriegsflaggen wehten nach Lee aus. Pender stand zwar dicht neben Harry, aber an dem Zwischenraum zwischen ihnen wurde ihre Mißstimmung deutlich.

»Flaggensignal, Käpt’n«, meldete Dreaver ruhig, sein spitzes Fuchsgesicht drückte die Besorgnis aus, daß er unabsichtlich eine Beleidigung begehen könnte, »Kapitän an Bord melden!«

»Pender, die Schiffspapiere und das Logbuch!« befahl Harry. »Und laß den Kutter aussetzen!«

Pender zögerte und sah aus, als ob er widersprechen wollte, er war sauer über den Ton und darüber, daß Harry die üblichen Höflichkeitsfloskeln weggelassen hatte. Aber es war nicht der richtige Zeitpunkt, zänkische Haarspalterei zu betreiben. Beide Befehle mußten ausgeführt werden, einerseits, um der Royal Navy zu gehorchen, und andererseits, um den Kapitän zufriedenzustellen. Illingworth, der James Rat befolgte und Harry aus dem Weg ging, war nicht an Deck. Aber es wurde nach ihm geschickt, und die Eile, mit der er erschien, war Beweis genug, daß er wußte, was passiert war, und daß er sich über die möglichen Konsequenzen im klaren war. Er kam nach vorne, um sich beim Großmast zu den anderen zu gesellen, und hatte einen äußerst besorgten Gesichtsausdruck.

»Das führende Schiff wurde als die Amethyst identifiziert«, klärte ihn James auf. »Das andere scheint ein Neubau zu sein und ist daher nicht bekannt.«

Illingworth nickte. Die Bucephalas war mit ehemaligen Marinematrosen bemannt, denen die Umrisse und Galionsfiguren der Schiffe des Königs so vertraut waren wie ihre eigenen Gesichtszüge. Seine Stirn legte sich in besorgte Falten. »Ich fürchte, daß wir uns hier auf riskantem Gebiet bewegen, Kapitän Ludlow. Wollen wir hoffen, daß die Offiziere eine vollständige Mannschaft an Bord haben.«

»Ich habe Freistellungen für meine Besatzung, Sir«, erwiderte Harry. In seiner Stimme schwang keinerlei Sympathie für Illingworth’ Nöte mit. »Sie sind von einem hohen Mitglied der Regierung unterzeichnet, daher nehme ich wohl zu Recht an, daß sie mich in Gewässern, die so dicht vor unserer Haustür liegen, ausreichend schützen werden.«

Illingworth blickte zu seinen eigenen Männern hinüber, die noch nicht mal ein Schiff hatten, das sie vor dem Pressen retten könnte. Dann öffnete er den Mund, um die unvermeidliche Frage zu stellen. Harry wirbelte herum und schnitt ihm das Wort ab.

»Ich schlage vor, Sir, daß Sie mich begleiten. Ich werde genug damit zu tun haben, meine eigene Mannschaft von dieser Untiefe frei zu steuern, ohne mich dabei auch noch um die Ihre kümmern zu müssen.«

»Ist Ihre Crew in der Freistellung namentlich aufgeführt, Sir?«

»Ja.«

»Auf so einem langen Einsatz müssen Sie doch viele Verluste zu beklagen gehabt haben, sowohl aufgrund ganz natürlicher Umstände als auch als unvermeidbaren Preis für blutige Gefechte?«

Illingworth hatte selbstverständlich recht. Von den achtzig Männern, die vor zwei Jahren von Deal aus losgesegelt waren, kamen kaum mehr als sechzig zurück, davon hatte ein rundes Dutzend so schwere Verwundungen erlitten, daß sie in Zukunft an Land bleiben mußten. Die Richtigkeit der Bemerkung erfreute Harry keineswegs, was deutlich aus seiner schweigenden Reaktion abzulesen war, aber das hielt den Handelsschiffkapitän nicht von seinem Vorhaben ab, da ihm das Schicksal seiner dreißig Seeleute wichtiger war als der Zorn seines Retters.

»Vielleicht sind Ihre Verluste groß genug, um die Zahl der Männer abzudecken, die ich unverwundet mit an Bord gebracht habe? Es wäre wirklich ein zu grausames Schicksal, wenn man sie jetzt nach der langen Indienfahrt an Bord eines dieser Kriegsschiffe bringen würde.«

»Was geschieht, wenn man nach einem sorgfältigen Studium meines Logbuchs diesen Betrug aufdeckt, Kapitän Illingworth?«