Im Kielwasser: Verrat - David Donachie - E-Book
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Im Kielwasser: Verrat E-Book

David Donachie

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Beschreibung

Eine tödliche Falle – ein wagemutiger Plan: Der Seefahrerroman »Freibeuter Harry Ludlow: Im Kielwasser: Verrat« von David Donachie als eBook bei dotbooks. Der Golf von Mexiko im Jahre 1795. Als sie vor der Küste ein verlassenes spanisches Handelsschiff entdecken, wittern der Freibeuter Harry Ludlow und sein Bruder James leichte Beute. Doch was eine einfache Kaperung werden sollte, entpuppt sich schon bald als raffinierte Falle: Angeheizt von Machtgier und Patriotismus wird ihr Schiff, die stolze »Bucephalas«, vor dem spanischen Fort von New Orleans festgesetzt. Schnell wird klar, dass der erfahrene Seemann keine Hilfe vom hiesigen Gouverneur zu erwarten hat. Doch Harrys Name ist nicht ohne Grund in der gesamten Karibik bekannt – und so nimmt er den aussichtslos erscheinenden Kampf zur Befreiung seines Schiffs auf! »Eine gekonnte Mischung aus nautischem Abenteuerroman und Krimi!« Times Literary Review Jetzt als eBook kaufen und genießen: Der nautische Kriminalroman »Freibeuter Harry Ludlow: Im Kielwasser: Verrat« von David Donachie wird Fans von C.S. Forester und Patrick O’Brian begeistern; das Hörbuch ist bei SAGA Egmont erschienen. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.

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Über dieses Buch:

Der Golf von Mexiko im Jahre 1795. Als sie vor der Küste ein verlassenes spanisches Handelsschiff entdecken, wittern der Freibeuter Harry Ludlow und sein Bruder James leichte Beute. Doch was eine einfache Kaperung werden sollte, entpuppt sich schon bald als raffinierte Falle: Angeheizt von Machtgier und Patriotismus wird ihr Schiff, die stolze »Bucephalas«, vor dem spanischen Fort von New Orleans festgesetzt. Schnell wird klar, dass der erfahrene Seemann keine Hilfe vom hiesigen Gouverneur zu erwarten hat. Doch Harrys Name ist nicht ohne Grund in der gesamten Karibik bekannt – und so nimmt er den aussichtslos erscheinenden Kampf zur Befreiung seines Schiffs auf!

»Eine gekonnte Mischung aus nautischem Abenteuerroman und Krimi!« Times Literary Review

Über den Autor:

David Donachie, 1944 in Edinburgh geboren, ist ein schottischer Autor, der auch unter den Pseudonymen Tom Connery und Jack Ludlow Bekanntkeit erlangte. Sein Werk umfasst zahlreiche Veröffentlichungen; besonders beliebt sind seine historischen Seefahrerromane.

David Donachie veröffentlichte bei dotbooks bereits seine Serie historischer Abenteuerromane um den Freibeuter Harry Ludlow mit den Bänden »Klar Schiff zur Höllenfahrt«, »Im Windschatten des Schreckens«, »Kurs ins Ungewisse«, »Die zweite Chance«, »Im Kielwasser: Verrat« und »Abstieg zu den Fischen«.

Der Autor im Internet: www.facebook.com/daviddonachieauthor/

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eBook-Neuausgabe September 2023

Die englische Originalausgabe erschien erstmals 1996 unter dem Originaltitel »The Scent of Betrayal« bei McBooks Press, Danvers

Copyright © der englischen Originalausgabe 1996 by David Donachie.

Copyright © der deutschen Erstausgabe 1999 Ullstein Buchverlage GmbH & Co. KG, Berlin

Copyright © der Neuausgabe 2023 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Nele Schütz unter Verwendung von Shutterstock/Abstractor, Vector Tradition, paseven, MF production, Taras Valerievich und AdobeStock/Terablete

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (ys)

ISBN 978-3-98690-688-7

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David Donachie

Im Kielwasser: Verrat

Roman – Freibeuter Harry Ludlow 5

Aus dem Englischen von Uwe D. Minge

dotbooks.

Kapitel 1

Harry Ludlow war kein Mann, der sich übermäßig häufig betrank, aber bei der Geburtstagsfeier von Oliver Pollock war das Trinkgelage zu einer Sauferei ausgeartet, über die auch er die Kontrolle verloren hatte, und die lange Zeit des Schlafens in diesem überfüllten Blockhaus hatte seinen sechsten Sinn verkümmern lassen, den jeder Kapitän eines Schiffes als unverzichtbaren Warnsensor gegen unvermutete Gefahren im Hinterkopf hat. Pender, der erwartet hatte, daß sein Kapitän sofort die Augen öffnen würde, sobald die Tür knarrte, sah sich bemüßigt, die Fensterläden weit zu öffnen, um die ersten hellen Sonnenstrahlen der karibischen Sonne durch das Fenster in den spärlich möblierten Raum hereinfallen zu lassen. Aber auch das reichte noch nicht aus, um das gleichmäßige, rhythmische Schnarchen zu unterbrechen. Er mußte die bewegungslose Gestalt erst heftig schütteln, ehe er einen kleinen Erfolg verbuchen konnte. Kaum halbwach und durcheinander begriff Harry nur langsam, was Pender ihm erzählte.

»Wer?« krächzte Harry.

»Ihr amerikanischer Freund, Pollock«, wiederholte Pender langsam, »der gestern nacht Becher um Becher mit Ihnen mitgehalten hat. Allerdings scheint ihm das Saufen nicht so viel ausgemacht zu haben wie Ihnen. Er hat auf der Daredevil alle Segel setzen lassen, und es gibt nicht den kleinsten Hinweis darauf, wohin er verschwand. Ich kann mich nicht daran erinnern, daß er während der Nacht etwas darüber gesagt hat, daß er auslaufen will.«

Sehr behutsam und langsam schüttelte Harry den Kopf.

»Kaffee, vermute ich?« erkundigte sich Pender und ging zur Tür.

Harry versuchte zu sagen: Literweise! Aber das Wort wollte ihm nicht über die Lippen kommen. Er ließ sich in das große Doppelbett zurücksinken und schloß seine Augen, rieb sich die Schläfen in dem vergeblichen Versuch, den Schmerz zu vertreiben, der auf einen ausgewachsenen Kater hindeutete. Der Nebel, der über ihm lag, begann sich nur langsam zu lichten. Die Ereignisse des gestrigen Abends und auch die der letzten vergangenen Wochen erschienen vor seinem inneren Auge als eine Folge durcheinandergewürfelter Bilder, die keineswegs chronologisch abliefen. Da waren fünf Männer; große Mengen von Speisen; endlose Trinksprüche. Das narbige Gesicht von Nathan Caufield tauchte wieder auf, der war in Sag Harbour geboren und ein ehemaliger Loyalist, der bei jeder Erwähnung der Amerikanischen Revolution mißbilligend den Kopf nach hinten warf.

Und da war die anscheinende Gleichgültigkeit des Seemanns von Long Island, als sich sein Sohn Matthew in der Begleitung von James Ludlow davonstahl, um dem Etablissement von Madame Leon einen weiteren Besuch abzustatten.

Bei Harry verfestigte sich langsam der Eindruck, daß er sich trotz all der Speisen und Getränke, die er zu sich genommen hatte - und das waren wahrlich nicht wenige gewesen -, nicht so schlecht fühlen dürfte, wie es der Fall war. Harry Ludlow würde nie von sich behaupten, daß er ein starker Esser war, aber obwohl er durchaus in den höheren Gesellschaftskreisen verkehrte, wo ein Festmahl nur dann einen bleibenden Eindruck hinterließ, wenn es ungebührlich üppig war, und wo regelmäßig und ausschweifend getrunken wurde, konnte er sich nur an wenige Anlässe erinnern, nach denen er sich so miserabel wie jetzt gefühlt hatte. Sein nächster Versuch, etwas zu sagen, schlug fehl, als Pender zurückkehrte. Seiner knochentrockenen Kehle entrang sich nur ein Krächzen. Als ihm ein Glas Wasser gereicht wurde, trank er es gierig leer, wobei ein nicht zu kleiner Teil über die Vorderseite seines Hemdes lief. Er sah nach unten.

»Gott im Himmel«, seufzte er auf, als ihm klar wurde, daß er offensichtlich ins Bett getragen worden war, »ich habe immer noch meine Hose und meine Stiefel an.«

Als er den Blick hob, erkannte er, daß er mit seinem Elend nicht allein war. Auch Penders Gesicht war aschgrau. Seine Augen, die seinen Blick fest erwiderten, waren rot unterlaufen, und seine Stimme klang müde und abgekämpft. »Da Sie aus dem Verkehr gezogen waren, habe ich mir die Freiheit herausgenommen, mir auf eigene Rechnung auch einen kleinen hinter den Knorpel zu gurgeln. Ich war auf dem Rückweg hierher, als mir die Fischer die Neuigkeiten über Mr. Pollock berichteten.«

Ein weiteres Bild zog durch Harrys trübes Bewußtsein. Es zeigte Pender, der stocknüchtern im Hintergrund stand und nur gelegentlich einen Schritt nach vorn machte, um seinen Becher wieder zu füllen, aber nicht bis zum Rand. Das »Gurgeln« mußte eilig stattgefunden haben, nachdem Harry alle Viere von sich gestreckt hatte.

»Es ist mir völlig schleierhaft, wie Pollock es geschafft hat«, fügte Pender hinzu, »wenn man bedenkt, was er in sich hineingeschüttet hat. Er muß mit dem Teufel im Bunde stehen, der ihn wachgerüttelt hat. Jedenfalls war er nachts nicht in der Lage, zum Kai hinunterzulaufen, das steht fest. «

Harry schwang mit einer vorsichtigen Bewegung seine Beine aus der Koje. Diese Aktion löste eine heftige Schmerzwelle in seinem Kopf aus. Der verlockende Geruch von Kaffee stieg schon lange in seine Nase, ehe die Serviererin das Tablett, das sie getragen hatte, auf dem Tisch abgestellt hatte. Noch bevor ihre Schritte verklungen waren, hatte Pender eine Tasse vollgegossen und sie seinem Herren gereicht. Harry trank dankbar den Kaffee, dann kam er schwankend auf die Füße. Vom geöffneten Fenster aus konnte er den gesamten Hafen von St. Croix überblicken. Während der Dunkelheit hatten mehrere Schiffe – darunter die Daredevil – ihre Murings geslippt. Er strengte sich an, sich an die Namen der anderen zu erinnern, aber sein Kopfweh machte ihm das völlig unmöglich, und so wandte er seine Aufmerksamkeit wieder seinem eigenen Schiff, der Bucephalas zu, da er wußte, daß der schiere Anblick dieser eleganten Linien ihn aufmuntern würde.

Kein Mann, der auf einem Freibeuter segelte, konnte sich ein besseres Schiff wünschen. Über 100 Fußi lang und gut bewaffnet lag es am Kai. Trotz des Durcheinanders, das die Werftarbeiter auf dem sonst makellosen Deck angerichtet hatten, ein schöner Anblick. Normalerweise Harry ständig hinter den Arbeitern her und trieb sie an, diesmal aber war er damit zufrieden gewesen, sie nach ihrem eigenen Arbeitsrhythmus schaffen zu lassen. Der Toppsegelschoner Ariadne, den er hierher begleitet hatte, mußte sich einer größeren Reparatur unterziehen. Außer den erheblichen Beschädigungen ihres Überwasserschiffs hatten Ariadnes Planken auch durch den Bohrwurmiiund den Bewuchs gelitten. Man hatte sie auf dem nächstgelegenen Stück Strand kielgeholt, und in dem Licht des Morgens sah sie irgendwie verloren aus. Beide Schiffe waren kürzlich in einem Gefecht mit zwei französischen Fregatten beschädigt worden. Hier in der Sicherheit des dänischen Hafens widmeten sich die Werftarbeiter den Notreparaturen, die durch die Besatzungen auf See ausgeführt worden waren. In weniger als einer Woche würden sie beide wieder bereit sein, in See zu stechen, wobei Harry die Absicht hatte, nach dem Verlassen des Hafens seine eigenen Wege zu gehen.

»Es ist seltsam, daß uns Pollock nicht gesagt hat, daß er beabsichtigte, auszulaufen«, meinte Pender.

»Wenn er es vorgehabt hätte, dann hätte er es uns auch gesagt. «

Da das zur Hälfte auch eine Frage war, würdigte Pender diese Aussage keiner Antwort. Pollock mußte wegen eines unvorhergesehen Notfalls ausgelaufen sein. Trotz vieler Unterhaltungen wußte Harry noch immer wenig über die Beweggründe, die den Amerikaner nach St. Croix geführt hatten. Er wollte gerade diese Überlegung äußern, als die Abschüsse der beiden Signalkanonen des Gouverneurs über den Hafen rollten. Als er die Augen hob, sah er einige Bewegung auf dem gepflegten Rasen vor der Residenz. Wieder krachten die beiden Kanonen. Die dänische Flagge stieg am Flaggenmast auf und wurde wieder gedippt, so als ob jemand nach einem zusätzlichen anderen Weg suchte, die Bewohner zu alarmieren. Das alles konnte nur eines bedeuten: ernsthafte Gefahr. Was wiederum in diesem Teil der Welt nur heißen konnte, daß jemand versuchte, die Insel zu besetzen.

Obwohl ihm jede Bewegung Schmerzen bereitete, reagierte Harry umgehend.

»Sieh zu, daß du die Crew der Bucephalas an Bord treibst, und alles klar zum Auslaufen ist! Schick jemanden los, der James und den jungen Caufield aus diesem verdammten Hurenhaus holt, und sag Matthew, daß er seinen Vater wecken soll. Er soll ihn in einen Waschzuber tauchen, wenn es nötig sein sollte, aber er muß ihn an Bord des Schiffes bekommen!«

Pender hatte sich weit aus dem anderen Fenster gelehnt, um herauszubekommen, worum sich diese ganze Aufregung drehte. Aber vergeblich. Der scharfe Ton seines Kapitäns ließ keine Diskussion zu und ermunterte ihn auch nicht, Fragen zu stellen. Harry Ludlow hatte seinen eigenen hochentwickelten Sinn für herannahende Gefahr, der durch lange Jahre auf See geschärft und auch gegen einen Kater unempfindlich war. Wenn er auf diese Weise sprach, dann erwartete er umgehenden Gehorsam. Pender war schon aus der Tür, bevor Harry nach seinem Degen, den Pistolen und den Papieren greifen konnte, die neben dem Bett auf der Seekiste lagen.

Das Durcheinander auf der Straße war beachtlich, und im Hafen war es noch schlimmer, denn auf jedem Schiff wurde mit irgendeiner Waffe gefeuert, was noch zu der allgemeinen Panik beitrug. Auf allen Schiffen zeigten die in der Takelage tätigen Männer, die man nach oben geschickt hatte, um Segel zu setzen, aufgeregt nach Westen. Von dort schien ganz offensichtlich die Ursache der ganzen Aufregung zu kommen.

An Deck waren die Skipper damit beschäftigt, die Schiffe kurzstags über die Anker zu hieven. Ohne genau zu wissen, was sich draußen auf See ereignete, bahnte sich Harry seinen Weg durch das Gewühl der Menschen zur Pier hinunter. Sein Weg wurde ihm von einer großen Menschenmenge versperrt, die sich vor dem verschlossenen Tor des BORENSEN-Haus drängten. Die Vorderen schlugen mit den Fäusten gegen das dicke Holz. Es handelte sich um das führende Bankhaus am Platze, bei dem die meisten Händler von St. Croix ihre Gelder angelegt hatten, und diese Kunden wollten in der Krise ihr Vermögen lieber in den eigenen Händen halten. Das Summen der Gespräche in einem Dutzend verschiedener Sprachen umgab ihn, während Harry sich einen Weg hindurch kämpfte. Das meiste verstand er nicht, aber was er verstand - das war genug.

Seine erste Vermutung stellte sich als richtig heraus. Draußen auf See näherte sich eine Flotte unter der französischen Flagge. Sie kreuzte zur Insel auf, offensichtlich in der Absicht, dort anzulanden. Inwieweit war das eine Bedrohung für die neutrale dänische Besitzung? Dann wurde der Name des Führers des Expeditionskorps genannt, und der war unmißverständlich, gleichgültig, in welcher Sprache man ihn nannte. Harrys ohnehin angegriffener Magen krampfte sich zusammen. Es gab keine Möglichkeit herauszufinden, auf welchem Weg die Menschen in den Besitz der Information gekommen war, oder festzustellen, ob sie den Tatsachen entsprach, aber irgendjemand hatte Victor Hugues als den Führer der französischen Streitmacht benannt. Sobald er den Namen gehört hatte, rannte Harry doppelt so schnell. Hugues war vor zwei Jahren von Frankreich herübergekommen. Er kam mit Truppen, einer Nachricht, in der den Sklaven mitgeteilt wurde, daß sie frei wären – und einer Guillotine. Nach der Rückeroberung von Guadeloupe legte er wenig Skrupel an den Tag, dieses Symbol des Terrors fleißig anzuwenden und zwar unabhängig davon, ob es sich um Weiße oder Schwarze handelte. Eigentlich machte es ohnehin keinen Unterschied, wer das Expeditionskorps befehligte, denn der Schutz der Neutralität galt in keinem Fall für einen britischen Kapitän, der einen Freibeuter kommandierte.

Aber sollte es sich tatsächlich um Hugues handeln, dann verschlechterten sich Harrys Aussichten nochmals erheblich, weil er dieses französische Schiff hierher eskortiert hatte. Obwohl die Männer der Besatzung der Ariadne ihrer Grundüberzeugung nach keine Royalisten waren, hatten sie die Waffen gegen die Vertreter der Revolution erhoben, zuerst auf ihrer Heimatinsel St. Dominique und zum zweiten Mal gegen Hugues selbst, als er Guadeloupe angriff. Sobald dieser Unhold auf einer Insel ohne eine dänische Garnison gelandet war, konnte es keinen Zweifel mehr darüber geben, in wessen Händen die Macht lag. Der Gouverneur würde keinen Einfluß auf das haben, was sich ereignete. Sobald der Abgesandte des Terrors die Identität der Männer der Ariadne herausgefunden hatte, würde, würde er nicht zögern, Rache zu nehmen. Ein Mann, der eine Guillotine den weiten Weg von Frankreich über den Ozean geschafft und der Hunderte seiner Gegner kaltblütig hatte erschießen lassen, zögerte auch nicht, das Fallbeil von einer karibischen Insel zur nächsten verschiffen zu lassen. Der Mannschaft der Bucephalas konnte dasselbe Schicksal bevorstehen, denn Harrys Name und der seines Schiffes war jedem Franzosen in der Karibik bekannt. Zusammen mit einem britischen Schiff der fünften Klasseiii und der Ariadne hatte er in Sichtweite von Gouadeloupe gegen zwei französische Fregatten gekämpft, die eine hatten sie geentert, die andere schwer beschädigt.

Alle diese Gedanken wirbelten in seinem schmerzenden Kopf herum, während er sich seinen Weg über den dicht bevölkerten Kai zu seinem Schiff bahnte. Er schoß über die Gangway auf das Deck, wo ihn eine Szene des absoluten Chaos begrüßte. Pender hatte die Männer an die Arbeit getrieben; mit welchen Mitteln er das geschafft hatte, wollte Harry lieber nicht wissen. Normalerweise konnte er sich darauf verlassen, daß seine Crew ihre Arbeit mit großer Effizienz erledigte, aber gemessen an der Art, wie einige von ihnen herumtaumelten, war er selbst nicht der Einzige, der die Nacht mit Trinken verbracht hatte – und die überraschende Entwicklung der Ereignisse in den letzten Minuten hatte die Männer der Fähigkeit beraubt, zu sehen, was getan werden mußte. Harrys ausgetrockneter Kehle entrang sich ein weiteres rauhes Krächzen, es war laut genug, daß sich ein paar seiner Leute zu ihm herumdrehten und er einige Befehle ausgeben konnte. Die erste Aufgabe mußte sein, alle festen Verbindungen zu kappen, die sein Rigg mit dem Kai verbanden, danach mußte alles, was nicht auf die Bucephalas gehörte, über Bord geworfen werden.

Das Deck war ein einziges Durcheinander aus Zimmermannswerkzeugen, Hobelspänen, Holzstücken und unbearbeiteten Planken. Überall hingen lose Tampen, sie schwangen frei herum und waren nicht sauber in der Art aufgeschossen, auf die man auf diesem Schiff sonst so viel Wert legte. Die Segel, die oben waren, waren wahllos angeschlagen und würden ganz gewiß nicht ausreichen, um die Bucephalas aus der Ansteuerung des Hafens hinauszubringen. Die Kanonen, die Harry in den nächsten Stunden wahrscheinlich verzweifelt benötigen würde, waren in den Unterraum gestaut worden, damit die Werftarbeiter die beschädigten Geschützpforten reparieren konnten. Es sah so aus, als ob alles an Bord eine schnelle Abreise unmöglich machte. Und das war Harrys Fehler. Das Schiff brauchte so viele kleine Reparaturen, daß er seine eigenen hohen Sicherheitsstandards vernachlässigt hatte, die er als Marineoffizier angenommen hatte. So hatte er auch seiner Mannschaft erlaubt, sich in so großer Zahl zu vergnügen, daß die Bucephalas praktisch ohne Aufsicht zurückgeblieben war.

»Harry!«

Der Ruf ließ ihn herumfahren. Sein Bruder James stand an der Gangway. Er war elegant wie immer, seine Wangen waren rasiert, sein Haar gekämmt. Er befand sich damit in einem scharfen Kontrast zum Kapitän, dessen Bartstoppeln im grauen Gesicht, zusammen mit dem unordentlichen Eindruck der Kleidung, seine natürliche Autorität unterminierten.

»Wo, in drei Teufels Namen, hast du gesteckt, James?«

Der wütende Ton, der von einem blutunterlaufenen Blick begleitet wurde, war eigentlich eine Reaktion auf Harrys Ärger über sich selbst, wurde aber sofort als Zurechtweisung mißverstanden. Was auch immer James hatte sagen wollen, es kam ihm nicht über die Lippen, sein besorgter Blick wurde durch eine abwehrende Hochmütigkeit ersetzt. In seinen Worten schwang dieser besondere Ausdruck von Mißfallen mit, den er so leicht annahm, sobald er gerügt wurde.

»Bei Gott, Bruder, du siehst ziemlich zerknautscht aus. Wäre ich dir auf der Pier begegnet, hätte ich dir sicher eine Bettelmünze zukommen lassen.«

»Wo ist Matthew Caufield?« fauchte Harry, der nicht in der Stimmung war, um Scherze zu machen oder sich über die herablassende Haltung zu ärgern.

»Er ist unterwegs und versucht, seinen Vater zu wecken.« James trat elegant zur Seite, als ein Trio von Seeleuten mit Planken beladen an ihm vorbeihastete. »Ich möchte wetten – wenn man seine Liebe zur Flasche in Betracht zieht – dann sieht er noch schlimmer aus als du.«

»Victor Hugues steht dicht vor der Küste und bereitet sich darauf vor, die Insel zu übernehmen. « Der erschreckte Blick, den er mit dieser Neuigkeit produzierte, auch wenn sie nur wenig mehr als ein Gerücht war, heiterte Harry etwas auf. »Weißt du etwas über den Verbleib unserer Franzosen? Ich sollte sie informieren, aber wenn du das übernehmen willst, dann mache ihnen klar, daß es in ihrem Interesse ist, die Schatztruhe vom Deck der Ariadne loszuschrauben und sie an Bord der Bucephalas zu bringen. «

»Was ist mit ihrem Schiff?«

»Es liegt halb oben auf dem Strand, es würde wahrscheinlich sinken, wenn wir versuchen würden, es im tiefen Wasser aufschwimmen zu lassen.« Er blickte zur Hafenausfahrt hinüber, zu den wenigen Schiffen, denen es gelungen war, ihren Anker zu lichten. Sie kreuzten aus der Enge hinaus, draußen hofften sie, in den Passat zu kommen und mit ihm raumschots abzulaufen. In ihrer Hektik störten einige der langsameren Fahrzeuge das Vorankommen der schnelleren Schiffe, und wenn man bedachte, was den Rest der Flotte im Hafen erwartete, dann konnten sich die Dinge eher nur verschlechtern als verbessern. »Ich bin nicht einmal sicher, ob es uns gelingen wird, hier wegzukommen. Aber es ist die einzige Chance. Entweder sie kommen mit uns, oder ...«

Harry mußte den Satz nicht beenden, außerdem hatte er dazu auch keine Gelegenheit, denn James war bereits außer Hörweite. Er gab Pender weitere Instruktionen, dann rannte er zu den Wanten des Großmasts, dabei überdachte er noch einmal die Worte, die er seinem Bruder gesagt hatte. Aber es war nichts als die reine Wahrheit gewesen. Harry hatte wirklich keine Ahnung, ob sie die Möglichkeit hatten, hier rechtzeitig wegzukommen. Falls die Franzosen zahlreich waren und ihnen genug Zeit blieb, die Ansteuerungsfahrwasser zu blockieren, dann verschwendete Harry nur seine Zeit. Aber wenn die anderen zu fliehen versuchten, dann mußte eine Chance existieren. Verglichen mit ihnen, war die Bucephalas ein viel besserer Segler, und da die anderen voll beladene Handelsschiffe waren, boten sie dem Gegner reizvolle Ziele. Schon das alleine mochte ausreichen, um ihm selbst zur Flucht zu verhelfen, obwohl alle Chancen gegen seinen Erfolg standen. Harry Ludlow war fest entschlossen, durch jedes Nadelöhr zu segeln, das sich ihm bot, denn alles war besser, als im Hafen die unvermeidliche Kapitulation abzuwarten.

Er war halb aufgeentert, als ihm ein Gedanke durch den Kopf schoß: Pollocks plötzliches Auslaufen konnte mit dem, was jetzt hier passierte, in einem Zusammenhang stehen. Allerdings, falls der Amerikaner es bereits vorher gewußt hatte, dann hätte er ihm mit Sicherheit eine Nachricht zukommen lassen, denn auch er wußte alles über Hugues, dessen Verhalten überall in der Karibik ein Synonym für Brutalität geworden war. Und sogar, falls er nichts über Harrys Seegefecht gegen die französischen Schiffe vor der Höhle des Löwen gehört hätte, gab es genug lose Zungen in St. Croix, um ihm einen ausreichenden Überblick der Geschehnisse zu vermitteln.

Harry traf nicht oft auf Männer, mit denen er sich auf Anhieb gut verstand. Oliver Pollock war eines dieser seltenen Exemplare. Sie waren im selben Alter und hatten beide die Einstellung zum Leben, die es ihnen erlaubte, nur wenige Dinge wirklich ernst zu nehmen. Dazu war vermutlich auch ein gewisses Gefühl der Einsamkeit gekommen, denn James hatte mehr Interesse daran, die Mulattenmädchen der Madame Leon zu malen, als ihm Gesellschaft zu leisten. Unfähig, der Unterhaltung beim Bankier Borensen zu folgen, in dessen Haus sie sich zuerst getroffen hatten, schien Pollock während dieses Aufenthalts genauso wenig mit Pflichten überlastet zu sein wie Harry auch. Bei ihren regelmäßigen Treffen in einer Taverne, von der aus man den Hafen überblicken konnte, vertiefte sich ihre Freundschaft schnell, und sie wurden schier unzertrennlich.

Während er die Strickleiter weiter aufenterte, sah Harry das gerötete Gesicht vor sich, das gewöhnlich zur Hälfte von einem Trinkbecher verdeckt war, die Augen zwinkerten fröhlich unter dem kurz geschnittenen Haar. Wenn er angetrunken war, sang er lauthals oder rezitierte patriotische Gedichte, in der Hauptsache Ergüsse, die sich mit der Niederlage der britischen Armee befaßten, die gegen die Streitkräfte unter Washington gekämpft hatte. Beide Männer waren alt genug, um diesen Krieg in der richtigen Perspektive zu sehen, und aus der Rückschau wurde ihnen klar, daß der Ausgang des Krieges trotz aller Animositäten, die er hervorgebracht hatte, und trotz des vielen Blutes und der Zerstörungen letztendlich für beide Nationen Vorteile gebracht hatte.

Harry war damals Leutnant gewesen, hatte den Krieg aber nicht mitgemacht. Das war für ihn kein Anlaß zu fröhlichen Erinnerungen. Er hatte seine Bestallung nach der Schlacht bei den Saintes verloren, weil er sich weigerte, sich für ein Duell mit einem Vorgesetzten zu entschuldigen. Die Tatsache, daß der Mann ein Leuteschinder war, spielte keine Rolle, da ihm Harry eine Kugel in die Schulter gejagt hatte. Sogar der Sohn eines aktiven Admirals mußte für so ein Vergehen diszipliniert werden. Normalerweise war er in dieser Angelegenheit sehr empfindlich, zeigte sich aber Pollock gegenüber bereit, zuzugeben, wie sehr sein Ausscheiden aus dem Dienst seinen Vater getroffen hatte, und Harry hatte sogar eingestanden, daß es auch ihn selbst zutiefst verletzt hatte. Der Amerikaner konnte nicht wissen, welch ein Gunstbeweis dies war, denn normalerweise sprach Harry darüber nicht einmal mit seinem Bruder James.

Der Gedanke, daß jemand wie Oliver Pollock, dem er sich so vorbehaltlos anvertraut hatte, ihn in solch einer fatalen Lage hatte sitzen lassen, verursachte bei Harry tiefe Niedergeschlagenheit. Auch der Kater, den er zeitweise vergessen hatte, überfiel ihn plötzlich wieder mit ungebremster Macht.

Kapitel 2

Vor der Villa des Gouverneurs drängelte sich das Volk noch immer voller Panik durcheinander. Die Signalkanonen unterhielten ein ständiges Feuer, was zu dem allgemeinen Durcheinander noch beitrug, welches die gesamte Stadt ergriffen hatte. Sobald er die Saling erreicht hatte, überfiel Harry eine Welle von Übelkeit. Er mußte sich an einem Stag festklammern, um zu verhindern, daß er abstürzte. Ein paar tiefe Atemzüge stellten ihn wieder etwas her und erlaubten ihm, sich auf die schwierige Aufgabe zu konzentrieren, die vor ihm lag. Von seiner erhöhten Position aus konnte er mit bloßem Auge deutlich erkennen, warum sich einige Schiffe aus dem Staub gemacht hatten.

Die Franzosen, klar durch ihre dreifarbigen Gefechtsflaggen auszumachen, waren noch ein gutes Stück entfernt. Die »Flotte« bestand mit einer Ausnahme aus einem Sammelsurium von kleinen Briggs und Barken. Aber die Ausnahme war beeindruckend: Es handelte sich um richtiges Kriegsschiff, eine Fregatte, die Harry sofort als die Marianne identifizierte, das überlebende Schiff der beiden, gegen die er vor Guadeloupe gekämpft hatte. Obwohl diese kleine Armada mit Sicherheit ausreichte, um St. Croix zu unterwerfen, so war sie doch nicht stark genug, um einen ernsthaften Angriff auf hoher See abzuwehren. Dieser Mangel hatte sie vermutlich dazu bewogen, sich von Westen zu nähern.

Die östlichen Passatwinde hätten zwar mit großer Wahrscheinlichkeit für eine völlige Überraschung gesorgt, aber sie hätten dann ein Seegebiet durchqueren müssen, in dem regelmäßig Kreuzer der Royal Navy patrouillierten. Die zweite Möglichkeit, nämlich die direkte Route von ihrer Basis auf Guadeloupe, war ebenso risikoreich. Sie verlief haarscharf an St. Kitts und Nevis vorbei und außerdem in der Nähe der von den Spaniern gehaltenen Insel Santa Cruz. Das hätte dazu geführt, daß die auserwählten Opfer sehr zeitig einen Hinweis auf die Absichten bekommen hätten, wenn auch nicht auf das genaue Ziel. Kleine Boote waren ständig zwischen den verschiedenen Ansiedlungen auf den Jungferninseln unterwegs, und sie alle konnten eine Flotte aussegeln, die in einer strengen Formation bleiben mußte, um sich gegenseitig zu schützen. Sobald sie an Land waren, würden die Franzosen allerdings relativ sicher sein. Es würde Monate dauern, bis die dänische Regierung, die ohnehin kaum die Kräfte zur Verfügung hatte, um angemessen zu reagieren, von der Invasion erfuhr. Sollten die Briten in diesem Unternehmen eine Bedrohung ihrer Sicherheitsinteressen sehen, dann würden sie ein sorgfältig geplantes Landungsunternehmen durchführen müssen, um die Franzosen wieder von der Insel zu werten, nachdem diese dort Garnison bezogen und sie befestigt hatten.

Ganz offensichtlich hatte Hugues, wenn er denn der Kommandeur war, einen weiten Bogen gesegelt. Sollte er en route entdeckt werden, würde es so den Anschein haben, als wollte er seine Flotte durch die Mona Passage führen. Diese Durchfahrt verlief zwischen Hispaniola und Sanjuan und bot die Möglichkeit, nach St. Dominique abzusegeln. Sobald er die Bergspitzen hinter Ponce in Sicht bekam, konnte er einfach nach Osten drehen, um das Überraschungsmoment für sich zu haben. Obwohl dieser Plan aus taktischen Gesichtspunkten durchaus Sinn machte, zwang er die Schiffe dazu, gegen den Wind aufzukreuzen, und das gestaltete sich schwierig, da man sich nach der Geschwindigkeit des langsamsten Schiffes richten mußte. Aber jetzt bei vollem Tageslicht, in Sicht seines Zieles – und weit und breit war kein gefährlicher Gegner auf See auszumachen – konnte er diese Rücksichtnahme fallen lassen. Kapitän Villemin, der Kommandant der Marianne, hatte sich abgesetzt und tat alles, was in seiner Kraft stand, um heranzukommen. Wende folgte auf Wende. Sein Ziel war es, die Entfernung zur Insel so schnell wie möglich zu überbrücken und die Hafenausfahrt dicht zu machen.

Da er schon zweimal gegen diesen Mann gekämpft hatte, wußte Harry Ludlow gewisse Dinge über ihn. Villemin war kein großes As auf dem Gebiet des Manövrierens, und er neigte in kritischen Momenten zur Unentschlossenheit. Aber was noch viel wichtiger war: Er wußte, daß sein Schiff im Ernstfall der Bucephalas nicht ebenbürtig war. Sollte es also Harry gelingen, vom Hafen freizukommen und hoch am Wind zu laufen, dann hatte er eine gute Chance, ungeschoren zu entkommen. Andererseits wußte der andere natürlich auch genug über seinen Gegner. Sie hatten ihren ersten Zusammenstoß mitten auf dem Atlantik gehabt, wo Harry ihn mit ein paar gewagten Segelmanövern ausgetrickst hatte. Vor Guadeloupe hatten sie an einem richtigen Seegefecht teilgenommen. Villemin hatte mitansehen müssen, daß sein Vorgesetzter seine Flagge vor einer britischen Fregatte gestrichen hatte und zwar als Folge von Harrys Angriffen. Was würde in seinem Kopf vorgehen, wenn er die Silhouette eines Feindes sah, gegen den er zweimal das Nachsehen gehabt hatte? Würde ihn das zur Vorsicht veranlassen? Oder würde ein übermächtiges Gefühl nach Rache ihn außer sich geraten lassen?

Die Entscheidung darüber mußte abgewartet werden. Die Signalkanonen schickten Schockwellen über den Hafen, die Harrys Kopf wieder schmerzen ließen. Das Krachen von stürzendem, zerbrechenden Holz veranlaßte ihn, nach unten blicken, gerade noch rechtzeitig, um zu beobachten, wie die kunstvollen Gestelle der Werftarbeiter ins Wasser fielen. Das verstärkte noch den Schmerz in seinen Schläfen, und er legte den Kopf einen Augenblick gegen das rauhe Holz der Toppstenge. Schnell verwandelten sich die klaren Gedanken in unzusammenhängende Traumbilder. Das ließ ihn wieder aufschrecken, und er packte die Stenge fester. Wahrscheinlich zum ersten Mal in seinem Leben genoß es Harry Ludlow nicht, daß er sich so hoch oben aufhielt; er verspürte auch kein Verlangen, nach unten auf das Deck zu blicken.

Aber ob er es wollte oder nicht, er mußte handeln. Er verschaffte sich einen Überblick über den Fortgang der Arbeiten an Deck und zwang sich dazu, eine logische Abfolge der Dinge aufzustellen, die in der nächsten halben Stunde zu erledigen waren. Das meiste, was ihn beim Segeln beeinträchtigte, war aus dem Weg geräumt worden. Die Boote, die im Wasser lagen, damit ihre Nähte in der Hitze dicht blieben, konnten eingesehen werden, wenn es nötig wurde. Der Wind war kräftig genug, sogar in diesem geschützten Teil des Hafens, um die Marssegel ziehen zu lassen. Sobald man draußen in der Bucht war, würde man wahrscheinlich das Großsegel setzen können. So konnte Harry es durch das Fahrwasser bis zur Ansteuerung schaffen, aber er würde nur freikommen, wenn Villemin noch zu weit entfernt war, um ihn mit einer Breitseite einzudecken. Da sich seine eigenen Geschütze noch im Laderaum befanden, hatte er nichts, mit dem er sich des Franzosen erwehren konnte, falls er in Schußweite geriet.

Ein paar seiner Männer waren bereits oben in der Takelage, sie bereiteten die Rahen auf die Segel vor, die aus der Segellast nach oben gehievt werden sollten. Es ging nicht so schnell, wie Harry es gerne gesehen hätte; der scharfe Biß einer Mannschaft, die ständig auf See arbeitete, fehlte, aber sie schufteten mit einer Hingabe, die auch durch das Geschrei eines von Kopfschmerzen geplagten Kommandanten nicht vergrößert werden konnte. Ein Blick in Richtung des Punktes, an dem die Pier auf den Strand traf, ließ ihn James erkennen, der sich schnell mit seiner Abteilung von Franzosen näherte – der schwere, mit Messingbeschlägen versehene Kasten, der ihr gemeinsames Vermögen enthielt, mußte von vier Männern getragen werden.

Die Gruppe bedeutete ein weiteres Problem, nicht zuletzt deshalb, weil sie gezwungen waren, ihr Schiff aufzugeben. Nachdem Harry ein paarmal tief durchgeatmet hatte, packte er ein Backstag mit festem Griff, rutschte an ihm herunter und landete schwer an Deck. Pender, der zugesehen hatte, wie er seinen Abstieg begann, war da, um ihm zu helfen. Sein Kapitän bedachte ihn mit einem freudlosen Lächeln, gab Befehl zum Setzen der Segel, dann schickte er einen Mann in den Topp, um ein scharfes Auge auf die Marianne zu haben, anschließend wandte er sich ihm wieder zu.

»Sorg dafür, daß ein paar Drehbassen und Kartätschen auf das Achterdeck gebracht werden. Ich möchte, daß du mit einer starken, mit Musketen bewaffneten Abteilung die Barkasse bemannst. Ihr fahrt vor uns her, während wir über den Hafen segeln. Falls jemand anfängt, über unser Vorfahrtsrecht zu diskutieren, läßt du eine Salve über den Kopf des Mannes abfeuern, der das Schiff steuert. Ich lege dann mit einer Runde Kartätschen nach.«

Pender, der sich augenscheinlich von den Nachwirkungen seines Trinkgelages recht gut erholt hatte, grinste bei der Erwähnung der Musketen. Seine weißen Zähne hoben sich scharf von seinem Gesicht ab, das ohnehin schon dunkel und wettergegerbt gewesen war, jetzt aber von der Sonne Westindiens verbrannt war. Seine braunen blutunterlaufenen Augen blickten in Harrys graues Gesicht.

»Ich habe den Koch das Kombüsenfeuer in Gang bringen lassen, Käpt’n. Er ist an Deck völlig nutzlos, und ich habe mir gedacht, daß Sie nicht der Einzige sein werden, der etwas Warmes im Magen braucht, um durchzuhalten.«

»Da draußen ist die Marianne, Pender. Wenn wir nicht in die Gänge kommen, wird sich Villemin vor die Hafenzufahrt legen, und dann werden wir etwas Heißeres zu schmecken bekommen, als uns gut tun wird.«

Das Grinsen blieb. »Nachdem, was wir mit ihm bei unserem Zusammentreffen angestellt haben, schätze ich, daß er den Schwanz einziehen wird, sobald er den ersten Blick auf uns geworfen hat.«

»Nicht, wenn er mitbekommen sollte, daß unsere Kanonen unten im Laderaum liegen.«

Aber auch das konnte das Vertrauen in seinen Kapitän nicht beeinträchtigen. James, der an Bord gestürmt kam, gerade als Pender wegging, um sich seine Bootsbesatzung zusammenzusuchen, schlug denselben Ton an, der voraussetzte, daß sein älterer Bruder, ganz gleich wie groß die Schwierigkeiten auch sein mochten, immer eine Lösung fand. Das beruhte auf Harrys stets zuversichtlicher Grundeinstellung, dazu kam seine gut entwickelte Fähigkeit, einer spontanen Idee den Anstrich eines ausgetüftelten Plans zu geben. Normalerweise hätte er an diesem Image auch jetzt gearbeitet, aber die Nachwirkungen der durchsumpften Nacht ließen ihn nicht er selbst sein. Sogar seiner Stimme mangelte es an dem üblichen zuversichtlichen Klang.

»Hast du unseren Franzosen die Lage erklärt, James?«

»So gut ich konnte, Harry. Aber sogar bei der Aussicht, daß Hugues da draußen lauert, sind sie sehr über den Verlust ihres Schiffs betrübt.«

»Eins nach dem anderen, Bruder. Sie müssen sich darüber klar werden, daß er ihnen die Köpfe abschlagen lassen wird, wenn er sie in die Hände bekommt. Ich wäre dir sehr verbunden, wenn du sie bitten würdest, unter Deck zu gehen und die Kanonen vorzubereiten. Ich kann die Dinger nicht hochhieven, während ich mit dem Setzen der Segel beschäftigt bin, aber ich möchte das so schnell wie möglich erledigen. Wenn sie dann schon an der richtigen Stelle in Stropps bereitliegen, wird das eine Menge Zeit sparen. «

»Was, zum Teufel, heißt ›Stropp‹ auf Französisch?«

»Verdammt will ich sein, wenn ich es weiß, Bruder«, erwiderte Harry kläglich, »aber die Männer haben schon an Bord gedient, also sollten sie verstehen, was du willst, wenn du ihnen zeigst, was zu tun ist. Nimm dir Dreaver mit, wenn du möchtest.«

Oben verwandelte sich das Chaos langsam wieder in eine Ordnung, die Bramsegel waren angeschlagen und klar zum Fallen. Ein Ruf des Ausgucks sagte ihm, daß die Marianne nur noch zwei Kreuzschläge benötigte, bevor sie mit ihrer Breitseite die Hafenausfahrt verriegeln konnte. Was bis jetzt aufgeriggt war, war noch nicht perfekt, aber es reichte aus, um der Bucephalas genug Fahrt zu verleihen, daß sie dem Ruder gehorcht. Pender, effizient wie immer, hatte seine Männer bewaffnet und nach unten in die Barkasse geschickt. Auf Harrys Kommando rannten die Männer an Deck an die Brassen, und er wandte sich um, um den Festmachern an Land den Befehl zum Loswerfen zu geben, als ihn ein Ruf ablenkte. Aus der Menschenmenge beim letzten Lagerhaus drängte sich Matthew Caufield, der seinen Vater halbwegs tragen mußte. Harry schickte ihnen zwei Matrosen entgegen, und nach einer scheinbar endlosen Verzögerung wurden sie an Bord geschoben. Nathan Caufield brach direkt neben der Verschanzung zusammen. Matthew rang keuchend nach Luft, er hatte nicht genug Atem, um sich zu entschuldigen. Doch der finstere Blick von Harry Ludlow verlieh ihm genug Energie, um beim Einholen der Laufplanke zu helfen.

Die Leinen waren los, und die Männer benutzten Spillspaken, um sich von der Pier abzudrücken. Pender hatte aus einer Klüse eine Trosse fieren lassen, und Harry konnte hören, wie er seine Crew anfeuerte, den Bug des Schiffes herumzuziehen, damit die Segel den Wind einfangen konnten. Die Anstrengungen zahlten sich bald aus, und als der Bug der Bucephalas knapp zehn Fuß von der Pier entfernt war, nahm sie Fahrt auf. Harry übernahm selbst das Ruder, um sie sicher durch das Gewimmel der Schiffe zu manövrieren, die noch immer in der Bucht vor Anker lagen. Sie wurden von Booten umschwärmt, da die Kapitäne, die erkannt hatten, daß sie ihre Schiffe nicht mehr rechtzeitig seeklar machen konnten, alles daransetzten, ihre wertvollen Güter von Bord zu schaffen. Als er einen ersten vollständigen Überblick über das enge Fahrwasser der Ausfahrt hatte, rutschte Harry jedoch fast das Herz in die Hose. Das Fahrwasser war vollständig von einem Durcheinander von Handelsschiffen blockiert. Männer stachen mit Latten und Piken aufeinander ein, um genug Platz zu bekommen, damit sie die offene See erreichen konnten. Einige der Schiffe waren an der sandigen Westküste auf Grund gelaufen, sie hatten Boote ausgesetzt, die sie losschleppen sollten – und die ganze Zeit über dröhnten die Signalkanonen über den Rasen der Gouverneursresidenz.

»Matthew, schaffen Sie Ihren Vater nach unten. Dort sollte eine Karte des Hafens auf meinem Tisch liegen. Bringen Sie sie hoch, dann übernehmen Sie das Kommando über die Drehbassen. Ich möchte, daß sie mit Kartätschen geladen werden.«

Harry zermarterte sich seinen müden Kopf, um sich zu erinnern, ob er die Karten tatsächlich dort zurückgelassen hatte, wo er glaubte, und noch viel wichtiger waren die Tiefenangaben. Die meisten karibischen Inseln waren erloschene Vulkane, ihre Naturhäfen wurden von Durchbrüchen der See in den Krater gebildet. Das hatte oft zur Folge, daß das tiefe Wasser bis dicht an den Strand heranreichte, auch wenn der aus feinem weißen Sand bestand. Die Gezeit, die vom Wind unterstützt in den Hafen hineinlief, drückte die verkeilte Masse der Handelsschiffe zur westlichen Seite des Fahrwassers hinüber, dadurch entstand vor dem östlichen Strand eine schmale Lücke. Es erschien ihm als einzige Chance, dort den Ausbruch zu versuchen, aber alles hing davon ab, wieviel Wasser man dort unter dem Kiel hatte.

»Ich habe keine Karte gefunden, Kapitän Ludlow«, meldete Matthew, der an Deck zurückgekommen war. »Auf dem Kartentisch liegen nur die Zeichnungen der Werftarbeiter herum. «

»Verdammt!«

Harry ließ den Kopf sinken, wieder überkam ihn eine Welle von Übelkeit. Matthews Stimme, die sich erkundigte, ob er Hilfe benötigte, brachte ihn wieder zu sich, und er rief einen Seemann heran, der ihm beim Steuern assistieren sollte. Der Vater des Jungen, der sein ganzes Leben mit dem Handel in Westindien verbracht hatte, war wahrscheinlich dutzende Male nach St. Croix eingelaufen. Er mußte die Ansteuerung bestens kennen. Harry wurde nochmals durch die Notwendigkeit abgelenkt, mehr Segel zu setzen, aber als das Großsegel und der Außenklüver richtig geschotet waren, kam er auf den Gedanken zurück. Matthew hatte inzwischen eine der Drehbassen geladen, die in ihrer Halterung im Schandeckel ruhte.

»Glauben Sie, daß Ihr Vater in der Lage ist, mir etwas über die Tiefen an der Ostseite der Ansteuerung zu sagen?«

»Ich würde meinen, eher nicht«, erwiderte Matthew betrübt. »Was, zum Teufel, hat er letzte Nacht getrunken? In diesem Zustand habe ich ihn noch nie gesehen.«

Harry spürte, wie sich sein Magen allein bei dem Gedanken wieder umdrehte, er stürzte zur Reling und spie einen kräftigen Strahl seines Mageninhalts in das schmutzige Hafenwasser. Er fühlte, wie die Magensäure in seiner Kehle brannte, als er die Frage des jungen Amerikaners beantwortete.

»Was immer ihn so außer Gefecht gesetzt hat, mir hat es genauso schlimm mitgespielt. Lösen Sie mich bitte am Ruder ab. Halten Sie den anliegenden Kurs, so daß der Klüverbaum immer auf die kleine Lücke neben dem östlichen Strand zeigt.«

Matthews Augenbrauen schossen in die Höhe, als er auf die blockierte Ausfahrt blickte. »Da wollen wir hindurchsegeln?«

Harry fuhr ihn scharf an: »Ja, es sei denn, Sie können uns Flügel verleihen, Matthew, ansonsten wäre ich Ihnen sehr verbunden, wenn Sie das tun würden, was ich von Ihnen verlangt habe!«

Als er nach vorn ging, stellte er fest, daß die Trosse, mit der die Barkasse sie freigeschleppt hatte, losgeworfen worden war. Er schnappte sich eine Flüstertüte und preiteiv Pender an, daß er längsseits kommen sollte. Als das geschehen war, ließ Harry eine Lotleine in das Boot hinab, dann deutete er nach recht voraus.

»Wir müssen durch dieses Schlupfloch hindurch, ich weiß nicht, ob wir dort genug Wasser unter dem Kiel haben. Ich möchte, daß du genau vor uns herfährst und ständig lotest. Der Rest deiner Männer soll mit ihren Musketen auf diese Versammlung von Narren zielen, die sich selbst in diese Misere gebracht haben. Sorge dafür, daß sie uns aus dem Weg gehen. Und, Pender, denk daran: Wenn Hugues die Frachter schnappt, dann riskieren sie nur den Verlust ihrer Ladungen, sollte er aber uns erwischen, dann werden wir unter seiner Guillotine enden. Wenn sie also mit uns über die Vorfahrt streiten, dann schieße, um zu töten! «

Der schwache Ruf aus dem Masttopp war genau das, was er brauchte, um seine Worte zu unterstreichen. »Die Marianne fährt wieder eine Wende, Käpt’n. In höchstens zwanzig Minuten kann sie uns mit ihren Geschützen bestreichen. «

Harry war noch immer nicht er selbst, aber das Erbrechen ließ ihn sich etwas besser fühlen. Es gab sehr viel zu tun und sehr wenig Zeit dafür. Er mußte Fender über die Seite ausbringen lassen, damit sein Schiff im Falle einer Kollision mit einem der Frachter keinen schweren Schaden davontrug; er mußte Männer für das Vorschiff einteilen, die mit Spillspaken bereitstanden, um ein anderes Schiff abzudrücken; weitere Seeleute mit Musketen mußten die Seeleute auf den Handelsschiffen so einschüchtern, daß sie sich nicht heranwagten. Sobald sie frei von der Ausfahrt waren, mußten sie noch weitere Segel nach oben bekommen, die aber jetzt noch in der Segellast gestaut lagen. Es war hoch an der Zeit, um scharf und klar nachzudenken, stattdessen mußte Harry jede Entscheidung, wie es ihm erschien, aus einem tiefen, dunklen Schacht herauszerren. Heftig schüttelte er den Kopf, aber das verursachte nur neue Schmerzen. Er steckte seinen Kopf vollständig in den Wasserbottich neben dem Kompaßhäuschen. Als er ihn mit geschlossenen Augen wieder herauszog, hörte er neben sich eine ruhige Stimme.

»Nach Ihnen, mein Freund.«

Harry hoffte, daß er nicht genauso schlecht aussah wie Nathan Canfield. Die Lippen des Amerikaners waren purpurrote Striche in einem kalkweißen Gesicht. Die Augen unter den blonden Wimpern hatten einen so seltsam entrückten Ausdruck, als ob sie nichts richtig fokussieren könnten.

»Ich werde Sie nicht fragen, wie es Ihnen geht.«

»Der Tod kann nicht schlimmer sein.«

»Es könnte sein, daß Sie dabei sind, es herauszufinden«, meinte Harry, richtete sich auf und deutete in Richtung der Ausfahrt.

Die Toppstengen der Marianne waren jetzt deutlich auszumachen, die Trikolore flatterte am Kreuzmast. Caufield blinzelte ein–, zweimal, sein verwirrtes Gehirn versuchte, das, was er sah, in die Reihe zu bringen.

»Ich habe keine Zeit, Ihnen die Feinheiten unserer Zwangslage zu erläutern. Was ich wissen muß, sind die Tiefen an der östlichen Seite des Hafens.«

»Tiefes Wasser bis knapp zwanzig Fuß vom Ufer«, erwiderte Caufield, ohne zu zögern, »ich habe den komischen Felsen ein paarmal angebumst, wenn ich ins Treiben kam, aber immer ohne nennenswerten Schaden.«

»Fühlen Sie sich in der Lage, das Schiff zu führen?«

Caufield deutete mit dem Kopf in Richtung der französischen Gefechtsflagge. »Bleibt mir eine andere Wahl?«

»Doch die haben Sie. Sie und Ihr Sohn sind beide amerikanische Staatsbürger und haben von den Franzosen nichts zu befürchten. Sie können sich ein Boot nehmen und zum Strand rudern.«

Caufield antwortete nicht. Er drehte sich einfach um und ging, um sich zu seinem Sohn zu gesellen. Von der Verpflichtung befreit, das Schiff zu steuern, gab Harry den Befehl, weitere Segel zu setzen, dann eilte er nach vorn, um dort die Männer zu instruieren. Der Koch, Willerby, kam mit seinem Holzbein über das Deck auf ihn zu gestampft. Er hatte einen dampfenden Zinnkrug in der Hand. Als er seinen Kapitän erreichte, streckte er ihm diesen entgegen.

»Das Feuer brennt, Euer Ehren, aber es wird eine Ewigkeit dauern, bis meine Kessel heiß sind. Ich habe das hier auf einem Spiritusofen zubereitet. «

»Was ist das?« erkundigte sich Harry und nahm den Becher. Der Geruch, der diesem entwich, produzierte erneut Übelkeit in seinem Magen.

»Da sind zwei Dinge, die man über diese Mixtur wissen muß, Käpt’n«, erklärte der Koch und blickte ihm gerade in die Augen. »Das erste ist, daß es einem nicht gut tut, wenn man den Inhalt kennt, der zweite ist, daß es einem gut tut, wenn man den Inhalt in einem Zug hinunterschüttet.«

Harry wollte den Krug wieder zurückgeben; er blickte nach oben, um zu sehen, wie die Männer vorankamen. Aber Willerby ließ sich weder durch seinen Rang noch durch die Verzögerungstaktik abschrecken. Er drückte den Becher wieder in Richtung seines Kapitäns.

»Ich bin schon zur See gefahren, bevor Sie geboren wurden, Euer Ehren. Das Rezept für dieses Gebräu habe ich von dem größten Freund der Flasche, den ich je kennengelernt habe, und der hatte genug Verstand, nicht mit seinem Koch zu streiten, wenn ihm der Kopf weh tat.«

Harry blickte ihn so scharf an, wie er nur vermochte, aber er hatte damit keinen Erfolg. Der Koch preßte den Krug gegen Harrys Brust. Es blieb keine Zeit, um zu diskutieren. Willerby war – wie jeder Mann der Besatzung sehen konnte – von seinen väterlichen Gefühlen überwältigt. Also tat Harry, was von ihm erwartet wurde. Was immer der alte Mann in den Becher gefühlt hatte, es schmeckte entsetzlich. Als Harry ihn halb ausgetrunken hatte, würgte es ihn, und er stand dicht davor, an Deck zu kotzen. Aber irgendwie schaffte er es, alles hinunterzuwürgen, sein Gesicht wurde vor Anstrengung krebsrot.

»Verdammt, Willerby, was war da drin? Noch nicht einmal die Hexen von Macbeth hätten ein solches Gebräu zusammenrühren können.«

Willerby nahm den Becher, und als er sich umwandte, um davonzustampfen, brummte er: »Wie ich schon sagte, Euer Ehren, es ist besser, wenn Sie es nicht wissen. Allerdings will ich zugeben, daß ein guter Schuß purer Rum drin ist. Es gibt nichts Besseres als den Atem des Hundes, der einen am Abend zuvor gebissen hat, um einen kranken Kater zu kurieren.«

Kapitel 3

Die Situation in der Einfahrt verschlechterte sich rasch, während die Bucephalas aus dem Hafen kroch. Alle Versuche, auseinanderzukommen, vergrößerten das Chaos eher noch, anstatt es zu verringern. Den Handelsschiffen fehlte es an Männern, um die vertörnten Tampen der Takelage auseinanderzuschneiden, und sie konnten sich auch nicht gegen die einlaufende Tide und ihre Kollegen durchsetzen, um genug Abstand zu gewinnen, damit ihre Segel ziehen konnten. Hinter dem Gewimmel aus Rümpfen, Masten und Tampen sah Harry, daß der Skipper des Schiffes, das als erstes die Ausfahrt erreicht hatte, freigekommen war und nach Süden ablief. Er rief den Ausguck an, um zu erfahren, ob er verfolgt wurde, erhielt aber ein eindeutiges ›Nein‹ zur Antwort. Die momentane Freude verflog sofort wieder, als der Ausguck ihn darüber informierte, daß sich zwei Briggs unter französischer Flagge aus Osten näherten. Abgesehen von all den anderen Dingen, die an Deck organisiert werden mußten, erforderte das Harrys ungeteilte Aufmerksamkeit. Er war halbwegs die Wanten aufgeentert, bevor er merkte, daß sich sein Magen beruhigt hatte und daß sein Kopf klarer war. Was immer Willerby in den Trank getan hatte, es hatte gewirkt. Ein Blick über seine Schulter zeigte ihm, daß der Koch auf seinem Holzbein über das Deck stakste, um Kapitän Caufield einen ebensolchen Trank einzutrichtern. Er traf auf dasselbe heftige Widerstreben, so daß Harry lachen mußte, und das ließ ihn mit doppeltem Eifer weiter aufsteigen. Es war ihm nicht klar, aber seine Reaktion half seiner Crew. Wenn ihr Kapitän jetzt lachen konnte und nicht mehr so trübsinnig herumhing wie die ganze Zeit, seit er an Bord gekommen war, dann konnten die Dinge nicht so aussichtslos stehen, wie die Männer vermutet hatten.

Als er oben angekommen war und sich zurechtgerückt hatte, sah Harry, daß genau das Gegenteil der Fall war. Höchstwahrscheinlich hatten die beiden Briggs, die von Osten aufkamen, den geplanten Zeitpunkt des Rendezvous verpaßt. Sie hatten wohl offensichtlich die Einfahrt des Hafens bei Sonnenaufgang blockieren sollen, damit kein Schiff entkommen konnte. Es brachte Harry nur eine geringe Befriedigung, daß sie sich verspätet hatten, denn ihre Anwesenheit erschwerte die kleine Chance auf ein Entkommen trotzdem, und sie liefen leider genau über den Kurs, den er selbst hatte segeln wollen. Wäre er vollständig bewaffnet gewesen, hätte er sie aus dem Weg gepustet, der Anblick seiner Kanonen hätte ausgereicht, um sie abdrehen zu lassen. Mit nichts anderem als ein paar Signalkanonen bewaffnet, war er zahnlos. Aber so dringend dieses Problem auch war, es würde warten müssen. Beim Hinuntersehen auf das klare blaue Wasser konnte er an der Veränderung der Wasserfarbe erkennen, wie schnell der Wasserstand abnahm. Voraus warf Pender das Lot und sang die Tiefen lauthals aus. Vier Männer bemannten die Riemen, die anderen saßen mittschiffs mit schußbereiten Musketen abwartend da. Plötzlich rief er ihnen zu, das Feuer zu eröffnen. Sie konnten es aus ihrer Position dicht über der Wasserfläche nicht sehen, aber wie Harry befürchtet hatte, hatte die Crew des nächstliegenden Frachters ihr Rigg freibekommen und setzte sich von den anderen ab. Er konnte noch immer durch den sich verengenden Schlitz schlüpfen, aber wenn sie ihre Rahen richtig einstellten, um den Wind einzufangen, dann würden die Segel in die störenden Abwinde kommen. Beim Knall der Musketen der Bootsmannschaft reagierten die Männer auf dem Vorschiff, und sie feuerten ebenfalls. Da sie von einer erhöhten Plattform schossen, war ihr Feuer effektiver, doch es war die Drehbasse, die die Matrosen des Handelsschiffes zur Aufgabe überredete. War eine Waffe solchen Kalibers mit Kartätschen geladen, dann verursachte sie kaum ernsthaften Schaden, aber das Pfeifen der kleinen Kugeln über ihren Köpfen mußte den Eindruck echter Lebensgefahr vermittelt haben. Der Skipper, der ihre Aktionen befehligt hatte und der sich bei der ersten Salve der Musketen umgedreht und drohend die Faust geschüttelt hatte, kauerte sich hinter dem Ruder zusammen. Seine Männer ließen die Spillspaken fallen und rannten zum nächstgelegenen Niedergang. Das Schiff, jetzt wiederum ohne Führung, begann erneut auf seinen Nachbarn zuzutreiben. Die Bucephalas nahm immer mehr Fahrt auf; sie befanden sich in der Engstelle. Pender wurde klar, daß es nutzlos war, weiter zu loten, wenn er die Geschwindigkeit berücksichtigte. In der Tat lief er Gefahr, eingeholt und übergemangelt zu werden. Er ließ die Lotleine sinken, befahl seinen Schützen, die Waffen zur Seite zu legen und den anderen beim Pullen zu helfen. In dem glatten Wasser, das im Schutz der nahen Küste lag, schoß die Barkasse vorwärts, und war schnell aus er Gefahrenzone.

Das Wasser unter der Bucephalas war jetzt nicht mal mehr hellblau. Die Farbe des sandigen Grundes verlieh ihm einen milchigen Ton. Büschel von Seetang wogten im Strom hin und her, gelegentlich zeichnete sich der schwarze Umriß eines Felsens ab. Weitere Hindernisse, auch größere, mochten sich dort verstecken, wo die Unterwasservegetation dichter war. Was auch immer Caufield über ausreichende Tiefen gesagt hatte, das Ganze war reine Glückssache. Ein Schiff, das gemächlich in den Hafen hineintrieb, schwebte sicherlich nicht in der Gefahr, einen erheblichen Schaden davonzutragen, das traf aber nicht für eines mit dieser Geschwindigkeit zu. Die Bucephalas lief sicherlich nur knapp drei Knoten, aber es würde bei einer Grundberührung ausreichen, ihr den Boden aufzureißen.

Der Klüverbaum zeigte über einen besonders dichten Flecken grüner Vegetation. Harry zählte die Sekunden, bis der tiefste Punkt des Kiels Kontakt haben mußte. Er merkte plötzlich, wie er die Luft anhielt. Es schien eine Ewigkeit zu dauern, alle Geräusche um ihn herum schienen zu verstummen. Sein Herz blieb fast stehen, als sich die Toppstenge etwas nach vorne neigte, bis Harry klar wurde, daß es nur der Effekt des dicken Tangs war, der das Schiff verlangsamte. Es war an Deck kaum zu merken gewesen, aber hier oben im Topp war es sehr deutlich zu spüren. Als er die Augen hob, entdeckte er recht voraus einen weiteren ähnlich dicht bewachsenen Fleck; aus Gründen, die man nur als Intuition bezeichnen konnte, rief er Canfield zu, den Kurs leicht zu ändern. Das brachte sie zu nahe an die anderen Schiffe heran und zwang die Männer unten dazu, die Rahen rund zu brassen, so daß sie beinahe parallel zur Mittschiffslinie standen. Der Druck des Windes legte die Bucephalas auf die Seite, sie erzitterte, als sich ihre Verschanzung in die Planken eines der Handelsschiffe bohrte.

Jetzt bewiesen die Fender ihren Wert, sogar noch, als sie durch den Druck des rauhen Holzes abgerissen wurden, während sich die Männer mit den Spillspaken langsam nach achtern arbeiteten und die Schiffe auseinanderdrückten. An Deck des Frachters brüllten alle Besatzungsmitglieder irgendwelche Flüche und Beleidigungen in einer Sprache, die Harry nicht verstand. Er hätte ihnen allerdings auch keine Bedeutung geschenkt, wenn sie auf Englisch geflucht hätten. Seine gesamte Aufmerksamkeit war auf die Handhabung der Spillspaken gerichtet, er brüllte den Befehl, kräftig zu drücken, was zur Folge hatte, daß sich zwischen den Schiffen ein schmaler blauer Streifen auftat, so daß er die Segel derart trimmen lassen konnte, damit sie wieder etwas zogen. Das und die Anstrengungen der Männer, die sie von der Bordwand des Frachters freihielten, bewirkten, daß sie schließlich an der hohen Back des Handelsschiffs vorbeikamen. Der Anblick der leeren Reede spornte sie sogar zu noch größeren Anstrengungen an. Die Bucephalas hob sich leicht in der ersten Welle, woraus Harry schloß, daß sie die Hürde erfolgreich genommen hatten. Der sandige Meeresgrund blieb zurück, und der Klüverbaum schwang über die Weite des tiefblauen Wassers. Innerhalb einer halben Minute waren sie klar, und Harry wandte sich dem nächsten Problem zu.

Es war keine Zeit für eine gemächliche Analyse. Harry würde es mit der Besegelung, die er jetzt oben hatte, nie schaffen, aus der Reichweite von Villemins Kanonen zu bleiben; so verbrachte er dreißig Sekunden damit, die Segeleigenschaften der beiden Briggs abzuschätzen. Ein plötzliches, dumpfes Dröhnen ließ ihn erschreckt nach unten blicken, aber es war nur Pender, der die Barkasse längsseits gebracht hatte. Er hatte sich in die Rüsteisen eingehakt und durch die Wellen an den Rumpf klappen lassen, die ganze Zeit über hatte er nach den Männern an Deck gebrüllt. Leinen wurden über die Seite geworfen, eine zum Festmachen des Bootes, die anderen, damit die Besatzungsmitglieder der Barkasse herausklettern konnten. Sobald die Männer an Deck waren, wurde das Boot nach achtern verholt, bis es in einer Position kurz vor den anderen Booten war. Das alles spielte sich ab, während Harry an Deck glitt. Diesmal landete er aufrecht auf einem Ballen Segeltuch, der gerade aus der Segellast geholt worden war; teilweise waren schon Tampen angeschlagen, mit denen er nach oben gehievt werden sollte. Der Kopf seines Bruders erschien in diesem Augenblick über dem Süll des Niedergangs, und James rief Harry zu, daß die Kanonen in den Stroppen bereitlagen, um hochgehievt zu werden, wenn sie gebraucht werden sollten. Harry winkte mit gespielter Freude, daß er verstanden hatte. Er brauchte noch alles, was Arme zum Ziehen hatte, um die Segel nach oben zu bekommen. Er hatte niemanden für die Kanonen übrig.

Dann übergab ihm Caufield das Ruder. Pender, der wieder an Bord war, baute sich hinter ihm auf. Das Gefühl für das Schiff in seinen Händen und die Art, wie es auf jede leichte Bewegung reagierte, gaben ihm einen Teil seiner Zuversicht zurück. Aber das war nur eine kurzlebige Freude angesichts der unzähligen Schwierigkeiten, die sich vor Harry auftürmten. Er mußte hoch an den Wind gehen, aber das hatte wenig Sinn, bevor man nicht die Segel oben hatte. Solange man mit halbem Wind lief, kam man leichter aus der Gefahrenzone, aber dieser Kurs führte direkt vor die Kanonen der Marianne. Nach dem langen Landaufenthalt waren die Männer nicht so fit, wie sie es bei ständigem Training auf See waren, was ein zusätzliches Risiko bedeutete und kostbare Sekunden verschenkte. Die Franzosen konnte Harry nicht als zusätzliche Helfer einteilen, da sie sein Deck nicht kannten und sich mit der Crew nicht verständigen konnten. Sie würden eine zusätzliche Gefahr darstellen. Nur falls es zum Nahkampf kam, konnten sie nützlich sein.

Plötzlich drehte Harry sich um und schaute Pender an. Der Anblick des Dieners ließ ihn lächeln, Pender erwiderte die Reaktion breit grinsend. Das lag zu einem Teil an Harrys natürlichem Optimismus, zum anderen an Willerbys Gebräu. Es war wichtig, zuversichtlich auszusehen, um den Männern Mut einzuflößen, die ziemlich verzweifelt waren. Aber Harry wußte auch: Wenn es ein Schiff und eine Crew gab, mit dem er dieser Gefahr entkommen konnte, dann hatte er beides unter seinem Kommando.

»Pender, mach einen Rundgang bei den Männern. Sag ihnen, daß man uns schnappen wird, wenn auch nur einer nicht sein Bestes gibt. Bestell meinem Bruder, daß er seine Franzosen als zusätzliche Kräfte am Spill einteilen soll, damit wir die Bramsegelrahen nach oben bekommen.«

Willerbys frühere Bemerkung über den heißen Atem des Hundes kam ihm in den Sinn, und er fügte hinzu: »Falls du der Meinung sein solltest, daß ein Becher Rum den Männern helfen kann, dann zögere nicht, ihnen einen auszuschenken.«

Pender ließ sich nicht zweimal bitten. Mit einem gesunden Sinn für Prioritäten ging er nach unten, um ein Fäßchen Rum zu holen. Er wußte, daß die Männer keine Ermunterung brauchten. Ein Drink würde ihnen gut tun. Nicht daß Harry vorhatte, ihnen viel Zeit zum Trinken zu geben. Die Männer kannten ihren Platz im Arbeitsablauf, und sie konzentrierten sich auf die Aufgaben, die zu erledigen waren. Keiner warf mehr als einen kurzen Blick auf die Fregatte vor ihnen, die jetzt drehte, um ihnen die Breitseite zu präsentieren. Harry fragte sich, was wohl in Villemins Kopf vorgehen mochte. Ohne Zweifel mußte der ein glücklicher Mann sein, wenn er bedachte, in welche Falle sein Feind lief. Villemin schien in der Lage, jetzt die Rechnung für die früheren Niederlagen zu präsentieren. Als zusätzlicher Bonus kam hinzu, daß er das im Angesicht seiner versammelten Landsleute tun könnte.

Hugues Flotte stellte keine Gefahr dar. Zwar war die strikte Formation aufgegeben worden, aber keines der Schiffe war so weit nach Luv vorangekommen, um sich an dem bevorstehenden Gefecht beteiligen zu können. Da Harrys Männer jetzt vollauf beschäftigt waren, hatte er selbst ein paar Minuten Zeit, in relativer Ruhe nach einem Weg zu suchen, um den Franzosen zu überlisten. Er konnte nicht manövrieren, auch konnte er nicht mit Kanonen das Feuer erwidern. Villemin hatte sicherlich ein Teleskop am Auge haben und konnte, zumindest teilweise, Harrys Schwierigkeiten erahnen, möglichst viel Segelfläche in kürzester Zeit nach oben zu bekommen. Es konnte kaum einen Zweifel daran geben, daß er mit Breitseiten rechnete. Er drehte bereits auf, um seine gesamte Breitseite gegen die Bucephalas zum Tragen zu bringen. Aber das war nur die eine Seite der verdammten Gleichung. Denn selbst wenn es Harry gelingen sollte, dieser Falle zu entkommen, waren da noch die beiden Briggs, die auf seiner Fluchtroute lagen, und deren einzige Aufgabe darin lag, Harrys Geschwindigkeit zu verringern. Sogar wenn sie nur einen teilweisen Erfolg erzielten, hatte die Marianne alle Zeit der Welt, ins Kielwasser der Bucephalas heranzukommen und die Falle zuschnappen zu lassen. War Villemin erst einmal im Nahbereich, konnte ihn nichts mehr daran hindern, das Schiff und die Besatzung als Prise zu nehmen.

Harrys Augen schweiften über das Deck und entdeckten Matthew Caufield und seinen Vater, die an der Verschanzung standen und auf die sich schnell nähernde Fregatte starrten. Aber er sah auch die fest montierten Lafettenschlitten, auf denen sonst die Karronaden ruhten. Sie waren im Deck verbolzt, und der Schlitten fing anstelle der üblichen Taljen den Rückstoß auf. Karronaden waren kurzläufige Geschütze, die eine großkalibrige Kugel verschossen. Man nannte sie wegen ihrer Wirkung auf den gegnerischen Rumpf auch »Zerschmetterer«, aber sie waren auf weite Entfernungen nutzlos. Die Position der französischen Schiffe zueinander machte es Harry unmöglich, seine bevorzugte Methode anzuwenden, nämlich das Unerwartete zu tun und die Gegner zu verblüffen. Während er immer näher an den Feuerbereich von Villemins Kanonen heransegelte, wußte er, daß er etwas für seine Feuerkraft tun mußte, sogar wenn die Tatsache, daß die Geschütze aufgestellt wurden, nur die Stimmung seiner Männer verbessern würde. Ein schneller Blick nach oben zeigte ihm, daß, obwohl im Rigg gute Fortschritte gemacht wurden, er ein oder zwei Breitseiten nicht entgehen konnte. Aber angenommen, daß dabei nichts Lebenswichtiges beschädigt würde, konnte er dann hoch an den Wind gehen und seine überlegenen Segeleigenschaften ausspielen, um den Abstand zu den Verfolgern zu vergrößern.

Das würde ihn innerhalb kürzester Zeit in Kontakt mit den Briggs bringen, und das war ein völlig anderes Problem. Deren Kommandanten konnten nicht wissen, daß er unbewaffnet war. Schon das allein würde, wenn Harry aggressiv genug manövrierte, sie zur Vorsicht anhalten, besonders wenn sie Informationen mit den Besatzungsmitgliedern der Marianne