Academy of Blood and Fangs 1: Vampirherz - Anna Lukas - E-Book

Academy of Blood and Fangs 1: Vampirherz E-Book

Anna Lukas

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Beschreibung

**Jägerin oder Gejagte?**  Reyva Van Helsing ist alles andere als begeistert, als sie an die renommierte Academy of Blood and Fangs in Rumänien geordert wird, um sich zur Vampirjägerin ausbilden zu lassen. Denn anders, als es ihre Abstammung vermuten lässt, hat die angehende Konditorin nichts mit Vampiren am Hut – und das bekommt sie auch zu spüren. Zu allem Überfluss entpuppt sich ihr Mitbewohner Phileas als entwaffnend gutaussehender Schotte und ihr größter Rivale. Als sie dann auch noch auf einer Mission gebissen wird, droht sie selbst zur Gejagten zu werden und Phileas zu ihrem größten Feind. Wenn da nicht diese knisternde Anziehung zwischen den beiden wäre, die Reyva das Leben retten könnte.  Willkommen an der Academy of Blood and Fangs. Mach deinen Abschluss – oder stirb.  //»Academy of Blood and Fangs. Vampirherz« ist der erste Teil der spannenden Romantasy-Dilogie. Weitere Titel bei Impress:    -- Band 1: Academy of Blood and Fangs. Vampirherz  -- Band 2: Academy of Blood and Fangs. Schattenkuss//  

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Veröffentlichungsjahr: 2025

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Die Macht der Gefühle

Impress ist ein Imprint des Carlsen Verlags und publiziert romantische und fantastische Romane für junge Erwachsene.

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Anna Lukas

Academy of Blood and Fangs. Vampirherz

**Jägerin oder Gejagte?**Reyva Van Helsing ist alles andere als begeistert, als sie an die renommierte Academy of Blood and Fangs in Rumänien geordert wird, um sich zur Vampirjägerin ausbilden zu lassen. Denn anders, als es ihre Abstammung vermuten lässt, hat die angehende Konditorin nichts mit Vampiren am Hut – und das bekommt sie auch zu spüren. Zu allem Überfluss entpuppt sich ihr Mitbewohner Phileas als entwaffnend gutaussehender Schotte und ihr größter Rivale. Als sie dann auch noch auf einer Mission gebissen wird, droht sie selbst zur Gejagten zu werden und Phileas zu ihrem größten Feind. Wenn da nicht diese knisternde Anziehung zwischen den beiden wäre, die Reyva das Leben retten könnte.

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Vita

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Danksagung

© privat

Die Autorin Anna Lukas, Jahrgang 1999, lebt mit ihren drei Katzen in der Nähe von Stuttgart, wo sie ihren Master in Online-Marketing absolviert hat. Unter annas.inkspell bloggt die Autorin regelmäßig über Bücher und das Autorenleben. Anna Lukas schreibt seit ihrem zehnten Lebensjahr am liebsten Fantasyromane. Andere Themen, die sie interessieren, sind: Tierschutz, Städte-Reisen und Serien. Doch eine ihrer größten Leidenschaften sind natürlich Bücher.

Für alle, die ihre Katze mit in eine magische Academy nehmen würden. Für alle, die mit einem paranoiden Herzen zu kämpfen haben. Und für alle, die Vampirgeschichten lieben.

Playlist

Meddle About – Chase Atlantic

Too Sweet – Hozier

Again (feat. XXXTENTACION) – Noah Cyrus

Logical – Olivia Rodrigo

Leaving Tonight – The Neighbourhood

Blow Your Mind (Mwah) – Dua Lipa

Daddy Issues – The Neighbourhood

Can You Feel My Heart – Bring Me The Horizon

Dark Red – Steve Lacy

I Like The Way You Kiss Me – Artemas

Breakin’ Dishes – Rihanna

Softcore – The Neighbourhood

Supermassive Black Hole – Muse

Diet Mountain Dew – Lana Del Rey

Bones – Imagine Dragons

Kapitel1

Phileas

Skeptisch fuhr ich mit den Fingerkuppen des Zeige- und Mittelfingers an dem rauen Asphalt entlang und zerrieb die Flüssigkeit zwischen meinen Fingern. Sie war glitschig, noch frisch. Ich hob den Finger prüfend in die Höhe und drehte das Handgelenk, um die Farbe der Flüssigkeit in den schwachen Strahlen des Mondlichts besser erkennen zu können.

Blut.

Kurz machte mein Herz einen Sprung. Die rote Flüssigkeit schimmerte bedrohlich, während die Schwerkraft an ihr zerrte und sich ein Tropfen löste, der träge um die Rundung meines Fingers floss und einen roten Film auf meiner Haut hinterließ. Eine Blutspur war das sicherste Indiz für einen Vampir – und einen begangenen Mord.

Nun kroch mir der Geruch des Blutes in die Nase. Angewidert rümpfte ich sie. Unwillkürlich musste ich an das Opfer denken, das hier irgendwo in den Gassen liegen musste. Lebte er oder sie noch? Oder hatte der Vampir den Menschen bereits bis auf den letzten Tropfen ausgesaugt?

Bei diesem Gedanken fröstelte es mich.

Ich stemmte die Hände in die Knie und richtete mich auf, um einen besseren Überblick über die Lage zu bekommen. So spät in der Nacht war selbst eine beliebte Stadt wie Edinburgh beinahe wie ausgestorben. Ab und zu stürzten ein paar betrunkene Touristen oder verliebte Pärchen aus den Pubs und machten sich eilig auf die Suche nach ihren Hotelzimmern. Ansonsten blieb es still.

Die Straße wurde von ein paar Laternen erhellt, sodass die Regentropfen auf den parkenden Autos wie Kristalle schimmerten. Zuletzt hatte es vor einer Stunde geregnet, dennoch war die schwache Blutspur nicht weggeschwemmt worden. Das bedeutete, die Spur war in der Tat frisch – und der Jäger mit etwas Glück nicht fern.

Ich schlich weiter vorwärts durch die Dunkelheit, während mein Blick wie gebannt über den Boden glitt. Die Spur führte um die Ecke.

Edinburgh war von unvorsichtigen Touristen gut besucht und die Gänge zwischen den alten Gebäuden stellten das perfekte Raubgebiet für einen Vampir dar.

Das Gässchen hier war eng, sodass ich mich zur Seite drehte und die Schultern gerade hielt, um nicht an den Betonwänden hängen zu bleiben. Ich war darauf bedacht, keinerlei Spuren zu hinterlassen. Vampire waren Meister darin, Gerüche wahrzunehmen. Dabei jagten sie selten allein in einer Stadt. Es war anzunehmen, dass dieser Blutsauger einer Sippschaft angehörte. Und sobald ich sein Herz mit einem Holzpfahl durchbohrt hatte, würde dieses Pack auf Rache sinnen.

Das Gefühl von Vergeltung kannte ich zu gut. Vergeltung machte abhängig. Sie war wie ein magisches Elixier, das mich morgens aus dem Bett zerrte, Adrenalin durch meine Blutbahnen jagte und jeden meiner Gedanken vergiftete.

Es war ein weiblicher Vampir, der meine ganze Familie ermordet hatte. Nur mich hatte sie am Leben gelassen, doch ich wusste nicht warum. Aus Spaß? Reiner Boshaftigkeit? Oder einfach, weil ein kleines Kind die geringe Blutmenge nicht wert gewesen war? Diese Fragen jagten seit dreizehn Jahren durch meinen Verstand und ich war darauf aus, sie zu beantworten. Deshalb hatte es mich zurück in meine Heimatstadt verschlagen, denn irgendwo hier hoffte ich die Antwort auf meine Fragen zu finden.

Der Gang endete. An einem Ziegelstein entdeckte ich einen weiteren Klecks Blut, der mich fast zwanghaft diese Richtung einschlagen ließ. Ich bog um die Ecke, als sich die Wände weiter voneinander entfernten und einen kleinen Innenhof freigaben. Hier schimmerte kein Laternenlicht, sondern lediglich die schwachen Strahlen des Mondes erhellten die Finsternis.

Ich blinzelte heftig, um mich an die Dunkelheit zu gewöhnen, während ich einen Fuß vor den anderen setzte.

Ein mir bekanntes Geräusch erklang. Ein Geräusch, das die Wände wie ein Echo einfingen und mir entgegenwarfen.

Eine gerissene Wasserleitung? Oder eine überlaufende Regenrinne? Doch ich wusste es besser. Viele Menschen verleugneten die Existenz von Ungeheuern – in ihrem Verstand waren sie nur unheimliche Fantasien. Monster mit messerscharfen Zähnen, blutrünstigen Augen und leichenbleicher Haut. Lediglich Geschichten, die man sich am Lagerfeuer zuflüsterte und den Kindern erzählte, um ihnen einen Schauder über den Rücken zu jagen. Doch all diese Geschichten waren wahr.

Kleck, kleck, kleck!

Unwillkürlich wanderte meine Hand unter den schwarz-weiß gestreiften Saum meiner Bomberjacke, wo sich in einem Holster ein Holzpfahl befand. Ich umgriff das eckige Heft und zog ihn behutsam an meiner Hüfte entlang, um auf keinen Fall ein unnötiges Geräusch von mir zu geben.

Kleck, kleck, kleck!

Jetzt hatte sich mein Augenlicht an die Dunkelheit gewöhnt, in meinem Inneren war der Hebel vom Menschen zum Vampirjäger umgelegt. Endlich erblickte ich das Monster.

Der Vampir hatte seine scharfen Zähne direkt in die Kehle einer jungen Frau gebohrt. Sie lag schlaff wie eine Puppe in seinen Armen, die sie fest umklammerten. Ihre blonden Strähnen waren hinter die Schulterblätter gerutscht und schaukelten bei jedem neuen Schluck des Vampirs auf und ab. Dabei hatte sich ihr eigenes Blut mit den Haaren verklebt, das bereits begann zu verkrusten und an Glanz zu verlieren. Ihre Augen starrten mich direkt an, doch sie waren leer. Die junge Frau war längst tot.

Angesichts der leichenblassen Haut erkannte ich, dass der Vampir beinahe jeden Tropfen Blut aus ihrem Körper gezogen hatte. Er nuckelte nur noch an ihr wie ein Kleinkind an einer Milchflasche. Keinen noch so kleinen Tropfen Blut ließ er verkommen.

Behutsam schlich ich vorwärts. Das Biest war auf seine Beute fokussiert und bemerkte meine Anwesenheit nicht. Von der Seite erhaschte ich einen Blick auf seine blutunterlaufenen Augen, unter der Haut traten die bläulichen Adern hervor und verrieten den Blutrausch. Selbst die Iriden hatten sich pechschwarz verfärbt.

Klatsch!

Erschrocken zuckte ich zusammen, als mir mein Fehler bewusst wurde. Nässe tränkte meine Schuhspitze. Ich warf einen Blick hinab auf die klaffende Pfütze, in die ich ungeschickt getreten war. Die Dunkelheit hatte sie zu gut verborgen.

Auch der Vampir hatte meine Dummheit bemerkt. Ruckartig riss er seine Fänge zurück und ließ die tote Frau los, wodurch sie nach hinten fiel und ihr Hinterkopf mit einem Knall gegen die Steinmauer stieß. Vermutlich wäre Blut geflossen, wenn sie nicht längst ausgetrocknet gewesen wäre.

»H…hm«, murmelte der Vampir, der sich in die Höhe streckte und sich genüsslich mit der Zungenspitze über die blutbefleckten Reißzähne leckte. »Was haben wir denn da für einen Leckerbissen?«

Mein Instinkt riet mir, nach hinten zu weichen, doch ich behielt einen kühlen Kopf. Dort hinten warteten lediglich enge Gässchen auf mich, die mich zwingen würden, dem Biest den Rücken zu kehren, um wegrennen zu können. Und wenn ich etwas in all meinen Jahren als Vampirjäger gelernt hatte, dann war es, dem Feind niemals seine Rückseite zu präsentieren.

Irritiert kräuselte der Vampir die Stirn, als ich standhaft blieb und mich keinen Millimeter rührte. »Interessant«, grübelte er laut und tippte sich mit dem Zeigefinger gegen das Kinn, wobei seine langen Klauen seine Unterlippe streiften. »Normalerweise liegt Angst in der Luft, wenn ein Menschlein mich sieht. Fühlst du keine Furcht, Leckerbissen?«, neckte er mich, während er einen Schritt weiter auf mich zumachte.

Nervös verkrampften sich meine Finger um den Holzpfahl in meiner Hand. Das Überraschungsmoment war verspielt. Hinter dem Vampir entdeckte ich einen schmalen Durchgang, der auf eine hügelige Wiese führte. Ein Fluchtweg – für mich oder den Vampir … Ich hatte nicht vor, ihn zu nutzen. Mein Blick fiel auf die tote Frau in der Ecke. Ich schuldete es ihr, das Monster ein für alle Mal vom Morden abzuhalten.

»Du solltest derjenige sein, der Angst hat«, stichelte ich, dann hob ich meinen Holzpfahl in sichtbare Höhe. »Du bist nicht der erste Vampir, den ich töten werde – und sicherlich nicht der letzte.«

Ein schiefes Grinsen schmiegte sich auf meine dünnen Lippen, als ich die Verwirrung und Skepsis in den Gesichtszügen des Ungeheuers aufflammen sah. Doch zu meiner Verwunderung hielt es nicht lange an.

»Dann hatte sie also in der Tat recht«, verkündete er mit finsterer Stimme.

Auf einmal gefror das Blut in meinen Adern. Konnte er tatsächlich sie meinen? Die Mörderin meiner Eltern, die ich seit Jahren vergebens durch die größten Städte der Welt verfolgte? »Wen meinst du?« Verzweiflung kämpfte sich in meiner Stimme an die Oberfläche.

»Sie wusste, dass du da sein würdest. Einer gut ausgelegten Blutspur kannst du nicht widerstehen.« Der Vampir verfiel in ein dreckiges Lachen und streckte seine Klauen, um mir noch näher zu kommen.

Ich merkte zu spät, was hier vor sich ging. Der Vampir war nicht meine Beute gewesen, sondern lediglich der Lockvogel. Die Beute hier war … ich.

Instinktiv wirbelte ich nach hinten. Das Funkeln dunkler Iriden sprang mir entgegen. Zwei weitere Vampire waren mir im Schutz der Dunkelheit gefolgt.

Mit ausgestreckten Klauen kam einer der Blutsauger näher und näher, er visierte meine Oberarme an, doch ich war schneller. Ich machte auf dem Absatz kehrt, streckte den Pfahl in die Höhe und rammte die Holzspitze direkt in sein verpestetes Herz. Sofort glühte ein goldener Strahl in seiner Brust auf, dann zog ich den hölzernen Spieß aus dem Fleisch hervor, und das Licht erlosch. Innerhalb von Sekunden wurde der tote Vampirkörper zu Asche und rieselte auf die dunklen Ziegelsteine.

»Dafür wirst du büßen!«, kreischte die Vampirin hinter ihm auf und raste hasserfüllt auf mich zu. Ihre Gesichtszüge verzogen sich zu denen eines Biestes, ein tiefes Blau schimmerte unter ihrer bleichen Haut.

Ich musste hier weg. In dieser engen Gasse war ich gefundenes Fressen. Hoffnungsvoll wanderte mein Blick zum schmalen Durchgang am Ende des Innenhofs. Wenn ich schnell genug war, würde ich mit einem Sprung direkt auf der anderen Seite herauskommen. Ich musste das Risiko eingehen.

Doch das Problem befand sich direkt vor mir. Denn nun stürzte sich auch der erste Vampir auf mich, dessen Körper vor Energie nur so strotzte. Das frische Blut verlieh ihm Kraft und Geschwindigkeit.

Der Vampir riss das Maul weit auf und fixierte meine rechte Schulter, also duckte ich mich schnell weg und huschte unter seinen herumwirbelnden Armen hindurch. Kurz wanderte mein linker Mundwinkel nach oben, doch die Freude hielt nicht lange an. Durch seine beschleunigten Schritte holte mich der Vampir im Nu ein und bohrte seine messerscharfen Klauen in meine Waden. Mit Wucht riss er mich zu sich und biss mir ins Fleisch. Schmerzvoll schrie ich auf und bohrte die Fingernägel in das Holz, dann holte ich Schwung und stach den Pfahl direkt in seine Handfläche.

Nun schrie der Vampir auf und ließ vor Schmerz meine Wade los, Blut floss in Strömen und tränkte meine eng anliegende Jeans in ein tiefes Rot. Wie ich diesen Beruf hasse, fluchte ich innerlich auf, bis ich die Zähne zusammenbiss und mich trotz der Schmerzen zurück auf die Beine begab.

Ich musste schnell sein, wenn ich überleben wollte. Humpelnd kämpfte ich mich vorwärts. Der rettende Spalt war nur noch wenige Meter entfernt, doch die letzte Vampirin war mir bereits dicht auf den Fersen.

Ich streckte meinen Arm weit nach oben, dann machte ich eine geschwinde Drehung und ließ den Pfahl los. Er schoss durch die Luft, bis er sein Ziel traf. Das Holz bohrte sich tief in das Schlüsselbein der Vampirin, doch zu meinem Pech war der Treffer nicht tödlich. Mit einem Zischen zog sie den Pfahl aus ihrem Fleisch und zerbrach ihn wutentbrannt in zwei Hälften. Sie ließ sie fallen.

Jetzt richtete sich auch der erste Vampir wieder auf, dessen blutende Handfläche den ganzen Ärmel seines beigen Trenchcoats getränkt hatte.

»Sie will dich zwar lebend, aber sie hat nicht gesagt, in welchem Zustand. Du kannst dir sicher sein, dass ich dir unzählige Knochen brechen werde«, fauchte die Vampirin und ließ ein Zischen erklingen.

Fragen über Fragen tummelten sich in meinem Kopf, doch ich hatte keine Zeit dafür. Stattdessen brach ich meine Regel und wandte den Vampiren den Rücken zu. So schnell ich konnte, raste ich mit dem verletzten Bein vorwärts, bis der Spalt nur noch wenige Zentimeter entfernt war. Mit dem gesunden Bein stemmte ich alle Kraft gegen die Steine, dann drückte ich mich vom Boden ab und sprang, so weit ich konnte.

Ich drückte mich hindurch, wobei ich der Mauer zu nahe kam und mir die Haut meines Handrückens aufschürfte. Ich presste die Zähne zusammen. Hinter mir spürte ich die Klauen des Vampirs, der nach mir schlug und nach Halt in meiner Haut suchte. Ich entwischte ihm und landete hart auf der durchnässten Wiese.

Schlamm begrüßte mich und ließ mich auf dem Bauch vorwärts über das Feld rutschen, bis ich an Schwung verlor und zum Stehen kam.

Die Vampire ließen nicht lange auf sich warten. Sie rasten mir hinterher, drängten sich durch den Gang.

Verzweifelt griff ich mit der matschigen Hand unter den Saum meines T-Shirts, um das Kruzifix zu finden. Ich umgriff das lederne Halsband und zerrte daran, bis ich das Kreuz in die Finger bekam. Das Symbol war nicht viel, aber zumindest würde es die Vampire kurz blenden.

Sie schossen durch den Spalt und erklommen die Außenwand. Nur noch zwei Meter trennte sie von mir.

»Ut auferat daemonium!«, schrie ich den lateinischen Spruch für Verschwinde Dämon! und streckte das Kreuz, so weit es das Band zuließ, von mir wie einen beschützenden Schild.

Sofort schoss Helligkeit aus der Mitte des Kreuzes und strahlte den Blutsaugern entgegen. Es blendete sie und brannte wie Tageslicht auf ihrer verfluchten Haut.

Doch die Magie des Kreuzes hielt nicht lange. Schnell verdampfte sie im Schatten der Dunkelheit und gab die Vampire wieder frei. Ihre Haut leuchtete glutrot und dampfte vor Hitze, was ihren Hass nur noch nährte. Ohne zu zögern, rasten sie auf mich zu.

Instinktiv schloss ich die Lider. Ich sah mein Ende vor mir – dem meiner Eltern gleich. Zerrissene Hauptschlagadern, verdreckt vom eigenen Blut. Die Klauen der Vampire reichten bis auf die Knochen – in Sekundenschnelle würden sie mich zerfetzen.

Plötzlich ertönte ein Zischen.

Überrascht riss ich die Augen auf. Gerade noch rechtzeitig, um zu sehen, wie eine Pfeilspitze auf die Vampire zuraste und zuerst durch den Kopf der Frau drang, dann deren Ende erreichte und in paralleler Linie den des ersten Kerls ebenso durchbrach. Sie waren beide sofort tot.

Übelkeit sammelte sich in meinem Magen und versuchte einen Weg an die Oberfläche zu finden, doch ich schluckte schwer und verdrängte jeglichen Ekel. Schließlich war das nicht meine erste Vampirjagd.

Mit zitternder Hand griff ich in meine Jeanstasche und kramte ein Feuerzeug und eine einzelne Zigarette hervor. Ich hatte mir eigentlich vorgenommen, dieses Gift aus meinem Leben zu verbannen. Doch fast täglich an der Klippe des Todes zu stehen, ließ mich dieses Versprechen öfter brechen als erhofft.

Mit einem Klicken entzündete sich das Feuerzeug und warf Licht in die Dunkelheit. Sogleich kam die Schützin aus ihrem Versteck hervor. Die Flammen des Feuers warfen tanzende Lichtkegel auf ihre Gesichtszüge, während ich das Ende der Zigarette ins Feuer hielt.

»Wolltest du nicht mit dem Rauchen aufhören, Phileas?«, fragte sie skeptisch und stemmte vorwurfsvoll die Hand in die Hüfte, während sie in der anderen die Armbrust baumeln ließ.

Genervt verdrehte ich die Augen, während ich den ersten Zug der Zigarette in meine Lunge aufnahm und deren Dampf inhalierte.

»Wolltest du nicht pünktlich sein?«, entgegnete ich genauso vorwurfsvoll, während der Dampf über meine Lippen in die kalte Nachtluft entfloh.

Meredith war genauso eine Vampirjägerin wie ich – und eine weitaus bessere Wächterin. Vor acht Jahren hatte ich ihr das Leben gerettet, seitdem begleitete sie mich durch die ganze Welt, um Vampiren ihr Ende zu bereiten.

Mit großen Schritten stapfte sie auf mich zu, dann schnappte sie sich die Zigarette, warf sie in den Matsch und drückte sie mit der Sohle platt, um sie zu löschen. Als Nächstes streckte sie mir die Hand entgegen.

Ermüdet seufzte ich, dann nahm ich ihre Geste an und stemmte mich aus dem Schlamm hoch. Nun riss sie einen Streifen ihres dunklen Kleides ab, sank in die Knie und zerrte das Band fest um meine verletzte Wade, um die Blutung so gut wie möglich zu stoppen, bis wir in Sicherheit waren und die Wunde richtig verarzten konnten. Der Druck erhöhte die Schmerzen und machte das Bein kaum noch belastbar. Mere schien es zu bemerken und hob, ohne zu fragen, meinen Arm über ihre Schulter, um mich beim Laufen zu entlasten.

»Denk aber bloß nicht, dass ich dich auf den Armen durch ganz Edinburgh schleppe«, bemerkte sie sarkastisch.

»Haha«, erwiderte ich mit einem hohlen Lachen, während wir uns durch die hügelige Wiese kämpften und nach einer weiteren Gasse Ausschau hielten, durch die wir einen Weg zurück in die Stadt finden würden. Derselbe Weg wie vorhin wäre zu riskant – es war immer noch möglich, weiteren Blutsaugern zu begegnen.

»Was hat dich überhaupt so lange aufgehalten?«, fragte ich nach einer Weile des Schweigens.

Neugierde funkelte in Meres blauen Iriden auf. »Du kennst doch sicherlich die Academy of Blood and Fangs?«, wollte sie mit hochgezogener Augenbraue wissen.

»Sicher«, murmelte ich abwesend. Es war die Academy für heranwachsende Vampirjäger im Herzen Rumäniens, die auch meine Eltern besucht hatten. Wenn sie heute noch am Leben wären, hätten sie mich vermutlich schon mit zwanzig Jahren dort hingeschickt. Allerdings waren sie das nicht und so hatte ich mir jegliches Wissen über dreckige Blutsauger seit meiner Kindheit selbst angeeignet.

»Sie haben mir eine Einladung geschickt!«, triumphierte Meredith aufgeregt und zückte blitzschnell einen lila Umschlag, mit dem sie vor meiner Nase hin und her wedelte. »Siehst du? Sie wollen mich auf ihrer Schule!«

»Wenn du nicht stillhältst, sehe ich gar nichts«, brummte ich mies gelaunt, dann schnappte ich mir das Ding aus ihren zappeligen Fingern. Ich strich über das Papier, selbst der Umschlag wirkte überzogen teuer und edel. Er war bereits geöffnet, also zog ich den Brief heraus. In schnörkeliger Schrift stand dort geschrieben:

Sehr geehrte Miss Orvin,wir möchten Sie an der Academy of Blood and Fangs willkommen heißen und erwarten Sie in den nächsten Tagen an unserem Standort in Transsilvanien.Mit freundlichen GrüßenDie Schulleitung

Leicht genervt drückte ich Mere den Umschlag und den Brief zurück in die Hände. »Und du willst dahin? Was sollte das uns … dir bringen?«

Verärgert schlug sie mir gegen die Brust, wobei ihre silbernen Haare hin und her wippten. »Ich gehe doch nicht allein. Du wirst schön mitkommen!«

Ich zuckte die Schultern. »Ich habe keine Bewerbung abgeschickt.«

»Ich weiß«, meinte sie mit einem breiten Grinsen. »Deswegen habe ich das für dich erledigt.«

In diesem Moment kreischte ein Rabe, als hätte er nur auf eine Überleitung gewartet. Ich wirbelte herum und entdeckte ihn in der Krone eines knorrigen Baumes, wo er die Krallen an der Rinde wetzte und sich dann mit Schwung vom Ast schwang, um in einer eleganten Runde über unsere Köpfe zu segeln. Etwas glänzte in seiner rechten Klaue, dann ließ er es los. Es war eine Feder.

So sanft wie ein Blatt im Herbst segelte sie durch die Lüfte, bis sie in unsere Höhe gelangte und ich begierig danach schnappte. Es war eine pechschwarze Feder, die mit Blattgold überzogen war. Darauf prangte in weißer Schrift eine Gravur mit dem Titel Spitzenstipendiat. Der Rest der Nachricht war ziemlich ähnlich wie Merediths. Diese Möchtegerns wollten mich also so unbedingt auf ihrer Academy sehen, sodass sie sogar Stipendien verschenkten.

»Wow«, staunte Mere beeindruckt. »Ich wusste, dass sie dich auf jeden Fall annehmen würden. Aber als Spitzenstipendiat an der Academy! Das ist eine Ehre!«

Unbekümmert verstaute ich das goldene Blatt in der Tasche meiner Bomberjacke. »Ich werde es nicht annehmen.«

Abrupt blieb Meredith stehen. Die Gefahr, die sich hinter unseren Rücken sammeln könnte, schien ihr auf einmal egal. »Das ist deine Chance, Phily«, drängte sie mich mit einem bettelnden Blick, der fast überzeugender als der eines Hundewelpen war. »Absolventen der Academy bekommen bei der Vampirverfolgung Unterstützung vom Staat. Die Bürger wissen nichts von den übernatürlichen Wesen, aber die Regierung schon. Und sie unterstützen dort keine selbst ernannten Rächer wie dich und mich. Wir müssen nur drei Jahre unseren Wert beweisen. Stell dir mal vor, wie viele Vampire wir mit solchen Mitteln aufspüren und vernichten könnten! Keine billigen Holzpflöcke mehr aus dem Baumarkt, die nach der ersten Benutzung brechen! Wir könnten etwas bewegen, Phileas.«

Alles, was sie sagte, war wahr. Doch etwas in mir sträubte sich gegen diese Schule und ihre Anhänger. Als meine Eltern ermordet wurden, wo waren die Jäger da? Sie hatten zwar die Verfolgung der Vampirin aufgenommen, doch nach einer einmonatigen Suche ohne Erfolg hatten sie aufgegeben.

»Sie haben mir damals nicht geholfen. Warum sollte ich mich jetzt in ihre Hände begeben?« Verachtung dominierte meine harte Stimme.

Mere kniff sich in ihre Wange und grübelte, dann flammte Entschlossenheit in ihren Iriden auf. »Weil wir uns gegenseitig helfen können. Du vergisst, dass das Grundstück der Academy von einem schützenden Zauber umgeben ist – kein Vampir kommt da so leicht rein.«

»Und was willst du …?«

»Verkauf mich nicht für blöd«, unterbrach sie mich verärgert. »Das ist nicht die erste Falle, in die wir in den letzten Wochen getreten sind. Irgendjemand stellt dir nach und will dich um jeden Preis in die Finger bekommen. Zuerst in London und jetzt auch hier in Edinburgh. Ein Vampir verfolgt uns, und du weißt genau, wer dieser Vampir ist.«

Ein Schauder fuhr mir über den Rücken. Meredith hatte recht. Ich hatte die Zeichen in den letzten Wochen ignoriert, dabei war es offensichtlich. Die Vampire von heute hätten mein Leben beenden können, doch sie hatten davon gesprochen, mich lebendig ausliefern zu wollen. Deshalb hatten sie meine Wade anstelle der Kehle anvisiert. Sie wollten mich bei lebendigem Leibe – doch wofür?

Unwillkürlich wanderten meine Finger zurück in die Tasche, wo ich das raue Gold der Feder spürte.

Mein Blick wanderte zum Mond, der halb von einer gräulichen Wolke überdeckt wurde. Die schwachen Lichtstrahlen schimmerten auf den dunklen Dächern der Stadt. Mir wurde eines verdammt klar: Der Jäger war zum Gejagten geworden. Und der einzige Ausweg, um zu überleben, war diese nervige Academy of Blood and Fangs.

Kapitel2

Reyva

Zuckerguss war lebenswichtig.

Ich kam auf die Ellenbogen und kniff die Augen zusammen, um den aufgegangenen Teig vor mir besser betrachten zu können. Der Geruch nach Eiern, Zitrone und Zucker kam mir entgegen und entlockte mir beinahe ein Niesen. Ich schnaubte leicht, um die kleinen Mehlpartikel loszuwerden. Vor Nervosität fuhr meine Zungenspitze über die Vorderzähne und tippte gegen die Oberlippe. Konzentration war gefragt, wenn ich für diese Torte eine glatte Eins bekommen wollte.

Ich schnappte mir einen Löffel und tränkte ihn in den Zitronenzuckerguss, dann hob ich ihn an und ließ die überschüssige Masse zurück in die Schale tropfen. Erst jetzt spritzte ich die Glasur über den gebackenen Teig und verteilte sie auf der ganzen Torte. Triumphierend donnerte ich den Löffel zurück in die Schüssel. Als Nächstes folgten die bereits geschnittenen Erdbeeren, die ich in gleichmäßigen Abständen an den Kuchenrand legte. Der Guss begrüßte die Erdbeeren wie in einer innigen Umarmung und ließ sie versinken. Bei diesem Anblick meldete sich mein eigener Hunger, doch ich ignorierte ihn.

Der Erdbeerkuchen war fertig. Zufrieden verpasste ich der Drehscheibe Schwung, um mein leckeres Kunstwerk zu betrachten. Der Zuckerguss war gleichmäßig verteilt, der Teig in einem perfekten Goldton aufgegangen und die frischen Erdbeeren glänzten in dem schwachen Licht der Glühbirnen.

Prüfend wanderte mein Blick zu den anderen Schülern. Sie waren immer noch damit beschäftigt, die Erdbeeren zu schneiden oder den Zuckerguss anzurühren. Ich wippte vorwärts auf die Zehenspitzen, um über die Reihen zu lugen. Die Lehrerin vergrub ihre Nase neugierig in einem Magazin mit dem neuesten Tratsch und Klatsch über die Stars und Sternchen Hollywoods. Ich zuckte mit den Schultern, ein bisschen Glamour konnte man ihr nicht übel nehmen. Schließlich befanden wir uns in einer Kleinstadt in Rumänien, in der selten etwas Aufregendes passierte.

Die Lage war also gerade sicher, Schüler und Lehrerin waren in ihr Tun vertieft. Geschwind rutschte meine Hand in die vordere Tasche der Kochschürze, bis ich das matte Gold zwischen meinen Fingern zu spüren bekam. Die Einladung zu einem Spitzenstipendium an der Academy of Blood and Fangs.

Ich rückte einen Schritt nach rechts, bis ich nahe genug an das Flambiergerät kam. Mit der linken Hand umklammerte ich es und drückte den Schalter um, dann schossen die Flammen aus dem Pistolenlauf. Zügig zückte ich die goldene Feder, schob einen kleinen Teller unter die Flammen und legte die Feder ab. Geistesgegenwärtig umklammerte ich den kleinen Brenner fest mit beiden Händen und richtete seinen Strahl direkt auf die Feder. Sofort begann das Gold zu dampfen und zu zischen, was unnötige Aufmerksamkeit auf sich zog. Ich spürte, wie sich die neugierigen Blicke auf mich richteten. Ich musste schnell machen, wenn niemand jemals von dieser Einladung erfahren sollte. Mir fehlten nur noch zwei Monate bis zur abgeschlossenen Ausbildung zur Konditorin – ich hatte nicht vor, Zuckerguss gegen Vampirblut zu tauschen.

Endlich verschwamm die Schrift auf der goldenen Feder. Jegliche Spur davon musste ausradiert werden – die Einladung einfach wegzuschmeißen wäre zu riskant gewesen und zerbrechen ließ sich die magische Feder auch nicht. Das Flammbiergerät erledigte seine Aufgabe mit Bravour. Nichts als geschmolzenes Gold blieb zurück.

»Reyva?«, meldete sich meine Sitznachbarin. »Machst du Crème Brûlée oder was riecht hier so verbrannt?«

In Eile legte ich das Flambiergerät zur Seite und rückte zurück zu meiner Erdbeertorte. Lässig winkte ich mit der Hand ab. »Ich habe nur versucht ein wenig Dekoration für die Torte zu kreieren, aber es ist misslungen und nicht der Rede wert.«

Damit gab sich Orlana zufrieden. Mit einem erleichterten Seufzer entspannte ich mich. Es war alles andere als ein Fehlschlag gewesen, einfach nur verdammt viel Arbeit. Denn es war bereits die siebte Einladung, die ich erhalten hatte und verschwinden ließ. Anfangs hatte ich mich verzweifelt bemüht, die Feder im See zu versenken, doch sie war einfach auf den Wellen dahingeschwommen. Selbst im Kamin zu Hause hatte ich einen Versuch gestartet, doch die Flammen waren zu schwach gewesen, um jegliche Spuren zu vernichten. Seit der vierten Karte hatte ich den Brenner verwendet, der mir seitdem treue Dienste leistete.

Ich stammte aus einer der einflussreichsten Familien von Vampirjägern. Mein Vorfahr Abraham van Helsing war einer der allerersten Vampirjäger gewesen, wodurch mein Familienname im Sitz der Jäger selbst heute noch Gewicht hatte. Meine Mutter sagte mir, dass mir die Vampirjagd im Blut liege – dass ich also gar keine andere Wahl hätte. Allerdings bevorzugte ich es, leckere Cupcakes zu backen, mit verschiedenen Sahnehauben zu experimentieren und Schokostreusel auf Glasuren zu verteilen. Reichte das nicht?

Den Rest der Unterrichtsstunde grübelte ich nur noch vor mich hin, während die Lehrerin von Zimtschnecken und dazu passenden Vanillecremes schwafelte.

Zu meinem Glück hatten wir heute nur bis zwölf Uhr Unterricht, sodass der Montag nicht ganz so ätzend war.

Als endlich die Klingel läutete, schnappte ich mir einen der übrig gebliebenen Cupcakes und eilte ohne ein weiteres Wort hinaus.

Während ich den zwanzigminütigen Fußmarsch antrat, verputzte ich den Muffin. Zurück blieb lediglich der zuckrige Geschmack auf meiner Zunge.

Angekommen in meinem kleinen Heimatdorf begrüßte mich der Geruch von Kuhmist und Heu. Das Dorf wirkte wie aus einem anderen Jahrhundert, als hätte es sich jeglichen Fortschritt verboten. Beinahe jedes Haus war von Rissen durchzogen und hatte über die Jahre mindestens fünf Dachziegel verloren. Mein Zuhause befand sich am Ende der Dorfstraße, wo der Weg sich in Richtung einer Koppel und eines Kuhstalls gabelte. Schwungvoll bog ich von der matschigen Hauptstraße auf den Feldweg, als mich ein Maunzen aus dem Konzept brachte.

Eine getigerte Katze hatte sich auf einer Holzbank zusammengekauert und streckte alle viere von sich, um im nächsten Moment hinabzuspringen und in meine Richtung zu trotten.

»Azura!«, begrüßte ich sie sanft und ging in die Knie, als sie mir bereits ihren Schwanz ins Gesicht streckte und mich mit einem warmen Schnurren umrundete. Meine Katze hatte es sich angewöhnt, vor dem Tor zu wachen, bis ich wieder zurück nach Hause kam.

Bevor sie mir zwischen den Beinen hin und her laufen konnte, packte ich sie liebevoll und nahm sie in den Arm, während ich in Richtung Tor ging. Ich kramte einen großen Schlüssel hervor und legte ihn mit kreisenden Bewegungen ins Schloss ein, bis ein Klacken ertönte und die eine Torhälfte aufsprang.

Ohne Vorwarnung sprang Azura in den Innenhof und stürmte zu den Treppen links, die zur Eingangstür führten. Doch etwas war anders als üblich.

Meine Mutter saß auf der Treppe und presste sich die Finger gegen die Stirn. Vor ihren Füßen türmten sich zwei Koffer und eine leere Transportbox für Katzen.

Irritiert trat ich zu ihr und blinzelte mehrmals, um sicherzustellen, dass ich nicht träumte. »Ma?«

Sie hob ihren Kopf und starrte mich direkt an. Ihre Augen waren gläsern, doch die Mundwinkel waren zu einem Lächeln verzogen.

»Was ist los, Ma?«

»Du wurdest angenommen, mein Schatz.«

Erst in diesem Moment bemerkte ich den lila Umschlag und das goldene Papier in ihrer Hand.

Verdammt! Die Academy musste die Einladung neben der täglichen Krähenpost auch noch über die normale verschickt haben. Vor Ärger über meine eigene Dummheit biss ich mir auf die Unterlippe. Er war naiv gewesen zu glauben, dass ich so leicht aus der Nummer wieder rauskommen würde. Mom hatte meine Bewerbung diesen Sommer verschickt, nachdem ich mich bereits letztes Jahr an meinem zwanzigsten Geburtstag geweigert hatte.

Erst jetzt bemerkte ich, dass ich kein Wort hervorbrachte und wie versteinert war. Mutter legte den Brief beiseite und eilte auf mich zu, um mich gratulierend in den Arm zu nehmen. »Glückwunsch, Draga.«

Ich hasste das rumänische Wort für Schatz.

»Dein Vater wäre so stolz auf dich. Du wirst unserem Familiennamen alle Ehre machen – da bin ich mir sicher.«

Ich will nicht gehen – die Worte blieben mir im Hals stecken und drangen nicht hervor. »Kann ich nicht erst nächstes Jahr gehen?«, versuchte ich es mit einer anderen Taktik, um Zeit zu schinden.

»Unsinn!« Bestimmt schüttelte Mom den Kopf. »Das würde deinem Vater und seiner Familie Schande bringen. Außerdem ist es ein Stipendium! Das bedeutet, dass sie all deine Studiengebühren übernehmen! Dabei ist sogar ein kleiner Bonus enthalten, mit dem ich die erste Hypothek des Hauses begleichen könnte.«

Ihre Begeisterung war nicht zu übersehen, während mein Innerstes verzweifelte.

Mein Vater war ein durchschnittlicher Vampirjäger mit einer Vorliebe für Alkohol gewesen, der jährlich nur eine Handvoll Vampire erlegt hatte. Das war vom Staat gut bezahlt worden, allerdings nicht annähernd gut genug, um seine stetig wachsenden Spielschulden zu begleichen. Daher hatte es nicht lange gedauert, bis er immer mehr in die Schuldenfalle gerutscht und schließlich das Haus belastet worden war. Wenige Monate später hatte er sich über den Rausch hinweg gesoffen und war an Leberversagen gestorben – zurückgelassen hatte er nur die geheuchelte Ehre eines Vampirjägers und einen Berg an Schulden.

»Aber die Konditorei und …«

Mom winkte ab. »Das ist eine nette Alternative, aber als Vampirjägerin wirst du reichlich Geld verdienen. Wenn es darum geht, dass du deine Katze vermisst, keine Sorge! Ich habe bereits angerufen und du darfst sie mitnehmen.« Knapp nickte sie in Richtung der Transportbox, die Azura bereits skeptisch umkreiste. Normalerweise bedeutete das den Gang zum Tierarzt, aber heute stand etwas weitaus Schlimmeres an.

Ich wollte den Mund aufmachen, um weiter zu protestieren, doch ich schloss ihn wieder. Es war sinnlos. Diese Diskussion verfolgte mich seit zwei Jahren … seit mein Vater gestorben war. Jetzt, wo sie den Brief gefunden hatte, gab es kein Zurück mehr.

Plötzlich ertönte ein Hupen.

Erschrocken zuckte ich zusammen, während Mom aufgeregt die Hände zusammenklatschte.

»Das muss der Fahrer sein. Komischerweise hat die Academy deine Annahme sieben Tage zu spät geschickt, dabei ist heute doch bereits der erste Schultag!« Aufgeregt rückte sie an Azura heran, kramte ein Leckerli aus der Schürze und legte es am Ende der Transportbox ab, worauf Azura zügig in die Box hineinkletterte. Dann verschloss meine Mutter das Ding und ein klägliches Maunzen folgte. Als Nächstes stemmte sie die Box und den einen Koffer in die Höhe und marschierte aus dem Innenhof zur Straße, wo ein alter Mercedes bereits wartete. Ungeduldig tippte der Fahrer mit den Fingerspitzen gegen das abgewetzte Lenkrad.

Bevor ich mich’s versah, hatte Mom den Koffer bereits hinten verstaut und die Transportbox auf die Rückbank gestellt. Ich schob den anderen Koffer daneben, sie drückte mich kurz und zärtlich und gab mir einen dicken Schmatzer auf die Wange.

»Du wirst mich so stolz machen, Liebling.«

Sie öffnete die Tür, worauf ich wie benommen einstieg und auf der Rückbank Platz nahm. Ich fühlte mich wie getrennt von meinem Körper.

Dann donnerte Mom die Tür zu, trat ein paar Schritte zurück und fasste sich vor Aufregung an den Kreuzanhänger an der Mulde zwischen ihren Schlüsselbeinen.

»Wohin soll’s denn gehen?«, fragte der Taxifahrer gelangweilt, während sein Blick weiter auf den matschigen Straßen ruhte. Er fuhr bereits los. Sehnsüchtig blickte ich auf das alte Haus und meine Mom, die mir voller Elan zuwinkte.

»Zum Schloss Bran«, gab ich knapp die Anweisung, obwohl ich eigentlich sagen wollte: in meine persönliche Hölle. Denn der Leitfaden der Academy war folgender: Mach deinen Abschluss oder stirb.

Kapitel3

Phileas

Skeptisch betrachtete ich den Purpur im Spiegel. Jeder Schüler der Academy hatte dieselbe Uniform bekommen: ein lila Jackett und eine im selben Farbton angehauchte Stoffhose, die knapp über die Taille reichte. In den Blazer waren mit dunkelblauer Farbe zwei Reißzähne und die Buchstaben B und F gestickt worden. An dem Zahn sammelte sich ein kleiner gestickter Tropfen Blut. Darunter trugen wir cremeweiße Hemden mit dünnen grauen Streifen und einem aufrechten Kragen, der auf Höhe der Schlagader kratzte.

Genervt schnaubte ich auf, um den Frust über die Kleidung loszuwerden. Das Ganze wirkte so akademisch – fern vom Umherirren auf dunklen Straßen auf der Suche nach einem Blutsauger. Erneut schnaubte ich, dann strich ich mir durch die braunen Haare und öffnete einen Knopf des Hemdes, um den Druck am Kragen zu verringern.

Ich sollte wohl gehen …

Also riss ich die Tür des Badezimmers auf und stolzierte durch die Gänge. Die schicken Doc Martens gaben ein leises Quietschen von sich, sobald ich einen Schritt auf dem marmornen Boden machte.

Die Academy war riesig und von Reichtum gezeichnet. Sie galt nicht ohne Grund als die renommierteste Academy in den Kreisen der Vampirjäger. Sie befand sich mitten im Herzen Rumäniens, im alten Transsilvanien.

Ich schlenderte weiter durch die Gänge, bis ich zur Haupthalle fand. Hier verschmolzen Alt und Neu miteinander. Die Academy befand sich auf dem kleinen Hügel des Schlosses Bran, das als Draculas Zuhause galt. Es hatte die Verantwortlichen offensichtlich eine Menge Geld gekostet, das Schloss zu kaufen und zu modernisieren. Heutzutage war es eine Mischung aus dem altertümlichen Schloss und einem Neubau, der den glanzweiß polierten Boden mit alten Steinmauern zu einem mondänen Ganzen vereinte.

»Da bist du ja!« Überrascht wirbelte ich herum und entdeckte Mere, die sich von hinten näherte, um mich in die Richtung der erhöhten Sitztribüne zu führen. »Die Begrüßungsfeier fängt gleich an!«

Ohne Protest folgte ich ihr über die steinigen Treppen, bis wir in einer der hintersten Reihen noch einen Platz fanden und uns durch die Reihe quetschten. Um uns wogte ein Meer aus lila gekleideten Schülern, die alle wie gebannt in den Saal starrten.

Ich vertrieb mir die Zeit mit Beobachtungen. Seit dem Mord an meinen Eltern hatte ich es mir unbewusst angewöhnt, zuerst nach den bestmöglichen Fluchtwegen Ausschau zu halten, sobald ich einen neuen Raum betrat. In dieser Halle befand sich der Ausweg auf der gegenüberliegenden Seite, am Ende der Treppe, wo ein kleiner Gang zu einer Fluchttür führte. Diese Gewissheit entspannte meine Muskeln.

»Vampire kommen hier nicht so leicht rein«, wisperte Mere, während ihr Blick wie gebannt nach vorn fokussiert blieb.

Sie kannte mich zu gut – wie ein offenes Buch, das sie mit Leichtigkeit lesen konnte.

»Die Schule wird von einem Schutzzauber umgeben, schon vergessen?«

»Natürlich nicht«, log ich. Über uns hingen Lichterketten, die den Raum in warmes Licht tunkten. Das Licht schimmerte in Merediths silberblonden Strähnen und grenzte ihre bronzefarbene Haut dadurch noch mehr davon ab.

»Schutzzauber«, wiederholte ich leise, um mich selbst daran zu erinnern. Für den ersten Moment seit vielen Jahren waren wir in Sicherheit und konnten aufatmen. Wir waren weit entfernt vom ständigen Wechselspiel aus Fangen und Fliehen.

Plötzlich ertönte ein Rauschen. Überrascht fuhr ich herum. Eine Frau im langen purpurnen Mantel stand an einem Pult und tippte mit den neonpink lackierten Nägeln gegen das Mikrofon, das ein krächzendes Geräusch von sich gab. Ihre blonden Haare waren zu einer Hochsteckfrisur toupiert, während ihre vorderen Spitzen ihr dauernd in die Augen fielen. Die Wangen waren mit Make-up vollgekleistert, sodass sich ihr Alter schwer einschätzen ließ. Dennoch war erkenntlich, dass sie die Schulleiterin war.

Mit der Zungenspitze befeuchtete sie ihre Mundwinkel, die vom pinken Lippenstift ausgetrocknet waren, dann räusperte sie sich und verkündete stolz: »Willkommen an der Academy of Blood and Fangs! Ich bin Evelyn Tulkiny. Es ist mir eine Ehre, euch alle heute begrüßen zu dürfen. Sicherlich haben einige von euch schon Vorwissen dank jahrhundertelanger Erfahrungen in der Vampirjäger-Branche.« Kurz wanderte ihr Blick durch die Reihen und bremste wie gefesselt bei mir, bis sie sich schüttelte und wieder die vorderen Reihen fixierte. »Aber auch Neulinge finden sich in unseren Reihen und werden sich mit Neugierde und Fleiß schnell einfinden. Ansonsten erwarten euch bei Versagen messerscharfe Reißzähne«, posaunte sie einen schlechten Witz heraus, bei dem manche Schüler laut auflachten.

Ich legte die Stirn in Falten. Keine Ahnung, ob sie den Witz tatsächlich lustig fanden oder einfach nur Heuchler waren. Ich jedenfalls blieb mucksmäuschenstill.

Madame Tulkiny faltete die Finger zusammen. Neben ihrem Dutt saß ein kleiner Hut, der nun bedrohlich wackelte, als sie ihrer Sekretärin zunickte. In deren Händen befanden sich Türme an folierten Blättern, die sie hektisch ein paar Lehrern in der ersten Reihe austeilte. Sobald jeder einen Stapel in den Fingern hielt, eilten die Tutoren los und spazierten durch die Menge an Schülern.

»Viele von euch hatten eine weite Anreise. Unsere Academy ist international tätig und so haben wir Spitzenschüler aus den verschiedensten Ländern wie Südafrika, Brasilien, aus Syrien, der Türkei, aus Schottland, Neuseeland, der Schweiz und vielen weiteren.« Erneut bohrte sich ihr Blick kurz in meine Richtung.

Meine Haut fröstelte. Diese Frau hatte etwas Unheimliches an sich.

»Sicher brennt ihr bereits darauf, euren Unterrichtsplan zu erfahren. Meine Kollegin Miss Zinx und ihre Tutoren sind so freundlich und verteilen bereits fleißig die Pläne, damit ihr schnell in eure Unterrichtsfächer eilen könnt.« Ein breites Grinsen schlich sich auf ihre dicken Lippen. »Die Vampire töten sich schließlich nicht von allein.«

Wieder ging ein vernehmbares Lachen durch die Halle.

Alles Idioten, dachte ich mir mies gelaunt. Ich vermisste unmittelbar das abenteuerliche Leben, das mich durch die verschiedensten Städte und Wälder der Welt geführt hatte. Doch mit einer Schar von Vampiren im Rücken war es lebensmüde, sich weiterhin allein durchzuschlagen.

Schneller als erwartet hatten viele der Schüler bereits ein Schriftstück in der Hand. Es war onyxfarben und mit goldener Schrift foliert. Selbst beim Stundenplan scheute diese Schule keine Kosten.

Plötzlich tippte mir jemand gegen die Schulter. Erschrocken fuhr ich herum und blickte dieser Miss Zinx entgegen.

»Ihr Stundenplan, Mister Calvin«, erklärte sie knapp. Vorsichtig nahm ich ihn entgegen, worauf sie mir ein sanftes Lächeln schenkte. »Wir freuen uns, Sie als einen unserer Spitzenstipendiaten an der Academy begrüßen zu dürfen.«

Nachdenklich fuhr ich über das onyxfarbene Blatt und las die Zeilen. Es war nur eine grobe Aufstellung über die zugeteilten Kurse:

Anatomie eines Vampirs

Vergiftungslehre

Verteidigung gegen die grausamen Vampirmächte

Waffenkunde

Geschichte der Vampirjäger

Ich blickte von dem Papier zu Miss Zinx auf, deren runde Brille auf die Nasenspitze gerutscht war. »Ist das denn so selten? Ein Stipendium?«, grübelte ich laut nach.

»Gewiss«, meinte Zinx mit aufgerissenen Augen wie ein verschrecktes Reh. »Unsere Schule vergibt Stipendien nur an die berüchtigtsten Familien. In diesem Jahr haben wir tatsächlich nur zwei Spitzenschüler.«

Meine Neugierde war geweckt. Ich rückte auf der Bank weiter nach vorn und stützte das Kinn auf den Ellbogen, um näher an die Tutorin heranzukommen. »Wer ist der zweite Schüler?«

Klatsch!

In diesem Moment ging eine Tür auf. Überrascht fuhr ich zurück. Unwillkürlich wanderte meine Hand hinter meinen Rücken, wo wie immer der schützende Holzpflock ruhte. Haben die Vampire doch einen Weg durch den Schutzzauber gefunden? Hier werden die Nachfahren der begabtesten Vampirjäger auf einem Silbertablett präsentiert – ein Leckerbissen.

Ich umfasste das Holz fester, als ich den Ursprung des Geräusches entdeckte. Eine Schülerin hatte sich im Saal eingefunden, die schwarzen Haare pitschnass von dem draußen wütenden Unwetter, die lila Uniform zerzaust und verknittert. Überfordert von den Reizen huschte ihr Blick von rechts nach links, doch trotz ihrer Verspätung blieb sie gelassen. Leichtfertig strich sie sich den Blazer glatt und rückte den Riemen ihres Rucksacks zurecht.

Eine Rebellin?

»Das ist sie!«, murmelte Miss Zinx aufgeregt und zückte bereits den zweiten Stundenplan.

»Die zweite Stipendiatin?«, fragte ich.

Der Neuankömmling schien genauso wenig begeistert zu sein wie ich, sich hier einfinden zu müssen. Vielleicht könnte sie eine Freundin werden – in all diesem Wahnsinn aus theoretischen Lektionen, Praxisübungen und jeder Menge Prüfungen? Optimistisch winkte ich ihr zu, um ihr den freien Platz neben mir anzubieten.

Dankbar in dem Chaos nickte sie und eilte mir entgegen.

»Genau, die zweite Stipendiatin: Reyva van Helsing.«

Das Blut gefror in meinen Adern. Sofort zerbrach die Fantasie von Freundschaft und meine ausgestreckte Hand sank zurück. Sie war die Tochter von Vincent van Helsing, weit entfernte Urenkelin von Abraham van Helsing und somit Nachfahrin der mächtigsten Vampirjäger-Familie Rumäniens – und meine Erzfeindin.

Kapitel4

Reyva

Super Auftritt, Reyva!

Die nagende Stimme meiner Selbstzweifel machte meinen ersten Tag an der Academy zur Hölle. Vielleicht war das die Rache des Schicksals dafür, dass ich die unzähligen Einladungen verbrannt hatte. Der Geruch von geschmolzenem Gold lag dabei immer noch in meiner Nase.

Die durchnässte Kleidung klebte an mir wie eine zweite Haut. Ich strich mir die schwarzen Haare glatt, als ich eine winkende Hand in dem Meer aus violetten Farben und messerscharfen Blicken bemerkte. Dankbar nickte ich dem Fremden zu und eilte durch die Menge, die Treppen hinauf. Doch etwas in seinem Blick änderte sich. Freundlichkeit wurde mit einem Wimpernschlag durch Feindseligkeit ersetzt und mir stellte es die Nackenhaare auf.

Hatte er mit dem Winken überhaupt mich gemeint?

Ich wollte gerade umdrehen, da sah mir eine der Tutorinnen entgegen. Ich schluckte schwer und bemühte mich, meine eigene Angst und die zitternden Hände zu verbergen. Ich erklomm die letzte Stufe, dann blieb ich stehen.

»Miss van Helsing!«, begrüßte die Lehrerin mich herzlich. »Es ist uns eine Ehre, ein Mitglied einer der berühmtesten Vampirjäger-Familien begrüßen zu dürfen!« Ohne Vorwarnung schnappte sie mit der Hand nach vorn und schüttelte die meine. »Ich bin Miss Zinx und zuständig für das Wohlergehen der Schüler. Sollte jemals ein Problem auftreten, scheuen Sie sich nicht, mein Büro aufzusuchen.« Sie fuchtelte in ihrem zu groß geratenen Mantel herum, bis sie ein kleines foliertes Pergament fand und es mir entgegenstreckte. »Ihr Stundenplan, Miss van Helsing. Ich muss weiter zu den anderen Schülern, aber ich bin schon gespannt auf Ihre Leistungen!«

Nun bildete sich ein großer Kloß in meiner Kehle. Sollte ich ihre Fantasien mit einem Schlag zerstören oder sie weiterträumen lassen? Mein Vater war zwar ein ganz passabler Jäger gewesen, doch sein Können hatte er mir nicht vererbt. Als ich klein war und er noch bei Verstand, hatte er versucht mich in Schwertkämpfen und Vampirkunde zu unterrichten – allerdings ohne jeglichen Erfolg. Lieber hatte ich mich zu meiner Oma verkrochen, wo die köstlichsten Gerüche der rumänischen Küche mich lockten. Der Duft von Schoko-Eclairs und Polenta bildete den Rahmen meiner Kindheit. Vater hatte recht schnell die Hoffnung verloren, dass ich eine begnadete Jägerin werden würde. Ein paar Grundlagen hatte er mir beigebracht: dass Holz Vampire tötete, ein Kruzifix Beschwörungen abschirmte und Kirchen Schutz vor dämonischem Blut bargen. Allerdings endete hier bereits mein Wissen.

»Ich kann es kaum erwarten«, log ich also und hob schwerlich den rechten Mundwinkel zu einem schüchternen Lächeln.

Das schien Miss Zinx zu genügen, denn sie nickte mir nur knapp zu und verschwand dann in den Reihen, um weitere Stundenpläne auszuhändigen.

Allein gelassen blieb ich in der Meute von jungen ambitionierten Vampirjägern zurück. Unschlüssig darüber, was ich sagen sollte, trat ich von einem Bein aufs andere. Mit der rechten Hand umspielte ich meine einzelne rote Strähne, die ich von meinem Vater geerbt hatte – das Markenzeichen der Familie van Helsing. Schlagartig hielt ich in meiner Bewegung inne und zwang meine Hände zurück neben meine Oberschenkel. Gott, ich musste wie das letzte Nervenbündel wirken.

»Ja, wie du gehört hast, ich bin Reyva van Helsing«, presste ich nach einer ewig dauernden Sekunde hervor und streckte dem Fremden meine Hand entgegen.

Skeptisch kniff er die Lider zu Schlitzen zusammen und betrachtete meine Haut, als erwartete er, dass sich Gift auf deren Oberfläche spiegelte. Irritiert legte ich den Kopf schief, während der Jäger mich von Kopf bis Fuß musterte. Ich tat es ihm gleich.

Die violette Kleidung umspielte seine blasse Haut, wohingegen die junge Frau neben ihm wie von der Sonne geküsst wirkte. Seine kastanienbraunen Haare waren zerzaust vom Unwetter vor den Türen und die braunen Iriden strahlten gleichzeitig Wärme und eine verbissene Kälte aus. Angespannt malmte er mit dem Unterkiefer.

Eine halbe Minute schien zu vergehen, bis er sich aufrichtete und das lila Jackett glatt strich. Er ragte zehn Zentimeter über meinen Kopf.

»Phileas Calvin«, stellte er sich mit kühler Stimme vor. Er versuchte es zu kaschieren, doch der schottische Akzent war bei genauem Hinhören klar herauszukristallisieren.

Meine ausgestreckte Hand blieb unerwidert in der Luft hängen. Ich befeuchtete mit der Zungenspitze meine raue Oberlippe und sammelte allen Mut. »Freut mich, dich …«

Ich verstummte. Mit einem Ruck drückte er sich an mir vorbei und flüchtete aus dem Gespräch. Ungläubig machte ich auf dem Absatz kehrt und starrte Phileas hinterher. Seine Schulterblätter ruckten bei jedem Schritt auf und ab, seine schmale Statur wirkte angespannt. Der Saum des Blazers flatterte wild hin und her.

»Charmant.« Ein kratziges Lachen durchschnitt mein Starren.

Verblüfft blickte ich der wunderschönen Frau, die neben ihm gesessen hatte, entgegen. Sie wirkte wie ein Geschenk der Götter mit den langen silbernen Haaren, dem warmen Hautton und der geraden Reihe schneeweißer Zähne, die sich zu einem atemberaubenden Lächeln formten.

»Er kann manchmal wirklich ein echter Miesepeter sein«, stimmte sie kichernd zu und klopfte mehrfach mit den Handflächen gegen die Tischbank, bis sie ihr Lachen wieder unter Kontrolle hatte. »Komm, setz dich. Ich beiße auch nicht – anders als Phileas mit seiner schlechten Laune.«

Sie winkte mich zu sich, also setzte ich mich, dankbar, einen Platz in diesem Chaos zu finden.

Nervös spielte ich mit meinen Fingern. Ich hoffte, dass der heutige Tag nicht mehr lange ging und sich die Hausmeister wie versprochen gut um meine Katze Azura kümmern würden, bis die Zimmer verteilt wurden.

»Ich bin Meredith, aber alle nennen mich nur Mere«, stellte sie sich vor. Mit einem warmen Funkeln in den Augen musterte sie mich. »Und du bist also Vincent van Helsings Tochter.«

Ich zuckte die Schultern und nickte. Hat diese Tatsache solch eine Bedeutung für die Jäger hier?

Seitdem die Trinkerei meines Vaters nach meinem zehnten Geburtstag zugenommen hatte, war meine Bewunderung für ihn stark gesunken. Ein Teil von mir war nicht mal traurig gewesen, als er gestorben war. Zum Teil hatte ich Dankbarkeit dafür empfunden, endlich von seinen betrunkenen Launen loszukommen … und dass Mom sich nicht mehr mit ihm abmühen musste. Ein anderer Teil in mir hasste mich dafür, dass ich so dachte. Trotz all der Fehler war er mein Vater gewesen und ich hatte ihn einst geliebt. Als Kind hatte ich mich eng an ihn gekuschelt, während er mit einem Kuscheltier meine Arme hinaufgeklettert war und eine Kitzelattacke gestartet hatte. Es hatte zwei Versionen von ihm gegeben: den liebevollen Vater und den ekligen Trinker. Angesichts von Meres Faszination für ihn musste es wohl eine dritte geben: Vincent, der legendäre Vampirjäger.

»Er war ein normaler Vampirjäger wie jeder andere auch«, meinte ich schließlich, da Mere mich mit großen, neugierigen Augen anstarrte und sich offensichtlich Abenteuer und spannende Geschichten erhoffte. Da konnte ich sie nur enttäuschen. In meinen Augen war er stets nur ein mittelmäßiger Jäger gewesen, aber womöglich hatte ich diese Seite an ihm auch zu wenig gekannt.

Jedoch schien Mere alles andere als enttäuscht. Stattdessen atmete sie erleichtert auf und lehnte sich zufrieden zurück.

»Du scheinst nett zu sein, Reyva. Das erleichtert mich. Viele Nachkommen berühmter Familien sind eingebildete Idioten.«

Ich zog die Braue hoch bei ihrer Ausdrucksweise. »So wie dein Freund?«

Erneut lachte Mere auf. »Er mag wie ein Arschloch wirken, aber er hat das Herz am rechten Fleck. Ich verdanke ihm mein Leben.«

Nun kniff ich die Augen skeptisch zusammen. Ich konnte mir nicht vorstellen, wie jemand wie Phileas ein guter Mensch sein konnte – nicht nach diesem miserablen ersten Eindruck.

Ruckartig wippte Mere mit dem Oberkörper nach vorn und schoss auf meine Finger zu. Geschwind schnappte sie sich das edle Papier und betrachtete es.

»Hervorragend!«, rief sie aufgeregt und trommelte mit den Fingerkuppen gegen die Blattkanten. »Wir sind beide in derselben Klasse.«

Sie hielt mir den Unterrichtsplan hin und tippte mit der Fingerspitze in die Ecke, wo in goldener Schrift Eliteklasse 1A stand.

Inzwischen hatten alle Lehrer die Stundenpläne verteilt. Mit einem Klopfen tippte die Schulleiterin gegen das Mikrofon, das ein krächzendes Echo in die Halle schickte. Sofort verstummte das aufgeregte Getuschel und die Aufmerksamkeit galt wieder ihr.

»Jetzt sollten alle Schüler ihre Unterrichtspläne und Klassenverteilung vorliegen haben. Morgen startet bereits der reguläre Unterricht. Für heute findet euch bitte jeweils bei eurem Verteidigungslehrer im Schlosskerker ein.« Sie rückte einen Zentimeter vom Mikrofon weg und klatschte laut in die Hände. »Nun schwärmt aus, meine jungen Vampirjäger. Ich bin gespannt darauf, was ihr könnt.« Ihre Stimme nahm einen dunkleren Tonfall ein. »Und darauf, wer bis zum Ende des Semesters noch lebendig vor mir steht.«

Mir drehte sich der Magen um. Die Academy war darauf aus, erfolgreiche Vampirjäger auszubilden. Sollte ich in den Prüfungen nicht bestehen, bedeutete das nicht einfach durchgefallen. Sollte ich versagen, erwarteten mich die Reißzähne eines Vampirs.

»Geht’s dir gut?« Meredith bohrte ihre Fingernägel in meine Schultern, als ich leicht vorwärtstaumelte. »Du siehst aus, als hätte ein Vampir dich ausgesaugt.«

»Haha«, erwiderte ich trocken, dann fügte ich mit gedämpfter Stimme hinzu: »Ich sollte nicht hier sein.«