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AD ASTRA 006 Buchausgabe: Die Sternenkrieger
- K. H. Reeg und W. A. Travers: „Zwei Romane – in einem Buch zusammengefasst!“
AD ASTRA - die Rückkehr der Science Fiction!
Die alternative SF-Reihe, absolut neu, aber in der Tradition ansonsten längst vergangener Möglichkeiten: Die einmalige Chance, der „reinen deutschen SF“ wieder entscheidend auf die Sprünge zu helfen - im Buchformat einerseits und als eBook im bewährten Format andererseits!
Impressum: ISSN 1614-3280
Copyright neu 2016 by HARY-PRODUCTION * Canadastraße 30 * D-66482 Zweibrücken * Telefon: 06332 48 11 50 * HaryPro.de * eMail: [email protected] * Sämtliche Rechte vorbehalten! * Nachdruck nur mit schriftlicher Genehmigung von HARY-PRODUCTION!
Coverhintergrund/Logo: Anistasius
Titelbild: Lothar Bauer
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Veröffentlichungsjahr: 2016
Die Sternenkrieger
- K. H. Reeg und W. A. Travers:
„Zwei Romane in einem Buch zusammengefasst!“
ISSN 1614-3280
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Nachdruck nur mit schriftlicher Genehmigung von
HARY-PRODUCTION!
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Titelbild: Lothar Bauer
Inhalt:
1. „Uranus“ – von K. H. Reeg
2. „Die Sternenkrieger“ – von W. A. Travers
1. Uranus - Die Brücke von Baan
Langsam schritt Grimlon, Magier und Wissensherr von Atlion, über die eherne Brücke von Baan. Bei jedem Schritt achtsam auf die Länge und die Stärke desselben bedacht. Jedes vorsichtige Auftreten ein weiteres Muster in seinem langen, mühsamen Weg zur Wacht von Andomeron, dem Fenster des Erkennens.
Dünner Roststaub stieg unter seinem Schritt empor und senkte sich in feinen Strukturen der Macht auf die poröse, zerfressene Oberfläche der Brücke von Baan, die sich wie ein tausend Kilometer langer Dorn durch die giftgeschwängerte Atmosphäre über den Bleiseen der dritten Ebene bohrte. Brodelnde Elektrizität füllte die wogenden, wabernden Nebel aus Bleigas und schlimmeren, unbenannten Giften. Gewaltige Entladungen zuckten in unbestimmten Abständen durch das Miasma aus zerstäubten Schwermetallen und flirrender, fremdartiger Kräfte, um mit mörderischer Gewalt in die metallene, rostbedeckte Brücke von Baan einzuschlagen. Ihre rohen, entfesselten Elektronenfluten durch den dünnen, tausend Kilometer langen Stachel aus Metall jagend.
Für Augenblicke war ein kilometerlanger Abschnitt der Brücke von Elmsfeuer umflossen und Grimlon fühlte den Fluss wilder, ungezähmter Energien durch seine Füße in seine Hände und seinen Kopf steigen. Vorsichtig verhielt er in seinem langsamen Vorwärtsschreiten, besorgt durch diese Ablenkung einen Fehler im Muster seines Pfades zu verursachen.
Grimlon atmete tief durch und die Techno-Komponenten, die in ungezählter Menge, wie winzige Maschinchen, seinen Körper allgegenwärtig bevölkerten, spalteten chemische Verbindungen und erzeugten Sauerstoff, um seine Lungen zu füllen. Sie schützten seine Zellen vor der massiven Hintergrundstrahlung und den mannigfaltigen Giften der brodelnden Atmosphäre. Und so Grimlon seine Hand ausstreckte und langsam die Finger spreizte, um versonnen den knisternden Funkenflug der überschlagenden Elektrizität zwischen seinen Gliedern zu beobachten, ließen sie ihn leben, in einer Welt, in der ein schutzloser Mensch in Sekundenbruchteilen zu einer schleimigen, stinkenden Brühe zerfallen währe.
„Nein, das ist nicht unsere Welt“, murmelte der Magier leise und senkte seine Hand, während seine Stimme seltsam verstärkt und metallischklingend durch diesen unwirklichen Ort getragen wurde. Allein schon die Brücke von Baan – der Name allein schon falsch, da sie keine zwei festen Punkte miteinander verband, sondern nach fast tausend Kilometern, ohne Stütze oder Träger, am Fuße des Turms von Andomeron endete.
Frei, und nur von der knapp fünf Meter durchmessenden Brücke gehalten, schwebte der himmelhoch aufragende Koloss aus Eisen und Silber, aus schwarzem Kristall und weißem Porzellan, über den Bleiseen der dritten Ebene. Schwaden und Dämpfe aus Schwermetallen umhüllten ihn und rückten Gegenstände in nur zwei Dutzend Metern Entfernung in ungreifbare, unsichtbare Ferne. Nur ganz oben, in der Kammer der Wacht, öffnete sich nach jeder sechsundachtzig Jahre währenden Umkreisung um das Zentralgestirn, das Fenster des Erkennens. Für etwas mehr als zehn der alten Stunden bot sich nun einem Eingeweihten, der über genügend mentale Kraft verfügte, die Möglichkeit seinen Blick durch die Dämpfe und Felsschichten er oberen Ebenen zu erheben. Hinaus über die wilde, sturmgepeitschte Wasserstoffatmosphäre, quer durch die Finsternis des Raums zu jedem Ort des Systems, den man sich in seinem Geiste vorstellen konnte.
Dreimal war Grimlon zu dieser Zeit hier gewesen und hatte die Brücke von Baan in einem monatelangen Marsch, der mehr ein Tanz, ein Ritual war, überquert um zehn Stunden lang über Hunderte von Millionen Kilometern hinweg, die verlorene Heimat zu beschauen. Bläulich schimmernd hob sie sich gegen das Dunkel des Alls ab und Grimlon hatte auf weite Meere und große Kontinentalflächen geblickt, über denen sanft weiße Wolkenbänder dahinzogen.
1. Uranus - Die Stadt in der Tiefe
Zur Venus war die Expedition gekommen um diesen wolkenverhüllten Planeten zu erkunden. Alle technischen Errungenschaften der Erde hatte die WERNHER VON BRAUN mit sich geführt. Gerätschaften um auch an die unzugänglichsten Orte zu gelangen. Und so hatte das Verhängnis seinen Lauf genommen.
Tief in die Schlammmeere des Morgensterns waren die Tauchpanzer hinabgefahren, auf der Suche nach niederen Organismen oder gar echten Lebens. Sie hatten kein Leben gefunden, sondern eine fremdartige, zerfallene Stadt. Errichtet aus titanischen Quadern und Ranken aus Eisen und blitzendem, unbekanntem Metall. Millionen Jahre lang hatte diese versunkene Metropole hier unentdeckt geruht und gewartet, bis die Menschen mit ihrer Neugierde kamen.
Seltsame eingestürzte Bauten mit Winkeln, die das Auge schmerzen ließen und verdrehte Bänder aus makellosem Metall, bedeckten endlose Quadratkilometer des lichtlosen Grundes. Inmitten dieser unwirklichen Stadt hatte sich der Dom erhoben. Eine perfekte steinerne Halbkugel von fast zweihundert Metern Durchmesser. Von den Äonen unangetastet und von schimmernden Ranken umhüllt thronte er dort in den Tiefen des Schlammmeeres im Zentrum der vergessenen Stadt. In seinem von seltsamen Lichtern erhellten Innern ruhten die fünf Kristallkerne auf filigranen Säulen aus nachtschwarzem Jett.
*
„Um was mag es sich hier handeln?“, fragte Markus Wills, der Kommandant der drei Tauchpanzer ratlos in Richtung Todd Markovs, des Chef-Geologen und Paläogeographen der Expedition.
„Ich weiß nicht“, antwortete der zartgebaute Mittfünfziger mit dem langen, strähnigen Haar müde.
Wie er diesen kurzen Satz hasst. Diesen kurzen Satz, den er, seit sie die Stadt entdeckt hatten, ungezählte Male gebraucht hatte. Was um Gotteswillen bedeutete das alles? Wer zum Teufel hatte hier vor undenklicher Zeit diese monströse Metropole erbaut und in ihrer Mitte dieses widernatürliche Bauwerk errichtet, bei dessen Anblick dunkle Furcht durch seinen Geist zu kriechen begann – und nicht nur bei ihm. Auch die anderen Expeditions-Teilnehmen wurden von einer unerklärlichen Furcht gepackt wenn sie zulange auf diesen Tempel starrten. Tempel – so nannte er ihn in Gedanken und irgendetwas sagte ihm, dass es auch einer war.
„Machen sie sich keine Vorwürfe“, sagte Wills, der an Markovs Gesichtszügen wohl seine Gedanken abgelesen hatte, und legte ihm kameradschaftlich die linke Hand auf die Schulter. „Niemand von uns hat sich auf das vorbereiten können, was uns hier erwartet hat.“
„Gewiss, Mister Wills“, antwortete der schmale Mann mit einem kläglichen Lächeln. Die Erklärungen durch Schulweisheiten hatten bereits aufgehört, als sie die Randgebiete der Stadt erreicht hatten.
War auf ihrem anfänglichen Weg ein Vorwärtskommen nur mit modernsten Ortungsanlagen möglich gewesen. Hatten die superstarken Scheinwerfer der Tauchpanzer bisher nur drei, vier Meter in die trübe Brühe des Venusmeeres – wie man es der Einfachheit wegen genannt hatte, obwohl Wasser nicht unbedingt er größte Bestandteil war – hineinleuchten können, so wurde hier die Sicht mit einem Mal klar und rein. Es war als hielt eine unbekannte, nichtmessbare Kraft alle Schwebeteilchen von diesem Ort fern. Als währe ein Vorhang zur Seite gezogen worden tauchte die Stadt plötzlich hinter den kristallklaren, zentimeterdicken Quarzsichtscheiben des Tauchpanzers aus der nahezu undurchdringlichen Brühe des Schlammmeeres auf. Kein Ortungsergebnis hatte sie darauf vorbereitet, keine Messung dies erwarten lassen. Und so war es auch jetzt noch. Nichts hätte sich an der Konsistenz der Flüssigkeit geändert sagten die Geräte. Fotos, Digitalaufnahmen – alle zeigten nur die dunkle, von den Scheinwerfern durchdrungene Brühe und ab und an undeutliche, verschwimmende Konturen von nahen Quadern und Blöcken. Die leuchtenden Bänder schienen für die Apparate überhaupt nicht zu existieren und das alles, obwohl man die auserkorenen Objekte deutlich durch das Aufnahme-Okular erkennen konnte.
Karl Frank, ein Teilchen-Physiker, der zum Wissenschaftlichenstab gehörte und der an der Tauchexpedition teilgenommen hatte, um Messungen über die kosmische Strahlung in dieser schmutzverseuchten Tiefe zu machen, hatte etwas von Quantenphysik und –Mechanik daher gemacht. Seitdem brütete er über seinem Computerzugang und schrieb stapelweise Millimeterpapier voll, um es anschließend zusammenzuknüllen und Richtung Abfallluke zu werfen. Seine Arbeit wurde zusätzlich erschwert, da mit dem Eindringen in das Stadtgebiet jede Funkverbindung mit dem Schiff ausgefallen war und er somit keinen Zugang auf die umfangreichen Dateien im Hauptrechner der WERNHER VON BRAUN hatte. Den Vorschlag, mit einem der Tauchpanzer den Störungsbereich zu verlassen und dort weiter zu arbeiten, hatte er kategorisch abgelehnt. Auch der Einwand, dass man so vom Schiff aus erreichbar sei hatte er mit einem missmutigen Kopfschütteln abgelehnt und seit man den Dom mit den fünf eiförmigen, etwa fünfzig Zentimeter langen Kristallkörpern gefunden hatte, war er überhaupt nicht mehr ansprechbar oder für irgendwelche Argumente zugänglich.
Markus Wills hatte es bald aufgeben den sturen Wissenschaftler zur Vernunft bringen zu wollen. Einen Tag später, hatte er dann befohlen ein tragbares Funkgerät außerhalb der Stadt aufzustellen und es mit einem der kilometerlangen, hauchdünnen Glasfieber-Kabeln, die zur wissenschaftliche Ausrüstung der Panzer gehörten mit Karl Franks Fahrzeug zu verbinden. Denn ein Test hatte gezeigt, dass diese Art von Übertragung fehlerlos funktionierte. Die Kommunikation zwischen den Tauchpanzern selbst fand mit Morsezeichen statt, für die, die Außenscheinwerfer benutzt wurden.
1. Uranus - Barragaarta, die große Schlacht
Aufatmend trat Grimlon von der Brücke von Baan auf die breite, unterste Stufe der Eingangstreppe zum Turm von Andomeron und wandte sich um. War der endlose Strang der rostbedeckten Brücke zu Beginn seines Ganges stumpf und porös erschienen, so stach er jetzt wie ein silberner Pfeil durch die Schwaden aus grünen und gelben, aus giftigen und zersetzenden Dämpfe. Ein feines Leuchten umhüllte den schmalen, in waberndem Dampf und fluoreszierenden Giftschwaden langsam endschwindenden Steg. Der Wissensherr nickte bedächtig vor sich hin: Es war getan, und es war gut getan. Die Initialisierung war geglückt, die Schritte und die Worte waren richtig gewesen und in der erforderlichen Reihenfolge ausgeführt worden. Jetzt würde das Fenster des Erkennens auf seinen Willen reagieren, ihm zeigen was er zu sehen begehrte.
*
Schier endlose Zeiten hatten die Wissenschaftler und Gelehrten der Stadt Atlion versucht den Kristall-Folien, die man zu Millionen in einer Eishöhle der ersten Ebene gefunden hatte, ihre äonenalte Botschaft zu entreißen. Selbst mit den leistungsfähigen Biokalkulatoren und den superschnellen Computeranlagen, die aus den Fluchtschiffen gerettet worden waren, hatte es Jahrzehnte gedauert auch nur die Grundbegriffe dieser seltsamen, fremden Schriftsprache zu erahnen. Erahnen, denn erlernen und sie verstehen, sie Silbe für Silbe, Zeile für Zeile übersetzen zu können, war für den menschlichen Geist, und auch seine technischen Hilfsmittel, unmöglich. Die Gelehrten hatten dicke Folianten mit Millionen unterschiedlicher Zeichen und Zeichenketten gefüllt. Mit Silben- und Wortsymbolen, mit Sinnzeichen und Primärkürzel. Jede einzelne der ungezählten Kristall-Folien, die etwa fünfzig auf zwanzig Zentimeter maßen, schien über ein eigenes Alphabet zu verfügen, nur durch die Primärkürzel, wie die Gelehrten die immer wiederkehrende Eingangssymbole nannten, miteinander verbunden. All diese Zeichen hatten sie gewissenhaft registriert und in ihre Rechner eingespeist, in dem Versuch eine Ordnung in dieses gewaltige Puzzle zubringen. Nichts.
So war eine lange Zeit vergangen ohne auch nur einen Anhaltspunkt zu finden, von dem aus man hätte weitermachen können. Viele der Gelehrten wandten sich schließlich schulterzuckend ab und widmeten ihre Energien wieder dem Aufbau der Stadt Atlion und dem Fortbestand der menschlichen Rasse. Nur Tarak´na, den man später „Den erste Magier“ nannte, arbeitete verbissen weiter.
Eines Nachts war es dann passiert. Er hatte wie immer einige der Folien mit ins Bett genommen, um selbst dort noch zu arbeiten. Tarak´na hatte den großen, nahezu unzerstörbaren Bogen gedreht und gewendet, ihn aus verschiedenen Winkeln beäugt und gegen das Licht gehalten. Solange bis ihn die Augen schmerzten von den hüpfenden Lichtfunken, auf und in der hauchdünnen Kristall-Folie, und die Wort- und Silbensymbole wild durcheinander zu tanzen begannen. Müde hatte er sich über die Augen gewischt, den Bogen vorsichtig – wiewohl dies unnötig war – zur Seite gelegt und das Licht ausgedreht.
Selbst jetzt im Dunkeln und mit geschlossenen Augen tanzten die Zeichen noch funkelnd auf seiner Netzhaut, so als hätte man zu lange in zu helles Licht gesehen. Tarak´na hatte noch mal mit dem Fingerknöchel seine Augen gerieben und war dann erschöpft eingeschlafen.
Seltsame, realwirkende Träume hatten ihn heimgesucht in denen er mit der Schnelligkeit eines Gedankens zwischen den Sternen gereist war. Dann waren die funkelnden Lichter gewichen und seine Geschwindigkeit hatte sich vervielfacht. Vorbei an Galaxien und gewaltigen Dunkelwolken war er gerast. Und als dann auch diese zurückwichen und sein Tempo wiederum zunahm, vorbei an bizarren, lichtjahredurchmessende Strukturen aus wucherndem, steinernem Leben und an finstern, gähnenden Abgründen, die wie Wunden in der Unendlichkeit des Raumes klafften. Schließlich hatte er den Rand, das Ende des Raums, das Ende der Realitäten erreicht und war zum Stillstand gekommen.
Mit dem Interesse eines unbeteiligten Beobachter, frei von jeder Emotion hatte er auf dieses wabernde und fließende Nichts geschaut, in das unser Universum, unsere Realität, von dem Druck des Urknalls getrieben vorströmte. Geschaut auf diesen schrecklichen Spalt der in der ungeordneten Energie des Jenseitigen gähnte und aus dem ohne Unterlass Flotten von Dingen – Schiffe? – quollen. Fäden und Pfeile aus blendender Finsternis und lichtaufsaugender Helle schleuderten sie nach denn, in endlosen Reihen und Staffeln, im All stehenden Raumschiffe ihrer Gegner. Schiffe so groß wie Sterne zerplatzten wie reife Früchte unter dem Schlag finster dröhnender Kräfte. Schutzfelder, die der Explosion einer Nova standgehalten hätten, wurden beim ersten Ansturm zerrissen wie Spinnweben. Überall blähten sich die gewaltigen Feuerbälle der explodierenden Giganten. Doch kaum war einer gefallen, so füllte ein neues Schiff seinen Platz und schickte Blitz auf Blitz, Strahlenlanze auf Strahlenlanze in die angreifenden Flotten und den schrecklichen Spalt. Ungezählt war die Menge der kleineren Schiffe. Sie füllten zu Millionen und aber Millionen den vorströmenden Raum vor dem gähnenden Schlund und stürzten sich wie wütende Hornissen auf den Feind, in ihrem Bestreben die Kampfgiganten nach besten Kräften zu unterstützen.
Schienen zwar die finstern Dinger, die aus diesem namenlosen Loch strömten, den Verteidigern überlegen, so machten diese es durch ihre größere Zahl und ihre todesverachtende Angriffe wett. War das All auch übersät mit den explodierenden Schiffen der Verteidiger, so kündete auch immer öfter ein finsteres Wallen und Zucken vom Ende eines der Schattenschiffe.
Barragaarta, die große Schlacht, Tarak´na wusste mit unumstößlich Sicherheit, das dies der Name für diese Orgie der Vernichtung war, soweit er für die menschliche Stimme aussprechbar, für den menschlichen Geist erfassbar war. Dort, am Rande des Universums, kämpften die Wallschiffe der Allianz um die Zukunft des sich ausbreitenden Alls. Zwanzigtausend Jahre schon kämpfte die Allianz, gestützt durch die Ressourcen tausender von Galaxien und Millionen von Völkern, um den Feind, den Eindringling, an der Flucht aus seinem sterbenden, zerfallenden Universum zu hintern. Denn dort hin führt der Spalt am Rande unseres Weltenraumes, in ein altes, von Finsternis und Fäule beherrschtes Universum, in dem die letzten Sonnen nur noch matt glommen und die Dunkelheit allgegenwärtig war. Von dort kamen die Schattenschiffe und an Bord trugen sie die verworfenen Entitäten, die in diesen Welten des Untergangs die stärksten, die Hinterlistigsten und Grausamsten gewesen waren. Die dort geherrscht hatten und sich mit den letzten Energien, den letzten Lebensfunken, gemästet hatten und nun hereindrängten in dieses neue Universum, um es mit ihrer Boshaftigkeit zu verschlingen, auf ewig ihnen untertan zu machen.
Fünf gewaltige Flaggschiffe, mit den fünf Herzögen des dunklen Universums an Bord, führten die gewaltigen Flotten an. Angefüllt waren sie mit der dunkler Macht und dem Samen des Finsteren selbst.
Dort im Zentrum des zerfallenden Weltenraumes mussten sie ihn tobend und vor wahnsinniger Wut gepackt, von uralter Magie und den Banden der Entropie gefesselt, zurücklassen. Den Meister der Finsternis, den Herrn des Chaos, ihm war der Weg versperrt. Versperrt durch ein uraltes Gesetz, das am Morgen des Seins von den Ersten Göttern postuliert wurde und dessen Wächter die alles bindenden Kräfte der Entropie waren.
Doch sein Same sollte entkommen, neu keimen und ihn Wiedergebähren in diesem neuen, jungen Universum. So war sein Plan und so war es sein Wille – und zwischen ihm, und seiner Erfüllung, standen nur die Schiffe des Walls und die Zeit. Denn unaufhaltsam strömten die Realitäten und Gesetzmäßigkeiten des neuen Universums vorwärts und nur noch Haaresbreiten trennten den dunklen Schlund vor seiner Auslöschung durch die geordneten Energien des jungen Kontinuums.
Wie lichtverzehrende Widernisse, wie schwarze Salamander, so kamen sie in gewaltiger Größe und umwunden von der endzeitlichen Macht des sterbenden Kontinuums aus der finsteren Gähnung. Weiten aus Zersetzung und Sphären von Verderbnis schoben sich aus dem bedrohten Schlund. Wie Schwären aus lähmender Dunkelheit drangen sie in die reinen Wahrscheinlichkeiten des neuen Seins vor. Die fünf Schiffe der Verderbnis, die fünf Träger der Dunkelheit.
Im nächsten Moment ging ein Ruck durch die Ebenen am Rande und das neue Universum und die Wahrscheinlichkeiten und Wahrscheinlichkeitsmöglichkeiten schwappten weiter und negierten, schlossen den Schlitz im Gefüge des Seins. Der Schlund war nicht mehr.
Für endlose Augenblicke schien alle Bewegung wie erstarrt, als währe die Zeit selbst zum Stillstand gekommen und der unsichtbare Beobachter glaubte das ferne Echo eines dünnen, klagenden Schreies wahrzunehmen, der wimmernd im Nichts verklang. Dann ging alles rasend schnell. Die Schattenschiffe bildeten einen dichten Kordon, um die sich durch den Raum windenden, fast eine Lichtminute langen Schiffe der Herzöge der Finsternis. Wie ein unermesslich großer Schwarm seltsam verzerrter Insekten ihre Königin, so umschwirrten die Schattenschiffe die monströsen Schiffe ihrer unsäglichen Führer. Wie finstere, augenlose Geschöpfe aus den Tiefen des dunkelsten Meeres, die man von ihrem lichtlosen Grund empor gezogen und schutzlos dem gleißenden Licht der Mittagssonne ausgesetzt hatte, so bewegten sie sich zuckend und windend durch den Raum. Aber sie waren nicht schutzlos, und noch weniger waren sie schwach oder gar ängstlich. Mit einem einzigen Auflohen schwärzester Kraft schlugen sie eine Lichtjahre breite Schneise durch die Schiffe des Walls.
Sie entkommen, dachte Tarak´na immer noch von einer unnatürlichen Ruhe umhüllt. Doch die Feldherren der Allianz handelten schnell. Gewaltige Fesselfelder, gespeist von den Energien Tausender der Wallschiffe, umhüllten mit gleißenden Bändern den durchbrechenden Feind. Zwei, drei Augenblicke lang gingen die seltsam gestaltlosen Schiffe in dem Netz. Dann zerrissen sie es mit einem einzigen Ansturm ihrer fremdartigen Kraft. Hunderte der Wallschiffe vergingen durch rückkoppelnde Kräfte in gigantischen Explosionen. Doch die teuer erkauften Sekunden hatten ausgereicht. Tausende und Abertausende von Schiffen kamen aus dem zweiten Kontinuum, hatten ihren Platz in der lichtjahrelangen Front verlassen, und stürmten nun, mit flammenden Schirmfelder und ohne Unterlass feuerspeiend, auf den dunklen Feind ein.
Sie müssen jetzt abdrehen, überlegte Tarak´na nüchtern, als die gewaltigen Wallschiffe nur noch wenige Millionen Kilometer von den wabernden Monstrositäten entfernt waren. Sie drehten nicht ab. Mit vielfacher Lichtgeschwindigkeit brachen sie in den dichtgestaffelten Feind. Strahlende Explosionen, in zu denen sich das düstere Flackern der vergehenden Schattenschiffe mischte, erfüllten den Raum, bis nur noch ein einziger unvorstellbarer Glutball das Dunkel des Alls mit maßloser Helle erfüllte. Endlose Augenblicke blähte er sich immer weiter auf, dann schien ihm eine dunkler, sich windender Kern zu erwachsen. Der Raum selbst kollabierte und verschlang Angreifer wie Feind. Die Monstrositäten der Herzöge wehrten sich noch einen stummen Herzschlag lang gegen den Sog, dann wurden auch sie verschlungen und der Schlund schloss sich.
Die Allianz hatte gesiegt. Der Abgrund in das sterbende Universum war für immer verschlossen und die Bedrohung durch die dunkle Saat war beendet.
Schillernde Energiefahnen trieben zerfasernd durchs All und lösten sich allmählich auf, während Ballungen von Energiefeldern mit Überschlagblitzen einen Potenzialausgleich schufen und so ihre Kräfte entluden.
Langsam wurde die Sicht besser und das Bild klärte sich auf. Gewaltige, teilweise planetengroße Trümmerstücke trieben, zu bizarren Formen gepresst und zerrissen, in einer trägen Umlaufbahn um das nicht mehr existierende Gravitationszentrum. Vereinzelte Explosionen auf scheinbar unversehrten Raumern, kündeten davon, dass immer noch unlöschbare Energiebrände in manchen Schiffen wüteten, oder Fessel- und Neutralisationsfelder die unvorstellbaren Energiereserven der Waffensysteme nicht mehr eindämmen konnten.
So wenig war von der strahlenden Flotte übrig geblieben: Hier und da eins der Wallschiffe, vielleicht fünf- sechshundert und ein paar Tausend der kleineren Begleitschiffe.
Mit langsamer Fahrt sammelten sie sich hoch über der Ebene des Trümmerfeldes, so wie die überlebenden Soldaten eines großen Heeres, die sich auf einem Hügel nahe des Schlachtfeldes versammeln, um ihren Blick über eine Ebene des Todes gleiten zulassen. Noch einmal den Ort ungezählten Todes musternd und um Abschied zu nehmen von Freund und auch Feind. Die, so unterschiedlich sie auch gewesen waren, der Tod mit seiner endgültigen Macht zu Gleichen gemacht hatte.
Lange standen sie so reglos im All, dann nahmen sie Fahrt auf und verschwanden im zweiten Kontinuum.
Tarak´na wollte bereits seinen Blick abwenden und seinem Geist befehlen zu seinem schlafenden Körper zurückzukehren, als er zwischen den gewaltigen, trudelnden Trümmern eine Bewegung ausmachte. Eines der Schattenschiffe glitt aus dem aufgerissenen Leib eines der Wallschiffe, wo es Schutz gesucht, sich vor der Ortung und dem Erspähen verborgen hatte. Es war für die Verhältnisse dieses Krieges winzig – nur knapp vier Kilometer maß es in der Länge – deshalb war ihm anscheinend als einzigem die Flucht geglückt. Vorsichtig beschleunigte es und richtete seinen Kurs auf die weit entfernten Galaxien aus, die der Realitätsflut des Universums mit Milliarden Lichtjahren Abstand folgten.
Es entkommt, dachte der Träumer und so etwas wie Furcht und auch Verstehen keimte in ihm auf.
Im nächsten Augenblick zuckte ein blendender Energiestrahl durch das Dunkel des Alls und tastete zitternd nach dem fliehenden schwarzen Schiff. Fast glaubte Tarak´na die Lichtlanze würde das Ausweichmanöver fliegende Verderben berühren, als er unvermittelt zusammenbrach.
Aus einem der kleineren Schiffe der Allianz war sie gekommen, das anscheinend von einer Art Lähmung oder Stasis befallen gewesen war und dessen Besatzung erst jetzt wieder zur Besinnung gelangte.
Bevor das fast fünfzigtausend Kilometer durchmessende Schiff ein weiteres Mal feuern konnte, verschwand das Schattenschiff im zweiten Kontinuum und das einzelne, vergessene Schiff der Allianz nahm die Verfolgung auf.
1. Uranus - Hato-or
Schwungvoll drehte Grimlon sich um und erklomm mit weitausgreifenden Schritten die zwanzig breiten Stufen, die zum sanft schimmernden Eingang des Turmes von Andomeron führten.
Ein feines, erfrischendes Prickeln floss durch seinen Körper, als er den Lichtvorhang des Eingangs passierte und der dumpfe, von Bleigasen und Quecksilberdämpfen geschwängerte Brodem der dritten Ebene blieb hinter ihm zurück. Reine, klare Luft umgab ihn und sanftes Licht erhellte den angenehm temperierten lichten Raum, der das Grundgeschoss des Turmes bildete.
„Endlich wieder einmal richtige Luft atmen, und nicht mehr das aufbereitete Zeug der Nanieten“, murmelte der Magier leise vor sich hin und zog gierig die würzige Luft ein.
Grimlon blieb noch einige Augenblicke entspannt und tief durchatmend stehen. Mit einem zufriedenen Lächeln spürte er das feine, kaum wahrnehmbare Kribbeln in seinem Körper, die Bestätigung dafür, dass mit der Atmosphäre alles in Ordnung war und sich die Techno-Komponenten von seiner Hautoberfläche zurückzogen. Es war ein herrliches Gefühl endlich wieder die Luft auf seiner Haut und in seinen Lungen zu fühlen und nicht das künstlich erzeugte Gefühl, das die Nanieten vermittelten. Langsam verging das Kribbeln und Grimlon strebte, nach einem letzten, tiefen Schnaufer, auf die schmale Treppe zu, die in die Höhen des Turmes führte und schließlich ganz oben am Fenster des Erkennens endete.
Der Magier und Wissensherr hatte erst fünf oder sechs, der unzähligen Etagen des Turms hinter sich gebracht, als er von oben ein scharrendes Geräusch vernahm. Wie angewurzelt blieb der gedrungene, muskulöse Mann stehen und ein schneller, mentaler Befehl ließ Nano-Komponenten durch seinen Körper rasen und sein Gehör wurde schlagartig sensibilisier und verstärkt.
Angestrengt lauschte er und ging dabei vorsichtig durch den Raum auf die Treppe zu, die in den nächsten Stock führte. An der untersten Stufe blieb er stehen und erhöhte nochmals die Leistungsfähigkeit seines Gehörs und schärfte zusätzlich seine Sicht. Minutenlang stand er Bewegungslos, doch nichts regte sich, kein noch so kleiner Laut drang zu ihm durch.
Ich sehe wohl schon Gespenster, dachte Grimlon halb verärgert, halb amüsiert. Der lange Weg, und die endlose Konzentration während der ganzen Zeit, die ständige Anspannung während des Rituals, meine Nerven sind einfach überreizt. Der Magier nickte vor sich hin – so musste es sei. In dem Turm war noch nie ein Geräusch zu hören gewesen, und zwar aus dem einfachen Grund, weil er bis auf das Fenster des Erkennens, völlig leer war und somit nichts einen Laut verursachen konnte.
Grimlon entspannte sich und begann die Treppe hochzusteigen – und da war es wieder, ein leises Scharren erklang aus dem Raum über ihm. So als würde etwas Großes und Schweres seine Position geringfügig ändern, oder sich träge im Schlaf bewegen.
Der Magier dachte kurz nach, dann rief er mental die Techno-Komponenten und in sekundenschnelle wurde sein Körper von einem mikrodünnen, fast unzerstörbaren Geflecht überzogen. Er hatte keine Zeit lange zu warten und zu überlegen, den die Kalibrierung es Fenster hielt nur für eine gewisse Dauer an, und wenn er zu spät kam waren seine ganzen Mühen umsonst und er musste weitere sechsundachtzig Jahre warten.
Entschlossen schlich er die Treppe empor und formte unterwegs seine Körper-Klinge. Eine metallischschimmernde, kleine Partikelwolke strömte aus seiner rechten Hand und formte sich innerhalb eines Herzschlages zu einer gut eineinhalb Meter langen, durchscheinenden Klinge. Zusehends, und von einem leisen Rascheln und Knistern begleitet, verfestigte sich die Form, als die ausgeströmten Nanieten kleine Schmutz- und Staubteilchen aus der Luft zogen und daraus die Klinge formten. Innerhalb von zwei, drei Sekunden war der Vorgang abgeschlossen und Grimlon hielt ein massiv wirkendes, schlankes Schwert in der Hand.
Auf den ersten Blick mochte es durch seine Länge etwas zerbrechlich wirken, aber es wäre ein Fehler gewesen auf diese scheinbare Schwäche zu hoffen. Nahezu unzerbrechlich war es und von unvergleichlicher Schärfe. Besah man es sich aus der Nähe, so konnte man dünne, fließende Bänder in seinem Innern ausmachen und seine Schneide war so fein, dass sie an einem unbestimmbaren Punkt zu Nichts verblasste. Wäre des Trägers Hand ruhig genug, so könnte er damit selbst Moleküle sezieren.
Mit zwei, drei flinken Sprüngen, die man dem korpulentwirkenden Mann beim ersten Betrachten gar nicht zugetraut hätte, überwand er die letzten Stufen und tat einen weiten Satz in dem Raum hinein. In Kampfhaltung, die Klinge schräg vor sich haltend, zuckten seine sichtverstärkten Augen durch den Raum und blieben an einer gewaltigen Gestalt hängen, die am Fuße der ins nächste Stockwerk führenden Treppe kauerte.
„Verflucht!“, entfuhr es Grimlon, als er erkannte was sich da langsam zu seiner vollen Größe von gut vier Metern aufrichtete – ein riesiger, bronzefarbener Minotaurus. Noch nie hatte der Magier einen so gewaltigen gesehen und auch nie von einem gehört, der diese Größe erreichte. Normalerweise waren sie nur um die zwei Meter groß und bevölkerten die weiten Savannen der fünften Ebene und die unüberschaubaren, düsteren Labyrinthe, die die vierte Ebene darstellten.
In den Anfangszeiten, als die Menschen immer tiefer in das Innere ihrer Zuflucht vordrangen, waren sie auf diese Wesen gestoßen, die in großen Herden, oder Stämmen – da sie über eine rudimentär vorhandene Intelligenz verfügten – die tieferen Ebenen bevölkerten. Minotauren, so hatten sie die Erforscher der Tiefe genannt, weil sie dem Stiermensch der griechischen Sage glichen. Menschenähnliche Wesen mit gewaltigen Brustkörben und Armen und Beinen die von dicken Muskelbändern überzogen waren. Bronzene Haut spannte sich über diese perfekt modellierten Körper, die eines Herakles würdig erschien. Und auf diesen menschlichen Leibern ruhte ein gewaltiger, stierförmiger Schädel, dem an den Seiten zwei wuchtige Hörner entsprossen, die mit einem aggressiven Schwung nach vorn ragten, bereit jeden Feind beim ersten Ansturm aufzuspießen.
Doch der hier war anders als seine kleineren Kollegen, erkannte Grimlon kalt taktierend. Nicht nur, dass er doppelt so groß war und irgendwie schlanker wirkte – trotz seiner Größe feingliedriger – er war auch eindeutig männlich, wie das deutlich sichtbare Geschlechtsorgan zwischen seinen Beinen unverkennbar anzeigte.
Das war etwas Neues, denn die kleineren Ausgaben besaßen nur verkümmerte Geschlechtsteile, die sich gänzlich innerhalb des Körpers befanden. Zurückgebildet, hatten die Gelehrten kopfschüttelt gemeint. Und noch etwas war da, etwas das Grimlon beträchtliche Sorgen bereitete: Der Minotaurus hielt in seiner rechten Hand locker einen Adamant-Stab.
Der rund vier Meter lange Stab schien von einem inneren, metallenen Glanz erfüllt, der mit jeder Bewegung schillernde Lichtreflexe über seine Oberfläche laufen ließ. Ein dumpfes Wummern erklang, als der Minotaurus den massiven Kampfstab mit einer blitzschnellen Drehbewegung in die linke Hand wechselte.