Adventskalender - Michael Maniura - E-Book

Adventskalender E-Book

Michael Maniura

0,0

Beschreibung

Die Idee zu diesem Buch entspringt dem Wunsch der Schwiegertochter, dass der Opa der Enkelin eine ungefähr fünf Minuten lange Geschichte zu einem Adventstag vorliest. Daraus wurde das Projekt, für jeden Tag eine Geschichte zu verfassen.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 132

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Für meine Enkelkinder Gemma Emilia und Marco Lorenzo

Umschlaggestaltung Isabell Maniura Das Gasthaus Schwarenbach zwischen dem wallisischen Gemmipass und Sunnbüel im Kanton Bern ist Schauplatz einer berühmten Erzählung von Guy de Maupassant. Aufnahmedatum: 24. Februar 2019

Inhaltsverzeichnis

Das Bücherregal

Schneegestöber

Florian und Rochus

Das Ölkännchen

Der Fisch und der Kater

Kein Brief an den Nikolaus

Tanz der Glühwürmchen

Lorenbahn

Die Seelenschmiede

Die Weihnachtsplätzchen

Fantasia

Adalbert, das liebe Monster

Bärenhausen

Schwarenbach

Die gute Fee

Das Eichhörnchen

Die Wettfahrt

Das Sportfest

Eine Primel auf Wanderschaft

Weltraumbescherung

Armenweihnacht

Polarlicht

Die ängstliche Tannenbaumspitze

Weiße Weihnacht

Muntere Weihnachtsnacht

Erstes Türchen: Das Bücherregal

Edith und Volker sind Cousine und Cousin. Da ihre Eltern sich oft besuchen, sehen sie sich ebenso oft. Dann gilt es natürlich, die Zeit zu nutzen.

Volkers Eltern sind Leseratten. Das hat zur Folge, dass ein riesiges Bücherregal zum Spielen bereitsteht. Beide Kinder besitzen viele Stofftiere. Das, das zu Besuch ist, bringt einige seiner Kuscheltiere mit, damit eine richtige Stadt zusammenkommt.

Das Bücherregal ist die Stadt, in der die Tiere wohnen, denn es eignet sich wunderbar dafür. Edith und Volker können zwar schon ein bisschen lesen, aber für die kleingedruckten Erwachsenenbücher ohne Bilder interessieren sie sich nicht. Sie nutzen den Platz vor den Bücherrücken, denn die wenigsten Bücher sind so groß, dass sie die komplette Regaltiefe brauchen. Die stehen auch am Rand, sodass die Tiere frei im Regal herumlaufen können. Zieht sich eins in seine Wohnung zurück, werden links und rechts davon die Bücher soweit herausgezogen, dass sie bündig mit der Vorderkante des Regals abschließen und niemand an ihnen vorbei kann. Dann darf jedes Tier für sich sein.

Die Häsin Mummy klopft bei Teddy an. Der Dritte im Bund ist der blaue Elefant Trampy, auf den sie ein paar Minuten warten müssen, bis auch er klopft. Die Tür öffnen ist ganz einfach: Das Buch zurückschieben, den Besuch hereinlassen und das Buch wieder als Sperre über den freien Platz ziehen. Da die Drei die wichtigsten Tiere der Stadt sind, nennt man sie Honoratioren. Teddy ist Bürgermeister, Trampy der Stadtschreiber und Mummy die Stadträtin. Nun sitzen sie beim Kaffee zusammen, um über das bevorstehende Adventsfest zu beraten.

„Kalt ist es draußen und verschneit ist auch alles“, beschwert sich Trampy, der als Afrikaner die Wärme liebt. „Ich bin zwar kein Eisbär“, brummt Teddy zur Antwort, „aber wir haben doch alle ein schönes dickes Stofffell.“ „Ich müsste im Winter eigentlich ein weißes tragen“, bedauert Mummy, „aber ein Hase mit Wechselfell war Ediths Eltern zu teuer.“ „Egal“, beendet Teddy die Diskussion, „Hauptsache, wir ziehen für alle ein schönes Fest auf. Bei einem Lagerfeuerchen und Kinderpunsch wird allen warm werden.“ „Vor allem ums Herz.“ Mummy freut sich sichtlich über das bevorstehende Ereignis.

„Wir dürfen hier natürlich kein Feuer machen“, mahnt Teddy, „hier zwischen den Büchern. Hat einer eine Idee?“ „Edith hat die batteriebetriebene Plastiknachbildung eines Feuers, das auf Knopfdruck flackert“, sagt Mummy, „das dürfen wir bestimmt benutzen.“ „Wir können zum Schmücken sicher auch die Lichterkette für den Tannenbaum nehmen, denn der wird erst in ein paar Wochen aufgestellt“, meint Trampy. „Sehr gut, ihr beiden. Meinst du, Mummy, wir kriegen Möbel, Geschirr und Besteck aus Ediths Puppenstube?“ „Das glaube ich sicher, Teddy.“ „Und auch die Esswaren? Gemüse, Würste und Brot?“ „Warum nicht?“

Während der nächsten Stunden sind die Drei eifrig damit beschäftigt, den Festplatz herzurichten. Dazu wird eine ganze Regalreihe geöffnet, in der alle Tiere Platz finden. Der Wechsel der Reihen ist einfach, denn Edith und Volker schieben die Stofftiere einfach an den Seitenabschlüssen des Regals, die die Treppenhäuser darstellen, hinauf und hinunter.

„Ihr tut ja ganz schön geheimnisvoll“, mault Perry, das Eichhörnchen. Perry mault immer, denn einer in einer Gesellschaft muss das ja tun. Es droht auch nicht die Gefahr, dass er von dem Elefanten zertrampelt wird, denn im Gegensatz zur Natur sind alle Stofftiere in der Tierstadt ungefähr gleich groß. Davon abgesehen, dass ein blauer Elefant sowieso völlig harmlos ist. „Was heißt geheimnisvoll“, mault Teddy zurück, „das Adventsfest ist jedes Jahr und jedes Jahr geben wir uns Mühe, es hübsch zu schmücken. Ich finde es auch gut, dass wir nicht jedes Jahr dasselbe machen.“ „Schon gut“, gibt Perry nach. „Oder willst du mithelfen?“ hakt Teddy nach. Nein, das will Perry nicht, denn das riecht nach Arbeit.

Schuhu, die Eule, kommt vorbeigeflogen. Alle beneiden sie und den Raben Schwarzhans, denn die beiden sind die einzigen Bewohner der Tierstadt, die fliegen können. Kein Wunder, sind sie doch Vögel. Während jedoch Schwarzhans eher wie Perry auf der Seite der Meckerer zu finden ist, tut Schuhu alles, um die Honoratioren bei ihrer Arbeit zu unterstützen. So bringt sie auch diesmal selbstgebackene Plätzchen, mit denen sich Teddy, Trampy und Mummy stärken können, während sie die Lichterkette aufhängen, Tische und Stühle rücken sowie die Ess- und Trinkvorräte beschaffen und in die Schränke räumen.

Als es endlich soweit ist, beschließen alle Tiere, ihre Streitigkeiten vorerst zu beenden und sich an dem Gelage nach Kräften zu beteiligen, das heißt so viel zu essen und zu trinken wie in sie hineinpasst. Perry und Schwarzhans tun sich besonders hervor, denn jedes volle Glas, das vor ihnen steht, wird rasch leer. Die Hündin Susi, die Teddy als Bedienung gewann, eilt hin und her, um alle Wünsche der Gäste zufriedenzustellen. Als Teddy merkt, dass sie der Erschöpfung nahe ist, sagt er zu ihr: „Ich übernehme das für eine Weile. Ruh‘ du dich solange aus.“ Auch Teddy fängt irgendwann an zu schnaufen. Schnell springen nacheinander Mummy und Trampy ein, denn sie wollen sich nicht nachsagen lassen, Faulpelze zu sein.

Gegen Abend leert sich die zum Festsaal gewählte Regalreihe allmählich. Alle sind begeistert und selbst Perry und Schwarzhans ringen sich ein „danke, sehr gut“ ab. Mit vollem Bauch fällt es auch schwer, zu grollen und zu schimpfen.

Teddy, Trampy und Mummy betrachten die Reste des Festes und fragen sich, wie sie alles je wieder sauber und eingeräumt kriegen sollten, als Susi gar nicht lange fackelt und mit dem Zusammentragen des schmutzigen Geschirrs beginnt. Das stachelt auch die anderen an, mitzutun und siehe da: Wenn man nicht dauern ängstlich überlegt, wieviel Arbeit vor einem liegt, sondern einfach zupackt, erledigt sie sich beinahe von selbst.

Teddy, Trampy, Mummy und Susi schauen sich zufrieden an. „Jetzt die Wohnungen wiederherstellen und alles sieht aus wie frischgestrichen“, sagt Susi. Edith und Volker ziehen die passenden Bücher vor und jedes Tier hat wieder seine eigene Bleibe. „Komm‘“, ruft Ediths Mutter, „es geht nach Hause.“

Edith nimmt Mummy und Susi an sich, packt den Korb mit der Puppenstubeneinrichtung und verabschiedet sich von Volker. „Bis zum nächsten Mal“, sagen beide wie im Chor und freuen sich darauf.

Zweites Türchen: Schneegestöber

Der Winter hatte Einzug gehalten. Die Tage dauerten nur noch acht Stunden, denn nachdem es erst um acht Uhr hell geworden war, brach um vier Uhr nachmittags die Dunkelheit wieder herein. Nun hatte es sogar angefangen zu schneien. Grund für Inga und Rudolf, ihre Legoeisenbahn auszupacken und ‚Schneegestöber‘ zu spielen.

Das Schöne bei diesem Spielzeug ist nicht, die Welt möglichst naturgetreu nachzubauen, sondern jedes Mal den Streckenverlauf neu zu planen. Bahnhöfe, Städte und Landschaften müssen sich die Kinder denken; lediglich Figuren und wichtige Werkzeuge sind vorhanden und je nach Spielidee einsetzbar.

Inga und Rudolf sind Zwillinge, die ihre Eisenbahn lieben. Inga fuhr die rote Diesellok mit dem Güterzug an der magnetischen Kupplung. Er bestand aus dem silbernen Kesselwagen, dem gelben offenen und dem braunen geschlossenen Güterwagen. Rudolf war Lokführer der größeren schwarzen Dampflok mit dem Schnellzug, der aus einem grünen Gepäckwagen, einem roten Speisewagen und einem wiederum grünen Personenwagen mit Fenstern und Sitzen drin bestand. Die Dampflok war größer, weil sie größere Räder als alle anderen Fahrzeuge besaß und obendrein einen Tender hinten dran hängen hatte, denn sie brauchte viel mehr Kohle und Wasser als die Diesellok Öl. Während die Diesellok in beide Richtungen gleich gut fuhr, bedeutete für die Dampflok die ‚falsche‘ Richtung, nämlich Tender voraus, mehr Anstrengung für Lokführer und Heizer. Während die Diesellok mit der Lokführerin zu ihrer Bedienung auskommt, muss auf der Dampflok neben dem Lokführer ein Heizer die Kohlen ins Feuerloch schaufeln. Erst hatte Inga sich geärgert, dass ihr Bruder die größere Lok bekam, sich aber schnell mit ihrer versöhnt, denn diese war viel hübscher als Rudolfs klobiges schwarzes Ungetüm.

Den Durchgangsbahnhof Ingahausen hatten die Kinder mit drei Gleisen versehen und den Kopfbahnhof Rudolfheim sogar mit vieren. Ungefähr in der Mitte der Strecke befand sich eine Ausweichstelle, die für das, was gespielt werden sollte, sehr wichtig war.

„Wollt ihr bei dem Schneesturm wirklich losfahren?“ fragte Lokführerin Inga ihren Kollegen Rudolf. Der sagte stolz: „So ein bisschen Schnee macht uns doch nichts aus. Außerdem muss der Zug ja nach Rudolfheim. Was sagst du, Kalle?“ Der Kalle genannte Heizer, der aus einem entsprechend gekleideten Legomännchen bestand, brummte zustimmend. „Da hörst du’s. Schon gellt der Abfahrtspfiff.“

Zu Beginn war die Lokomotive durch einen einfachen Hebel zu bedienen, der aus dem Motorraum in Mittelstellung heraus ragte. Je nach Richtung, in den das Kind den Schalter umlegte, fuhr sie vorwärts oder rückwärts los. Um sie anzuhalten, musste Lokführerin oder Lokführer nebenher krabbeln und den Schalter während der Fahrt wieder in die Mittellage zurückstellen. Das geschah so ruckartig, dass die angehängten Wagen manchmal entgleisten. Es gab auch nur eine Geschwindigkeitsstufe.

Seit einiger Zeit ließen sich die Fahrzeuge über eine App auf dem Smartphone und ein Modem zwischen Akku und Motor vom Anlagenrand aus feinfühlig steuern. Die Antriebsenergie holte sich die Lok natürlich immer noch aus dem Akku. Langsam, wie es sich für eine Dampflok gehört, fuhr der Schnellzug an und gewann an Fahrt.

Aber es wurde immer schwieriger. Die Schneeberge wurden höher und höher. Bald reichte der Dampf nicht mehr aus, um den mit Leuten vollbesetzten Zug durch die Schneewehen zu drücken, und er blieb genau auf der Ausweichstelle stecken. Lokführer Rudolf sandte einen Hilferuf nach Ingahausen.

„Du musst sofort ausrücken, um die Eingeschlossenen herauszuholen“, wies der Fahrdienstleiter, wie der Chef des Bahnhofs in der Eisenbahnersprache heißt, Inga an. „Erst muss es aufhören zu schneien“, antwortete Inga, „sonst bleibe ich genauso stecken wie Rudolf.“

Zum Glück geschah das bald und Inga öffnete die Tür des geschlossenen Güterwagens, um die Helfer einsteigen zu lassen. Im offenen Wagen hätten sie arg gefroren und bei Legofahrzeugen lässt sich immer das Dach abnehmen, um auch Bewegungen drinnen nachstellen zu können. Auf den offenen Güterwagen wurden die Schaufeln geladen und los ging es.

Nach einiger Zeit war die Ausweichstelle erreicht. „Hoffentlich ist die Weiche nicht eingefroren“, sagte Inga, aber die kräftigen Männer der Helferkolonne schafften es, sie umzulegen, sodass Ingas Zug neben dem liegengebliebenen zum Stehen kam. „Kannst du nicht aus eigener Kraft zurückfahren?“ fragte Inga. „Das Wetter ist ja jetzt schön genug.“ „Leider nicht“, erwiderte Rudolf, „beim Aufprall auf die Schneewehe ist die vordere Achse verbogen. Die muss erst repariert werden.“ Rudolf hatte aus seiner Lok den Akku entfernt, sodass es für sie wirklich weder vor noch zurück ging. Auch schieben ließ sie sich nicht, weil ein Schneckengetriebe die Antriebsräder blockierte.

„Gut“, bestimmte Inga, „dann müssen wir ein Rangiermanöver starten, um alle Leute nach Ingahausen zurückzubringen.“ Sie fuhr ihren Zug über die zweite Weiche vor den Dampfzug, legte die Weiche um und stieß die Güterwagen bis unmittelbar vor die Dampflok zurück. Sie passten vollständig zwischen Weiche und diese. Inga kuppelte ihre Lok ab, wiederholte die Spitzkehre – so nennt man das Umfahren eines Zuges –, fuhr hinter den Dampfzug, legte die vordere Weiche um und kuppelte ihre Diesellok an den Schnellzug. Nun hingen sämtliche Eisenbahnfahrzeuge zusammen. Von Rudolfheim nach Ingahausen gesehen die drei Güterwagen, die defekte Dampflok und deren Tender, die drei Personenwagen und die Diesellok. Endlich kuppelte Rudolf den Gepäckwagen vom Tender seiner Lok und kletterte als Letzter hinein, denn alle Helfer hatten ihn bereits bestiegen. Speise- und Sitzwagen waren nach wie vor von den Passagieren belegt, die voller Vertrauen in den Schnellzug nach Rudolfheim gestiegen waren.

Rasch fuhr die Diesellok mit den für sie fremden Wagen zurück nach Ingahausen. Dort beeilte sich Rudolf, Ersatzteile für die kaputte Dampflok aufzutreiben. Kaum hatte er alles beisammen, fuhr Inga zurück zur Unfallstelle. Diesmal hatte sie nur den Gepäckwagen dabei, denn der reichte, um die neue Achse, Rudolf und alle Helfer mitzunehmen.

Während Rudolf und seine Leute die Achse reparierten, fuhr Inga erneut hinter die Dampflok – aus Richtung Ingahausen gesehen –, kuppelte den Gepäckwagen an den Güterzug, setzte wieder nach vorn und verband die Diesellok mit dem Tender der Dampflok. Die hatte Rudolf mittlerweile in Ordnung gebracht, das heißt, den Akku wieder eingesetzt, und es konnte mit zwei Loks und vier Wagen nach Ingahausen gehen. Diese Fahrt mussten die Kinder mit besonderer Vorsicht durchführen, denn es galt ja, die beiden zusammengehängten Loks einigermaßen gleichschnell zu steuern. Um die Schwierigkeit zu steigern, lief die Dampflok auch noch rückwärts. Ein bisschen summte, brummte und wackelte es, aber nach einiger Zeit hatten Inga und Rudolf den Gleichlauf ihrer Loks im Griff.

„Vorspann müssen wir halt üben“, meinte Rudolf altklug. „Vorspann?“ fragte Inga. Die Frage veranlasste Rudolf erst recht, sein Wissen an den Mann oder genauer gesagt an seine Schwester zu bringen. „Wenn ein Zug für eine Lok zu schwer ist, muss eine zweite davor gehängt werden. Mit der Kraft von zweien geht es dann. Das nennt man Vorspann.“ „Au ja.“ Inga klatschte vor Begeisterung in die Hände. „Dann wünschen wir uns zu Weihnachten zehn Wagen mehr und fahren einen richtig langen Zug.“

„Es könnte nur passieren, dass die Magnetkupplungen irgendwann reißen.“ Inga und Rudolf hatten gar nicht gemerkt, dass Papa schon seit einiger Zeit hinter ihnen stand. Der fuhr fort: „Naja, mal sehen, was zu Weihnachten drin liegt. Ich beglückwünsche euch von ganzem Herzen zur erfolgreichen Bergung der Eingeschneiten.“

Jetzt waren Inga und Rudolf erst richtig stolz auf ihre Lokführerfiguren.

Drittes Türchen: Florian und Rochus

Das Leben als Kind ist nicht immer leicht, vor allem nicht, wenn ein Junge eher klein und schwach als groß und stark ist.

Diese Kombination bildeten Florian und Rochus. Obwohl beide gleichaltrig waren und in derselben Klasse zusammensaßen, war Rochus weitaus breiter und kräftiger als Florian geraten und nützte das weidlich aus, nicht zuletzt, weil sie über eine weite Strecke denselben Schulweg hatten. Bereits morgens nahm er seinem Klassenkameraden das Pausenbrot weg und lauerte ihm nach der Schule nochmals auf, um ihn zu verprügeln. Folglich war es der Schulweg, der Florian den größten Schrecken einjagten. Sämtliche Versuche von Lehrerinnen und Eltern, Rochus‘ Verhalten zu verbessern, kehrte sich in sein Gegenteil. Immer nachdem Rochus ermahnt worden war, rächte er sich an Florian umso schlimmer.

Rochus‘ Überlegenheitsgefühl wurde durch Neid verstärkt, denn wie so häufig mangelte es ihm an Fleiß und er stand vor dem Sitzenbleiben, während sich Florian in allen Fächern unter die Besten eingereiht hatte. Florians Hoffnung auf die Zukunft bestand darin, dass Rochus entweder tatsächlich sitzenblieb und einen anderen Stundenplan als er bekommen oder ganz von der Schule fliegen würde.

Eines Tages, nachdem Rochus Florian wieder einmal ins Gesicht geschlagen hatte und Florian weinend dastand, hörten sie ein Stück weiter Hunde bellen. Rochus, der keineswegs nur Florian als Opfer betrachtete, sondern alle, die schwächer oder vermeintlich schwächer als er waren, rannte dorthin, woher das Bellen erklang. Lachend bellte er seinerseits sechs Schäferhunde an, die von einem Zaun abgehalten wurden, ihren Widersacher anzugreifen. Immer wilder wurden sie und immer heftiger ahmte Rochus sie nach. „Lass‘ das doch sein, Rochus“, rief Florian, der nach Rochus‘ Attacke immer noch wie angewurzelt dastand. „Du hast mir gar nichts zu sagen, du Schwächling“, schrie Rochus zurück und machte Anstalten, sich wieder Florian zuzuwenden. Er hatte allerdings eins nicht gesehen. Der Zaun bildete keineswegs ein Gehege, sondern endete einfach irgendwo, sodass die Hunde nur dort vorbei