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Wenn Nele Wagner an ihrem Arbeitsplatz im One World Trade Center über ihren Aktenbergen sitzt, sehnt sie sich nach dem, was sie wirklich gut kann: Whiskey-Sorten beurteilen und über ihre Reisen bloggen. Doch ihre Firma, die mit edlen Spirituosen und Konfekt handelt, hatte anderes mit ihr vor. Einziger Lichtblick ist ihre neue Chefin Olivia sowie die heißen Nächte mit ihr. Die merkwürdige Eigenschaft Olivias, immer wieder zu verschwinden, treibt Nele während einer Tour durch Kentucky in die Arme der Pferdezüchterin Liz – doch zurück in New York merkt Nele, dass sie in Liz *und* Olivia verliebt ist ...
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Seitenzahl: 407
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Roman
© 2017édition el!es
www.elles.de [email protected]
Alle Rechte vorbehalten.
ISBN 978-3-95609-221-3
Coverfoto/-illustration: © leelakajonkij, Natis – Fotolia.com
»Atemberaubend! Nicht wahr?«
Die leise gehauchten Worte streiften Neles Nacken wie ein sanfter Kuss. Sie spürte, wie sich ihre feinen Nackenhärchen aufrichteten, und schloss die Augen, rührte sich jedoch nicht.
Einen Moment lang überließ sie sich ganz der knisternden Spannung zwischen ihnen, ersehnte eine Berührung, auch wenn sie wusste, dass diese Sehnsucht vergeblich war. Dann öffnete sie die Augen und blickte durch die riesige Glasfront wieder nach draußen.
Vor ihr im Morgendunst lag die Südspitze Manhattans. Unter ihr, am Fuße des One World Trade Center, quälte sich der Verkehr durch die gitterförmig angelegten Straßen und Avenues. Hochhäuser reckten sich gen Himmel, einige in schlichtes Grau, andere in spiegelnde Glasfassaden gehüllt. In der Ferne hielt die Freiheitsstatue wie immer trotzig ihre Fackel in die Höhe und versprach einem jeden ein besseres Leben. Die zahlreichen Schiffe, die das Wasser durchpflügten, zogen weiße Gischtkämme hinter sich her. Um das Postkartenszenario perfekt zu machen, strahlte über all dem die Sonne aus frühlingsblauem Himmel.
Seufzend drehte Nele sich um. »Wunderschön. Ich werde mich wohl nie daran gewöhnen, ausgerechnet hier arbeiten zu dürfen.« Sie strahlte Olivia an.
Olivia lächelte zurück. In ihren Augen, die das Blau des Himmels zu spiegeln schienen, flackerte für einen Moment Begehren. Ihre Zungenspitze huschte über ihre Lippen, wo sie eine winzige feuchte Spur auf dem dezent roten Lippenstift hinterließ.
Nele schluckte und wurde rot. Ehe sie jedoch etwas sagen konnte, war der prickelnde Moment schon vorbei. Olivia hatte sich gestrafft und meinte nun freundlich-unverbindlich: »Apropos Arbeit – kommst du dann bitte in meinem Büro vorbei? Wir müssen etwas besprechen.« Dann drehte sie sich um und ging mit so energischen Schritten davon, dass ihr blonder Zopf wippte.
Bewundernd betrachtete Nele ihre aufrechte Haltung, ihre perfekte Figur, die durch das schwarze Etuikleid noch hervorgehoben wurde. Die schwarze Aktentasche in der rechten Hand, die Handtasche und den schwarzen Mantel über dem linken Arm war Olivia das Idealbild der erfolgreichen Geschäftsfrau.
Stimmengemurmel riss Nele aus ihren sehnsüchtigen Gedanken. Vom Fahrstuhl her näherte sich eine Gruppe Kollegen. Wieder seufzte Nele. Nein, von denen durfte keiner wissen, dass sie die Nächte mit Olivia verbrachte.
Sie warf einen letzten Blick nach draußen, dann ging sie auf die Gruppe zu, stimmte in die allgemeine Begrüßung ein und betrat die Büros der neunundfünfzigsten Etage des One World Trade Center.
Wenig später saß Nele vor ihrem Computer in einem winzigen Büro, das lediglich durch große Glaswände von den anderen Bürowaben getrennt war. Immerhin aber hatte es Wände und Regale, die ein wenig Sicht- und auch Schallschutz boten. Die Geräusche von draußen waren nicht mehr als ein dumpfes Gemurmel, und sie hatte das Gefühl, ihr eigenes Reich zu haben, selbst wenn es hier üblich war, ständig die Tür offen zu lassen. Und wer brauchte schon Fenster.
Aber daran, dass sie hier den ganzen Tag bei Kunstlicht arbeitete, hatte sie sich längst gewöhnt. Sie war froh, nicht in einem der üblichen Großraumbüros gelandet zu sein. Menschenmengen bereiteten ihr Unbehagen, selbst wenn die Menschen so nett und hilfsbereit waren wie die Amerikaner. Oder gerade dann. In dieser Gesellschaft fühlte sie sich so unvollkommen, beinahe ein wenig hilflos.
Nele prüfte ihren Posteingang und beantwortete einige dringende Mails, ehe sie sich ihren Unterlagen widmete. Seit Anfang des Jahres arbeitete sie nun schon hier bei Johnson & Partner, Inc., Gourmet Foods and Spirits. Die Firma war einer der größten Händler für Delikatessen und Spirituosen weltweit. Neles Arbeitgeber, die deutsche Tochterfirma Mewesko – das Mitteldeutsche Wein- und Sektkontor –, hat Nele nach New York geschickt, um dort internationale Erfahrungen zu sammeln, Trends zu erfassen, Kontakte zu knüpfen. Doch alles, was sie bisher hier zu tun hatte, war Geschäftsunterlagen zu sichten und Geschäftspost zu erledigen. Das hätte jede einigermaßen fähige Assistentin der Geschäftsleitung erledigen können.
Missmutig ließ Nele den Kopf in beide Hände sinken. Dafür hatte sie sich nun zu Hause dem harten Auswahlverfahren gestellt. Dafür hatte sie ihre Wohnung aufgelöst, ihre Freunde verlassen.
Natürlich gefiel ihr New York. Wen würde diese Stadt nicht faszinieren? Aber das Leben bestand eben nicht nur aus Museen und Bars.
Und ja, nicht zu vergessen – sie hatte Sex mit der Personalchefin. Ein Lächeln stahl sich in Neles Gesicht. Die Erinnerung an den letzten Abend war süß und bitter zugleich.
Olivia!
Ihr Körper war so weich und hingebungsvoll gewesen, gleichzeitig aber auch so fordernd und dominant. Ihre Brüste zu liebkosen, hatte Nele in wahres Verzücken versetzt. Der Prosecco aus ihrem Bauchnabel war ihr wie ein himmlisches Getränk vorgekommen. Ja, sie wusste, dass sich das klischeehaft anhörte, aber noch hatte sie das Bedürfnis, es zu genießen.
Lange schon hatte sie keine Frau mehr so begehrt wie Olivia. In ihren Armen fühlte sie sich geborgen. Gleichzeitig aber hatte sie das Gefühl, vor lauter Gier nach diesem wunderbaren Körper zu bersten.
Und dann diese Enttäuschung. Kurz vor Mitternacht war Olivia aus dem Bett gestiegen und gegangen. Einfach so. Schon wieder. Dabei hatte sie versprochen, hatte es wirklich versprochen, dass sie diese Nacht gemeinsam verbringen würden.
Während Nele gedankenverloren auf ihren Computer starrte, erschien mit einem leisen Pling! eine Nachricht auf ihrem Bildschirm. Nelly, kommst du bitte in mein Büro!
Sie schrak hoch und sprang auf. Wie hatte sie das vergessen können? Eilig zupfte sie sich die Jacke ihres grauen Businessanzuges zurecht. Er hatte ein Vermögen gekostet, aber hier wurde großer Wert auf korrekte Kleidung gelegt, selbst wenn man nicht mit Kunden in Kontakt kam. Rasch blickte Nele noch einmal in ihren Taschenspiegel. Das dezente Make-up war in Ordnung, ihr braunes Haar war zu einem perfekten Bob geschnitten und lag makellos. Ihre dunklen Augen wirkten zwar ein bisschen müde, und auf ihrer kurzen, kräftigen Nase tummelten sich lustige kleine Sommersprossen, aber sie war durchaus präsentabel. Für zweiunddreißig allemal. Sie grinste und steckte sich selbst die Zunge heraus.
Mal sehen, was Olivia von ihr wollte. Sie selbst hätte da schon so einige Ideen.
Während Nele den langen Flur entlangging, konnte sie es sich nicht verkneifen, links und rechts in die Büros zu schauen. Überall waren gutangezogene Menschen eifrig bei der Arbeit. Sie gaben Zahlen in Computer ein, telefonierten, diskutierten. Wann immer einer von ihnen Neles ansichtig wurde, winkte er ihr zu oder nickte zumindest freundlich grüßend. Das liebte Nele an den Amerikanern. Sie schienen so unkompliziert und herzlich.
Schließlich stand sie vor Olivias Büro. Olivia Bennett, Human Resources Manager stand auf einem polierten Messingschild zu lesen.
Ja, Liv kümmerte sich wirklich ums Personal. Jedenfalls um sie.
Wer hätte das gedacht. Ausgerechnet die kleine, unbedeutende Deutsche auf Fortbildung landete mit der großen Liv Bennett im Bett. Der großen Olivia, vor der sich alle ein wenig fürchteten. Einige nannten sie sogar heimlich den »Eisberg«. Nun ja, eisig war sie ihr gestern Abend auf keinen Fall vorgekommen.
Da Olivias gepolsterte Bürotür offenstand, klopfte Nele nur pro forma an und trat ein.
»Du wolltest mich sprechen?«, erkundigte sie sich in Richtung des großen, modernen Schreibtisches, dessen Glasplatte die Morgensonne reflektierte.
Dahinter hob Olivia sichtlich erfreut den Kopf: »Nelly! Komm doch rein, und schließ die Tür hinter dir.« Sie erhob sich aus ihrem schwarzen Ledersessel und machte eine einladende Handbewegung in Richtung des Konferenztisches. »Magst du einen Espresso?« Ohne eine Antwort abzuwarten, ging sie hinüber zu ihrer Espressomaschine und füllte zwei Tassen. Wie immer, wenn sie beide allein miteinander waren, schien jede Kühle, jede Förmlichkeit von ihr abgefallen zu sein.
Anstatt sich zu setzen, trat Nele hinter Olivia und fasste sie an den Hüften. Sie spürte, wie Liv für einen Augenblick starr wurde, als müsse sie erst überlegen, was nun zu tun sei. Dann jedoch drehte sie sich mit einer geschmeidigen Bewegung um. Sie sah Nele in die Augen und meinte mit leicht atemloser Stimme: »Meinst du nicht, dass das ein bisschen unprofessionell ist?«
Nele lächelte verschmitzt. »Ist es nicht gerade das, was den Reiz des Ganzen ausmacht?«
Sie beugte sich vor und küsste Olivia sanft auf die Lippen. Diese widerstrebte noch, doch mit steigender Intensität des Kusses fühlte Nele, dass Liv regelrecht Wachs in ihren Händen wurde. Zärtlich ließ sie ihre Hände über Olivias wohlproportionierten Körper gleiten, bis sie schließlich auf ihrem Po ruhten. Während sie noch das Gefühl der innigen Zusammengehörigkeit auskostete, fühlte sie Olivias suchende Hände unter ihrem Jackett.
Doch plötzlich stieß Olivia sie von sich. Sie trat einen Schritt zurück und stieß atemlos hervor: »Das führt doch ein bisschen zu weit!« Hastig zupfte sie ihr Kleid zurecht, ging um ihren Schreibtisch herum und ließ sich in ihrem Sessel nieder, um nach einer Akte zu greifen und sich damit Luft zuzufächeln. Dabei schlug sie elegant ein Bein über das andere.
Nele stellte amüsiert den Espresso vor sie hin. »Ich fand jetzt nicht, dass das zu weit führt. Wer sollte uns schon stören? Glaubst du ernsthaft, jemand wagt es, deine heiligen Hallen zu betreten, wenn deine Tür zu ist?« Mit einem breiten Lächeln ließ sie sich auf der Schreibtischkante nieder und schlürfte ihren Espresso.
»Nelly!«, entfuhr es Olivia etwas pikiert, dann trank auch sie ihren kleinen, schwarzen Schluck.
Nelly. Nele schüttelte unwillkürlich den Kopf. Seit sie hier war, nannte jeder sie so. Kein Mensch konnte ihren Namen artikulieren. Anfangs hatte sie noch versucht, ihren neuen Kollegen die richtige Aussprache zu vermitteln, doch alles, was dabei herausgekommen war, waren Verballhornungen wie Nielie oder gar Niel. Also hörte sie jetzt eben auf Nelly. Das war eigentlich auch ganz nett.
»Warum bleibst du eigentlich nie zum Frühstück?«, erkundigte sich Nele beiläufig, während sie die Tasse wegstellte, ihren rechten Pumps abstreifte und mit der Zehenspitze langsam Olivias Knie entlangfuhr.
Ein wenig ungehalten wehrte Olivia ab: »Nelly, das ist jetzt wohl kaum der richtige Moment.«
»Dann nenn mir einen richtigen!« Neles Zehenspitze schob spielerisch Olivias Saum nach oben und glitt zwischen ihre Schenkel.
»Nelly, nicht doch. Hör auf mit dem Quatsch«, knurrte Olivia atemlos und sichtlich aus dem Konzept gebracht. Sie blätterte fahrig durch einen Aktenstapel, ließ Nele jedoch gewähren. Diese rutschte mit einer raschen Bewegung von der Schreibtischkante und kniete sich vor Olivia hin.
»Du bist so süß, wenn du eine Situation nicht im Griff hast«, lächelte sie, während sie Olivias Hände umfasste.
»Nelly, du machst mich ganz nervös. Bitte . . . ich will dir wirklich einen Vorschlag machen. Du bringst mich total durcheinander.« Mit liebevoller Geste strich Olivia Nele durchs Haar.
»Ich würde dir auch gern einen Vorschlag machen«, gab Nele zurück und schob ihr den Kleidersaum noch ein bisschen höher. »Die Aussicht hier ist einfach zu verlockend.« Sie ließ bewusst offen, ob sie das atemberaubende Panorama von New York meinte, das sich hinter Olivias Schreibtisch auftat, oder aber Olivias Beine, die nicht länger übereinandergeschlagen waren.
Olivia rang nach Luft. »Du bist wirklich unmöglich!«
»Und daran bist nur du schuld«, gab Nele leise zurück. Dann begann sie beinahe andächtig die langen, schwarzen Feinstrümpfe von Olivias Oberschenkeln bis zu den Knöcheln hinunterzurollen. Jeden Millimeter des köstlichen weißen Fleisches, das auf diese Weise freigelegt wurde, verwöhnte sie mit ihrer Zunge. Sie leckte und biss, biss und leckte, bis sich Olivias heftiges Atmen in einem nicht enden wollenden, genießerischen Stöhnen entlud.
Einen Augenblick lang hielt Nele inne, um den Kopf zu heben und ihr Werk zu betrachten. Lächelnd sah sie, dass Liv sich in ihrem Sessel zurückgelehnt hatte. Ihre Hände umkrampften die Armlehnen, so dass ihre Knöchel weiß hervortraten. Die Augen hielt sie geschlossen, offenbar ganz in die Empfindung versunken. Ihre Schenkel waren weit geöffnet und boten Nele einen verlockenden Ausblick in die Dunkelheit ihres Schoßes.
Nun zögerte Nele nicht länger. Schnell streifte sie Olivia den Slip unter dem Kleid hervor. Dann senkte sie den Kopf in ihren Schoß. Mit kleinen Schmetterlingsschlägen erkundete ihre Zunge die duftende Weichheit zunächst behutsam, dann immer drängender. Sie tauchte ein in den feuchten Quell der Lust, knabberte zärtlich an der Perle, die sich ihr fordernd entgegenreckte, leckte und saugte immer stärker. Dabei schob sie ihre Hände unter Olivias kräftigen Po, um dessen immer stärker werdende eruptive Bewegungen besser steuern zu können.
Schließlich stieß Olivia eine Reihe erstickter kleiner Laute aus. Sie keuchte, krallte ihre Hände in Nellys Haar und fiel schließlich erschöpft in sich zusammen.
Vorsichtig zog Nele sich zurück, holte tief Luft und streichelte zärtlich Olivias Schoß. Diese jedoch griff bereits nach der Box mit den Taschentüchern. »Du bist ja verrückt«, keuchte sie und schob Nele noch weiter von sich weg.
Nele schmunzelte. »Das höre ich irgendwie nicht zum ersten Mal.« Dann nahm sie sich ein Taschentuch und tupfte sich Gesicht und Hände ab.
»Nein, ehrlich«, insistierte Olivia nachdrücklich, während sie aufstand und sich und ihr Kleid in Ordnung brachte. »Das darf sich nicht wiederholen.«
Derweil spielte Nele wie beiläufig mit einem auf dem Schreibtisch liegenden Lineal herum. »Och«, meinte sie, »ich hätte da schon noch so ein paar Ideen.«
Olivias Blick wanderte von Nele hin zum Lineal und wieder zurück. Irgendetwas glitzerte gefährlich in ihren Augen. Da sich Nele nicht ganz sicher war, ob es aufflackernde Lust oder Wut war, legte sie das Utensil lieber wieder zurück. Stattdessen bemerkte sie grinsend: »Erwähnte ich bereits, dass ich diesen Ausblick beim Vögeln liebe?«
»Sei nicht so vulgär«, protestierte Olivia und gab Nele einen leichten Schlag mit der Taschentuchbox.
»Oh, das ist es doch, weshalb ich hier bin? Oder etwa nicht?« Neles lausbübisches Grinsen wurde noch breiter.
»Nein, eigentlich nicht«, meinte Olivia, während sie ein letztes Mal ihr Kleid ordnete. »Oder glaubst du wirklich, ich würde mir die jungen Deutschen grundsätzlich als Lustobjekte halten?«
Nele zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung. Tust du’s? Ich meine, du arbeitest nur, gehst kaum aus. Irgendwo musst du ja jemanden finden, der deine Bedürfnisse befriedigt. Und du hast die Macht, es zu tun.«
»Ach, Nelly, red keinen Unsinn.« Olivia hatte ihre Fassung offensichtlich wiedergefunden. »Ich könnte dich genauso gut fragen, ob du nur mit mir zusammen bist, weil du dir so eine gute Ausgangsposition für dein Vorankommen in der Firma sichern willst. Ich meine, weshalb sonst lässt du dich auf eine Affäre mit einer älteren Frau ein?«
»Ha, ha. Ich höre immer ältere Frau. Liv, du bist achtunddreißig! Und was das Vorankommen in der Firma betrifft – ich bin doch sowieso bald wieder zurück in Deutschland. Denen ist dort völlig egal, mit wem ich hier geschlafen habe.« Nele verdrehte mit gespielter Empörung die Augen.
»Siehst du, dann hätten wir ja auch das geklärt.« Olivia griff nach einem Stoß Akten und begann ihn offenbar zu durchsuchen. »Eigentlich wollte ich dir wirklich eine Neuigkeit mitteilen. Aber danke für diese kleine morgendliche Aufheiterung.« Sie sah auf und blickte sich um. »Wo ist übrigens mein Slip abgeblieben?«
»Keine Ahnung«, beteuerte Nele und hob unschuldig die Arme. »War viel zu beschäftigt, um auch noch auf den achtzugeben.«
»Nelly, komm! Rück ihn wieder raus. Ich habe nachher noch eine Sitzung mit der Geschäftsleitung.«
Nele grinste breit. »Na, dann viel Spaß. Genieß es.«
Olivia schien einzulenken. Sie nahm ein Taschentuch, stand auf und ging um den Tisch herum auf Nele zu: »Du hast da noch Lippenstift.«
»Aber nicht draufspucken!«, wehrte Nele ab, nahm eilig das Taschentuch und rieb sich vorsichtig die angedeutete Stelle. »Und was wäre diese Neuigkeit?«
Mit raschem Griff fasste Olivia in Neles Jacketttasche und zog ihren Slip heraus. »Punkt eins: Meine Sitzung ist gerettet.« Sie lächelte triumphierend. »Für Punkt zwei: Setzt du dich bitte?« Und als Nele bereits Anstalten machte, sich erneut auf der Tischkante niederzulassen, fügte sie hastig hinzu: »Aber auf die andere Seite. Weitere Handgreiflichkeiten würden jetzt wirklich nur stören.«
»Ja, Boss.« Mit geheuchelter Unterwürfigkeit ließ sich Nele auf den Stuhl fallen und blickte Olivia neugierig an.
Diese griff nach einer Akte, die sie nun plötzlich ganz ohne weiteres Suchen gefunden hatte, blätterte sie scheinbar ziellos durch und erkundigte sich wie nebenbei: »Wie lange bist du jetzt bei uns? Drei Monate?«
»Drei Monate und vier Tage«, präzisierte Nele.
»Mhm. Und du fühlst dich wohl?«, hakte Olivia nach.
Irritiert runzelte Nele die Stirn, ehe sie zweideutig antwortete: »Nun ja, privat kann ich nicht klagen, beruflich wäre ich gern ein wenig stärker gefordert.«
»So, so. Privat kannst du nicht klagen.« Olivia strich sich eine lose Strähne aus der Stirn und zeigte ein warmes Lächeln. »Dann hoffen wir mal, dass das so bleibt. Aber vielleicht kann ich dich ja auch beruflich ein wenig glücklicher machen.«
»Oh, jetzt bin ich aber gespannt.« Interessiert stützte Nele die Ellbogen auf die Tischplatte und legte ihren Kopf in die Hände. »Haben wir jetzt häufiger Sex im Büro? Da wartete ja noch dieses Lineal . . .«
Olivia ignorierte geflissentlich den Einwurf und fuhr unbeirrt fort: »Wir sind mal wieder dabei, unseren Katalog zu überarbeiten. Du weißt, manche Produkte sind nicht mehr so gefragt, die müssen wir herausnehmen. Andererseits müssen wir neue Trendprodukte finden und aufnehmen.«
»Klar. Das war ja zu Hause in Deutschland mein Gebiet.« Jetzt war Neles berufliche Neugier geweckt. Sie setzte sich aufmerksam aufrecht. Jeder Anflug von Ironie war aus ihrem Gesicht verschwunden.
Olivia nickte. »Eben, deshalb haben wir an dich gedacht. Wir brauchen mal wieder eine Überprüfung des Whiskeysortiments. Eigentlich macht das Jane Cunningham. Aber die ist schwanger, wie du weißt.«
Nele nickte verstehend. »Da macht es sich schlecht, Whiskey zu verkosten.«
»Genau. Außerdem ist sie bei den Anbietern bereits bekannt wie ein bunter Hund. Du bist neu, hast aber trotzdem Erfahrung. Wie ich aus deinen Unterlagen ersehen konnte, warst du schon in Irland und Schottland auf der Suche nach neuen Whiskeysorten und Trends. Ich dachte, es wäre für uns alle hilfreich, wenn du nach Kentucky fährst, ein paar Destillen abklapperst und uns dann deine Vorschläge unterbreitest. Vielleicht findest du ja das eine oder andere lohnenswerte neue Produkt. Außerdem kannst du so ein paar Beziehungen für dich knüpfen und für uns pflegen.« Olivia legte die Hände gefaltet vor sich auf den Schreibtisch und schaute Nele erwartungsvoll an.
Diese schluckte irritiert, wurde rot. »Wow . . . das nenne ich mal einen Vorschlag«, war alles, was sie sagen konnte. Verlegen strich sie sich eine Haarsträhne aus der Stirn.
Olivia, sichtlich zufrieden mit der Wirkung ihres Angebots, schmunzelte und fragte: »Warst du schon mal in Kentucky?«
»Nö, noch nie.« Nele schüttelte den Kopf. »Allerdings mag ich den Bourbon, den sie dort herstellen, ganz gern. Obwohl er natürlich nicht mit dem irischen Whiskey mithalten kann.« Sie zog eine Braue hoch und betrachtete Olivia prüfend.
Die hob nur unbeteiligt die Schultern. »Das ist dein Fachgebiet, dazu kann ich nichts sagen. Ich bin hier nur für das Personal zuständig. Außerdem mache ich mir nichts aus Whiskey. Ich bin mehr der Weintrinker.«
»Na, da habe ich doch wieder etwas gelernt«, kommentierte Nele und lächelte zufrieden. »Übrigens – darf ich Jim Beam aus dem Sortiment nehmen? Den finde ich einfach scheußlich. Den erträgt man höchstens in der Cola.«
Olivia zog die Augenbrauen hoch, dann sagte sie kühl und gelassen: »Nell, wenn du das tust, dann sehe ich mich leider gezwungen, dich rauszuwerfen. Jim Beam ist Kult.«
»Auch, wenn er schmeckt, als hätten sie damit die Destillierbottiche gereinigt?«, feixte Nelly. Als sie Olivias warnenden Blick sah, beeilte sie sich hinzuzufügen: »Keine Sorge, ich werde die heilige Kuh selbstverständlich nicht schlachten.«
Olivia ging nicht darauf ein. Stattdessen fragte sie scheinbar nebenher: »Wer sagt denn eigentlich, dass ich dich allein dorthin schicke?«
»Wie, nicht?« Nele horchte auf. »Wer kommt noch mit? Charlie Sanchez? Oh, bitte nicht! Der ist so anhänglich. Der arme Kerl hat noch immer nicht begriffen, dass ich für Männer nicht zu haben bin. Oder ist es Johnny White? Der ist ganz nett. Vielleicht ein bisschen großväterlich.« Während Nele wild herumriet, übersah sie zunächst völlig Olivias breites, fröhliches Lächeln. Erst nach einer Weile bemerkte sie es und stutzte.
»Was ist?«, fragte sie überrascht. »Machst du dich über mich lustig?«
Jetzt lachte Olivia vergnügt auf. »Nell, manchmal bist du wirklich naiv.« Sie lehnte sich entspannt in ihrem Sessel zurück. »Eigentlich hatte ich gedacht, dass wir beide zusammen nach Kentucky fahren. Nächstes Wochenende ist Pferderennen in Keeneland – das heißt, eigentlich ist es das Vier-Sterne-Vielseitigkeitsturnier. Aber egal, ich habe jedenfalls schon eine Suite für Samstag gebucht. Wir werden einen Wahnsinnsblick auf die Rennbahn haben. Wer Keeneland nicht kennt, wer dort noch nicht zum Rennen war, der wird Kentucky nie verstehen.« Mit einem verschwörerischen Zwinkern fügte sie hinzu: »Und wir wollen dir doch einen perfekten Einstand bieten.«
»Wow!« Mehr brachte Nele erst einmal nicht hervor. Sie strich sich fahrig durchs Haar, zupfte an ihrem Jackett und schaute Olivia schließlich mit leuchtenden Augen an. »Und du veralberst mich nicht? Ich denke, du hast keine Ahnung vom Whiskey? Und trotzdem willst du mitfahren? Wie lange bleiben wir denn dort? Und wo übernachten wir?« Vor lauter Aufregung verschluckte sie sich und musste husten. Als sie wieder Luft bekam, ergänzte sie, noch ganz rot im Gesicht: »Und überhaupt – wie erklärst du das den anderen?«
»Das sind ja eine Menge Fragen.« Olivia schüttelte amüsiert den Kopf. »Meine kleine Nichte ist auch immer so aufgeregt, wenn es ans Verreisen geht.« Sie griff nach einem Stift und begann damit zu spielen.
Verdutzt fragte Nele: »Du hast eine Nichte? Wusste ich gar nicht.«
»Du weißt vieles nicht von mir«, bestätigte Olivia mit nachdenklicher Miene.
Nele sah sie herausfordernd an. »Vielleicht solltest du mir dann ab und zu mal etwas über dich erzählen. Zum Beispiel, wann wir mal ein Wochenende gemeinsam verbringen.«
»Puuuh, ihr Deutschen.« Wieder schüttelte Olivia den Kopf. »Ihr wollt immer alles gleich und sofort. Warum lässt du die Dinge nicht einfach so, wie sie sind, und genießt, was du hast? Reicht man dir den kleinen Finger, beißt du einem den Arm kurz hinterm Ohr ab.«
»Ach, jetzt spielst du die Deutsch-Karte? Darauf habe ich schon lange gewartet!« Neles Augen blitzten.
Aber Olivia war offensichtlich nicht gewillt, den verbalen Schlagabtausch fortzusetzen, denn sie blickte demonstrativ auf die Uhr. »Nelly, so gern ich auch mit dir noch weiter plaudern würde – ich habe einen Termin. Um es kurz zu machen: Wir fliegen am Freitag und bleiben übers Wochenende. Ich habe ein Motelzimmer für uns beide gebucht. Am Montag fliege ich dann wieder nach Hause, und du machst Kentucky unsicher. Zum Whiskeyverkosten brauchst du mich nicht. Du kannst übernachten, wo du willst, du darfst nur dein Spesenkonto nicht überziehen. In vier, spätestens in sechs Wochen bist du wieder hier. In der Zwischenzeit erwarte ich den einen oder anderen Bericht. Alles klar?«
Nele waren während Olivias kurzer Ansprache die Gesichtszüge entgleist. Die wunderbare, aber kurzfristige Aussicht auf schier endlose Zeit mit Olivia war wie ein Kartenhaus in sich zusammengebrochen. Tonlos antwortete sie: »Alles klar.«
»Ich habe dir alles noch einmal zusammengestellt«, erklärte Olivia, jetzt ganz im Business-Modus. »Du solltest den Rest der Woche nutzen, um dich einzuarbeiten. Am besten, du redest auch mal mit Jane Cunningham. Die gibt dir sicher noch ein paar Tipps.« Sie reichte Nele eine Aktenmappe über den Tisch. Dann schaute sie erneut auf die Uhr und stand auf. »Tut mir leid, aber ich muss dich jetzt hinauskomplimentieren.«
Auch Nele erhob sich. Sie starrte auf die Mappe, als hätte sie so einen Gegenstand noch nie gesehen. Schließlich fasste sie sich und lächelte Olivia schwach zu. »Danke dir«, sagte sie leise. »Ich werde dich sicher nicht enttäuschen.«
»Davon bin ich überzeugt«, entgegnete Olivia förmlich.
Nele ging zur Tür. Ehe sie sie öffnete, drehte sie sich noch einmal um. »Liv?«
Olivia, die sich bereits in einige Unterlagen vertieft hatte, schaute kurz hoch: »Ja?«
»Warum hast du mir das alles nicht schon gestern Abend erzählt?«
»Weil ich Berufliches und Privates grundsätzlich trenne. Ich gedenke nämlich, meinen Job noch eine Weile zu behalten«, gab Olivia freimütig zurück.
»Okay. Und was ist mit heute Abend? Sehen wir uns?«
Olivia schüttelte den Kopf, so dass ihr blonder Zopf hin und her flog. »Ich denke nicht. Ich habe noch ein Geschäftsessen. Vielleicht morgen. Ich sag dir Bescheid. In Ordnung?«
»Ja, sicher doch. Du bist der Boss«, seufzte Nele ergeben und verließ das Büro.
Als Nele Olivias Bürotür hinter sich schloss, nahm sie alles um sich herum nur noch wie durch einen dichten Nebel wahr. In ihrem Inneren tobte ein wahrer Gefühlssturm. Da war die Freude darüber, dass Olivia ihr eine so wichtige Aufgabe übertrug. Da war unfassbares Glück, dass sie beide immerhin ein ganzes Wochenende für sich allein haben würden. So etwas hatte es überhaupt noch nie gegeben in ihrer kurzen Beziehung.
Alles, was sie bisher voneinander gehabt hatten, war Sex. Sehnsuchtsvoller, gieriger, überwältigend erfüllender Sex. Geredet hatten sie dabei kaum – weder davor noch dabei noch danach. Und wenn, dann waren es Liebkosungen gewesen. Geflüsterte Zärtlichkeiten, glutvolle Koseworte, die beide nur noch mehr in Ekstase versetzt hatten.
»Hey, Nelly! Hat sie dir den Kopf abgerissen?«
»Ähm, was?« Erschrocken stotternd tauchte Nele aus ihrer Traumwelt auf. Vor ihr stand Stewart Higgins, ein junger, athletischer Kollege aus der Werbeabteilung, und grinste sie breit an.
»Ich habe gefragt, ob der Eisberg dir den Kopf abgerissen hat. Du siehst ganz blass aus«, wiederholte er seine Frage und schaute sie forschend an.
Nele setzte ein breites Lächeln auf. »Was du gleich wieder denkst, Stew. Kleine deutsche Mädchen stehen unter Artenschutz, denen reißt niemand etwas ab. Im Gegenteil – sie hat mich nach Kentucky zum Whiskeyverkosten geschickt. Heute muss mein Glückstag sein.«
»Dein Glückstag?« Stewart legte seine hohe Stirn in Falten. »Na, ich weiß ja nicht. Ehrlich, Honey, es gibt wirklich interessantere Staaten als ausgerechnet Kentucky. Aber der Whiskey ist toll, das stimmt schon. Da wirst du richtig feine Sachen finden. Trink nicht so viel!« Er lächelte, winkte und ging seiner Wege.
»Von wegen viel trinken. Ich muss den guten Stoff ja immer wieder ausspucken«, grummelte Nele vor sich hin und ging in ihr Büro. Sie legte ihre Akte auf den Schreibtisch, dann rief sie Jane Cunningham an.
»Hi, hier ist Nelly Wagner. Sie wissen schon, der Neuzugang aus Deutschland.«
»Oh, hi, Nelly, wie geht es Ihnen? Haben Sie sich gut bei uns eingelebt?«
»Sehr gut, danke vielmals. Und Ihnen? Alles in Ordnung mit dem Baby?«
»Ja, fabelhaft. Sie tritt schon kräftig, die Kleine. Wie kann ich Ihnen helfen, Nelly?«
Froh, die obligatorische Smalltalkphase überwunden zu haben, kam Nele zum Wesentlichen: »Ich wollte fragen, ob Sie heute Lust und Zeit hätten, mit mir zum Lunch zu gehen? Olivia meinte, Sie könnten mir ein bisschen was über Kentucky erzählen.«
»Oh, Sie dürfen das dieses Jahr tun?« Jane Cunningham klang beinahe erleichtert. »Natürlich gehe ich gern mit Ihnen zum Lunch. Um eins? Wir treffen uns unten am Eingang?«
»Perfekt. Bis dann. Und vielen Dank schon mal.«
Erleichtert legte Nele auf. Sie musste sich noch immer große Mühe geben, nicht mit der berühmt-berüchtigten deutschen Direktheit auf ihr Ziel zuzupreschen. Auch nach mehr als drei Monaten fiel ihr das manchmal noch schwer. Vor allem machte es sie kribbelig, wenn ihr etwas unter den Nägeln brannte und sie einfach nur vorankommen wollte, sich aber stattdessen erst durch endlose Floskeln quälen musste. Sie öffnete die Akte und begann, die Liste kentuckyanischer Whiskeybrennereien zu studieren.
Pünktlich um kurz vor eins stand sie dann vor dem Eingang des One World Trade Center. Sie atmete tief ein und lächelte. Das emsige Treiben um sie herum – die hastenden New Yorker, die bummelnden Touristen, der rauschende Verkehr –, davon konnte sie gar nicht genug bekommen. In dieser lauten, hektischen Stadt fühlte sie sich lebendig. Und bei diesem wunderschönen Frühlingswetter erst recht. Sonnenstrahlen kitzelten ihre Nase, so dass sie niesen musste.
»Bless you! Gesundheit!«, sagte jemand neben ihr.
»Oh, danke.« Nele blinzelte gegen die Sonne und erkannte Jane Cunningham, die rund und rosig vor ihr stand. »Hallo, Jane. Schön, dass Sie Zeit für mich haben. Worauf haben Sie und der Nachwuchs Appetit?« Sie schüttelte ihrer Kollegin die Hand.
Jane Cunningham, dunkelhaarig und ebenfalls Anfang dreißig, war recht klein und sah aufgrund ihrer fortgeschrittenen Schwangerschaft ein wenig aus wie ein Ball auf Beinen. Da konnte auch das Designerkostüm nicht mehr viel kaschieren. Das hinderte sie jedoch nicht daran, beim Reden stets heftig zu gestikulieren und eine umwerfende Fröhlichkeit auszustrahlen.
»Ganz ehrlich«, sagte sie und hakte sich bei Nele unter, »am liebsten wäre mir jetzt ein halber Meter Sandwich, Chicken Teriyaki. Da ist ein Subway gleich um die Ecke.« Sie setzte sich ohne weiteres in Bewegung, und Nele blieb gar nichts anderes übrig, als sich mitziehen zu lassen.
»Also, Nelly«, begann Jane, während sie sich schnellen Schrittes durch die Menschenmassen auf dem Gehweg drängelten, »du machst in diesem Jahr die Kentucky-Runde? Da haben sie dir ja ganz schön was aufgehalst.« Sie lachte und musterte Nele von der Seite.
»Weshalb das denn?«, erkundigte sich Nele misstrauisch. »Gibt es da irgendwo einen Haken?«
»Ach wo, keine Angst. Ich mache nur Spaß. Ist allerdings eine Menge Arbeit, auf die du dich da gefasst machen kannst. Bevor ich dir das erkläre, brauche ich aber mein Sandwich.«
Zehn Minuten später hatten sie in einem übervollen Subway-Restaurant einen der wenigen Tische ergattert und jede ein gigantisches Sandwich und einen XXL-Becher Cola vor sich. Jane redete ununterbrochen, wobei sie vergnügt mit vollen Wangen kaute.
»Kentucky ist toll. Du wirst es mögen. Die Landschaft – ein Traum! Wenn du auf Natur und Wanderungen stehst, dann sind die Appalachen genau dein Ding. Du solltest mal im Herbst dort sein, wenn der Indian Summer die Wälder färbt. Einfach genial. Und die Leute in Kentucky, die haben den Whiskey einfach im Blut. Es gibt mindestens zwölf größere Brennereien. Manche mit bis zu zehn verschiedenen Whiskeysorten. Also nimm dir Zeit. Koste. Und vergiss nicht, dir auch deren Süßigkeiten zum Kosten geben zu lassen. Ich liebe ja die Bourbon Balls . . .«
Jane biss voller Begeisterung in ihr Sandwich, kaute und spülte den Bissen mit einem großen Schluck Cola hinunter, bevor sie ihren Vortrag fortsetzte. »Aber du darfst nicht nur zu den großen Destillen gehen. Inzwischen gibt es auch in den kleineren Städten ein paar. Und hier fängt die Arbeit an: recherchieren, verlässliche Kontakte knüpfen, um die schwarzen Schafe auszusortieren. Das sind nämlich oft Moonshiners. Nichts für den Katalog.«
»Moonshiners?«, echote Nelly verwundert.
»Mhm. Moonshine ist schwarz gebrannter, klarer Whiskey. Wird meist aus Mais destilliert und nur wenige Wochen gelagert. Ziemlich teuflisches Zeug, wenn du mich fragst. Und vor allem illegal. Viele brennen den zu Hause und verkaufen ihn schwarz in Einweckgläsern.«
Nele lachte. »Ehrlich? Das klingt ziemlich verrückt.«
»Oh ja, verrückt sind die Leute da unten schon ein bisschen. Nimm dich in Acht. Die Jungs dort tun gern so, als hätten sie nicht nur den Whiskey, sondern auch das Schießpulver erfunden. Tritt ihnen bei Bedarf in die Eier, dann haben sie auch Respekt vor dir.«
Nele verschluckte sich fast vor Lachen an ihrer Cola, als sie sich vorstellte, wie die kleine, resolute Jane es mit den Kentucky-Machos aufnahm. »Zu Befehl, Captain«, grinste sie.
Jane grinste zurück. »Weißt du, ich bin wirklich froh, dass Liv dir den Job gegeben hat.«
»Warum eigentlich?«, erkundigte sich Nele.
»Ach, in der Firma sind wir Frauen doch sowieso in der Minderheit. Da müssen wir zusammenhalten. Ich hätte es furchtbar gefunden, wenn Charlie Sanchez den Job bekommen hätte. Seine Geschmacksknospen sind doch vom Budweiser völlig zerfressen. Und Johnny White kann einen irischen nicht von einem amerikanischen Whiskey unterscheiden. Außerdem«, Jane lächelte verschwörerisch, »außerdem habe ich so wenigstens eine Chance, nicht auf ewig in der Kundenabteilung zu versauern, sondern Kentucky wieder zurückzubekommen. Ist nicht persönlich gemeint. Ehrlich nicht.« Sie zwinkerte Nele zu.
Diese nickte verstehend. »Klar. Ich wäre auch sauer, wenn man mir zu Hause meinen Job wegnehmen würde, nur weil ich ein Kind hätte. Und ich verschwinde hier definitiv eines Tages wieder.«
Jane zwinkerte erneut verschmitzt. »Warten wir’s ab. Wenn du dich einmal mit dem Amerika-Virus infiziert hast, dann bekommst du den so schnell nicht wieder los. Wirst sehen.« Sie griff nach ihrer Tasche, während Nele einen beträchtlichen Rest ihres Riesensandwiches in Papier einwickelte und in ihre eigene Tasche stopfte, um ihn für später aufzuheben. »Gehen wir noch ein Stück? Sozusagen dienstlich? Dann erzähle ich dir noch ein wenig über das raue Kentucky und seinen Whiskey.«
Kentucky! Kentucky!, sang es in Neles Kopf, als sie abends müde mit der U-Bahn nach Hause fuhr und sich erstmals zwischen all den Menschen so vieler Hautfarben, Kulturen und Religionen heimisch fühlte.
Kentucky!, summte das mehrgeschossige Backsteinhaus in Hoboken, in dem sich ihr kleines Apartment befand. Ihre Schuhschachtel, wie sie diesen winzigen Raum mit Kochnische, Bad und einem noch winzigeren Schlafzimmer meist lachend nannte. Eine ziemlich teure Schuhschachtel noch dazu. Mindestens von Manolo Blanik oder Jimmy Choo. Eigentlich nichts, was sie sich leisten konnte.
Kentucky! Kentucky!, klapperte die Tastatur ihres Bürocomputers in den nächsten Tagen.
Kentucky!, tröstete die Hoffnung in ihr, als Olivia sich den Rest der Woche rarmachte, sie einander nicht sahen und auch die SMS nur spärlich kamen.
»Kentucky!«, seufzte Nele schließlich glücklich, als sie am Freitagvormittag neben Olivia im Flugzeug saß und sie sich gerade im Landeanflug auf Lexington befanden.
»Schön, nicht wahr?«, lächelte Olivia und griff nach Neles Hand. »Siehst du all die weißen Zäune, die sich über die grünen Weiden erstrecken? Das sind die Pferdekoppeln. Da werden die besten Pferde gezüchtet. Hast du mal den Film Secretariat gesehen? Dieses Pferd war der Wahnsinn. Hat 1973 die Triple Crown gewonnen. Vielleicht können wir uns den Film am Wochenende mal anschauen.«
Nele sah Olivia ein wenig irritiert an, hatte diese sich doch richtig in Begeisterung geredet. Das war neu. Sie streichelte Olivias Arm und beugte sich zu ihr hinüber, um ihr ins Ohr zu flüstern: »Eigentlich hatte ich gedacht, wir vertreiben uns die Zeit am Wochenende anderweitig.«
Olivia löste sich unwillig aus der Berührung und blickte sich verstohlen um. »Nelly, nicht. Nicht hier. Wir fliegen nach Kentucky. Da ist man nicht so liberal wie in New York«, wies sie Nele leise, wenn auch nachdrücklich zurecht.
Nele blies die Wangen auf. Dann ließ sie die Luft hörbar entweichen und murmelte auf Deutsch: »Na, das kann ja heiter werden.«
»Was? Hast du was gesagt?« Olivia schaute sie fragend an.
»Nein, nichts von Belang«, gab Nele kopfschüttelnd zurück. »Du solltest dich anschnallen. Die Flugbegleiterin kommt schon durch.«
Eine Stunde später, sie hatten problemlos ihr Gepäck erhalten und den Mietwagen abgeholt, checkten sie in ihrem Hotel ein, dem Guesthouse Inn & Suites.
»Na prima, getrennte Betten«, entfuhr es Nele enttäuscht, als sie die beiden Kingsize-Betten in dem hellen, freundlichen Hotelzimmer sah.
Olivia ließ ihre Tasche fallen und nahm Nele in den Arm. »Kann das sein, dass du an allem etwas herumzunörgeln hast?«, fragte sie ein wenig vorwurfsvoll, ohne jedoch wirklich ärgerlich zu klingen. »Die meisten Hotelzimmer sind so ausgestattet. Das ist einfach so und hat nichts mit dir und mir zu tun. Aber ich denke, so ein Kingsize-Bett ist groß genug für uns beide.« Sie schaute Nele verlangend an, strich ihr die Haare hinter das linke Ohr und küsste es zärtlich.
Nele überlief ein wohliger Schauer. Sie schloss die Augen und lächelte genießerisch, als Olivia ihr sanft den Hals küsste. Kitzelnd und kosend zog die aufreizende Zungenspitze ihre feuchte Spur. Schließlich biss Olivia ihr nachdrücklich in die Halsbeuge.
»Oh Nell«, klang es dumpf von dort hervor, »du ahnst gar nicht, wie sehr ich mich auf diesen Augenblick gefreut habe.«
»Das ist nichts im Vergleich dazu, wie ich mich nach dir gesehnt habe«, gab Nele heiser flüsternd zurück. Sie vergrub beide Hände in Olivias Haar und löste geschickt den straffen Zopf. Als Olivia den Kopf hob, flossen ihr die Haare wie blonde Seide übers Gesicht.
Gierig umschloss Nele es mit den Händen, und ihre Lippen suchten Olivias Mund. Ihre Lippen fanden sich in einem ebenso innigen wie verlangenden Kuss. Fast gleichzeitig entrang sich ihnen ein tiefer Seufzer.
Dann begann Olivia mit fliegenden Händen Neles Bluse aufzuknöpfen. Als ihr dies vor lauter Hast nicht gleich gelingen wollte, flüsterte sie drängend: »Los, hilf mir!«
Während Nele gehorsam ihre Knöpfe öffnete, griff Olivia hastig nach dem Bund ihrer Jeans. Rasch öffnete sie den Knopf und zog den Reißverschluss auf. Mit einer geschickten Bewegung streifte sie Nele Jeans und Slip gleichzeitig über den Po, bis beides in ihre Kniekehle hängenblieb.
Am liebsten hätte sich Nele auf sie gestürzt. Von der Heftigkeit ihres Begehrens überrascht, geriet sie ein wenig ins Schwanken und griff Halt suchend nach Olivias Schultern. Engumschlungen fielen beide auf das hinter ihnen stehende Bett.
Olivia kam halb über Nele zu liegen und stemmte die Arme rechts und links neben Neles Kopf in die Matratze. Ihr Haar kitzelte Neles Wangen.
»Nell, meine süße Nell«, stöhnte sie Nele ins Ohr. »Wenn du wüsstest, wie sehr ich dich begehre!«
Nele antwortete nicht. Zu sehr war sie damit beschäftigt, ihre Hände unter Olivias Rock und in ihren Slip zu schieben, um ihren Po zu umfassen. Mit festem Griff presste sie Olivia an sich, wand sich unter ihr, rieb sich an ihr. All das steigerte ihr Verlangen nur, half aber nicht, es zu stillen.
»Komm schon, Liv«, keuchte sie, »zieh dich aus! Ich will, nein, ich muss dich spüren.« Sie drängte sich noch enger an Olivia, fast verrückt vor Begierde.
Wie in Zeitlupe löste sich Olivia ein Stück von ihr. Sie lächelte hintergründig. »Honey, du willst mich nackt? Dann verdiene dir das auch! Wir machen einen Deal. Ich ziehe mich für dich aus – und du versprichst mir, dich nicht zu rühren. In Ordnung? Egal, was passiert. Verstanden?« Jetzt klang sie richtig streng. So streng, wie sie manchmal mit ihren Mitarbeitern sprach, wenn diese etwa eine Deadline nicht eingehalten oder eine Aufgabe nachlässig erledigt hatten.
Nele nickte schmunzelnd. Das sah nach einem prickelnd-erregenden Vorspiel aus. »Klingt gut, Boss. Ich werde mich nicht rühren. Versprochen.«
»Gut«, nickte Olivia. In ihren Augen glommen kleine begehrliche Funken. »Dann nimm jetzt gefälligst deine Hände von mir!«
Folgsam zog Nele die Hände aus Olivias Rock und hielt sie hoch, als wolle sie sich ergeben. Olivia glitt von ihr herunter, stand auf und richtete ihren Rock und ihre Frisur. Schon wollte Nele protestieren, da hob Olivia gebieterisch die Hand.
»Du sagst nichts. Zieh dich aus, lehn dich zurück und genieße. Immerhin habe ich dir ein besonderes Wochenende versprochen.« Ihr Ton war warm und lockend. »Und wehe, du lachst.« Das Letzte klang schon weniger selbstbewusst.
Eilig streifte Nele ihre Sachen ab und schlüpfte freudig erschauernd zwischen die Laken.
Da stand Olivia nun in ihrem dunkelgrünen Kostüm auf dazu passenden High Heels. Ihre Augen glitzerten wie Aquamarine durch den dichten Vorhang langer Wimpern. Mit einem sinnlichen Lächeln und aufreizender Langsamkeit öffnete sie die Knöpfe ihrer Kostümjacke. Wie in Zeitlupe streifte sie das Kleidungsstück über ihre Schultern und ließ es in ihre Hände gleiten. Sie zwinkerte Nele zu, während ihre Zungenspitze neckisch ihre Lippen streifte. Schließlich ließ sie die Jacke achtlos zu Boden fallen.
Mit forscher Geste öffnete sie nun den Reißverschluss ihres Rockes. Langsam, ganz langsam, verführerisch den Po drehend, streifte sie ihn sich über die Hüften, ließ ihn fallen und stieg elegant aus dem am Boden liegenden Stoffring. Langbeinig stand sie da in ihren Seidenstrümpfen, auf hohen Absätzen, in schimmernd grauer Seidenbluse, unter der ein dunkelgrünes Seidenhöschen mit Spitzenbesatz hervorlugte.
Nele musste schlucken. Ihr war heiß, brennend heiß, als sie Olivia in dieser verlockenden Pose sah. Ausgerechnet Olivia. Die Kühle. Die Selbstbeherrschte. Deren größte Angst es war, die Fassung zu verlieren.
Was musste sie, Nele, ihr bedeuten, dass sie ihr ein solches Geschenk machte!
Getrieben von diesem Gedanken ließ Nele eine Hand über ihren eigenen Körper gleiten, vom Hals abwärts zwischen ihren Brüsten hindurch. Sie erzitterte unter der Berührung. Der Wunsch, Olivia möge sie jetzt so berühren, nahm ihr fast den Atem.
»Nicht«, flüsterte Olivia. »Noch nicht!« Es steckte so viel Erotik in diesen drei Worten, dass Nele das Blut in ihrem Schoß pulsieren spürte. Schweren Herzens hielt sie inne und richtete ihren Blick wieder begehrlich auf Olivia.
Diese gab nun Knopf für Knopf den Blick auf einen unglaublich sexy Seiden-BH frei. Nele konnte ein leises Stöhnen nicht zurückhalten, was Olivia mit einem Lächeln quittierte. Mit zwei eleganten Schritten war sie am Bett, stellte einen Fuß auf die Bettkante und bat Nele: »Ziehst du mir die bitte aus?«
Das ließ sich Nele nicht zweimal sagen. Sie richtete sich auf, kniete sich vor Olivia auf das Bett und rollte ihr sanft den ersten Strumpf hinunter. Ihre Hände schmeichelten dem festen und doch so zarten Fleisch, streichelten die zarten Innenseiten der Oberschenkel. Dabei blickte sie Olivia unverwandt ins Gesicht, sah, wie sich deren Wimpern genussvoll senkten, wie sich ihre Lippen leicht öffneten und wie sie schließlich den Kopf in den Nacken legte.
Mit einem kleinen, triumphierenden Lächeln nutzte Nele die Gunst der Stunde und glitt mit der Hand wie zufällig in Olivias weites, grünes Seidenhöschen. Olivia reagierte nicht, doch ein kurzes Zusammenzucken verriet, dass sie die Berührung sehr wohl spürte.
Neles Finger trafen aufquellende Nässe. Sie streichelte die zarten Lippen, die sich durch die sanfte Berührung öffneten wie Blütenblätter. Zärtlich massierte sie das schwellende Fleisch, verteilte die Feuchtigkeit, wo immer sie konnte.
Olivia stöhnte laut auf. Ihre Hände hatten sich in Neles Haar festgekrallt, während Nele nun endlich die feste Knospe erreichte. Jede noch so winzige Berührung ließ sie fester aufrecht stehen, stärker anschwellen, empfindlicher werden.
»Nicht, Nelly, nicht doch. Ich war doch noch nicht fertig«, stöhnte Olivia und senkte den Kopf mit lustvoll geschlossenen Augen auf die Brust. Sie holte Luft. Ihre Beine zitterten.
Wie von selbst fanden Neles Finger ihren Weg zwischen den Blütenblättern hindurch, drängten hinein in die feuchte Dunkelheit. Ein heller kleiner Quiekser entrang sich Olivias Kehle.
»Nell! Was tust . . .«
Weiter kam sie nicht, denn jetzt ließ Nele ihre Finger auf- und niedergleiten wie schlanke, gut geölte kleine Kolben einer Maschine. Tiefer und heftiger drang sie ein, während sie die Finger schwirrend in Olivias Schoß bewegte. Olivia stöhnte dumpf. Da sie sich nicht länger auf dem einen absatzbewehrten Fuß halten konnte, hob sie den zweiten Fuß vom Bett, um besseren Halt zu finden. Zitternd und breitbeinig stand sie nun vor Nele.
Diese ließ in ihren Bemühungen nicht nach. Während sie weiter mit nachdrücklicher Sanftheit die Tiefen von Olivias Schoß massierte, zog sie Olivia mit der anderen Hand fest an sich. Sie leckte ihr lasziv den Bauchnabel und spürte, wie sie selbst mehr und mehr in Ekstase geriet. Halb von Sinnen vor Begierde vergrub sie stöhnend den Kopf in Olivias Busen, sog tief deren warmen Duft ein. Ihre Zunge rutsche unter die kühle Seide des BHs, traf auf das weiche Fleisch der Brüste, schließlich auf den harten Nippel, umrundete den dunklen Hof, der sich fest zusammengezogen hatte.
Seufzend, keuchend und stöhnend rieb sie sich an Olivia und nahm wahr, wie diese ihren Rhythmus aufnahm und sich ebenfalls an ihr zu reiben begann – was ihre Erregung nur stärker anfachte. Olivias Haar wallte über Neles Gesicht, und ihre Hände krallten sich in Neles Rücken. Schmerz durchschoss Nele, ließ sie aufstöhnen. Doch wie im Rausch bewegte sie weiter ihre Hand in Olivias Schoß. Immer schneller und fester stieß sie zu, bis Olivia mit einem erlösenden Schrei über ihr zusammenrutschte und sich noch fester an sie klammerte.
Mit sicherem Griff zog Nele Olivia aufs Bett, ohne ihre Hand aus deren Schoß zurückzuziehen. Sie lächelte genießerisch, als sie sich über sie schob. Das Gefühl ihrer heißen, nackten Haut auf Olivias verschwitztem Körper war einfach unbeschreiblich.
Gierig begann sie ihre Hände erneut zu bewegen und trieb Olivia von einem Orgasmus zum nächsten, ohne ihr Zeit zu lassen, auch nur einen Augenblick Luft zu holen. Dabei rieb sie sich selbst an Olivias Oberschenkel. Bald stöhnte sie im Gleichklang mit Olivia, bis die heiße Welle der Lust auch in ihr anrollte. Mit einem dunklen Aufstöhnen sank sie schließlich über Olivia zusammen.
»Nell«, japste diese atemlos, »Nell, du bist völlig wahnsinnig.«
»Nein, nicht wahnsinnig«, murmelte Nele dumpf aus Olivias Busen, wo sie den Kopf gebettet hatte. »Höchstens wahnsinnig verliebt.« Dann hob sie den Kopf, atmete tief durch und lächelte Olivia strahlend an, bevor sie vorsichtig von Olivia herunterrutschte. Als sie ihre Hand aus deren Schoß zurückziehen wollte, presste Olivia die Schenkel fest zusammen.
»Ich lass dich hier nie wieder raus. Das ist einfach zu gut«, schmunzelte sie. Gleich darauf zuckte sie heftig zusammen. Nele hatte spielerisch ihre Finger bewegt.
»Ahhhh«, seufzte Olivia erschöpft. »Ich kann nicht mehr.« Sie lockerte die Spannung ihrer Schenkel, so dass Nele ihre Hand befreien konnte.
Nun war es Nele, die schmunzelte: »Nett, dass du dein Höschen so weit gekauft hast.« Sie ließ ihre feuchten Finger auf Olivias Bauch zärtliche Runden ziehen.
»Gern. Aber eigentlich war das ja anders gedacht.« Olivia kuschelte sich eng an Nele und brummte: »Ich bin wohl die schlechteste Stripperin aller Zeiten.«
»Nicht doch, Sweetheart, nicht doch«, flüsterte Nele beruhigend. »Das war der heißeste Strip, den ich je gesehen habe.«
Ein dumpfes Poltern ließ sie zusammenschrecken. »Was war das?«, fragte sie stirnrunzelnd.
Olivia kicherte. »Meine Schuhe. Ich hatte sie immer noch an.«
»Oh, du bist so heiß. Hab ich dir das eigentlich je gesagt?«, wisperte Nele, während sie Olivia am Ohr knabberte.
Zärtlich antwortete Olivia: »Mehr als einmal.« Sie richtete sich auf.
»Was ist?«
»Ich möchte dich auch noch ein wenig glücklicher machen«, erklärte Olivia mit warmem Lächeln. »Aber dazu möchte ich dich ganz spüren. Machst du mir bitte mal den BH auf?«
»Nichts lieber als das«, gab Nele zurück.
Ohne viel Federlesens streifte Olivia nun Strümpfe und Unterwäsche gänzlich ab, und Nele sah ihr erwartungsvoll zu. Dann begann sich Olivia ihr mit Leidenschaft und Hingabe zu widmen.
Später, als sie erschöpft nebeneinander einschliefen, murmelte Nele glücklich: »Kentucky!« Aber das hörte Olivia schon nicht mehr.
Als sie am frühen Nachmittag eng umschlungen erwachten, schien die Sonne aufmunternd ins Zimmer.
Nele gähnte und blinzelte. »Liv, das ist jetzt schon das beste Wochenende, das wir je hatten.«
»Scheint mir auch so, Honey«, gab Olivia zurück. »Zumal es das erste ist.« Sie lächelte keck. »Ich hoffe, du hast noch ein bisschen Kraft für Keeneland?«
»Aber sicher doch! Nichts powert mich mehr auf als Sex mit einer tollen Frau.« Nele strahlte Olivia an, gab ihr einen Kuss und verschwand im Badezimmer.
Eine knappe Stunde später parkten sie den Mietwagen zwischen vielen anderen Autos auf den grünen Hügeln unweit der berühmten Pferderennbahn und stiegen aus. Hamburgerduft lag in der Luft. Nele schnupperte.
»Wow, hier riecht es aber gut. Das erinnert mich daran, dass ich einen Mordshunger habe.« Übermütig hakte sie sich bei Olivia ein.
Die erklärte mit einem Schulterzucken: »Ach, das sind nur Tailgate Partys.«
»Tailgate-was?«
»Tailgate Partys. Die Leute machen so was auf dem Parkplatz vor einem Event. Sie öffnen die Heckklappe ihrer Autos, also das Tailgate, werfen den Grill an und machen ein Barbecue mit Familien und Freunden. Schöne Sache, haben wir früher mit unserem Pick-up auch gemacht. Mom, Dad, meine Geschwister und ich . . . Ich habe das geliebt.« Versonnen starrte Olivia zu einem anderen Teil des großflächigen Parkplatzes hinüber, wo tatsächlich lange Reihen von Pick-ups mit geöffneter Heckklappe standen.
Nele bedauerte: »Schade, dass wir das nicht auch machen können. Warum hast du uns keinen Pick-up gemietet? Ich hätte das cool gefunden.«
»Süße, du sollst nicht alles cool finden«, rügte Olivia belustigt. »Du sollst auftreten wie die Repräsentantin einer großen, weltweit agierenden Firma. Komm, hier lang. Da vorn fährt der Shuttlebus zum Haupteingang ab.«
»Ist das dort drüben der Haupteingang?« Nele deutete auf ein flaches Gebäude, auf das von allen Seiten Menschen zuströmten.
»Ja, klar.«
»Und warum laufen wir nicht? Ist doch nicht weit.« Schon wollte Nele Olivia mit in Richtung des Eingangs ziehen. Doch Olivia hielt sie zurück.
»Nelly, wir sind nicht in New York. Hier läuft man nicht. Gewöhn dich dran. Außerdem – du trägst ja flache Schuhe und Hosenanzug, aber glaubst du wirklich, dass ich mit diesen Pumps mehr als nötig gehen möchte?« Vorwurfsvoll deutete sie auf ihre schwarzen Pumps mit dem hohen Pfennigabsatz.
»Oh, ich vergaß. Tut mir leid«, entschuldigte sich Nele und drehte sich zu ihr um. »Du siehst wirklich mehr als repräsentabel aus.« Bewundernd musterte sie Olivias schwarzes Etuikleid mit der ebenfalls schwarzen Bolerojacke. Dann musste sie jedoch kichern.
»Was ist?«, fragte Olivia streng, während sie sie in den Shuttlebus drängte. »Ist mein Lippenstift etwa verschmiert?«
»Nö.« Nele gluckste vergnügt. »Aber an das Vogelnest auf deinem Kopf werde ich mich wohl nie gewöhnen.«
»Dieses Vogelnest ist ein Fascinator«, gab Olivia spitz zurück. »Das trägt man eben beim Rennen. Schau dich um und lerne!«
»Ja, Boss«, nickte Nele ergeben.
Die Fahrt dauerte erwartungsgemäß nicht lange. Sie stiegen aus und ließen sich mit dem Strom der anderen Besucher durch das große Haupttor treiben, vorbei an den älteren Herren in schmucken dunkelblauen Blazern und mit kreisrunden Hüten auf dem Kopf, die die Eintrittskarten verkauften. Nele ließ neugierig ihre Blicke schweifen. Die Menschenmenge um sie herum war bunt und vielfältig. Da gab es viele Damen, die trotz der Aprilkühle in leichten Kleidern erschienen waren und auf deren Köpfen die verwegensten Hutkreationen thronten. Herren im Frack sogen an dicken Zigarren. Andere wiederum, egal ob männlich oder weiblich, waren in Jeans und Holzfällerhemden erschienen. Anscheinend konnte hier jeder nach seinem Gusto auftreten.
Nele war fasziniert. Niemals zuvor war sie bei einem Pferderennen oder Reitturnier gewesen. Alles war neu und spannend: der Platz, auf dem die teilnehmenden Pferde der neugierigen Menge vorgestellt wurden, die Jockeyfiguren, die die erfolgreichsten Reiter repräsentierten, und – immer wieder von neuem – die bunte Menge.