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Kann man sich in eine Elfe verlieben? Wenn diese als Weihnachtsmannhilfe im Einkaufszentrum arbeitet, durchaus. Jeden Tag kommt Anna hierher, um ihre Elfe zu bewundern und von ihr zu träumen. Doch plötzlich bringt eine unverhoffte Begegnung Annas Träume ganz durcheinander ...
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Seitenzahl: 38
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Eine weihnachtliche Geschichte
© 2013édition el!es
www.elles.de [email protected]
Alle Rechte vorbehalten.
ISBN 978-3-95609-091-2
Coverillustration: © Ekaterina Garyuk – Fotolia.com
Anna schnupperte ein wenig melancholisch an ihrem Kaffee. Lebkuchen Latte. Ihr neuester Lieblingskaffee. Vorsichtig stippte sie den Zeigefinger in die dicke Sahne und leckte diesen dann lustvoll mit geschlossenen Augen ab, während sie dem aromatischen Geschmack nachspürte.
Es schmeckte wirklich nach Weihnachten. Keine Frage. Anna seufzte.
Um sie herum im hell erleuchteten Einkaufszentrum herrschte hektische Betriebsamkeit. Unzählige Menschen hasteten tütenbeladen die Gänge hinauf und hinunter. Aus jedem Geschäft quoll Weihnachtsmusik, die sich in den Gängen zu einer diffusen Klangwolke vermengte. Lediglich Glöckchenklingeln und Rudolph, the red nosed reindeer waren eindeutig auszumachen.
Anna seufzte erneut und nahm einen Schluck Kaffee. Auf der kleinen Bühne vor ihr stand inmitten von wattebedeckten Papptannen ein großer Schlitten, der von zwei Papprentieren gezogen wurde. Darauf türmten sich Berge von liebevoll eingepackten Geschenkpäckchen. Auf der anderen Seite erhob sich ein thronähnliches Gebilde mit roter Polsterung und goldenen Armlehnen.
Seit einer Woche kam sie nun schon nach der Arbeit hierher, um zuzusehen, wie der Weihnachtsmann die Kinder empfing, sich Geschichten anhörte, Wunschzettel in Empfang nahm und hin und wieder auch Tränen trocknete.
Es machte Anna seltsam nostalgisch, diesem jährlich wiederkehrenden Ritus zuzuschauen. Sie erinnerte sich an den muffigen Geruch, der von der Kutte des Weihnachtsmannes ausgegangen war, als sie als Kind auf seinem Schoß gesessen hatte.
Anna lächelte bei dem Gedanken daran, wie sie ihm als Vierjährige mit beiden Händen voller Begeisterung in den Bart gefasst und freudig quietschend daran gezogen hatte, weil ihr Onkel ihr unbedingt hatte mitteilen müssen, dass der Bart nicht echt sei. Der Bart dieses Kaufhausweihnachtsmannes war allerdings echt gewesen, wie sie an seinem schmerzverzerrten Gesicht unzweifelhaft hatte ablesen können.
Seit diesem Tag war ihr Glaube an den Weihnachtsmann nur noch unerschütterlicher geworden.
Wieder nahm Anna melancholisch einen Schluck Kaffee und biss in ihren Cranberrymuffin.
Wundervoller als der Weihnachtsmann waren ihr stets nur die Elfen erschienen. Diese ätherischen Wesen mit den langen, blonden Haaren und den zartbestrumpften Beinen. Und wenn sie dann gar noch Flügel hatten!
Nicht zu sagen, mit welcher Inbrunst Anna sich immer wieder Bilder von Elfen angeschaut hatte. Dabei war ihr völlig egal gewesen, dass Elfen in Bezug auf Weihnachten eine ziemlich amerikanische Erfindung waren, die nur in Begleitung von Santa Claus einschwebten.
In dieser Beziehung lobte sich Anna die Globalisierung. Endlich gab es Santa Claus und seine Elfen nicht nur in Märchenbüchern, sondern auch in deutschen Einkaufszentren. Nichts hätte ihr die erste Vorweihnachtszeit, die sie fern von Freunden und Familie verbrachte, mehr versüßen können.
Seit einer Woche himmelte sie Ginger schon an. Ginger – so hatte sie ihre persönliche Weihnachtselfe getauft. Nicht dass die betreffende Elfe davon gewusst hätte, aber das machte Anna nichts aus.
Sie genoss es, jeden Nachmittag in das Einkaufszentrum zu kommen, ihren Latte zu trinken und Ginger anzustarren.
Schlank, in grüner Jacke mit weißem Pelzbesatz und in orangefarbenen Strumpfhosen, eine ebenfalls grüne Mütze mit großer, weißer Bommel keck auf dem Kopf, half sie dem Weihnachtsmann, all die vielen Kinder, die auf seinen Schoß wollten, im Zaum zu halten.
Natürlich nicht allein. Da gab es schon noch zwei, drei andere, aber für die hatte Anna keinen Blick. Ihren Blick hatte sie auf Ginger geheftet, die mit freundlichem Lächeln und strahlenden Augen half, Kinderwünsche zu erfüllen.
Oh, wenn sie doch nur einen einzigen ihrer Wünsche erfüllen würde . . .
Einmal nur wünschte Anna sich, dass diese vollen Lippen ihr liebevoll Weihnachtswünsche ins Ohr hauchten, einmal nur sollten diese herrlich blauen Augen sie Freude strahlend ansehen, einmal nur . . .
Bei diesem Gedanken wurde Anna heiß. Sie nahm ihre Pudelmütze vom Kopf, wuschelte hastig ihr braunes Haar zurecht und öffnete ihren dicken Wollmantel.
Es wurde wirklich Zeit, dass sie sich in dieser für sie noch so neuen Stadt eigene Freude suchte. Das war ja nicht zum Aushalten.
Aber wieso hatte sie ausgerechnet heute auch länger arbeiten müssen? Sonst hatte Ginger ihr den Feierabend versüßt, und sie war entspannt verträumt in ihre neue, wenn auch noch sehr leere Zweizimmerwohnung zurückgekehrt.
Heute jedoch war sie bitter enttäuscht worden. Als sie vor einer Viertelstunde hier eingetroffen war, hatte der Weihnachtsmann gerade den letzten Knirps vom Schoß gehoben, zwei Anna unbekannte Elfen hatten noch ein wenig aufgeräumt. Ginger war nirgends zu sehen gewesen.
Schade. Anna stand auf. Möglicherweise würde sie sich ja heute dazu aufraffen, sich im Fitnessstudio anzumelden. Dort sollte es ja durchaus auch attraktive Frauen geben. Vielleicht sogar ein wenig realer als Elfen.