Agile Verwaltung 2040 -  - E-Book

Agile Verwaltung 2040 E-Book

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Beschreibung

Vom Silodenken zur Serviceorientierung Die Transformation einer Gesellschaft macht auch vor ihrer Verwaltung nicht Halt. Grundlegende Veränderungen wie die Digitalisierung sind dabei nicht allein eine Frage der Infrastruktur. Sie finden vor allem in den Köpfen statt, erfordern neue Formen der Zusammenarbeit und der Kommunikation, Kreativität und eine zeitgemäße Führung – kurz: agiles Denken. Dieses Buch macht konkrete Vorschläge zu künftigen Strukturen und vermittelt praktikable Ansätze zur Veränderung. Es spannt den Bogen von grundsätzlichen Überlegungen zu Agilität und Verwaltung über den Auftrag der Verwaltung für die Zivilgesellschaft bis hin zu den Ergebnissen agiler Arbeitsweisen. Der Schwerpunkt liegt auf der Befähigung aller Beteiligten, Zukunftsthemen, insbesondere die digitale Transformation, voranzubringen. In Projektberichten und Grundlagenbeiträgen wird deutlich, in welche Richtung sich Verwaltungen bereits entwickeln und wohin sie sich weiter bewegen können. Das Buch richtet sich gleichermaßen an Mitarbeitende und Führungskräfte in der öffentlichen Verwaltung wie an Projektmanager:innen, Berater:innen und Organisationsentwickler:innen, die Weichen für die Zukunft stellen und Herausforderungen innovativ lösen wollen. Mit Beiträgen von: Inken Alber • Andre Claaßen • Heike Eckert • Valerie Isabel Elss • Silke Faber • Philipp Frey • Nico Fritz • Christine Gebler • Antje Hinz • Daniel Hoernemann alias Walbrodt • Miriam Ibrahimovic • Rahel Kindermann Leuthard • Veronika Levesque • Thomas Michl • Gabriele Schneck • Christoph Schneider • Wolfram von Schneyder • Cornelia Vonhof • Ulrike Wahl • Lucyna Zalas. Die Herausgeber:innen: Peter Bauer, Dipl.-Ing.; Vorsitzender des "Forums Agile Verwaltung e.V."; Mitarbeiter einer Großstadtverwaltung und nebenberuflich freier Trainer und Berater. Christiane Büchter, Dr.; stellvertretende Dezernentin für Digitale Transformation und Prozessorganisation an der Universität Bielefeld. Jan Fischbach, Trainer und Berater im Scrum-Events-Netzwerk; Geschäftsführer der Common Sense Team GmbH; Mitorganisator zahlreicher Konferenzen und Autor mehrerer Fachbücher; Entwickler des Ubongo Flow Games. Alexander Joedecke, Dipl.-Ing. (FH); Systemischer Organisationsberater und Coach; seit 2020 als selbstständiger Organisationsberater u. a. mit den Schwerpunkten Changemanagement und Agiles Arbeiten in Industrie und Verwaltung tätig. Wolf Steinbrecher, Mitgründer und Geschäftsführer der Common Sense Team GmbH; Berater von Unternehmen und öffentlichen Verwaltungen bei der digitalen Transformation.

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Seitenzahl: 525

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Die ReiheManagement/Organisationsberatung

Die heutige Gesellschaft ist eine organisierte Gesellschaft. Man muss schon lange suchen, um überhaupt noch Bereiche zu finden, die nicht von Organisationen geprägt sind. Unternehmen jedweder Größe und Eigentumsform, Verwaltungen, Schulen, Gerichte, Krankenhäuser, Universitäten, Kirchen, Verbände, Parteien, Vereine etc. – allesamt übernehmen sie gesellschaftliche Funktionen und bestimmen unser Leben. Die Fülle an Aufgaben, die unter den Bedingungen zunehmender Globalisierung und Digitalisierung gleichzeitig zu erfüllen sind, wie auch die Bandbreite an Organisationskonzepten und Führungsansätzen, mit denen der komplexe Alltag bewältigt werden soll, stecken das Feld ab, in dem Management und Beratung mehr oder weniger wirksam werden.

Die Zeiten, in denen es einfache Antworten auf die vielfältigen Fragen zur Überlebenssicherung einer Organisation und auch zur Steuerung tagtäglicher Entscheidungsprozesse gab, sind seit Langem vorüber. Der Komplexität, mit der heute alle konfrontiert sind, die in verantwortlichen Funktionen in und mit Organisationen arbeiten – Führungskräfte, Manager und Organisationsberater etc. –, wird man mit Rezeptwissen nicht mehr gerecht. Hier setzen die neuere Systemtheorie und mit ihr die Reihe Management/Organisationsberatung im Carl-Auer Verlag an. Beide liefern Konzepte und »Landkarten«, die auch im unübersichtlichen Terrain von Wirtschaft und Organisation Orientierung ermöglichen und Handlungsfähigkeit sicherstellen.

Das Ziel der Reihe ist es, empirisch gehaltvolle Forschungen über die Prozesse des Organisierens wie auch theoretisch angemessene Führungs- und Beratungsansätze zu präsentieren. Zugleich sollen bewährte Methoden einer system- und lösungsorientierten Praxis im Kontext von Organisationen überprüft und neue Ansätze entwickelt werden.

Torsten Groth

Herausgeber der Reihe

Management/Organisationsberatung

Peter Bauer/Christiane Büchter/Jan Fischbach/Alexander Joedecke/Wolf Steinbrecher (Hrsg.)

Agile Verwaltung 2040

Visionen, Methoden, Erfahrungen

2024

Mitglieder des wissenschaftlichen Beirats des Carl-Auer Verlags:

Prof. Dr. Dr. h. c. Rolf Arnold (Kaiserslautern)

Prof. Dr. Dirk Baecker (Dresden)

Prof. Dr. Ulrich Clement (Heidelberg)

Prof. Dr. Jörg Fengler (Köln)

Dr. Barbara Heitger (Wien)

Prof. Dr. Johannes Herwig-Lempp (Merseburg)

Prof. Dr. Bruno Hildenbrand (Jena)

Prof. Dr. Karl L. Holtz (Heidelberg)

Prof. Dr. Heiko Kleve (Witten/Herdecke)

Dr. Roswita Königswieser (Wien)

Prof. Dr. Jürgen Kriz (Osnabrück)

Prof. Dr. Friedebert Kröger (Heidelberg)

Tom Levold (Köln)

Dr. Kurt Ludewig (Münster)

Dr. Burkhard Peter (München)

Prof. Dr. Bernhard Pörksen (Tübingen)

Prof. Dr. Kersten Reich (Köln)

Dr. Rüdiger Retzlaff (Heidelberg)

Prof. Dr. Wolf Ritscher (Esslingen)

Dr. Wilhelm Rotthaus (Bergheim bei Köln)

Prof. Dr. Arist von Schlippe (Witten/Herdecke)

Dr. Gunther Schmidt (Heidelberg)

Prof. Dr. Siegfried J. Schmidt (Münster)

Jakob R. Schneider (München)

Prof. Dr. Jochen Schweitzer † (Heidelberg)

Prof. Dr. Fritz B. Simon (Berlin)

Dr. Therese Steiner (Embrach)

Prof. Dr. Dr. Helm Stierlin † (Heidelberg)

Karsten Trebesch (Dallgow-Döberitz)

Bernhard Trenkle (Rottweil)

Prof. Dr. Sigrid Tschöpe-Scheffler (Köln)

Prof. Dr. Reinhard Voß (Koblenz)

Dr. Gunthard Weber (Wiesloch)

Prof. Dr. Rudolf Wimmer (Wien)

Prof. Dr. Michael Wirsching (Freiburg)

Prof. Dr. Jan V. Wirth (Meerbusch)

Themenreihe: »Management/Organisationsberatung«

hrsg. von Torsten Groth

Reihengestaltung: Uwe Göbel

Umschlaggestaltung: B. Charlotte Ulrich

Umschlagmotiv: © MindShiftMasteryHub – stock.adobe.com

Redaktion: Markus Pohlmann

Satz: Verlagsservice Hegele, Heiligkreuzsteinach

Printed in Germany

Druck und Bindung: TZ-Verlag & Print GmbH, Roßdorf

Erste Auflage, 2024

ISBN 978-3-8497-0554-1 (Printausgabe)

ISBN 978-3-8497-8506-2 (ePUB)

© 2024 Carl-Auer-Systeme Verlag und Verlagsbuchhandlung GmbH, Heidelberg

Alle Rechte vorbehalten

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

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Carl-Auer Verlag GmbH

Vangerowstraße 14 • 69115 Heidelberg

Tel. +49 6221 6438-0 • Fax +49 6221 6438-22

[email protected]

Inhalt

Einleitung

Peter Bauer, Christiane Büchter, Jan Fischbach, Alexander Joedecke und Wolf Steinbrecher

Wozu dieses Buch?

Agiles Schreiben eines Buchs über Agilität – Ergebnisse eines Experiments

Werte und Visionen

Vision einer agilen Verwaltung

Teil I: Grundlegende Reflexion

1 Was ist Agilität? – Drei Sichtweisen

Christiane Büchter und Wolf Steinbrecher

1.1 Drei Sichtweisen auf Agilität

1.2Sichtweise 1: Fokus auf Methoden als »Werkzeugkoffer«

1.3Sichtweise 2: Fokus auf crossfunktionale, selbstorganisierte Teams

1.4Sichtweise 3: Ganzheitlicher, gemeinwohlorientierter Ansatz

1.5 Sichtweisen oder Entwicklungsstufen?

Literatur

2 Werte der preußischen Reformer von 1807/08

Jan Fischbach

2.1 Die Welt verändert Preußen

2.2 Die Reformer treffen sich in Königsberg

2.3 Was können wir aus dem Selbstverständnis dieser Reformen lernen?

Literatur

3 Megatrends und ihre Auswirkungen auf die Verwaltung

Wolfram von Schneyder und Peter Bauer im Gespräch

3.1 Was bedeuten Megatrends für die Verwaltung?

3.2 Was sind Megatrends?

3.3 Personalmangel in der Verwaltung

3.4 Anforderungen an das Personal der Zukunft

3.5 Welche Megatrends wirken in der Verwaltung?

3.6 Stellräder: Führungspositionen der Verwaltung und Rahmen der Wirksamkeit setzen

3.7 Demokratie als neuer Megatrend

3.8 Mobilität – Stadt – Land

3.9 Wünsche an den Umgang der Kommunen mit den Megatrends

Literatur

4 Macht und Aufmerksamkeit – Urkräfte gegen Veränderung

Peter Bauer

4.1 Überholte Denkweise und Strukturen

4.2 Die Notwendigkeit von Veränderungen wird vielerorts durchaus gesehen

4.3 Warum geht es trotzdem so langsam? Eine These

4.4 Hierarchien und Zuständigkeiten

4.5 Exkurs: Kohorten in der Verwaltung

4.6 Verborgene Netze

4.7 Silostrukturen und Reviere

4.8 Das Recht als Rahmensetzung

4.9 Lebensmodelle

4.10 »Success Washing«

4.11 Macht

4.12 Aufmerksamkeit

4.13 Was tun?

Literatur

5 Die Kraft der Innovationen von der »Kundenfront«

Wolf Steinbrecher und Alexander Joedecke

5.1 Verführerisch: Von oben nach unten auf die Welt schauen

5.2 Abstraktes Denken »von oben« birgt die Gefahr des Scheiterns

5.3 Verbesserungspotenziale sichtbar machen

5.4 Situative Störungsanalyse

5.5 Lösungssuche und Umsetzung

5.6 Effectuation

5.7 Systematisieren der Lösungen nach der Ölfleckmethode

5.8 Exkurs: Phronesis oder die Macht des Handelns aus der Situation

5.9 Fazit

5.10 Anhang: Formulare

Literatur

Teil II: Wirkungen nach außen, auf Bürger:innen und Zivilgesellschaft

6 Freiheit der Räume – Freiheit der Grenzen

Veronika Lévesque und Wolf Steinbrecher im Gespräch

6.1 Agiles Manifest als Grundlage für Verwaltungshandeln?

6.2 Spannungsfeld zwischen Entscheidungsspielraum und einheitlichem Verwaltungshandeln

6.3 Regeln sind Konzentrate vergangener Erfahrung und dienen der Gleichbehandlung

6.4 Ab wann wird strukturiertes Verwaltungshandeln Selbstzweck?

6.5 Was können Algorithmen leisten? Und was nicht?

6.6 Mehr Aushandlung und verantwortliche Entscheidung

Literatur

7 Agil mobil – Ein studentisches Praxisprojekt zur bürgernahen Verkehrsplanung

Valerie Elss und Nico Fritz

7.1 Agilität und Stadtplanung: Wie passt das zusammen?

7.2 #agilesMV – Mobilitätsstation der Zukunft

Ableitung einer Handlungsempfehlung

Literatur

8 Mehr gestalten als verwalten – Aus Stadtplanung und integrierten Raumentwicklungsprozessen lernen

Silke Faber und Lucyna Zalas

8.1 Stadtplanung ist VUCA … und zugleich statisch

8.2 Unterschiedliche Aufgaben erfordern unterschiedliche Handlungsweisen

8.3 Agile Ansätze in der Stadtplanung

8.4 Exkurs: Instrumente der Stadtplanung im Detail

8.5 Vision, Verstehen und Klarheit durch integrierte Stadtentwicklungskonzepte

8.6 Verwaltung und ihr Handeln in integrierten Stadtentwicklungsprozessen

8.7 Agilität in der Stadtplanung als Vorbild und Chance

8.8 Grenzen von VUCA-Prime und Agilität in der Stadtplanung

Literatur

9 Verantwortungsvolle Verwaltung in der Gesellschaft

Wolf Steinbrecher

9.1 Zum Einstieg: »Daseinsvorsorge« oder »schlanker Staat«? Oder etwas ganz Neues?

9.2Wunschbild 1: Aufsuchende Verwaltung

9.3 Wunschbild 2: Hinschauende Verwaltung

9.4 Wunschbild 3: Einbeziehende Verwaltung

9.5Wunschbild 4: Mutige Verwaltung

9.6Wunschbild 5: Ausgleichende Verwaltung

9.7 Welche Zukunft wünschen wir uns?

Literatur

10 Gehen Sie zum Äußersten: Sprechen Sie mit Ihren Nutzer:innen!

Christiane Stürmer und Julia Kießig im Gespräch

10.1 Nutzerzentrierte Gesetzgebungsverfahren

10.2 Ausblick

Literatur

Teil III: Interne Transformation – Wie wollen wir zukünftig arbeiten?

11 »True North Star Journey«: Von den Silos zum Teamplay – Der Nordstern als Orientierungspunkt für die Organisation in einem Change-Prozess

Rahel Kindermann Leuthard und Thomas Michl

11.1 Die Verbesserungskata und ihre Elemente

11.2 Fallbeispiel: Agile Transformation einer städtischen Abteilung

Literatur

12 Ein praktikabler Weg zur prozessorientierten Organisationsgestaltung

Heike Eckert und Cornelia Vonhof

12.1 Beispielhafter Blick in den aktuellen Verwaltungsalltag

12.2 Wegweiser für eine zukunftsfähige Neuausrichtung

12.3 Prozessmanagement als Beratungsdienstleistung für prozessorientierte Organisationsgestaltung begreifen

12.4 Vorschlag eines integrativen Rollenmodells für gelebte Prozessorientierung

12.5 Prozesslandkarten als Navigations- und Managementinstrument

12.6 Arbeit von Prozessteams als Garant der kontinuierlichen Weiterentwicklung von Prozessen

12.7 Fazit

Literatur

13 Prozessorientierte Organisationsgestaltung: Schlüssel für agiles Verwaltungshandeln

Cornelia Vonhof und Heike Eckert

13.1 Schlüssel wofür? Was wir unter agilem Verwaltungshandeln verstehen

13.2 Was verstehen wir unter prozessorientierter Organisationsgestaltung?

13.3 Wie wird eine prozessorientierte Organisationsgestaltung zum Schlüssel für agiles Verwaltungshandeln?

13.4 Warum es sich lohnt, diesen Weg zu beschreiten

13.5 Wie wir agiles Prozessmanagement verstehen

13.6 Fazit

Literatur

14 Selbstorganisation von Verwaltungseinheiten – Zukunftsmodell mit Blaupause für alle?

Gabriele Schneck und Miriam Ibrahimovic

14.1 Einführung

14.2 Was hat das Projekt »Agile KST« ausgelöst, und warum schreiben wir darüber?

14.3 Die Vision unseres Selbstorganisationsprojekts

14.4 Rahmendaten des Projekts »Agile KST«

14.5 Warum pilotieren wir ausgerechnet Selbstorganisation?

14.6 Transfer: Gibt es für »Selbstorganisation im Bauhof« eine Blaupause?

14.7 Im »gläsernen Gewächshaus« fruchtbar arbeiten

14.8 Im »Tal der Tränen«

14.9 Impulse und Ergänzungen des Bauhofs der Stadt Herrenberg

Interview mit Amtsleiter Stefan Kraus

14.10 Mutmachende Tipps für Visionär:innen, die wie wir starten wollen

15 »Ordnungsbehörde für Schöpferisches« – Neue Fragen stellen und Kreativität nutzen

Antje Hinz und Daniel Hoernemann alias Walbrodt

15.1 Ordnen oder Schöpfen

15.2 Kreatives Handeln schafft Selbstwirksamkeit

15.3 Fragen als Türöffner für Kreativität

15.4 Perspektivenwechsel

15.5 Vielfalt und Quereinsteiger:innen

15.6 Neue Experimentierräume und Erprobungsorte

15.7 Ressourcen und Improvisation in der VUCA-Welt

15.8 Über das Atelier in der Verwaltung

Daniel Hoernemann alias Walbrodt

15.9 Über »Zirkeltraining Fragenfitness« und »Questionstorming«

Antje Hinz

15.10 Kunst über Kunst hinaus

15.11 Verwaltung im Aufbruch

15.12 Digitale Transformation

15.13 Budgets für Fragenfitness und Kreativität

15.14 Stichhaltige Argumente für kreative Freiräume

15.15 Spielend lernen ohne Siegerehrung

15.16 Ausblick: Eine andere Verwaltung 2040 – Beflügelt durch Fragenfitness und Kreativität

Literatur

16 Objectives & Key Results (OKR) in der Verwaltung

Inken Alber und André Claaßen

16.1 Hintergrund

16.2 Was ist OKR?

16.3 OKR in der Verwaltung? – Na sicher!

16.4 OKRs in der Community – digital@M

16.5 OKRs für die Teamstruktur – Shift Studio

16.6 OKRs aus, mit und für die Bundeswehr – Cyber Innovation Hub (CIHBw)

16.7 Fünf Gründe, jetzt mit OKRs anzufangen

16.8Theorie Praxis!

Literatur

17 Freiräume für Strategie und innovative Lösungen schaffen – Stabilität und Agilität als duales Betriebssystem in Verwaltungen

Christine Gebler

17.1 Management und Steuerung von Organisationen

17.2 Standardgeschäft von Verwaltungen versus VUCA-Welt

17.3 Arbeit im System versus Arbeit am System

17.4 Verwaltungen für Problemlösungen und das Alltagsgeschäft mit Parallelbetriebssystem, Schutzraumprojekten und Rot-blau-Denken gut aufstellen

17.5 Umsetzung in der Praxis – Beispiele

17.6 Fazit

Literatur

Teil IV: Interne Transformation – Wie organisieren wir sie?

18 Raus aus dem Dornröschenschlaf – Personalentwicklung öffentlicher Verwaltung als Schlüssel zu gelungener agiler (und digitaler) Transformation

Dominik Modrzyński, Saskia Kasseck und Nathalie Weisenburger

18.1 Verschläft die Verwaltung Chancen, die Personalentwicklung eröffnet?

18.2 Personalentwicklung in der öffentlichen Verwaltung – Ergebnisse ethnografischer Forschung

18.3 Agilität durch Personalentwicklung

18.4 Fazit

Literatur

19 Drei Vorgehensweisen bei der Einführung von Dokumentenmanagementsystemen

Christiane Büchter und Wolf Steinbrecher

19.1 Vom Zielbild her denken

19.2 Sechs Aufgabenarten

19.3Vorgehensmodell 1: Autoritäre Disziplinierung

19.4Vorgehensmodell 2: Paternalistische Optimierung

19.5Vorgehensweise 3: Demokratisches Empowerment

19.6 Was ist ein Projekterfolg?

19.7 Technische versus nutzerzentrierte Definition von Anforderungen

19.8 Fazit: Digitalisierung ist kein Ziel an sich

Literatur

20 Erfolgsfaktoren digitaler Transformationen

Christiane Büchter und Gabriele Schneck

20.1 Einführung

20.2 Was ist digitale Transformation in der Verwaltung?

20.3 Erfolgsfaktoren mit ihren Risiken und Nebenwirkungen

20.4 Kollateralgewinn: Welche Chancen bieten digitale Transformationen der Organisation und ihren Menschen?

20.5 Konkret anpacken – Impulse und Gedanken für einen erfolgreichen Start

Literatur

21 Anwendung und erste Schritte – Warum gemeinsames, schrittweises Entwickeln von Lösungen wichtiger ist als sofortige perfekte Ergebnisse

Alexander Joedecke und Ulrike Margit Wahl

21.1 Auftragsklärung

21.2 Anlass für Veränderung

21.3 Vorbereitung

21.4 Erste Schritte

21.5 Fazit

Literatur

Teil V: Auf der Zielgeraden

22 Warum ist das Thema agile Transformation für die Verwaltung wichtig?

Jan Fischbach

22.1 Die Städte werden die Treiber für Veränderungen

22.2 Ohne Verwaltung gäbe es keine Agilität

22.3 Was bedeutet Agilität in der Verwaltung?

22.4 Wie kann Agilität in der Verwaltung gelingen?

Literatur

23 Amt für Gemeinwohl und Innovation – Utopie eines demokratisch-innovativen Staates

Christoph Schneider und Philipp Frey

23.1 Große Transformation

23.2 Gründung und Struktur des Amtes

23.3 Demokratische Innovationsinfrastruktur

23.4 Die Innovationsplattform

23.5 Zukunft

Literatur

24 Ein Tag im Leben des Björn Reincke

Christiane Büchter, Heike Eckert, Silke Faber, Christine Gebler, Antje Hinz, Alexander Joedecke, Gabriele Schneck, Wolf Steinbrecher und Ulrike Margit Wahl

Einführung

9:00–9:30 Uhr – Stand-up und Tagesplan

9:30–10:00 Uhr – Tägliche Wissensarbeit

10:00–11:00 Uhr – Am Bürgerkiosk

11:00–12:30 Uhr – Besprechung eines Bauantrags

12:30–13:00 Uhr – Mittagspause

13:00–14:30 Uhr – Arbeit an einer Bebauungsplanung

15:00–16:30 Uhr – Zukunftswerkstatt planen

16:30–18:00 Uhr – Vorstellung der neuen Bewerberin

Nach 18:00 Uhr – Als Bürger daheim

Verzeichnis der Tabellen

Über die Autor:innen

Über die Herausgeber:innen

Einleitung

Peter Bauer, Christiane Büchter, Jan Fischbach, Alexander Joedecke und Wolf Steinbrecher

Wozu dieses Buch?

Noch ein Buch über Agilität? Ist das Thema in öffentlichen Verwaltungen nicht längst diskreditiert? Das könnte man denken, wenn man in Verwaltungen das Wort in den Mund nimmt. Müdes Abwinken, »Das klappt ja doch nicht« und »Wir dürfen das nicht«, sind häufige Reaktionen. Oder es werden Umwege gegangen: Wenn du es agil machen willst, sag nicht, dass es agil ist.

Wer in einer Verwaltung arbeitet oder Verwaltungen berät, erlebt in der Praxis etwas anderes: Obwohl es Vorschriften, Gesetze und Vorgaben gibt, die scheinbar keinen Spielraum lassen, entstehen vor Ort im direkten Dialog überraschende Lösungen für handfeste Probleme, die bereits als »nicht lösbar« eingestuft waren.

Unser Buch will diese Geschichten erzählen.

Agile Verwaltung 2040 ist eine Chiffre. Nicht für ein Zielbild, dass umgesetzt werden will, sondern für einen Weg. Erzählt werden Geschichten einer Agilität, die noch gar nicht erreicht ist. Agilität, die anders ist als das, was im öffentlichen Raum als Agilität dargestellt wird. Es geht um ein großes Bedürfnis nach echter Zusammenarbeit auf Augenhöhe, um Arbeit über »Silogrenzen« hinweg. Im Gespräch mit denjenigen, die täglich all die kleinen Lösungen ermöglichen, die den großen Verwaltungsapparat handlungsfähig halten. Agilität ist nichts Theoretisches, sondern konzentrierter Pragmatismus. Das führt zu Aussagen wie: »Ach, da hätten wir selbst draufkommen können!« Die Lösungen sind oft nicht neu, aber sie werden sichtbar und kommen so in die Umsetzung.

Wir wollen mit diesem Buch Interpretationen von Agilität relativieren, die vielleicht für Ablehnung gesorgt haben, aber aus unserer Sicht Fehlinterpretationen sind: Agilität heißt nicht, ohne Plan und Struktur zu arbeiten, im Gegenteil! Struktur gibt Sicherheit. Sie setzt Potenziale und Energie frei für die eigentlich wichtigen Themen: Wie wir in der Sache vorankommen, wenn wir die Energie nicht mehr investieren müssen, um uns aneinander abzuarbeiten.

Die Digitalisierung ist so etwas wie der Prüfstein, ob Verwaltungen komplexe Probleme meistern können. Die heutigen Silostrukturen liefern keine guten Ergebnisse – so viel ist klar. Dieses Buch zeigt, dass es auch anders geht. Dass Digitalisierung mehr ist als das Scannen von Dokumenten oder das Bereitstellen von Onlineanträgen im Internet. Für uns heißt Digitalisierung vor allem, in Arbeitsabläufen, Kommunikation und Zusammenarbeit zu denken. Das gelingt am besten, wenn Kund:innen1 gefragt werden und alle Beteiligten mitgestalten, wenn sie agil arbeiten können. Neues ausprobieren, reflektieren und anpassen. Die Praxis zeigt meistens, dass partizipativ viel bessere Ergebnisse entstehen, als es durch Einzelleistungen möglich gewesen wäre. Es geht um Co-Kreation, nicht um einsame Held:innen.

Aus unserer Sicht ist es auch Zeit, Agilität zu reflektieren und zurückzuschauen, was sie tatsächlich ausmacht. Was macht den Unterschied, der einen Unterschied macht?

Oft wird Agilität mit Wendigkeit oder Flexibilität übersetzt. Aber Agilität bedeutet viel mehr als das:

Direkter Dialog, wo durch »stille Post« zu viele und anstrengende Missverständnisse und Intransparenz entstehen, eben partizipativ.

Feedback geben und einholen, das ehrliche Interesse an anderen Perspektiven, die ohnehin vorhanden sind.

Vorgehen in kleinen Schritten, inkrementell, statt sich, basierend auf einem statischen Kenntnisstand, einen Plan auszudenken und diesem kompromisslos zu folgen, auch wenn sich die Randbedingungen geändert haben. Dinge ausprobieren, bewerten und anpassen.

Agilität bietet Rollenmuster, die es erlauben, partiell vom klassischen Führungsverständnis abzuweichen, ohne das System als Ganzes umzukrempeln.

Dieses Buch präsentiert bewusst keinen einheitlichen Stil – es ist insofern genauso heterogen wie die öffentlichen Verwaltungen. Viele Autor:innen haben sich, ihre Erfahrungen und vor allem ihre unterschiedlichen Blickwinkel eingebracht. Alle eint, dass wir auf konkrete Beispiele geschaut haben und vor allem auf deren nachhaltige Wirksamkeit. Die Beispiele sollen zeigen, wie viel mit einfachen Mitteln im operativen Alltag erreicht werden kann. Wir wollen zum Anfangen und Nachmachen animieren, Lust machen auf Neues und auf Experimente in einem sichereren Raum des schrittweisen Vorgehens! Und wir wollen verschiedene Perspektiven und Ansätze zeigen. Zu Beginn jedes Beitrags wird auf die weiter unten in dieser Einleitung des Buches ausgeführten Werte oder Theoreme verwiesen, um deren Bedeutung und die einer gemeinsamen Basis zu zeigen sowie einen roten Faden durch das Buch zu legen.

Wer bis hierher gelesen hat, gehört ziemlich sicher zur Zielgruppe. Zu den Menschen also, die Potenziale sehen können, sich einbringen wollen, Dinge hinterfragen und gemeinsam mit anderen besser machen wollen, die etwas bewegen wollen. Das können Menschen am Ort der Handlung sein, im direkten Kontakt mit Bürger:innen und Kund:innen, dort, wo aus Worten Taten werden (müssen), oder Führungskräfte, die Arbeitsabläufe theoretisch und strategisch verändern und Verantwortung haben für die Organisation von Zusammenarbeit.

Wir wünschen viel Freude beim Lesen, etwas Irritation und Freude am Ausprobieren!

Agiles Schreiben eines Buchs über Agilität – Ergebnisse eines Experiments

Jetzt ist Februar 2024. Das Manuskript geht heute an den Carl-Auer Verlag. Gestartet haben wir am 18. Juni 2021, also vor gut 2½ Jahren.

Gestartet waren wir – der Kreis der Herausgeber:innen – mit einem Aufruf auf dem Blog des Forum Agile Verwaltung (FAV). Und außer zum Arbeitstitel und zu inhaltlichen Ideen äußerten wir uns damals auch zur Erstellungsmethode:

»Wir wollen das Buch agil produzieren. Was heißt das konkret?

Jedes Buchkapitel wird von mindestens zwei Autor:innen aus verschiedenen Verwaltungen geschrieben. Wir wollen weg vom individuellen Leistungs- und Profilierungsgedanken (»

Meine

Idee!

Meine

Formulierung!«) hin zum Denken in Teamergebnissen. Wir wollen weg vom Tertium non datur

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(»Das ist der richtige Standpunkt – den begründe ich hier!«) hin zur Resonanz, in der verschiedene Sichten und Interessen sich in Schwingung und Schwebung versetzen. Und wir wollen tendenziell den Hiatus

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überwinden helfen, der zwischen den erfahrenen Textaufschreiber:innen und den weniger geübten Autor:innen besteht.

Dazu wollen wir thematische Schreibwerkstätten veranstalten, in denen auch das Pair-Writing praktiziert wird, um die Kraft und Produktivität dieser Arbeitstechnik zu nutzen.

Am Ende jeder Schreibwerkstatt haben wir den Rohling eines Buchabschnitts, für den wir uns schon Feedback von künftigen Leser:innen holen können.«

Das gemeinsame Schreiben in Schreibwerkstätten haben wir nicht stringent umgesetzt. Schon die Vision war nicht ganz klar: Entweder hat man zwei Autor:innen, die ein Kapitel schreiben, oder man hat eine thematische Schreibwerkstätte, in der eine ganze Gruppe an einem gemeinsamen Ergebnis arbeitet.

Die 24 Kapitel, wie sie jetzt vorliegen, wurden mehrheitlich von ein oder zwei Menschen verfasst. Es gab über 20 Termine zum gemeinsamen Austausch, in denen diese Verfasser:innen ihre Entwürfe einem Kreis vorstellen und mit dessen Mitgliedern diskutieren konnten. Das waren keine Schreibwerkstätten, sondern wir nannten sie »Literaturcafés« – das eigentlich neue Format, das sich von anderen Buchprojekten deutlich abhob. Diese Cafés waren eine Kraftquelle für Autor:innen und Mitdiskutierende. Sie waren fast immer Gelegenheit für lebhafte, spannende, Kraft spendende, den Kopf befreiende und ideenreiche Diskussionen. Je unfertiger die Kapitelstrukturen der jeweiligen Autor:innen noch waren, umso größer waren Resonanz und Räsonnement.

Im Oktober 2022 konnten wir eine erste Manuskriptversion mit den bis dahin vorliegenden 15 Kapiteln – oft noch im Entwurfsstadium – fertigstellen. Sie gab einen Eindruck von der beachtlichen Breite der behandelten Themen. Und die Herausgeber:innen konnten noch Kapitel anregen, um thematische Lücken zu füllen.

Ab da aber wurde es zäh. Wir glitten wieder in die traditionelle Arbeitsweise ab, bei der jeder und jede Schreibende oder jedes Paar das eigene Kapitel fertigstellen sollte. Die Energie schwand deutlich aus dem Projekt. Der Übergang vom Kapitelentwurf zur fertigen Version erwies sich als aufwendiger als zu Beginn eingeplant. Wir hatten uns Standards überlegt, was die Lesbarkeit von Kapiteln und deren Nachprüfbarkeit betrifft. Jedes Kapitel wurde von einer lektorierenden Person (meist eine andere Autorin oder ein anderer Autor) gelesen und mit Feedback versehen. Einige Kapitel mussten mehrere Iterationen durchlaufen, bis ihre Lektor:innen sie für lesbar erklärten. Und diese Arbeitsschleifen absolvierten Autor:innen, Lektor:innen und der Kreis der Herausgeber:innen in der Freizeit. Das hat uns über ein Jahr beschäftigt.

Wie wir finden, kann sich das Buch durchaus sehen lassen, und das Resultat rechtfertigt die Mühe, die alle Beteiligten investiert haben. Auch die Methode war sicherlich an einigen Stellen innovativ, aber es ist noch Luft nach oben. Dem werden wir weiter nachgehen, gerne auch mit Leser:innen, die sich selbst vielleicht in ein weiteres Projekt einbringen möchten.

Werte und Visionen

Werterahmen

Auf der Grundlage des folgenden Werterahmens aus zehn Werten haben wir entschieden, ob Themen bzw. Buchbeiträge ins Product Backlog4 aufgenommen werden oder nicht.

Gemäß den folgenden zehn Werte halten wir …

Vision einer agilen Verwaltung

Wir wollen eine Verwaltung schaffen, die sich nicht gegenüber der Gesellschaft abgrenzt und hinter Unzuständigkeiten verschanzt, sondern ihren Blick nach außen richtet und sich für alle Bedarfe der gesellschaftlichen und individuellen Lebensgestaltung öffnet. Eine Verwaltung, die das Feld der Innovation nicht nur der Wirtschaft überlässt, sondern Aufgaben selbstbewusst und selbstverständlich anpackt und Projekte startet, die Horizonte erweitern, die langfristig und im Bewusstsein komplexer Wechselwirkungen angelegt sind und andere Akteur:innen zum Mitmachen aktivieren. Eine solche Verwaltung schafft Plattformen, Experimentierräume und Brücken für Bürger:innen und Unternehmen, um mit ihnen in einen Dialog zu treten, der wirklichen Austausch ermöglicht und Resonanz erzeugt. Diese Verwaltung der Zukunft fördert bei ihren Mitarbeitenden eine Haltung, Veränderung willkommen zu heißen, zu handeln, statt zu zögern, neue Räume zu entdecken statt im Alten zu verharren und achtsam auf die Bedarfe der Kund:innen einzugehen, statt sich für unzuständig zu erklären. Sie fördert einen Führungsstil, der Geschäftsgangverfügungen und Mitzeichnungswege durch Delegation von Entscheidungen an die Mitarbeitenden ablöst und für Mitarbeitende Hindernisse aus dem Weg räumt.

In einer solchen Verwaltung ist eine tastende, ausprobierende, experimentierfreudige Vorgehensweise bei komplexen Fragestellungen zur Regel geworden. Am Anfang steht nicht der perfekte Plan, sondern der Mut, aus Misserfolgen zu lernen und dann umzusteuern. Regelmäßige Reflexionen, Einholen von Feedback und systematische Wissensentwicklung sind auf allen Ebenen Teil der Routine geworden. Die Verwaltung ist loyale Partnerin für eine zukunftsgewandte Politik in Beratung und Umsetzung. Umgekehrt bietet der gesetzgeberische Rahmen die Freiräume, die von der Verwaltung für ihre Kundenorientierung und die experimentierende Lösungssuche benötigt werden.

Mit unserem Buch wollen wir mit unterschiedlichen Perspektiven für diese Agile Verwaltung 2040 begeistern. Wir wollen facettenreiche und praxisorientierte Entwürfe bieten – lesbar und anschaulich, nachdenklich und nicht apodiktisch, immer mit den Leser:innen auf Augenhöhe. Und wir wollen uns selbst entwickeln! Im Erstellungsprozess uns kennenlernen und unsere Erfahrungen und Ideen teilen, Resonanzräume schaffen, uns selbst ständig kritisch reflektieren und andere zum Feedback einladen. Nicht das Buch ist das Ziel, sondern sein schwingendes Echo in uns und in denen, die mit uns verbunden sind.

Die Herausgeber:innen

Februar 2024

1 Wir bemühen uns in diesem Sammelband mit unterschiedlichen Autor:innen und Schreibstilen, gendersensibel zu formulieren. Es geht uns darum, dass sich alle Menschen angesprochen fühlen und von den Leser:innen gleichermaßen mitgedacht werden. Typografisch verwenden wir den Doppelpunkt, schreiben aber etwa auch von Sachbearbeitenden und Mitarbeitenden. Vom Gendern zwecks besserer Lesbarkeit in der Regel ausgenommen sind zusammengesetzte Begriffe wie »bürgernah«, »nutzerzentriert« oder »Kundenorientierung« sowie Funktionsbezeichnungen wie »Träger (z. B. öffentlicher Belange)«.

2lat. für »Ein Drittes gibt es nicht« (Grundsatz vom ausgeschlossenen Dritten)

3lat., hier sinngemäß für »Kluft«

4 Dynamische, ständig weiterentwickelte geordnete Auflistung der Anforderungen an das Produkt (https://de.wikipedia.org/wiki/Scrum#Product_Backlog [03.06.2024])

Teil I:

Grundlegende Reflexion

Teil I schafft den Rahmen für die nachfolgenden Schwerpunkte und Praxisbeispiele. Wir veranschaulichen unser Verständnis einer agilen Verwaltung und stellen die aktuellen Entwicklungen in einen historischen Kontext.

Alle öffentlichen Stellen stehen unter einem enormen Veränderungsdruck, von dem sie nicht allein durch »Bürokratieabbau« und neue Regeln entlastet werden können. Veränderungen müssen bei den Menschen ansetzen, die in der Verwaltung arbeiten. Ihr Wunsch nach Beteiligung basiert auf grundsätzlichen Bedürfnissen von Zusammenarbeit, Eigenverantwortung und Selbstwirksamkeit.

In Kapitel 1: Was ist Agilität? – Drei Sichtweisen beschreiben Wolf Steinbrecher und Christiane Büchter die drei Kernelemente einer agilen Verwaltung: agile Methoden, crossfunktionale, selbstorganisierte Teams und das ganzheitliche, gemeinwohlorientierte Selbstverständnis. Alle drei Sichtweisen sind als Ausgangspunkte für Veränderungen geeignet. Einen spürbaren Nutzen für Verwaltungsmitarbeitende und Bürger:innen entfalten sie als Dreiklang.

Agilität ist keine Erfindung des 20. oder gar 21. Jahrhunderts. In Kapitel 2: Werte der preußischen Reformer von 1807/08 beschreibt Jan Fischbach die grundlegende Krise, in der sich der preußische Staat Anfang des 19. Jahrhunderts befand. Die Krise wurde überwunden, indem die Reformer:innen auf der Grundlage eines umfassenden Mandats, ihres Wissens und gemeinsamer Werte das Verhältnis zwischen Bürger:innen und Staat neu definierten.

Das anschließende Kapitel 3: Megatrends und ihre Auswirkungen auf die Verwaltung – Wolfram von Schneyder und Peter Bauer im Gespräch schaut in die Zukunft. Die Diskutanten beleuchten aktuelle Megatrends wie Fachkräftemangel, Mobilitätswende und die Herausforderungen, vor denen unsere Demokratie und die öffentliche Verwaltung stehen.

Es folgt ein Blick tief in die Verwaltungen: In Kapitel 4: Macht und Aufmerksamkeit – Urkräfte gegen Veränderung zeigt Peter Bauer, welche Faktoren das Verwaltungshandeln neben Vorschriften, definierten Abläufen und Geschäftsverteilungsplänen entscheidend beeinflussen: Macht und Aufmerksamkeit sind im Verwaltungsalltag wirkmächtiger als viele Regeln und Vereinbarungen. Wer Strukturen verändern und Abläufe verbessern will, muss diese Faktoren kennen und bearbeiten.

In Kapitel 5: Die Kraft der Innovationen von der »Kundenfront« stellen Wolf Steinbrecher und Alexander Joedecke zwei Ansätze vor, mit denen solche grundlegenden Veränderungen gelingen können: Die situative Störungsanalyse nimmt die Alltagserfahrungen der Menschen bei ihren operativen Tätigkeiten als Ausgangspunkt für Veränderung. Effectuation konzentriert sich auf die vorhandenen Mittel, um daraus ein Vorgehen zu entwickeln. So kommen die Beteiligten schnell ins Tun und können Erfahrungen sammeln.

1 Was ist Agilität? – Drei Sichtweisen

Christiane Büchter und Wolf Steinbrecher

Die Verwaltung arbeitet in einem Umfeld, das durch Klimakrise, globale Migration, demografischen Wandel, Kriege, Finanzkrise und zunehmendem Autoritarismus geprägt ist. Wir meistern diese Herausforderungen bislang nur ungenügend.

Agilität bietet einen Ansatz, auch unter solchen Umständen Ergebnisse zu erzielen.

»What is Agile? Agile is the ability to create and respond to change. It is a way of dealing with, and ultimately succeeding in, an uncertain and turbulent environment.«5

Agilität beschleunigt die Umsetzung von Projekten und führt zu qualitativ besseren Ergebnissen. Aber sie fordert den Organisationen viel ab. Jede Verwaltung muss die agilen Grundsätze für sich selbst anpassen. Es gibt kein Best Practice, keine kopierbaren Rezepte. Ständig ergeben sich neue Sichtweisen auf Agilität »für uns«. Manchmal können sich diese Sichten ergänzen. Bisweilen treten sie auch in Konkurrenz zueinander. Meist geht es um unterschiedliche Visionen, wie wir künftig zusammenarbeiten wollen. In diesem Kapitel geben wir einen Überblick über diese Unterschiede. Wir nehmen Bezug auf die Werte 03 und 10 unseres Werterahmens.

1.1 Drei Sichtweisen auf Agilität

Leitsätze des Forum Agile Verwaltung von 2016

Kurz nach Gründung des FAV formulierten seine Mitglieder folgende Leitsätze):

»Das Ganze in den Blick nehmen, crossfunktionale, selbstorganisierte Teams bilden, mit überschaubaren Änderungen und Teilergebnissen experimentieren, die Anspruchsberechtigten einbeziehen, sich regelmäßiges Feedback von innen und außen verschaffen und so sein System immer angemessener machen.«

Diese sechs Bausteine erscheinen uns nach wie vor überraschend aktuell. Einige der Prinzipien haben sich in den vergangenen Jahren verbreitet und sind weithin akzeptiert. Andere führen eher ein Schattendasein. Sie spielen in den verwaltungsinternen Diskussionen kaum eine Rolle.

Überblick: Drei Sichtweisen auf Agilität

Wir unterscheiden relativ schematisch drei Sichtweisen auf Agilität, die wir im Folgenden näher darstellen. Zwischen diesen drei »Schubladen« gibt es keine scharfen Trennlinien, sondern Vermischungen und Überschneidungen.

Sichtweise 1: Hier wird der Schwerpunkt auf die beiden Aspekte »Experimentieren mit überschaubaren Änderungen und Teilergebnissen« und »sich regelmäßiges Feedback von innen und außen verschaffen« gelegt. Bei dieser Sichtweise ist Agilität ein Methodenkoffer, aus dem wir uns situativ bedienen können. Darin befinden sich Methoden wie Lean Coffee, Kanban-Boards, Reviews, Retrospektiven, Design Thinking, 1-2-4-All und noch ein paar Dutzend weitere. An Agilität Interessierte werden eingeladen, möglichst viele dieser Methoden kennenzulernen und praktisch zu erproben. Wenn in einer Verwaltung – so die Vorstellung – viele solcher Experimente stattfinden, verbreiten sich mit der Zeit agile Denkweisen.

Sichtweise 2 fokussiert darauf, crossfunktionale, selbstorganisierte Teams zu bilden. Der Methodenkoffer gemäß Sichtweise 1 kann individuell oder von kleinen Ad-hoc-Gruppen ausprobiert werden. Der Übergang zur Arbeit in crossfunktionalen, selbstorganisierten Teams ist deutlich herausfordernder. Er gelingt nur, wenn verschiedene Instrumente zu einer synchronisierten Vorgehensweise verzahnt werden. Dafür wurden Frameworks wie Scrum oder Kanban entwickelt, die vor allem die Hierarchiefreiheit und die Selbstorganisation der Teams hervorheben.6 Agile Teamarbeit kann nicht mehr »unter dem Radar« durchtauchen, sondern bedarf des Commitments der umgebenden Verwaltung. Und damit stellen sich in der Praxis sehr viel deutlicher Hierarchie- und Machtfragen.

Die weiterführende Sichtweise 3 bezieht sich auf den gesellschaftlichen Auftrag der öffentlichen Verwaltung: »Das Ganze in den Blick nehmen und die Anspruchsberechtigten einbeziehen«. Beide Formulierungen beziehen sich auf die Ziele, die durch sogenannte crossfunktionale Teams erreicht werden sollen. Agile Projekte sollen nicht nur beschränkte Optimierungen betreiben, sondern die möglichen Folgen für das jeweilige Gesamtsystem in den Blick nehmen.

Damit ändert sich die Rolle von Auftraggebendem und Team in agilen Projekten. Nach Scrum besitzt der Auftraggebende die alleinige Hoheit über die Projektziele. Das Scrum-Team setzt im Wesentlichen um. Es hat aber kein Recht, die Ziele infrage zu stellen. Anders bei Sichtweise 3: Wenn deutlich wird, dass sich die Projektziele als unzureichend in Bezug auf »das Ganze« erweisen, kann und soll das Team mit dem Auftraggebenden in Dialog treten.

1.2Sichtweise 1: Fokus auf Methoden als »Werkzeugkoffer«

Am Anfang steht das »Rezept«

Wenn wir uns einem neuen Thema nähern, suchen wir festen Halt. Ein Geländer, das uns davor schützt, auf die Nase zu fallen.

Nehmen wir an, dass wir das erste Mal im Leben ein Essen für Gäst:innen zubereiten. Dann werden wir ein Kochbuch zurate ziehen und ein möglichst einfaches Rezept aussuchen. Das kochen wir dann buchstabengetreu nach. Nur nichts falsch machen, lautet die Devise. So wird es noch einige Male gehen, bis wir ein Fingerspitzengefühl für die Details entwickeln (Abb. 1). Bis wir das Zusammenspiel der Zutaten verstehen, die Wirkung ihrer Dosierungen kennen und sogar mit ihnen spielen können.

Beim ersten Kontakt mit dem Thema Agilität ist es ganz ähnlich. Was ist Scrum? Was ist Kanban? Die sind wie ein Fünfgängemenü – etwas zu kompliziert für den ersten Versuch. Aber ein Lean Coffee, das können wir schnell mal ausprobieren. Oder eine Retrospektive? Die lässt sich gut in unsere Teamsitzungen integrieren. Und so weiter.

Abb.

1

:

Beim inkrementellen Arbeiten bauen wir nicht gleich das Schloss, sondern bescheidenere Behausungen. Diese Zwischenschritte machen uns schneller

.

In den ersten Jahren nach Gründung des Forums Agile Verwaltung 2016 haben wir Dutzende von Blogbeiträgen »Aus der agilen Methodenkiste« zu agilen Werkzeugen veröffentlicht. Sie sollten die Einstiegshürden zur Agilität verringern und zum Experimentieren einladen. Typisch waren Aufforderungen wie (Michl 2016):

»Retrospektiven […] sind zwar für den Einsatz in Scrum-Projekten konzipiert, aber wir glauben, dass sie Teams auch im Alltag und außerhalb von Projekten helfen, die Arbeit kontinuierlich zu verbessern. Und damit letztendlich dazu beitragen, dass die Arbeit nicht nur besser ›flutscht‹, sondern auch Spaß macht.«

Diese Blogbeiträge wurden extrem häufig aufgerufen. Und vermutlich wurden die vorgestellten Werkzeuge auch oft ausprobiert.

Isolierte Werkzeuge wirken nicht nachhaltig

Wir haben nicht nur Blogartikel publiziert. Wir haben auch Workshops in Behörden durchgeführt. Manche Verwaltungen haben mit uns sogar »Agile Wochen« veranstaltet. Aber in vielen Fällen versandeten die neuen Praktiken mit der Zeit, und die herkömmlichen Routinen gewannen wieder die Oberhand.

Woran mag das liegen?

Liegt eine geringe Nachhaltigkeit am falschen »Mindset«?

Die geringe Nachhaltigkeit beim Einsatz agiler Methoden wird häufig mit fehlendem »Mindset« erklärt. Mindset bedeutet zu Deutsch etwa »Haltung, innere Einstellung«. Die These lautet dann beispielsweise: Eine Retrospektive funktioniert nur dann, wenn sie nicht nur methodisch »richtig«, sondern auch mit der richtigen »Haltung« angewendet wird.

Die Anhänger:innen dieser Hypothese unterscheiden zwei Arten von Mindset, statisches und dynamisches Mindset (Richenhagen et al. 2022, S. 9):

»Bei ersterem [dem statischen Mindset; Anm. d. Verf.] ist die Grundhaltung tendenziell fixiert und fast unveränderbar, die Menschen sind eher davon überzeugt, dass es für manche Aufgaben eine bestimmte körperliche Grundlage oder Begabung braucht. Für sie bedeutet Scheitern das Fehlen von Talent oder angeborenen Fähigkeiten. Das dynamische Mindset umschreibt eine wachstumsorientierte Denkweise, die teilweise auch als agiles Mindset beschrieben wird (Blank et al. 2020, S. 27). Diese Menschen sind der Überzeugung, dass sie alles erreichen können, solange sie sich offen zeigen. ›Agil orientierte Beschäftigte glauben an die Fähigkeit, sich über Leistungen und Anstrengungen weiter entwickeln zu können. Sie gehen davon aus, permanent zu lernen.‹«

Nach dieser Auffassung liegt das Versanden agiler Methoden an der Haltung der beteiligten »Beschäftigten«.

Gehen wir dieser Ansicht anhand eines konkreten Falles nach: Ein Team probiert die agile Methode »Retrospektive« aus. Bei dieser Methode geht es darum, sich in regelmäßigen Abständen diese Fragen zu stellen: Wie arbeiten wir zusammen? Was hindert uns gegenwärtig daran, bessere und schnellere Ergebnisse zu liefern?

Das Team sammelt nun Beispiele für Hürden bei der täglichen Arbeit. Manche Antworten betreffen ganz banal die mangelhafte Ausstattung: »Auch im Homeoffice brauche ich einen zweiten Bildschirm, aber der Einkauf genehmigt das nicht.« Oder es geht um unzureichende Verlässlichkeit in der Zusammenarbeit: »Wolfgang hat mehrmals Aufgaben nicht rechtzeitig erledigt, obwohl er sie zugesagt hatte. Und dann komme ich auch unter Termindruck, weil ich auf seine Beiträge angewiesen bin.« Oder um Abhängigkeiten von Kolleg:innen außerhalb des Teams: »Dr. Riekert hat drei Wochen gebraucht, um unsere Beschlussvorlage freizugeben. Und jetzt verlangt er drei wesentliche Änderungen bis übermorgen. Und seine Änderungswünsche sind völlig sachfremd.«

Bei Beispiel 2 – dem säumigen Teammitglied Wolfgang – ist nicht klar, was das eigentliche Hindernis ist. Wir unterliegen alle dem »attributional bias« (etwa: Zuordnungsfehler). Das heißt, wenn wir Handlungen von Personen beurteilen, dann überschätzen wir systematisch den Einfluss persönlicher Faktoren und unterschätzen den Einfluss der Situation. Im Fall von Wolfgang kann das bedeuten, dass das Team ihm – als persönliche Eigenschaft – Unzuverlässigkeit unterstellt, statt wie folgt nach situativen Faktoren zu fragen: Was hat dich denn gehindert, die Aufgaben rechtzeitig abzuschließen?

Wenn wir mit dem »wissenschaftlichen« Blick von Organisationsexpert:innen auf ein Team schauen, kann Vergleichbares passieren: Wir erklären den »attributional bias« zu einer persönlichen Haltung (»statisches Mindset«), statt nach den Umständen zu fragen, die konkreten Verhaltensweisen befördern. Daraus folgen leider allzu oft Fortbildungen für die Beschäftigten, in denen lang und breit über Fehlerkultur, agiles Mindset und lebenslanges Lernen gesprochen wird.

Von diesem Ansatz halten wir nicht viel. Wenn ein Team nach einiger Zeit zu der Auffassung gelangt: »Das bringt uns nicht wirklich was«, dann liegt das häufig daran, dass die Gesamtorganisation, in die das Team eingebettet ist, agile Arbeitsweisen ablehnt.

1.3Sichtweise 2: Fokus auf crossfunktionale, selbstorganisierte Teams

Komplexe Verwaltungsvorgänge

Der Nutzen agiler Methoden in einer einzelnen Organisationseinheit ist beschränkt. Diese entfalten ihre Vorteile erst richtig, wenn Teams über die Grenzen von Organisationseinheiten hinweg zusammenarbeiten.

Es gibt Fragestellungen, für die ganz unterschiedliche Expertisen benötigt werden:

Komplexe Anträge von Unternehmen zur Gründung einer Papierfabrik oder zum Bau eines Windparks:

An der Bearbeitung solcher Anträge sind oft zehn Abteilungen einer Kreisverwaltung oder Träger öffentlicher Belange aus verschiedenen Behörden beteiligt.

Weitreichende interne Projekte einer Verwaltung, wie aktuell die Anstrengungen zur Digitalisierung:

Die Einführung der E-Akte tangiert alle Abteilungen. Hier bedarf es gemeinsamer Expertise von Organisationsabteilung, Information & Kommunikation, den einzelnen Fachbereichen sowie dem Lieferanten der Dokumentenmanagement-Software, mit der die E-Akte realisiert werden soll.

Greifen wir einmal den Antrag auf Genehmigung eines Windparks als Beispiel heraus und vergleichen die klassische Herangehensweise mit der agilen.

Klassische Vorgehensweise

Der Antrag geht beim Landesumweltamt ein. Dort wird eine Projektleitung bestimmt.

Der Antrag wird kopiert und geht an zwölf Behörden bzw. Ämter als Träger öffentlicher Belange (TÖB). Es wird eine Bearbeitungsfrist gesetzt.

Jeder TÖB prüft entlang seiner Expertise (Naturschutz, Statik, Geologie usw.) den Antrag auf Genehmigungsfähigkeit. Am Ende der Frist geht die fachliche Stellungnahme ans Landesumweltamt.

Das Landesumweltamt fertigt aus den zwölf Stellungnahmen und der eigenen Vorlage einen Gesamtbescheid. Nur wenn alle einzelnen Berichtsteile positiv ausfallen, gilt dies auch für den Gesamtbescheid. Umgekehrt reicht ein einziges Veto, um die Genehmigung insgesamt zu verweigern.

Der Bescheid wird dem Antragsteller zugestellt. Für das Umweltamt ist der Vorgang erst einmal abgeschlossen.

Was passiert bei Nichtgenehmigung? Der Antragsteller hat schon sehr viel in die Erarbeitung seiner Unterlagen investiert und wird sich nicht geschlagen geben. Er wird versuchen, den Antrag nachzubessern und ihn erneut einzureichen. Wenn zum Beispiel die Untere Naturschutzbehörde eine geschützte Tierart auf einem Teil des Baugeländes nachgewiesen hat, sucht er vielleicht einen Standort ein paar Hundert Meter entfernt. Wieder wird der Antrag an alle TÖB verteilt. Und jetzt erhebt die Fachkraft für Geologie Einspruch. In ihrer Stellungnahme äußert sie erhebliche Zweifel an der Tragfähigkeit des Untergrunds am neuen Standort.

Und so kann es über einen längeren Zeitraum und über mehrere Schleifen hinweg weitergehen.

Tücken des klassischen Verfahrens

Bei diesem Beispiel arbeiten 13 Sachbearbeitungen in ihrer Rolle als TÖB isoliert nebeneinanderher. Gemeinsame Treffen sind im Standardablauf nicht vorgesehen. Sie kommen nur ausnahmsweise vor, im Fall von Ortsterminen. Das hat zur Folge, dass eine sachbearbeitende Person gar nicht mitbekommt, wenn eine der Kolleg:innen in der Nachbarbehörde schon einen Ablehnungsgrund erkannt hat. Selbst wenn die Untere Naturschutzbehörde nach 14 Tagen weiß, dass es ein Genehmigungshindernis gibt, arbeiten die anderen zwölf Beteiligten brav ihre Einzelstellungnahmen weiter aus. Eine Verschwendung von Arbeitszeit und eine unnötig lange Durchlaufzeit des Antrags.

Eine weitere Folge ist, dass – wie geschildert – einzelne Hindernisse vom Antragsteller isoliert aus dem Weg geräumt werden. Und dass sich dann möglicherweise die nächste Hürde an einer anderen Stelle aufbaut. Das ist ganz normal bei komplexen Vorgängen. »Komplex« bedeutet bekanntlich: Es gibt viele Wechselwirkungen. Wir vergleichen das immer mit einem Mobile: Halte ich einen Teil fest und bewege das Mobile an einer anderen Stelle, bewegen sich die anderen Teile auf eine kaum vorhersagbare Weise.

Agiler Ansatz: Crossfunktionales Team

Wie sähe ein agiler Ansatz aus, Windparkanträge zu bearbeiten?

Statt dass 13 Sachbearbeitende isoliert in 13 Büros sitzen, finden sie sich zu einem runden Tisch zusammen. Vor dem ersten Treffen (das virtuell stattfinden kann) hat jeder TÖB sich einen ersten Überblick verschafft. Auf dieser Grundlage diskutieren die Teilnehmenden, welche grundlegenden Probleme gesehen werden und welche ersten Lösungsansätze sich daraus ergeben. Kommt die zu schützende Tierart auf den Tisch, kann die Fachkraft für Geologie direkt Alternativstandorte ins Gespräch bringen.

Wenn eine erste grobe Lösungsidee im Raum steht, gehen die Teilnehmenden wieder an ihre Arbeitsplätze und nehmen eine gründlichere Prüfung aus ihrer Sicht vor. Eine Woche später trifft man sich erneut.

Der Grundsatz der Crossfunktionalität beinhaltet insbesondere folgende Prinzipien:

1)

Multi- bzw. Interdisziplinarität:

Alle Fachleute, die zur Lösung eines Problems (»optimaler Standort für den Windpark«) vonnöten sind, sitzen zusammen und tragen gemeinsam zur Lösungssuche bei.

2)

Iterative Arbeitsweise der Gruppe:

Man trifft sich in regelmäßigen Abständen zur gemeinsamen Ideenfindung. Und dann kommt wieder ein Zeitintervall individueller Arbeit, in dem die Ideen genauer geprüft werden.

3)

Selbststeuerung und Eigenverantwortlichkeit der Gruppe

Der Gesamtvorgang ist erst dann abgeschlossen, wenn ein endgültiger Bescheid erarbeitet worden ist. Selbstredend kann das im Einzelfall auch eine Ablehnung sein, wenn sich wirklich keine Lösungsidee als tragfähig erwiesen hat.

Für diesen agilen Ansatz ist es sinnvoll, die Antragstellerin mit in das Lösungsteam aufzunehmen. Auch sie muss ja eventuell »Hausaufgaben« erledigen: Es kann sein, dass sie 25 Windräder beantragt hat, aber nur Platz für 22 gefunden wird. Dann muss sie ihre Rentabilitätsrechnung überprüfen und vielleicht mit ihren Mitgesellschafter:innen sprechen, ob sich das Projekt für sie noch lohnt. Die Einbeziehung von Bürger:innen in komplexe Verwaltungsvorgänge ist ein weiterer wichtiger Beschleunigungsfaktor. Gleichzeitig wird die Qualität des Ergebnisses gesteigert.

Hartnäckigkeit vorhandener Strukturen

Warum ist der Übergang von individuellen Einzelarbeiten zur Teamarbeit so mühsam? Was verhindert ihn?

Die Verwaltungsarbeit ist ganz stark auf das Prinzip der Einzelzuständigkeit zugeschnitten. Eine sachbearbeitende Person ist für einen »Fall« allein zuständig. Das ist historisch eng mit dem grundlegenden Arbeitsmedium verknüpft, in dem sich Büroprozesse bewegen: dem Papier. Seit 500 Jahren, seit der Herausbildung erster Verwaltungsprozesse in Banken, Handelskontoren und an Adelshöfen, ist Papier das vorherrschende Medium.

In der Papierwelt kann sich ein Vorgang (Papierdokument oder Ordner) zu einem bestimmten Zeitpunkt nur an einem einzigen Ort befinden. Hat eine sachbearbeitende Person das entsprechende Objekt auf ihrem Schreibtisch, kann eine andere es nicht gleichzeitig bearbeiten. Sie muss warten oder sich Kopien machen.

Ein Windparkantrag kann nicht von einer einzelnen Mitarbeitenden von Anfang bis Ende bearbeitet werden. Viele Expertisen sind vonnöten. In einem solchen Fall versucht die Verwaltung, die Anfrage in Teilzuständigkeiten aufzuspalten und sie sukzessive oder parallel abzuarbeiten – so wie im obigen Beispiel.

Der Verwaltung ist aber diese Verknüpfung von Papier und isolierter Einzelarbeitsweise nicht bewusst. Die Arbeitsweise hat sich im Laufe der Jahrhunderte verselbstständigt und bleibt unhinterfragt.

Heute können wir das enge Korsett unserer papierbezogenen Arbeitsweise aufschnüren. Das gemeinsame, gleichzeitige und koordinierte Arbeiten verschiedener Menschen am selben Vorgang oder Dokument ist möglich geworden – eine Revolution. Damit erhält Teamarbeit eine neue technische Grundlage. Alle TÖB können zwischen den Treffen in einer kollektiven E-Akte arbeiten. Das crossfunktionale Team wird so auch in der digitalen Struktur abgebildet.

Aber unser Denken hinkt oft noch hinterher. Und Änderungen sind ein mühsames Geschäft. So erleben wir es immer wieder, dass überkommene Arbeitsstrukturen – auch die Ablage von Dokumenten bzw. Kopien – in virtuellen »Aktenschränken« fortleben.

Eine weitere Hürde für agiles Arbeiten

Es gibt noch ein Hindernis, das einer neuen Arbeitsweise entgegensteht. Das wollen wir an einem weiteren Beispiel illustrieren.

Eingebettet in das große Projekt »Einführung der E-Akte« wird in der Kreisverwaltung Oberbergen ein Teilprojekt »Migrationsstrategie« gestartet. Konkret geht es um die Frage, welche Dokumente gescannt und im neuen Dokumentenmanagementsystem abgelegt werden sollen und bei welchen man darauf verzichtet. Es geht um das Verhältnis von Aufwand und Nutzen, um Rechtssicherheit und um Anliegen wie »den Mitarbeitenden Homeoffice zu ermöglichen«. Letzteres setzt voraus, dass die Akten vollständig digital verfügbar sind.

Zur Projektleitung wird Sabine Adler aus der Orga ernannt. Sie erhält einen Kostenrahmen, der möglichst nicht überschritten werden soll, und einen engen Zeithorizont zur Konzepterstellung. Sie merkt schnell, dass die Aufgabenstellung komplex ist. Es geht um 1500 Mitarbeitende in 48 Fachdiensten und – grob ermittelt – 240 laufende Meter Akten. Hier ist keine Rasenmäherlösung angesagt, sondern angepasste Lösungen an die einzelnen Dienste und ihre Prozesse.

Also ruft sie ein crossfunktionales Projektteam ins Leben, mit Fachleuten (IT, Registratur, Archiv) und Vertretenden typischer Fachdienste. Insgesamt 12 Mitarbeitende. Das Team arbeitet angelehnt an Scrum; in festen Zeitintervallen (»Sprints«) werden jeweils Konzeptteile fertiggestellt. Fachdienste, die nicht im Projektteam vertreten sind, bekommen die sie betreffenden Konzeptteile vorgestellt. So können sie ihr Feedback einbringen.

Noch vor der geplanten Deadline ist das Konzept fertig. Es ist empirisch unterlegt (durch sog. Zugriffsfrequenzanalysen der Registratur) und von Anwendenden aus den Fachdiensten bestätigt worden. Das vorgegebene Budget wird voraussichtlich leicht unterschritten. Sabine Adler übergibt der Leitung der IT-Abteilung das Konzept und wartet gespannt auf ihre Reaktion.

Die bleibt aber aus. Die IT-Leitung ist mit der Arbeit ihres eigenen Mitarbeitenden im Projekt unzufrieden; sie selbst hätte es völlig anders gemacht. Sie gibt das Konzept bei anderen Führungskräften in Umlauf. Von diesen äußern drei weitere Fachbereichsleitungen Änderungswünsche. Diese widersprechen sich zum Teil und hätten auch deutliche Mehrkosten zur Folge. Das Budget wäre gesprengt.

So, meint die IT-Leitung, könne sie das Konzept nicht an den Landrat weiterreichen. Es müsse völlig überarbeitet werden. Da die Orga-Abteilung offenbar überfordert war, zieht die IT-Leitung die Aufgabe in ihre Abteilung und betraut ihre Stellvertretung mit der Projektleitung. Diese geht zur klassischen Projektmethode zurück und veranstaltet Workshops mit jedem Fachdienst. Das Ergebnis liegt 32 Monate später vor und sieht um 60 Prozent höhere Kosten vor. Das Echo aus den Fachdiensten ist nicht positiver als die ursprünglichen Feedbacks gegenüber Sabine Adler.

Das Problem der Delegation

Das Beispiel ist nicht erfunden, sondern ein reales Beispiel in einer großen deutschen Kommunalverwaltung. Es wurde nur anonymisiert. Was hat es zum Scheitern gebracht?

Ein agiles Team muss innerhalb der Organisation, in die das Projekt eingebettet ist, über weitreichende Handlungs- und Entscheidungsspielräume verfügen. Es gibt keinen Lenkungsausschuss oder ähnliche Gremien, die Entscheidungen des Projektteams freigeben. Vielmehr bekommt das Team einen Auftrag mit einem vorgegebenen Rahmen (auch »Scope« genannt). Innerhalb dieses Rahmens hat es völlige Entscheidungsfreiheit. Darum geht es ja gerade: dass die versammelten und vernetzten Expertisen zu einem optimalen Projektprodukt führen. Dieses Produkt ist meist das Ergebnis komplexer Abwägungen von Wechselwirkungen. Will jemand im Nachhinein dieses Paket wieder aufschnüren und einzelne Komponenten verändern, macht er das gesamte Werk zunichte.

Genau diese weitreichenden Handlungs- und Entscheidungsspielräume aber stoßen in der mittleren Führungsebene großer Organisationen regelmäßig auf Widerstand. Viele Abteilungsleitungen sind aus einer Sachbearbeitungsposition heraus aufgestiegen. Ihr »symbolisches Kapital«, aus dem sie ihre Stellung begründen, ist ihr Besserwissen in Bezug auf ihre Mitarbeitenden. Um dieses Kapital zu retten, musste die IT-Leitung den Arbeitsbeitrag ihres Untergebenen herabsetzen. Sie hätte sich sonst überflüssig gefühlt. Und so verhielten sich auch drei weitere Führungskräfte.

Das ist nach unseren Erfahrungen das wichtigste Hindernis, wenn es darum geht, agile Methoden nachhaltig in der Verwaltung zu verankern.

1.4Sichtweise 3: Ganzheitlicher, gemeinwohlorientierter Ansatz

Das Ganze in den Blick nehmen und die Anspruchsberechtigten einbeziehen.

Kundenorientierung als Prozess (nicht als Haltung)

Im Windparkbeispiel hatte sich die Effizienz der Arbeit erhöht, als die TÖB sich als crossfunktionales Team organisierten (organisieren durften). Die Antragstellerin wurde in diesen Kreis mit aufgenommen. Damit konnten mögliche Lösungen schneller mit ihr abgestimmt werden.

Die crossfunktionale Zusammenarbeit verändert zugleich das »Mindset« der Sachbearbeitenden. Der Fokus verschiebt sich von der Effizienz zur Effektivität: »Meine Arbeit richtig tun« steht nicht mehr im Vordergrund, sondern »mit unserer Arbeit das Richtige erreichen«. Früher ging es darum, Vorgänge fristgerecht zu bearbeiten. Als Team aber suchen die Sachbearbeitenden nach der besten Lösung für einen schnellen nachhaltigen Windparkbau. Keine Fortbildung zu kundenorientierter Haltung hätte das bewirkt. Entscheidend war und ist die gemeinsame Arbeit über Verwaltungsgrenzen hinweg und die Einbeziehung der Antragstellerin. Die Verwaltungsleistung wurde nicht mehr (nur) für die Kundin, sondern mit ihr erbracht.

Die Zergliederung eines Antragsverfahrens in 13 isolierte Einzelaufgaben führt auch zu einem Übergewicht juristischer Denkweisen. Im Verwaltungsrecht überwiegt mittlerweile das prozessuale Paradigma. Danach gilt ein Ergebnis als »richtig«, wenn es regelkonform erzielt wurde. Die Frage des Sinns – also ob das Ergebnis sinnvoll ist und dem gesellschaftlichen Auftrag dient – tritt in den Hintergrund. Dieses Paradigma kann durch die Kooperation innerhalb der Verwaltung und der Verwaltung mit ihren »Kund:innen« überwunden werden.

Chancen von Agilität in der öffentlichen Verwaltung

In der Privatwirtschaft ist die Erzielung von Gewinn oberstes Handlungsgebot. Werteorientiertes Handeln ist bestenfalls ein sekundäres Anliegen. Öffentliche Verwaltungen sind diesem Gebot der Gewinnerzielung nicht unterworfen. Sie können Visionen entwickeln, die zwar vielleicht Kosten verursachen, aber einen »Gewinn« für die Gesellschaft bedeuten. Dadurch wird es überhaupt erst möglich, bewusst als Gesellschaft zu handeln. Mit den Worten von Gerhard Wohland (in einem persönlichen Gespräch): »Mit dem Markt kann man nicht diskutieren, mit einem Minister aber schon.«

Die möglichen Wechselwirkungen des eigenen Projekts mit anderen gesellschaftlichen Zielen werden dem Team oft erst in der Phase der Umsetzung bewusst. Zum Beispiel:

Ein Team setzt das neue Mobilitätskonzept der Stadt um. Zum Beispiel soll eine App Autofahrer, die in die Innenstadt einfahren, zu freien Parkplätzen lotsen, um unnötige Suchfahrten zu vermeiden. Auf einmal wird dem Team klar, dass dieses Konzept für einen nachhaltigen Klimaschutz nicht ausreicht: Es konzentriert sich auf eine bessere digitale Verkehrslenkung und könnte sogar noch mehr Kfz in die Innenstadt locken.

Als das Team dies erkennt, möchte es das Projektziel anpassen. Es tritt aus seiner eingeschränkten Rolle als »Umsetzer« heraus und – als Mitglieder einer gemeinwohlorientierten Verwaltung – mit den auftraggebenden Gremien in Dialog. Damit wird ein weiterer tiefgreifender Wandel in der Rollenverteilung zwischen Auftraggebenden und Team angestoßen.

In diesem Sinne ist Verwaltung sehr viel stärker prädestiniert, ganzheitlich »agil« zu arbeiten, als privatwirtschaftliche Unternehmen.

1.5 Sichtweisen oder Entwicklungsstufen?

Die Vorstellung von Entwicklungsstufen

Bis hierher haben wir von »Sichtweisen« auf Agilität gesprochen. Damit wird eine subjektive Wahl einer einzelnen Person suggeriert: Jemand kommt mit agilen Konzepten in Kontakt und entscheidet sich, welches »Ausmaß an Agilität« ihm oder ihr gefällt.

Natürlich gibt es Kolleg:innen, die für Agilität gar nicht offen sind. Das wäre sozusagen die Sichtweise 0: Agile Methoden finden überhaupt kein positives Echo. In der Tat gibt es Menschen, die klare Anweisungen von ihren Vorgesetzten erwarten und sich von Möglichkeiten der Selbstorganisation eher verunsichert fühlen. Aber auch in Verwaltungen sind sie nicht so häufig, wie oft angenommen wird.

Bei den übrigen Beschäftigten stellen wir die drei beschriebenen Sichtweisen fest. Aber bei vielen sind es weniger Sichtweisen als vielmehr »Entwicklungsstufen«. Einzelne Personen oder auch ganze Organisationen starten bei Sichtweise 1. Sie lernen agile Methoden und probieren sie partiell auch aus.

Dann gehen sie zu Sichtweise 2 über. Sie praktizieren nicht nur einzelne agile Bausteine – ein Lean Coffee hier, eine Retrospektive dort. Sie versuchen, ihre gesamte Arbeitsweise in Projekten oder im Tagesgeschäft auf agile Rahmenwerke umzustellen. Dabei kommen sie mit Scrum, Kanban oder ähnlichen Konzepten in Kontakt. Und sie lernen die Begeisterung kennen, die agile Arbeit in crossfunktionalen Teams erzeugt.

Und dann gibt es Beispiele wie das Projektteam des kommunalen Mobilitätskonzepts. Dieses Verständnis von Agilität, bei dem das Projektteam nicht nur Aufträge umsetzt, sondern an der Zielstellung der Aufträge aktiv mitwirkt, entspricht Sichtweise 3.

Erfahrungen mit Rückschritten

Es wird immer vorkommen, dass ein Team sich neue Methoden aus dem »agilen Werkzeugkoffer« aneignet. Oder dass ein Team Aufträge abarbeitet, ohne deren Sinn zu hinterfragen. Insofern können die Sichtweisen nebeneinander existieren und sich ergänzen.

Auch die aufsteigende Linie ist nicht zwingend vorgezeichnet. Es kann immer Rückschritte geben. Es gibt viele Beispiele, bei denen etwa eine Stadtverwaltung lange mit der Sichtweise 1 laboriert, ohne den nächsten Schritt zu gehen. Dann wird »Stufe 1« oft wieder durch alte Routinen verdrängt. Übrig bleiben enttäuschende Erinnerungen an ein fruchtloses Engagement.

Ähnliches gilt für Sichtweise 2. Wenn Teams begeistert selbstorganisiert arbeiten, kann dies eine Weile gut laufen. Diese Teams schaffen exzellente Ergebnisse und setzen Projekte viel schneller um. Aber trotz aller Freude an der agilen Arbeit und besserer Ergebnisse können solche »Inseln« an Grenzen stoßen. Die hierarchische Umgebung fühlt sich bedroht und wirft den agilen Teams Hindernisse in den Weg. So versandet auch Sichtweise 2 nach und nach wieder, wenn die umgebende Aufbauorganisation sich nicht ändert.

Diese dauernde Bedrohung erzielter Erfolge macht es schwer, von Entwicklungsstufen oder gar »Reifegraden der Agilität« zu sprechen. Immer wieder finden Rückschritte statt, immer wieder werden schon erreichte Fortschritte von neuen Führungskräften eingestampft. Ein Patentrezept dagegen können wir nicht anbieten.

Dabei wäre eine agile Transformation so wichtig. Nehmen wir nur die aktuellen Herausforderungen, die mit der Digitalisierung verbunden sind. Das Thema ist so komplex, dass wir alle Kolleg:innen in der Verwaltung brauchen. Das Modell »Das eine Prozent an der Verwaltungsspitze denkt und plant – die anderen 99 Prozent führen aus« funktioniert offensichtlich nicht. Aber das Verständnis dafür in den oberen Führungskreisen ist meistens gering.

Unser Vertrauen in eine agile Zukunft stützt sich auf zwei Kräfte: Auf mutige Beschäftigte, die hartnäckig und über Misserfolge hinweg ihre Entscheidungs- und Handlungsspielräume ausloten und nutzen. Und auf Kräfte in der demokratischen Zivilgesellschaft, die eine Verwaltungs- und Staatsreform einfordern, um vorhandene Blockaden zu lösen. Das ist die Basis unseres Optimismus, den wir in diesem Buch verbreiten wollen.

Literatur

Blank et al. (2020): Blank, M., Held, M., Nicklich, M., Pfeiffer, S., Sauer, S. & Tihlarik, A. (2020). Mindset: Begriffskarriere zwischen Management-Talk, Wissenschaft und Ideologie. Eine explorative Annäherung. Ein Working Paper des Lehrstuhls für Soziologie (Technik - Arbeit - Gesellschaft). Nürnberg.

Michl, T. (2016): Aus der agilen Methodenkiste. Kontinuierliche Verbesserung durch Retrospektiven. FAV-Blog, 15.09.2016. Verfügbar unter

http://agile-verwaltung.org/2016/09/15/aus-der-agilen-methodenkisten-kontinulierliche-verbesserung-durch-retrospektiven/

[26.04.2024].

Richenhagen, G. u. M. Dick (2022): Eine Einführung. In: dies. (Hrsg.): Public Management im Wandel. Auf dem Weg zur Agilität in der Öffentlichen Verwaltung. Wiesbaden (Springer Gabler), S. 1–8.

Richenhagen, G., A. Seng, M. Dick, L. Elsenheimer, C. Höffner, K. Kostka, D. Modrzyński, K. Nebauer-Herzig u. L. Wachter (2022): »AgilKom«-Handlungshilfe. Agilität in der öffentlichen Verwaltung. Wege zur Anwendung agiler Arbeitsweise. Essen (MAV).

Schwaber, K. u. J. Sutherland (2020): Der Scrum Guide. Der gültige Leitfaden für Scrum: Die Spielregeln. Verfügbar unter:

https://scrumguides.org/docs/scrumguide/v2020/2020-Scrum-Guide-German.pdf

[26.04.2024].

5 Quelle: Agile Alliance, https://www.agilealliance.org/agile101/ [16.05.2024]

6 Bei Scrum wurde mit dem Scrum Guide (Schwaber u. Sutherland 2020) der Begriff der Selbstorganisation durch »Selbstmanagement« ersetzt, um die »Selbstführung« des Teams zu verdeutlichen und so die relative Autonomie des Teams in der Gesamtorganisation zu verstärken.

2 Werte der preußischen Reformer von 1807/08

Jan Fischbach

Viele sehen Werkzeuge und Methoden als Einstieg in agiles Arbeiten. Das Wissen darüber reicht aber nicht, um Veränderungen anzustoßen. Einen interessanten Einblick in agiles Arbeiten bieten die Preußischen Reformen von 1807/08. Die Minister Freiherr vom Stein und Hardenberg modernisierten mit ihrem Team innerhalb von 13 Monaten ein ganzes Land. Am Anfang der Arbeit standen gemeinsame Werte, und zwar die Werte Immanuel Kants und der Aufklärung. Agilität ist kein Selbstzweck, und es braucht erfahrende Expert:innen für die Umsetzung. Das können wir aus der Geschichte der Reformer lernen.

In diesem Kapitel beziehe ich mich auf die Werte 01–05, 09 und 10 (siehe Einleitung).

2.1 Die Welt verändert Preußen

Die Geschichtsforschung hat die Preußischen Reformen ausführlich dokumentiert. Das gesamte Staatswesen wurde auf eine neue Grundlage gestellt.

Ich beginne diesen Abschnitt mit einem Zitat von Marion Gray, die im Jahr 1986 eine gut verständliche Arbeit über die Stein-Hardenberg-Reformen von 1807/08 veröffentlichte. Den von ihr beschriebenen Ausgangspunkt kann man sich für Politiker:innen auch heute nicht schlimmer vorstellen (Gray 1986, S. 1):

»1806 versetzte Napoleons kaiserliches Heer der Hohenzollern-Monarchie einen vernichtenden Schlag. Die Niederlage war verblüffend, weil nur wenige Jahre zuvor Preußen allgemein als eine der Großmächte Europas angesehen worden war. Das einst stolze Königreich ging aus dem Napoleonischen Krieg mit einer zerrütteten militärischen Organisation, einer verwüsteten Landschaft, einer bankrotten Staatskasse, einer kaputten Wirtschaft, einer Regierung im Chaos und mit einem Bruchteil seines Territoriums hervor, das entweder von Ausländern annektiert oder besetzt war.«

Die Vorbereitung der Niederlage von 1806

Um zu verstehen, wie es so weit kommen konnte, nimmt uns Gray in die Zeit davor mit. Die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts war eine Zeit großer Umbrüche. In den überseeischen Kolonien hatten die Siedler:innen ihre Unabhängigkeit von England erklärt. In Frankreich war man des Ancien Regime überdrüssig.

In Preußen dagegen war von Freiheit und Demokratie nichts zu spüren. Man lebte vorwiegend von der Landwirtschaft. Drei Viertel der Bevölkerung lebten auf dem Land. Soziale Mobilität war nicht möglich, weil die Zugehörigkeit zu einem Stand vererbt wurde. Adlige konnten zum Beispiel nur in Landwirtschaft, Militär oder Regierung tätig sein. Die meisten einfachen Leute waren an die Gebiete gebunden, in denen sie aufgewachsen waren. In den Städten wurde das Sozialwesen durch die Gilden organisiert. Stabilität war wichtiger als Wandel. Die hierarchische Ordnung war allgemein akzeptiert.

Von 1750 an wuchs in den östlichen Provinzen die Bevölkerung stark, zum Teil um 50 Prozent. Das führte auch zu neuen Formen wirtschaftlicher Tätigkeit und veränderte den Handel. Regionale Märkte und überregionaler Handel lösten das System der herrschaftlichen Landwirtschaft ab. Gray fasst weiter zusammen, wie sich in der Zeit vor der Industrialisierung die Sozialstruktur veränderte. Üblicherweise entstehen auf dem Land Manufakturen, und zwar mit Kapital aus den Städten. Arbeitskräfte gehen dorthin, wo sie gebraucht werden. In Preußen war dies nicht so. Es war unter anderem schwierig, dass Stadtbewohnende und Landbesitzende Kreditverträge schließen. Wie sollte investiert werden?

Als aufstrebende Industrienation hatte England großen Bedarf an Getreide und Holz. England wurde für Preußen zum wichtigsten Kunden. In den Jahren 1777–1784 verdreifachte sich die Anzahl der Schiffe, die den Hafen in Königsberg verließen, von fast 700 auf fast 2000.

Der gestiegene Bedarf machte das Getreide teurer. Die Situation verschlechterte sich. Die Not war so groß, dass die ärmere Bevölkerung zu drastischen Mitteln greifen musste und – wie in Schlesien – Pferde und Katzen schlachtete. Gleichzeitig machten aber auch liberale und aufklärerische Ideen in den Städten wie Königsberg, Danzig, Stettin, Breslau und Berlin die Runde.

Der Reformbedarf war der Regierung bekannt. Freiherr Heinrich Friedrich Karl vom und zum Stein (1757–1831) wurde im Jahr 1804 als königlicher Finanz- und Wirtschaftsminister berufen. Er befürwortete eine umfassende Reformpolitik. Allerdings verzögerte der König Veränderungen. Die Gewalt der Französischen Revolution wollte man auf keinen Fall in Preußen erleben.

Die Niederlage von 1806

Nach der Französischen Revolution bestimmte Napoleon die europäische Außenpolitik. Ein Regierungswechsel in England gab Anlass zu Geheimverhandlungen, in denen Frankreich das Königreich Hannover an England zurückgeben wollte. Preußen konnte und wollte das nicht akzeptieren. Es stellte Frankreich ein Ultimatum, das wiederum zum Vierten Koalitionskrieg führte. Der Krieg verlief für Preußen katastrophal. Nach der Doppelschlacht von Jena und Auerstedt im Oktober 1806 war vom alten Staat nicht mehr viel übrig.

Die alte preußische Verwaltung war absolutistisch auf den König ausgerichtet. Alles ging über seinen Tisch. Die Minister und Verwaltungsbeamte hatten faktisch nichts zu sagen. Der König traute ihnen nicht. Solange der Aufwand überschaubar war, konnte der König fleißig seinen Pflichten nachkommen. Nun gab es aber mehr zu tun, als eine Person schaffen konnte. Stein kritisierte scharf die verkrusteten und ineffektiven Strukturen in Verwaltung und Militär. Daraufhin entließ der preußische König Friedrich Wilhelm III. (1770–1840) Stein schließlich im Januar 1807.

2.2 Die Reformer treffen sich in Königsberg

Im Frieden von Tilsit musste Preußen die Hälfte seines Gebietes abtreten und wurde zu hohen Reparationszahlungen verpflichtet. Nur das Eingreifen des russischen Zaren Alexander I. verhinderte die vollständige Zerschlagung Preußens. Der König zog sich mit seiner Regierung an die Peripherie nach Königsberg und Memel zurück. Von dort aus wurde über die Weichenstellungen für die Zukunft entschieden.

Der König vertraute Karl August von Hardenberg (1750–1822), den er kurz zuvor wie Stein als Minister entlassen hatte, den Neuaufbau preußischer Staatsstrukturen an. Hardenberg und seine Berater hielten ihre politischen Ziele in der sog. Rigaer Denkschrift fest.

Interessant ist zu betrachten, wer sich in der Gruppe der Reformer zusammengefunden hatte und vor allem, welcher Philosophie sie folgten: Alle waren stark von Immanuel Kant (1724–1804) und der Aufklärung geprägt (Hubatsch 1973, S. 9):

»Auffallend ist nun jedoch, dass die engeren Mitarbeiter Steins, und gerade diejenigen der Reformgesetzgebung, Kantianer waren und den Philosophen größtenteils persönlich gehört oder mit ihm Umgang gehabt haben.«

Hubatsch (ebd., S. 10) zitiert den preußischen Staatsmann und Reformer Theodor von Schön:

»Wir errichteten, sobald wir uns geordnet hatten, in Königsberg 1808 auf Röckners, Feldpropstes Vorschlag, einen geheimen Bund: Christian Gottlieb Röckner, Gerhard von Scharnhorst, Heinrich Friedrich Karl vom und zum Stein, Ludwig Nicolovius, August Neidhardt von Gneisenau, Johann Wilhelm Süvern und ich bildeten diesen Bund. Wir hatten uns durch Handschlag verpflichtet, ohne dass etwas niedergeschrieben werden durfte, Mittel zu suchen, durch welche die Schmach, welche auf unserem Vaterlande hafte, entfernt werden könne …«

Die Rolle und Bedeutung dieser Personen lassen sich bei Hubatsch (1973) und an anderer Stelle nachlesen.

Am bekanntesten dürfte heute Gerhard von Scharnhorst für seine Militärreform und die Entwicklung der Auftragstaktik sein.

Dass der zögerliche König Hardenberg und Stein überhaupt das Mandat gab, war aber weniger Ausdruck des Willens zum bewussten Aufbruch in eine moderne Welt. Es hatte vielmehr pragmatische und praktische Gründe: Die Staatskasse war leer. Und Preußen musste hohe Kriegsschulden an Frankreich begleichen. Hardenberg und Stein waren wahrscheinlich die einzigen mit neuen Ideen. Zudem waren sie zwei Politiker, die die Umsetzung organisieren konnten. Von Beginn an leistete der preußische Landadel, der in den Reformideen eine Beschneidung seiner Privilegien sah, erbitterten Widerstand. Gleichzeitig durfte man es sich auch nicht mit der französischen Besatzung verderben.

Die Ansichten der Reformer passen gut zu den Werten, die wir in diesem Buch vertreten. Sie stellten sich nämlich zunächst die Frage, wie das Verhältnis zwischen Bürger:innen und Staat künftig am besten zu gestalten sei. Sie gaben ihrer Geisteshaltung entsprechend Antworten darauf. Universelle Freiheit und soziale Mobilität gehörten zu den Grundideen der Reformen. Die Verankerung der Freiheit und Mobilität in einem neuen Verwaltungsrecht – den Begriff gab es damals nicht – sollte die Herrschaft des Königs einschränken. Vollständige Demokratie gehörte allerdings nicht zu ihren Zielen. Die Reformer glaubten nicht, dass die Zeit dafür schon reif sei.

In der Umsetzung bedeutete dies, dass sich die Landkreise künftig selbst verwalten sollten. Die Bürger:innen sollten in den Provinzen, Kreisen und Kommunen selbst politisch mitwirken. Die Zentralgewalt sollte also in manchen Bereichen weniger Einfluss haben.

In anderen Bereichen wiederum blieben sie beim Zentralismus. Es sollte etwa weiterhin eine zentral organisierte Polizeibehörde geben, die zwar an jedem Ort vertreten war, aber im Falle des Falles Befehle der Zentralregierung umsetzen konnte. In wenigen Monaten wurden die Grundlagen gelegt, dass aus einem feudalen Agrarstaat ein moderner Industriestaat werden konnte. Umfang und Auswirkungen der Einzelreformen wie Oktoberedikt, Städte-, Verwaltungs-, Militär- und Bildungsreformen lassen sich an anderer Stelle nachlesen. Wichtig ist die Erkenntnis, dass diese Veränderungen aus den Werten der Aufklärung heraus gestaltet wurden. Interessant ist ein Zitat von Johann Gottfried Frey aus dem Jahr 1808. Frey war Polizei- und Stadtdirektor in Königsberg und ein Freund und Tischgenosse von Kant. Er fasst das Selbstverständnis der Reformen zusammen: »Zutrauen veredelt den Menschen, ewige Vormundschaft hemmt sein Reifen« (Hubatsch 1973, S. 17).

2.3 Was können wir aus dem Selbstverständnis dieser Reformen lernen?

Dürfen wir überhaupt einen Bezug dieser Reformen zur Agilität heute herstellen? Ich denke, ja. Jeff Sutherland