Alex und die Bischofbande - Manuela Schoop - E-Book

Alex und die Bischofbande E-Book

Manuela Schoop

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  • Herausgeber: epubli
  • Kategorie: Ratgeber
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2024
Beschreibung

Der fünften Teil der Bischofbandenreihe handelt von Alexandra, dem dritten Kind von Jane und Christian. Nachdem die aktuelle Willemsanführerin bei einem Verkehrsunfall stirbt, holt Alexandra, Marc, ihren Nachbarn und besten Freund, in die Bande. Irgendwann bemerkt Alex, dass sie mehr für ihn empfindet, doch Marc möchte zunächst nur eine platonische Freundschaft. Und dann ist da aber auch noch Vincent, der Bischofanführer, der ebenfalls mit der Zeit beginnt, eine interessante Rolle in ihrem Leben zu spielen. Für wen wird sich Alex entscheiden?

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Alex und die Bischofbande

Bandenjahrgang

2001 – 2010

Manuela Schoop

Weitere Bände dieser Reihe:

Band 1 Lissi und die Bischofbande

Bandenjahrgang 1969 – 1977

Band 2 Jessi und die Bischofbande

Bandenjahrgang 1977 – 1985

Band 3 Dana und die Bischofbande

Bandenjahrgang 1961 – 1969

Bandenjahrgang 1985 – 1993

Band 4 Mara und die Bischofbande

Bandenjahrgang 1993 – 2001

Band 6 Franzi und die Bischofbande

Bandenjahrgang 2010 – 2019

IMPRESSUM

Texte: © Copyright by Manuela Schoop

Umschlaggestaltung: © Copyright by Manuela Schoop

Verlag:

Manuela Schoop

Im Bendchen 22

50169 Kerpen

www.die-bischofbande.de

Lektorat: 

Agnes Spengler

c/o wortspenglerei.de

Wortspenglerei | Werkstatt für Lektorat und Text in München

Illustrationen:

Indigodesign.at, generative KI, Midjourney

Druck: epubli – ein Service der neopubli GmbH, Berlin, 2024

Inhaltsverzeichnis

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Am 5. August 1905 gründete Franz Bischof, gerade erst neun Jahre alt geworden, die Bischofbande.

Fast alle Kinder des kleinen im Süden liegenden verträumten Dorfes Weißwald wurden Mitglied, aber als Ersten hatte er seinen besten Freund Karl Willem dazu eingeladen der Bande beizutreten.

Die Kinder verbrachten zwei wunderbare Jahre miteinander. Doch die Harmonie fand ein jähes Ende, als ein heftiger Streit zwischen Franz und Karl entbrannte. Die restlichen Bandenmitglieder ergriffen verschiedene Parteien und die einstmals große Bande spaltete sich in zwei Gruppen. Karl wurde Anführer des anderen Teils, den er von nun an Willemsbande nannte.

Die beiden Banden hassten sich sehr und bekämpften sich, wo sie nur konnten.

Als die Kinder jedoch zu jungen Leuten herangewachsen waren, vergaßen sie allmählich ihre Streitigkeiten. Sie trafen sich nicht mehr in ihren Lagern und verbrachten ihre Zeit mit anderen, ihnen jetzt wichtiger erscheinenden Dingen. Die nächste Generation der Kinder, beeindruckt von den Bandenspielen, wollten nicht akzeptieren, dass es die beiden Banden nicht mehr geben sollte. Und so beschlossen sie, deren Rollen zu übernehmen.

Kapitel 1

Sechsundneunzig Jahre später.

»Hallo Vincent« Mara Thomas [1], die ehemalige Anführerin der Bischofbande, wartete erst eine Minute vor dem Lager, als auch schon die neuen Anwärter, sechs Zweitklässler, auftauchten.

Vincent war der kleine Bruder eines ehemaligen Bandenmitglieds, und sie kannte ihn schon seit seiner Geburt.

»Hallo Mara, ich wurde zum Bandenanführer gewählt. Marian ist sehr stolz auf mich«, hörte sie ihn fröhlich sagen.

»So, du willst mich also ablösen?« Mara lächelte ihn gutmütig an. Sie war sich sicher, dass der Kleine ein guter Anführer werden würde. »Kommt, lasst uns in das Lager gehen!«

»Ich wette, dass die Willems die blöde Bodt zu ihrem Boss machen«, meinte er dann, nachdem er es sich auf dem Anführerstuhl bequem gemacht hatte.

»Janice ist doch ein nettes Mädchen«, erwiderte Mara verwundert. Janice war die kleine Schwester von Thanee und Celine, die ebenfalls ehemalige Mitglieder der Bischofbande waren.

»Ach, die spielt sich in der Schule immer auf und außerdem sieht sie aus wie eine Krähe.«

»Nun, wie auch immer.« Mara stand entschlossen auf. »Kommen wir nun zum Grund eures Erscheinens.«

Eric Watts, der frühere Anführer der Willemsbande, blickte zu den sechs kleinen Kindern hinunter, die ihn gespannt ansahen.

»Ihr wollt also die neuen Willems werden?« Er schaute jedem Einzelnen forschend ins Gesicht. Die kleine Gruppe bestand aus drei Jungen und drei Mädchen.

»Können wir endlich anfangen?«, meldete sich eines der Mädchen mit sehr ungeduldiger Stimme.

»Sicher!« Eric räusperte sich kurz. »Wer von euch soll der Anführer werden?«

Die Kinder tauschten kurz Blicke untereinander aus und zeigten dann alle einstimmig zu dem Mädchen, welches sich eben zu Wort gemeldet hatte.

Sie hatte rabenschwarze Haare, graue Augen und eine süße Stupsnase.

»Ich heiße Janice Bodt.«

»Ah, du bist die kleine Schwester von Shirin und Celine. Die Ähnlichkeit zwischen euch ist nicht übersehbar.«

»Du redest ja so nett über die damaligen Bischofmädchen«, brummte Janice verstimmt.

»Hey Kleine, vergiss nicht, dass ich keiner Bande mehr angehöre«, antwortete Eric nachsichtig. »Kommen wir jetzt zu dem eigentlichen Thema.«

Er wies auf die Bücher, die vor ihm lagen. »In der Chronik steht alles über die Geschichte der Banden. Die ursprünglichen Bandenbücher sind leider verschwunden, aber Ende der 60er-Jahre fand die Bischofbande ihre Bücher in einem geheimen Versteck in ihrem Lager. Wir denken, dass in den Wirren des Zweiten Weltkrieges die Übergabe der Banden nicht vorschriftsmäßig verlief und die Bücher einfach vergessen wurden. Unsere Originale sind leider nie wieder aufgetaucht, auch nicht, als das Willemslager neu erbaut wurde. Wie auch immer, die Bischofbücher wurden kopiert, deshalb ist der erste Teil sehr … bischoflastig. In dem Willemsbuch findet ihr alle Gesetze, Hinweise und Wissenswertes. Lest sie euch als Erstes durch. Ihr müsst euch im Klaren darüber sein, dass die Bischofs eure … Feinde sind und ihr sie hassen und bekämpfen müsst.«

»Ich glaube, dass wir gute Willems werden, denn ich hasse die Bischofbande schon jetzt«, rief Janice laut und selbstbewusst in den Raum.

»Ihr müsst die Tradition weiterführen, ich verlasse mich auf euch. Vergesst aber nie, dass alles nur ein Spiel ist. Ich will damit sagen, dass ihr euch nicht gegenseitig verletzen sollt. Ach ja, passt auf, dass ihr euch nicht in jemanden von den Bischofs verliebt. Wenn das geschieht, könnt ihr die Bande gleich weitergeben.«

»Ihh!«, war die Reaktion der Kleinen.

»Das ist dir wohl passiert?«, fragte Janice interessiert.

»Ist ja wohl allseits bekannt«, erwiderte Eric lächelnd und erhob sich langsam. Die jüngste Bodt-Tochter besaß ein schnelles Auffassungsvermögen. Der neue Bischofanführer würde es nicht leicht mit ihr haben.

»Ich verlasse euch nun. Macht das Beste aus den nächsten Jahren.«

Janice beobachtete, wie der junge Mann das Lager verließ.

»So, Willemsbande«, begann sie dann ihre Amtsantrittsrede. »Ich kann kaum glauben, dass wir jetzt wirklich hier im Lager sind. Man, bin ich froh, dass nur Kinder hier sitzen, die ich wirklich gut leiden kann. Alexandra Kaiser, Jonas Gräber, Leonie Breuer, Emilia Rieke, Jan Thesing … ich begrüße euch zu unserem neuen Lebensabschnitt.«

»Ich bin sicher, dass die Bischofs Vincent zum Anführer wählen werden«, meinte Alexandra, ein eher unauffälliges Mädchen mit dunkelblonden Haaren und Brille, leise.

»Das denke ich auch.« Janice schlug die Willemschronik zu und legte das Buch in einen kleinen Schrank, der an der Wand stand. »Um das Amtliche kümmern wir uns später. Jetzt gehen wir die verdammte Bischofbande suchen und finden heraus, ob unsere Vermutung stimmt.«

Der Rest der Kinder nickte. Sie sprangen von ihren Sitzplätzen auf und verließen wild durcheinander plappernd das Lager.

Nur wenige Minuten später trafen die Banden am See aufeinander. Argwöhnisch betrachteten sich Janice und Vincent. Wie Tiere am Beginn eines Kampfes umrundeten sie sich langsam, so als würden sie versuchen, die Kraft und Schnelligkeit des Gegners einzuschätzen.

»Du bist also der neue Bischofanführer?«, stellte Janice ärgerlich fest. »Ihr hättet euch keinen größeren Idioten aussuchen können.«

Vincent ballte seine kleinen Hände zu Fäusten. »Ein Mädchen als Willemsanführerin und dann noch so eine olle Krähe! Dich schaffe ich allemale!«

»Bilde dir nur nicht so viel ein, Blondie. Du wirst dich noch wundern.«

»Du willst dich doch nicht ernsthaft mit mir schlagen?«, fragte Vincent und musterte sie skeptisch. »Ich will dir nicht wehtun.«

»Oh, wie liebenswürdig«, rief Leonie amüsiert. »Na, wer hätte das gedacht.«

Jonas und Jan blickten sich kurz an und traten dann neben Janice.

»Du kannst dich auch gern mit uns messen«, meinte Jan selbstbewusst.

»Ja, Pauls, du hast die Wahl!«, sagte auch Jonas.

Vincent rief kurz die Jungs seiner Bande, Roman Hake, Fabian Winter und Johannes Dickel zu sich und plötzlich stand es zwei gegen vier.

»Nicht sehr ausgewogen würde ich meinen«, sagte er dann, Mitleid heuchelnd.

»Kommt, zwei von uns schaffen doch locker einen von den Jungen«, flüsterte Emilia zu Alex und Leonie. »Wir können Janice jetzt nicht hängen lassen.«

Die anderen Mädchen waren einverstanden und traten ebenfalls geschlossen vor.

Janice verstand den Wink. Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, ging sie auf Vincent los.

»Das nenne ich mal einen ereignisreichen Tag«, erzählte Alexandra am Abend aufgeregt, während ihr Vater ihre Schürfwunden mit Pflastern versorgte. »Ich bin jetzt in der Willemsbande. Janice Bodt ist unsere Anführerin.«

»Und als Erstes musstet ihr euch mit den Bischofs prügeln.«, stellte ihre Mutter besorgt fest.

»Natürlich. Wir mussten schließlich herausfinden, wie stark sie sind und wie wir sie am besten bekämpfen können.«

»Kommt mir bekannt vor«, meinte ihr Vater schmunzelnd. »Mir ging es damals, als ich Willemsanführer wurde, genauso.«

»Mir nicht!«, rief Jane [2] erbost. »Man muss sich nicht schlagen. Als ich Bischofanführerin wurde, haben wir so etwas nicht gemacht.«

Christian Kaiser zwinkerte seiner Frau amüsiert zu. »Ich hätte dich ja auch lieber geküsst, seit ich dich das erste Mal sah, als mit dir über Bandenkram zu diskutieren.«

»Jetzt kommt das wieder!« Genervt verdrehte Alex ihre Augen. »Müsst ihr schon wieder anfangen zu turteln?«

»Auf alle Fälle.« Christian strich seiner Tochter sanft über das Haar. »So, deine Kampfwunden sind versorgt. Zeit für das Bett.«

Alex nickte und lief ins Bad.

Jane blickte ihr kopfschüttelnd nach. »Ich hatte gehofft, dass ich wenigstens bei ihr mit den Banden verschont bleibe.«

»Ist doch nicht so schlimm. Wie man sieht, hat Alexandra Spaß daran«, meinte Christian schmunzelnd und zog seine Frau an sich ran. »Das werden wir auch noch überstehen.«

Kapitel 2

Juli 2003

»Andreas, wir haben wahrscheinlich einen Mieter für das freistehende Haus gefunden.« Christian saß an seinem Schreibtisch und sah ein paar Rechnungen durch. »Der neu zugezogene Apotheker hat Interesse.«

»Engel heißt er, oder?« Andreas Wollnik, der Chef des Weißwalder Gestüts, nickte bedächtig. »Wann möchte er sich das Haus ansehen?«

»Heute Nachmittag noch, wenn es geht.«

»Kein Problem. Ich bin froh, wenn es wieder bewohnt wird, schließlich steht es schon seit fast einem halben Jahr leer.«

»Seit du mit Alice in das Gutshaus gezogen bist.«

»Ja, nachdem Patrizia ausgezogen ist, war es uns einfach zu ruhig.« Andreas lächelte glücklich. »Jetzt haben wir sie wieder und hoffentlich bald auch unsere Enkel um uns herum.«

»Ich bin froh, dass ihr hier mit wohnt. Der Gutshof ist wirklich groß und je mehr Zimmer in Benutzung sind, desto besser. Herr Engel ist dann mit seiner Familie um sechzehn Uhr vor deinem Haus.«

»Sehr gut.« Andreas erhob sich aus seinem Sessel. »Ich hoffe, es gefällt ihnen. Das wäre dann eine Last weniger.«

Alex, die gerade an der Tür vorbeiging, hatte die letzten Sätze gehört.

Das Haus auf dem Hügel sollte also vermietet werden. Na, die neuen Bewohner würde sie sich genau anschauen.

Pünktlich sechzehn Uhr saß sie auf einem Baum in der Nähe des Hauseingangs und beobachtete von oben das Ehepaar und dessen Sohn, die gerade aus einem Auto gestiegen waren.

»Benimm dich anständig«, mahnte seine Mutter und zupfte nervös am Hemd des Jungen herum. »Es gibt hier kaum Häuser in diesem guten Zustand zur Miete. Vielleicht können wir es sogar kaufen. «

»Ja, ich gebe mir Mühe«, murmelte der Kleine und blickte sich neugierig um.

Dann sah Alex, wie Andreas auf einem Pferd angeritten kam.

»Ich hoffe, ich habe Sie nicht warten lassen?«, fragte er höflich und stieg schnell ab.

»Nein, wir sind auch gerade erst angekommen«, antwortete Herr Engel verbindlich. »Die Gegend hier ist sehr schön. Gehört dieser Fleck noch offiziell zum Gebiet des Gestüts?«

»Eigentlich schon, aber das Haus steht so nah am Rande, dass Sie, insofern wir uns einig werden, kaum etwas von uns mitbekommen werden. Die Weiden, Koppeln und Stallgebäude sind mehr in südlicher Richtung.«

»Was genau gehört zum Mietvertrag?«, fragte die Ehefrau des Apothekers interessiert.

»Natürlich das Haus, und die Garage. Nach hinten raus gibt es noch einen vierhundert Quadratmeter großen Garten, den Sie nach Belieben nutzen können. Wollen wir uns jetzt das Haus anschauen?«

Das Ehepaar nickte begeistert.

Der Junge hatte indes weiter die Gegend untersucht und schon längst das Mädchen auf dem Baum, kaum zwei Meter von ihm entfernt, entdeckt.

Lachend winkte er ihr zu, bevor er seinen Eltern in das Haus folgte.

Er hat mich gesehen, schnell sprang Alex vom letzten Ast auf den Boden runter und versteckte sich nun hinter einer Regentonne. Hier würde er sie nicht finden.

Nach zwanzig Minuten war die Besichtigung zu Ende. Herr Wollnik verließ mit der Apothekerfamilie das Haus.

Während die Erwachsenen noch die vertraglichen Dinge besprachen, suchte der Junge mit seinen Augen wieder die Gegend ab. Wo hatte sich die Kleine dieses Mal versteckt?

Schnell hatte er sie hinter der Regentonne ausgemacht. Langsam schlich er sich von hinten an sie heran und packte sie am Arm.

»Du bist aber neugierig«, sagte er schmunzelnd und schob ihr die schief sitzende Brille an die richtige Stelle.

»Ich wollte nur sehen, wer hier in mein Revier einziehen will«, erwiderte Alex ertappt und errötete. »Ich wohne dort drüben im Gutshof. Es ist nicht weit bis dorthin, nur circa zweihundert Meter.«

»Ich heiße Marc und du?«

»Alexandra.«

»Meine Eltern haben das Haus gemietet. Wir werden uns jetzt wohl öfter sehen.«

»Vermutlich. Wie alt bist du? «

»Ich bin neun. Und du?«

»Ich auch. Dann kommst du nach den Sommerferien bestimmt in meine Klasse.«

»Ja, das wäre super.« Marc betrachtete Alex von oben bis unten. Sie trug ein altes Shirt, eine Reiterhose und ausgeblichene Turnschuhe. Ihr dunkelblondes Haar hatte sie zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden. Und sie kletterte auf Bäume! Vermutlich würde er gut mit ihr klarkommen.

Er hielt ihr seine Hand hin. »Schön, dich kennenzulernen.«

Auch Alex blickte ihn prüfend an. Der Junge trug wohl gerade seine besten Sachen und sein hellbraunes Haar war akkurat zu einem Seitenscheitel gekämmt. Auf seiner Nase bemerkte sie mehrere Sommersprossen, die ihn sehr sympathisch erscheinen ließen.

Sie griff nach seiner Hand und blickte dabei in seine blauen Augen. »Hallo Marc, willkommen in Weißwald.«

Schon eine Woche später zog Familie Engel in das Haus der Wollniks ein.

Nach dem Willemstreffen machte Alexandra einen kleinen Umweg und schaute kurz bei Marc vorbei.

»Hallo«, begrüßte er sie erfreut. »Schön, dass du mich besuchen kommst.«

»Ich wollte mal sehen, wie du dich so eingelebt hast.«

»Also mein Zimmer ist fast fertig eingerichtet, aber ich will jetzt keine Kisten mehr auspacken. Das hat bis morgen Zeit. Magst du mir jetzt ein bisschen die Umgebung zeigen? Ich kenne noch gar nichts von Weißwald.«

»Wo hast du denn vorher gelebt?«

»In verschiedenen Städten, Berlin, Schwerin und Nürnberg. Mein Vater hatte mehrmals seine Anstellung gewechselt. Jetzt will er sich selbstständig machen, und ich hoffe, dass wir endlich mal sesshaft werden.«

Bewundernd blickte Alex ihren neuen Freund an. Er hatte schon viel gesehen, was sie von sich und ihrem behüteten Leben nicht behaupten konnte.

Auf einem Ständer neben der Tür sah sie eine Gitarre.

»Kannst du die spielen?«, fragte sie neugierig.

»Klar. Mit sechs Jahren schickten mich meine Eltern zum Musikunterricht. Seitdem übe ich regelmäßig und kann auch ganz gut spielen, meine ich.«

»Super. Ich bin leider komplett unmusikalisch. Meine Karriere endete mit kläglichen Versuchen, mir Blockflöte beizubringen. Ich glaube, ich zeige dir als Erstes den Gutshof und das Gestüt«, beschloss sie nach kurzem Überlegen. »Ist dir das recht?«

Marc strahlte sie fröhlich an. »Ja, sehr sogar.«

Er folgte ihr hinaus aus dem Haus. »Erzähl doch mal, wie verbringst du so deine Tage hier?«

»Ich bin Mitglied bei der Willemsbande. Ach, die kennst du ja gar nicht.« Alex lachte kurz auf. »Da haben wir jetzt ein Thema, über das ich Stunden sprechen könnte.«

»Banden?«, fragte Marc interessiert. »Na, dann klär mich mal auf.«

»Ja gern, aber erst erzähle ich dir etwas über unseren Gutshof.« Nach wenigen Minuten hatten die beiden Kinder das große Backsteinhaus mit seinen verschiedenen Nebengebäuden erreicht.

»Hier lebt meine Familie schon seit Generationen. Momentan wird es von meiner Großmutter, meinen Eltern und mir, Tante Alice und Andreas sowie meinem Bruder Alan und seiner Ehefrau Patrizia bewohnt. Es wird auf alle Fälle nie langweilig.«

Ehrfürchtig musterte Marc das große Haus.

»Das ist umwerfend«, konnte er nur hervorbringen.

Lachend zog Alex ihn zu ihrem Zimmer. »Die verschiedenen Familien leben in separaten Wohnungseinheiten. So hat jeder seine Privatsphäre. Aber morgens frühstücken wir immer alle gemeinsam. Das ist meistens der schönste Teil des Tages.«

»Du hast ja eine Terrassentür, die in den Garten führt. Stiehlst du dich abends manchmal davon?«

»Nein, bisher war das noch nicht nötig.« Alex griff nach seiner Hand und zog ihn wieder nach draußen. »So und nun zeige ich dir das Gestüt.«

Auf dem Weg dahin begann sie von den Banden zu erzählen.

»Leider kannst du nicht bei uns eintreten, weil wir schon komplett sind. Aber ich nehme dich morgen trotzdem mal mit zu uns, damit du dir das Lager anschauen und die Willems kennenlernen kannst.«

Marc nickte erfreut.

Kapitel 3

Wie versprochen liefen die beiden Kinder am nächsten Tag gemeinsam zum Willemslager.

Ohne zu zögern, schob Alex ihren neuen Freund in die Laube. »Leute, das ist Marc.«

Janice musterte den Jungen skeptisch. »Das ist dein neuer Nachbar, Alex?«

Alex nickte. »Ich habe Marc von den Banden erzählt und wollte ihm unser Lager zeigen. Er weiß, dass er nicht eintreten kann.«

»Ich zeige dir unsere Bücher.« Janice seufzte kurz. »Du bist ja nicht der erste Zivilist, der sich für uns interessiert.«

»Das stimmt«, meinte Jan grinsend. »Ich glaube, unsere halbe Schulklasse war schon hier.«

»Das kann ich mir vorstellen«, antwortete Marc. »Die Banden haben eine lange Tradition und nicht jeder hat das Glück, ihnen beitreten zu dürfen.«

Stolz erhobenen Hauptes schritt Janice zum Schrank, holte die Chronik und das Buch der Willems heraus und legte sie vor Marc hin, der inzwischen am Tisch saß.

Neugierig studierte Marc die Seiten.

»Wow, das ist super interessant«, murmelte er dabei fasziniert.

»So, wir gehen jetzt unser Revier ab und halten nach den Bischofs Ausschau«, klärte Janice ihn nach ein paar Minuten auf. »Du kannst uns gern begleiten. Aber wenn es zu einer Auseinandersetzung kommt, hältst du dich heraus!«

»Verstanden!«, erwiderte Marc beeindruckt.

»Ja, den Befehlston hat die Chefin gut drauf«, raunte Leonie ihm schmunzelnd zu.

Nach kurzer Zeit trafen die Willems im Wald auf die Bischofbande.

Marc hielt sich abseits und beobachtete das Geschehen interessiert. Er sah, wie Janice sich kerzengrade vor dem Bischofanführer aufbaute und mit ihm schimpfte und diskutierte. Dieser konterte mit einer gewissen Leichtigkeit und Routine ihre Worte und ging dann selbst zum Angriff über. Janice wich jedoch keinen Zentimeter zurück. Standhaft verteidigte sie ihre Stellung.

Plötzlich jedoch kippte die Stimmung und aus der Diskussion wurde ein Handgemenge.

Mit einem Male kämpfte jeder gegen jeden. Selbst die sonst so besonnene Alex hielt sich nicht zurück. Und obwohl es auf den ersten Blick ernst aussah, merkte Marc, dass alle einen Riesenspaß dabei hatten.

»Verdammt, warum wohne ich nicht schon seit drei Jahren hier«, seufzte Marc neidisch. Wie gerne würde er ein Teil dieser Gemeinschaft sein. Einfach nur mit dazu gehören. Aber das war unmöglich.

Doch schon wenige Monate später wurde sein Wunsch erfüllt.

»Alexandra, ich muss dir etwas sehr Trauriges mitteilen.« Betrübt blickte Christian Kaiser seine Tochter an.

Alex hatte es sich auf ihrem Bett bequem gemacht und musterte ihren Vater verwirrt. »Was denn?«

»Ich habe eben die Nachricht bekommen, dass Janice und ihre Eltern in Italien einen Autounfall hatten. Es hat niemand überlebt.«

Alex brauchte ein paar Sekunden, um das eben Gehörte zu verarbeiten.

»Wie bitte?«, fragte sie dann. »Willst du mir sagen, dass Janice und ihre Eltern tot sind? Das kann nicht sein. Bist du dir sicher?«

»Leider ja. Die Totenscheine wurden in meine Praxis gefaxt. Es liegt kein Irrtum vor.«

Verwirrt sank Alex in sich zusammen. »Nein, das kann ich nicht glauben. Sie sind wirklich tot? Oh Gott, das ist ja schrecklich.«

Erinnerungen stürmten auf sie ein. Ihre lebhafte Freundin Janice sollte plötzlich nicht mehr am Leben sein? Das konnte doch nur ein böser Traum sein.

»Ich werde versuchen, die älteren Töchter Shirin und Celine, soweit es geht zu unterstützen. Du weißt, beide studieren in Heidelberg. Sie sind jetzt gerade auf dem Weg nach Weißwald. Die Überführung der Toten habe ich schon veranlasst. Das deutsche Konsulat hat sehr geholfen.«

Alex konnte es noch immer nicht fassen.

»Was soll jetzt aus der Willemsbande werden?«, fragte sie geschockt. »Ich weiß, dass das jetzt eine Nebensächlichkeit ist und ... « Plötzlich brach sie in Tränen aus und fiel ihrem Vater in die Arme.

»Ich kann dich verstehen. Du musst das jetzt erst mal verarbeiten«, murmelte Christian in beruhigendem Tonfall, während er seine jüngste Tochter umarmte. »Die Willems müssen sich irgendwann treffen und darüber sprechen, wie es weitergehen soll. Ihr seid jetzt ein Mann zu wenig und über kurz oder lang braucht ihr ein neues Mitglied. Holt Marc in die Bande. Er schwärmt doch eh immer so dafür. Dann braucht ihr einen neuen Anführer.«

Alex nickte kurz. »Das stimmt. Ich werde Marc fragen aber erst nach … der Beerdigung.«

Der folgende Tag verlief für Alex sehr bedrückend.

Sie erzählte im Lager die traurige Nachricht den anderen Kindern.

Die Willems konnten es erst nicht fassen.

»Janice ist … tot?«, fragte Jonas ungläubig. »Unsere verrückte, lebhafte Janice?«

»Nein, das kann nicht sein«, begann Leonie zu schluchzen. Emilia reichte ihr ein Taschentuch.

»Die armen Schwestern«, sagte sie dabei. »Celine und Shirin sind jetzt allein auf der Welt. So ganz ohne Eltern muss es schrecklich sein.«

Jan nickte zustimmend. »Ich kann es auch kaum glauben. In meiner Familie ist bisher noch nie jemand gestorben.«

»Ich war auch noch nie auf einer Beerdigung«, murmelte Alex. »Mein Papa meint, dass sie wohl in einer Woche stattfinden wird, sobald die Urnen aus Italien ankommen.«

»Urnen?« Leonie erblasste. »Ich glaube, mir wird schlecht.«

Schnell stand sie auf und lief aus dem Lager.

»Ich kümmere mich um sie«, sagte Emilia, sprang auf und lief ihr nach.

Betrübt erhob auch Alex sich, ging zum Schrank und griff nach der Willemschronik.

»Soweit ich weiß, ist soetwas bisher noch nie bei der Bande eingetreten.« Sie ließ sich wieder auf ihrem Platz nieder und öffnete das Buch. »Ein, zwei Mitglieder sind mal weggezogen und die Lücken wurden mit anderen Kindern gefüllt.«

»Wie kannst du jetzt nur über so etwas sprechen?«, fragte Jonas schockiert.

»Ich musste mich seit gestern an den Gedanken gewöhnen und habe schon etwas weitergedacht«, erwiderte Alex und hob entschuldigend die Schultern. »Es tut mir leid, wenn ich mit der Tür ins Haus falle, aber über kurz oder lang brauchen wir einen neuen Anführer.«

»Und ein neues Mitglied«, stimmte Jan zaghaft zu.

»Ich dachte an Marc. Er mag die Willemsbande sehr. Um einen neuen Anführer sollten wir uns später kümmern. Um dieses Thema anzusprechen, ist es jetzt wirklich zu früh.«

»Ja, Marc ist okay. Er wäre sicher ein guter Ersatz«, murmelte Jan. »Ersatz … das hört sich so verdammt verkehrt an.«

»Aber es trifft leider die Wahrheit«, sagte Jonas traurig. »Ja, ich bin auch für Marc.«

Alex nahm einen Stift vom Tisch und notierte das traurige Ereignis in die Chronik.

»Leonie und Emilia werden sicher auch zustimmen«, murmelte sie dabei. »Ich finde, wir sollten Marc nach der Beerdigung in unser Lager einladen und ihn gemeinsam fragen.«

Die beiden Jungen nickten bedrückt.

Kapitel 4

Die Beerdigung fand eine Woche später statt.

Fast der ganze Ort versammelte sich in der Kirche und nahm an dem Trauergottesdienst teil.

Alex konnte sich noch gut an die Bandenvorgänger erinnern. Alle ehemaligen Mitglieder beider Banden waren da und bekundeten Shirin und Celine ihr Beileid.

Unter den Trauernden sah Alex auch die aktuellen Bischofs. Besonders Vincent sah sehr mitgenommen aus. Das fand sie erstaunlich, schließlich hatte er Janice doch am meisten gehasst.

Am liebsten hätte sie ihn darauf angesprochen, doch als er bemerkte, dass sie ihn beobachtete, wich er ihrem Blick aus. Wahrscheinlich fragte er sich auch, wie es nun weitergehen sollte.

Ja, wie sollte es nun weitergehen?

Das fragten sich die Willems auch noch mehrere Tage später.

Während der ganzen Zeit hatten die Bischofs sie in Ruhe gelassen. Ja, sie waren sogar außerordentlich freundlich gewesen.

Zusammen saßen sie nun am Tisch im Willemslager und blickten zu Marc, der sie gespannt ansah.

»Wir möchten dich fragen, ob du Lust hast, den Willems beizutreten.«, ergriff Jan schließlich das Wort.

Erleichtert atmete Marc auf.

»Natürlich möchte ich«, sagte er erfreut. »Es tut mir nur leid, dass es erst wegen so einem traurigen Anlass möglich wurde.«

Alex griff nach ihrem Stift und trug den Neuzugang ein.

Dann lächelte sie ihren Freund an. »Willkommen bei den Willems.«

»Jetzt müssen wir nur noch überlegen, wer Anführer werden soll«, meinte Leonie traurig. »Ich weiß gar nicht, wie wir das anfangen sollen. Damals als wir die Banden übernommen hatten, war sofort klar, dass Janice den Job übernimmt.«

Emilia hob nur resignierend ihre Schultern.

»Lose ziehen?«, fragte Jan unsicher.

»Nein, auf keinen Fall«, rief Alex. »Ich könnte Janices Stelle niemals einnehmen.«

»Ich auch nicht«, meinten Jonas und Emilia gleichzeitig.

»Jan?« Alex sah ihn hoffnungsvoll an. »Wie sieht es bei dir aus?«

»Ich?«, fragte Jan überrascht. »Also, darüber habe ich mir noch keine Gedanken gemacht.«

»Ich glaube, du kannst das«, sagte Leonie zuversichtlich,

Der Rest der Willems stimmte ebenfalls zu.

Jan schüttelte irritiert den Kopf. »Ich muss erst darüber nachdenken. Dann ändert sich alles für mich. Ich müsste mich ständig mit Pauls auseinandersetzen. Keine Ahnung, ob ich das durchhalte.«

»Wir helfen dir doch dabei.« Alex blickte hoffnungsvoll in die kleine Runde. »Sind wir uns einig?«

»Ja, wir stehen hinter dir, Jan«, schworen die Willems.

»Ich weiß nicht, ob ich das kann«, wiederholte Jan jedoch seine Bedenken. »Lasst mich erst testen, ob ich das so gut wie Janice hinbekomme.«

Erleichtert atmete Alex auf. Jan war groß und kräftig. Er hatte sich schon oft mit Vincent angelegt und gegen ihn gekämpft. Natürlich würde er ein guter Anführer werden.

Dann blickte sie zu ihrem besten Freund Marc, der sich inzwischen die Chronik genommen hatte und sie eifrig studierte. Ihr Herz machte einen kleinen Sprung.

Sie wusste, wie sehr er es sich gewünscht hatte, ein Bandenmitglied zu werden. Jedes Mal, wenn sie mit ihm im Gutshof oder auf dem Gestüt gespielt und ihn dann für ein Treffen mit der Bande verlassen hatte, war er todunglücklich gewesen.

»Wir sollten die Bischofs suchen und ihnen unsere Entscheidungen mitteilen«, riss Jan sie aus ihren Gedanken.

Wie auf Kommando standen alle gleichzeitig auf und liefen zur Lagertür.

»Woher wisst ihr, wo ihr die Bischofbande finden könnt?«, fragte Marc neugierig.

»Das wissen wir nie«, antwortete Jan. »Wir durchsuchen jetzt die Gegend nach ihnen und mit etwas Glück treffen wir auf sie.«

»Meistens ist es so, dass sie uns auch suchen«, sprach Alex weiter. »Die Konfrontation mit den Gegnern ist das Interessanteste am ganzen Spiel.«

Marc nickte bedächtig. »Aber auch das Streichespielen. Ich hätte da ein paar lustige Ideen.«

Zusammen liefen die Kinder erst zum See und dann in Richtung Bischoflager. Schließlich trafen sie, wie geplant, auf die gegnerische Bande.

Man sah den Bischofs an, dass sie nicht wussten, wie sie auf dieses Aufeinandertreffen reagieren sollten.

Jan nahm ihnen die Entscheidung ab.

»Wir haben ein neues Mitglied aufgenommen. Ihr kennt Marc ja aus der Schule«, sagte er mit lauter, fester Stimme. »Des Weiteren werde ich vorläufig die Stelle des Anführers einnehmen.«

Nun schien Vincent aus seiner augenscheinlichen Lethargie aufzuwachen.

»Du?«, fragte er grinsend. »Na, wer hätte das gedacht?«

»Ja, ich.« Langsam schlenderte Jan zu seinem Lieblingsgegner und baute sich vor ihm auf. »Lassen wir doch die Worte und kommen direkt zur Sache. Ich bin schon etwas eingerostet.«

»Ich habe nichts dagegen«, erwiderte Vincent leicht überrascht, während er Jans erstem Angriff geschickt auswich. Normalerweise gab es erst einen Wortwechsel und nur hin und wieder wurde gekämpft. Insgeheim befürchtete er, dass diese Tradition mit Jan nicht möglich war. Er war nicht sehr gut mit Worten. Die Bandenspiele würden nicht mehr das Gleiche sein.

»Ich nehme mir die Ramm vor«, entschied Emilia.

»Ich die Tillner«, meinte Leonie.

»Ich den Hake«, sagte Jonas.

Entschlossen stürmten die drei los.

»Ich soll mir jetzt einen aussuchen, mit dem ich mich schlagen will?«, fragte Marc skeptisch.

»Scheint so«, antwortete Alex. »Normal … also, als Janice noch da war, diskutierte sie erst eine Weile mit Vincent. Es kam nicht immer zu einem Kampf. Das wäre ja auch langweilig.«

»Finde ich auch.« Schmunzelnd wies Marc zu Johannes Dickel und Fabian Winter. »Die beiden warten darauf, dass wir sie angreifen.«

»Ich schlage mich nicht mit einem Jungen«, sagte Alex entschieden. »Da ziehe ich doch sowieso den Kürzeren. Ich bleibe schön hier und warte auf das Ende des Kampfes.«

»Ja, ich will nicht, dass du verletzt wirst.« Marc zwinkerte ihr aufmunternd zu und rannte dann zu den beiden noch übrigen gebliebenen Bischofs.

Irritiert beobachtete Alex, wie er die beiden angriff und mit ihnen kämpfte. Mit Leichtigkeit schickte er Fabian zu Boden und Sekunden später folgte auch Johannes.

Schnell erhoben sich beide Jungen wieder und fielen über das neue Mitglied der Willems her, doch auch dieses Mal wehrte sich Marc meisterlich und nur Momente später lagen sie wieder auf dem Boden.

Stolz beobachtete Alex, wie die anderen aufhörten zu kämpfen und Marc, Johannes und Fabian bei ihrer Auseinandersetzung zuschauten.

Es war einfach nur beeindruckend, wie locker ihr neuer bester Freund mit zwei Gegnern fertig wurde.

»Es reicht«, rief Vincent schließlich, pfiff seine Bischofs zurück und verschwand mit ihnen zwischen den Bäumen.

»Wow, nicht schlecht«, musste Jan zugeben. »Wo hast du das gelernt?«

»Ach«, winkte Marc schmunzelnd ab. »Ich habe nur ein bisschen Kampfsport geübt. Nicht viel. Aber für die Bischofbande scheint das zu reichen.«

»Das war einfach super«, rief Alex. »Die haben jetzt richtig Respekt vor uns.«

»Kannst du uns was beibringen?«, fragte Leonie und blickte ihn begeistert an.

»Denke schon«, erwiderte Marc leicht errötend. »Das sollte kein Problem sein.«

Kapitel 5

Montag in der Schule forderte Vincent seinen neuen Lieblingsgegner Jan aufs Neue heraus.

»Hey, du Pseudoanführer, jetzt zeig mal, was du draufhast«, rief er und stellte sich drohend vor dem Willem auf.

Jan blickte amüsiert zu seiner um ihn herumstehenden Bande. Dann wandte er sich an den Bischofanführer. »Willst du dich schon wieder mit mir schlagen?«

»Wenn du keine besseren Argumente hast?«, erwiderte Vincent routiniert.

Alex verfolgte den Schlagabtausch und war froh, dass sie nur ein normales Mitglied war.

»Ach man, du weißt ganz genau, dass hier in der Schule nichts läuft«, sagte Jan leicht genervt. »Frau Wollnik wird uns die Ohren lang ziehen.«

»Das hält dich auf?«, antwortete Vincent schmunzelnd.

Zum ersten Mal fiel Alex in diesem Moment auf, dass der Anführer der Bischofbande ein ziemlich hübscher Junge war. Wie seine älteren Brüder hatte er blond gelockte Haare, auffallend strahlend azurblaue Augen und ein hübsches, klassisch geformtes Gesicht. Er würde mal viele Herzen brechen.

Aber nicht meins, dachte sie schnell und wunderte sich über diesen Gedanken. Wie kam sie nur dazu, den Bischofanführer hübsch zu finden? Er war schließlich die schrecklichste Person, die sie kannte … ein verdammter Bischof und ihr größter Feind.

»Ach, das langweilt mich«, riss Jan sie aus ihren Gedanken. Er drehte sich um und lief in die Schule.

Überrascht über diese Abfuhr blickte Vincent ihm irritiert nach.

»Das wird nicht gutgehen«, murmelte er kopfschüttelnd.