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1991: Drei Jahre, nachdem ein unbekanntes Flugobjekt mit 300.000 versklavten Außerirdischen in der Mojave-Wüste gelandet ist, leben diese sogenannten Newcomer in Los Angeles. Matthew Sykes, ein Police-Officer, verliert seinen Partner Bill Tuggle während einer Schießerei: Die Detectives hatten versucht, zwei Newcomer-Kriminelle davon abzuhalten, einen anderen Newcomer namens Porter in dessen Lebensmittelgeschäft zu ermorden. Am nächsten Tag informiert Sykes' Vorgesetzter seine Einheit, dass sie mit dem neu beförderten Newcomer-Detective Sam Francisco zusammenarbeiten müssen. Obwohl er voreingenommen ist, akzeptiert Sykes Francisco als Partner, um einen Mord an einem Newcomer namens Warren Hubley zu untersuchen. Sykes vermutet, dass er, wenn er dieses Verbrechen aufklärt, auch die Möglichkeit haben wird, die Ermordung seines Partners zu untersuchen - was ihm offiziell verboten ist... Alien Nation von Alan Dean Foster ist die Roman-Adaption des gleichnamigen Science-Fiction-Kultfilms aus dem Jahr 1988 (Regie: Graham Baker), der Elemente der Science Fiction mit jenen des Neo-Noir-Krimis verbindet. In den Hauptrollen: James Caan als Matthew Sykes, Mandy Patinkin als Sam Francisco, Terence Stamp als William Harcourt und Leslie Bevis als Cassandra.
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ALAN DEAN FOSTER
Alien Nation
Roman
Apex Science-Fiction-Klassiker, Band 44
Apex-Verlag
Inhaltsverzeichnis
Das Buch
ALIEN NATION
Erstes Kapitel
Zweites Kapitel
Drittes Kapitel
Viertes Kapitel
Fünftes Kapitel
Sechstes Kapitel
Siebtes Kapitel
Achtes Kapitel
Neuntes Kapitel
Zehntes Kapitel
Elftes Kapitel
Zwölftes Kapitel
Dreizehntes Kapitel
Vierzehntes Kapitel
1991: Drei Jahre, nachdem ein unbekanntes Flugobjekt mit 300.000 versklavten Außerirdischen in der Mojave-Wüste landete, leben diese sogenannten Newcomer in Los Angeles.
Matthew Sykes, ein Police-Officer, verliert seinen Partner Bill Tuggle während einer Schießerei: Die Detectives hatten versucht, zwei Newcomer-Kriminelle davon abzuhalten, einen anderen Newcomer namens Porter in dessen Lebensmittelgeschäft zu ermorden. Am nächsten Tag informiert Sykes' Vorgesetzter seine Einheit, dass sie mit dem neu beförderten Newcomer-Detective Sam Francisco zusammenarbeiten müssen. Obwohl er voreingenommen ist, akzeptiert Sykes Francisco als Partner, um einen Mord an einem Newcomer namens Warren Hubley zu untersuchen. Sykes vermutet, dass er, wenn er dieses Verbrechen aufklärt, auch die Möglichkeit haben wird, die Ermordung seines Partners zu untersuchen - was ihm offiziell verboten ist...
Alien Nation von Alan Dean Foster ist die Roman-Adaption des gleichnamigen Science-Fiction-Kultfilms aus dem Jahr 1988 (Regie: Graham Baker), der Elemente der Science Fiction mit jenen des Neo-Noir-Krimis verbindet. In den Hauptrollen: James Caan als Matthew Sykes, Mandy Patinkin als Sam Francisco, Terence Stamp als William Harcourt und Leslie Bevis als Cassandra.
Dieses Buch ist
James und Gale Ann gewidmet,
die viel Spaß an allem haben
und ihn auch gerne teilen.
Jene, die es sahen, bezeichneten es als aufsehenerregend, und keiner schätzte seine wahre Bedeutung auf Anhieb richtig ein.
Das Schiff hing im wolkenlosen Blau des Mojave-Himmels, eine unglaublich ausgedehnte Stadtlandschaft aus Metall, Plastik und Gott weiß, was sonst. Über dem Bett eines ausgetrockneten kleinen Sees hatte es Gestalt angenommen und nun hing es unbeweglich da, eine silberne Skulptur vor dem Hintergrund der ausgedörrten Rippen der südlichen Sierra Nevada.
Die ersten Menschen, die den Besucher zu Gesicht bekamen, waren die Porters aus Lancaster, Kalifornien. Sie waren gerade auf dem Weg nach Bridgeport, wo sie eine Woche lang wandern und fischen wollten, als Mark Porter aus dem Fenster des Familien-Fords sah und brüllte: »Heiliges Kanonenrohr, Dad - schau dir das mal an!« Worte, die inzwischen einen ebenso festen Platz in der menschlichen Geschichte gefunden hatten wie Veni, vidi, vici oder Ein kleiner Schritt für einen Menschen, ein gewaltiger Sprung für die Menschheit. Seine Schwester Mandy war der zweite Mensch, der das Schiff sah, doch ihre Worte sind nirgendwo verzeichnet.
Ein Trucker mit einer Ladung Schlachtfleisch auf dem Weg nach L.A. war der nächste. Ihm folgte ein Mitglied der California Highway Patrol, der zehn Minuten damit zubrachte, die Erscheinung anzustarren, bevor er sich an sein Funkgerät erinnerte, das mittlerweile schier durchdrehte. Aus ganz Südkalifornien und Nevada trafen langsam die Berichte ein, als auch die anderen den Eindringling am Himmel bemerkten. Die Wüstenluft an diesem Morgen war sehr klar, und so hatten ehrfürchtige Einwohner beider Staaten keinerlei Mühe, das Schiff auszumachen.
Ein weiterer Grund war der, dass das Schiff zehn Kilometer lang war.
Die Army stellte ihre Tüchtigkeit unter Beweis, indem sie das Gelände binnen vierundzwanzig Stunden nach der ersten Sichtung völlig absperrte und isolierte. Unglücklicherweise hatte sie es bei der Mobilmachung so eilig, dass drei Zivilisten und ein halber Zug Soldaten bei verschiedenen Unfällen ums Leben kamen. Jenseits des eigentlichen Landeplatzes gab es indes genügend Platz für die Neugierigen. Ein zehn Kilometer langes Raumschiff kann man nun mal nicht verstecken. Nicht, dass es die Army nicht versucht hätte: Sie sperrte die US 395 und sämtliche Zufahrtstraßen, errichtete Straßensperren auf den Wüstenwegen und ließ einige Kampfhubschrauber vom Typ Apache rund um die Uhr Patrouille fliegen, um Privatpiloten davon abzuhalten, dem Schiff zu nahe zu kommen. Auch die Air Force beteiligte sich mit allen möglichen Flugzeugen, von AH-Cs bis zu den F-16. Die enggezirkelten Patrouillenmuster ließen die Kampfpiloten sehr schnell schwindelig werden. Der zivile Luftverkehr wurde im Süden bis hinunter nach Yuma, im Norden nicht tiefer als bis Fresno umgeleitet. Inzwischen veränderten die sowjetischen Spionagesatelliten ihren Orbit und schossen alle Nahaufnahmen, die der Kreml brauchte.
Nichts konnte die Menschen davon abhalten, sich das Schiff mit eigenen Augen anzusehen. Sie kamen in Autos und Wohnwagen, in BMWs und Jeeps, Winnebagos und General Motors-Wohnmobilen. Familien bauten Picknicktische, Stereoboxen und Laufställe auf und entfalteten tragbare Parabolantennen, um die Kleinsten abzulenken, die sich von einem zehn Kilometer langen Raumschiff nicht sonderlich beeindruckt zeigten. Hemmungslos mengten sich Rechtsradikale unter Yuppies aus dem westlichen Los Angeles, die ihre Strandliegen aufstellten und ihre Kühltaschen voller Fruchtsäfte aufmachten. Arbeiter aus dem Valley schlürften ihr Budweiser und mampften Chips, feierten Partys, schliefen miteinander oder spielten Karten.
Inzwischen trafen auch die Medien in ihren kunstvollen Übertragungswagen an Ort und Stelle ein, einer zweiten Ar- my gleich, und richteten hastig ihre Q-Band-Sender aus, um die Bilder des Schiffes über die ganze Welt zu verbreiten.
Duncan Crais war einer der ersten Reporter vor Ort. Sein Bericht bestach vor allem durch seine Kürze und das Gefühl der Erregung, das er in jedem seiner Sätze unterbrachte. Inzwischen war er älter geworden, an den Schläfen etwas grau. Sein Einsatz, was den Bericht über die Ankunft betraf, hatte ihm zu einem bequemen Posten als Nachrichtensprecher unten in Atlanta und einem sechsstelligen Jahresgehalt verholfen.
Momentan fungierte er als Sprecher einer Dokumentation über die Ankunft für den örtlichen Kanal 6. Jene, die sich in der Bar versammelt hatten, kannten die vertraute, angespannte Stimme, als sie noch einmal von den Ereignissen berichtete, die ihre Welt endgültig verändert hatten.
»Das war die Kulisse in der kalifornischen Mojave-Wüste vor genau drei Jahren, die ersten historischen Fernsehbilder des Newcomer-Schiffes nach seiner dramatischen und völlig unerwarteten Ankunft. Und wie es seinerzeit bei der Ermordung John F. Kennedys der Fall war, gibt es wohl niemanden unter uns, der sich nicht genau daran erinnert, wo er war und was er am Morgen dieses 19. Oktober gerade tat, als sich die Nachricht verbreitete: Fremde waren gelandet. Fremde aus einem anderen Sonnensystem.«
Jene, die die Bar einmal gesehen hatten, bezeichneten sie als deprimierend, und kein einziger ließ sich nicht mindestens ein paar Minuten lang nieder.
Sie war überfüllt und finster. Irgendetwas ließ sie von innen finsterer als von außen aussehen, selbst nachts. Die Lampen, die den Tresen von oben und hinten beleuchteten, schienen das Leben aus der Luft zu saugen. Kleine Birnen, lebende Bierwerbung, die ohne Unterlass von rechts nach links oder von oben nach unten krabbelte, einsame Zigaretten, die in den Händen der wenigen noch Munteren tanzten wie Glühwürmchen in den Tiefen eines Sumpfes von Louisiana, sie alle trugen zu dem Gefühl krampfhaften Unbehagens bei.
Obwohl die Hollowpoint Bar düsterer als viele andere wirkte, war sie doch auch lebhafter als die meisten anderen.
Unter ihren regelmäßigen Besuchern herrschte ein gewisser Galgenhumor - ein Spiegel ihrer Arbeit im Zuge der Gesetzeshütung. Ein Großteil des Gelächters, das die Luft Nacht für Nacht erfüllte, war von Bitterkeit zernagt.
Der einsame Flachfernseher am anderen Ende der Bar gab weiterhin Duncan Crais' farbenfrohe Erinnerungen an die Ankunft der Newcomer von sich. Die meisten Gäste ignorierten seine Stimme und die sie begleitenden Bilder. Nur jene, die sich tatsächlich an das andere Ende des Tresens klammerten, wie Fledermäuse, die von der Decke ihres Gewölbes herabhingen, warfen gelegentlich einen Blick in Richtung der widerhallenden Töne.
Irgendwo auf der Mitte der Tanzfläche prallte Country- Western gegen Hard Rock, zwei tonale Galaxien, die miteinander kollidierten, ohne sich zu vermengen. Niemand beschwerte sich über die daraus resultierende Kakophonie. Die meisten waren mit wichtigeren Dingen beschäftigt, ihren Vorgesetzten, ihren Ehepartnern oder ihrer täglichen Pflichtrunde.
Gewürzt waren die Gespräche mit Flüchen und abstoßenden Ausdrücken aus der Gossensprache, die man in den Gefilden, die jenseits des Hollowpoint als ehrbare Gesellschaft galten, nie zu Ohren bekam. Die beiden Männer an der Mitte des Tresens gehörten nicht zur ehrbaren Gesellschaft. Ihr Job bestand darin, jene, die tatsächlich dazugehörten, vor jenen zu beschützen, die sich nur eines wenig schlechteren Ruf erfreuten als sie selbst.
Sie waren Bullen. Genauer gesagt: Detectives. Runtergekommen, schmutzig und sehr gut, was ihren Job anging. Im Augenblick waren sie auch ein wenig blau.
Fedorchuks Ahnen hätten Kosaken sein können - oder die von ihnen schikanierten Leibeigenen. Er war groß und schmuddelig und seine Anzüge schienen ihm nie so recht zu passen. Aber er kam nie zu spät und war auch niemals krank, Vorzüge, die ihm die Zuneigung seiner Vorgesetzten, wenn auch nicht gerade die seiner Kollegen eingebracht hatten. Nicht, dass er sich seinem Beruf mit besonderer Hingabe gewidmet hätte. Es war einfach nur so, dass er nichts Besseres zu tun hatte, und er selbst wusste das auch nur zu gut. Also ging er brav zur Arbeit. Er war ein guter Straßenbulle gewesen und hatte sich als ausreichend guter Detective erwiesen. In den Augen seiner Vorgesetzten glich seine Pünktlichkeit seinen absoluten Mangel an Intuition mehr als genug aus.
Sein Partner Alterez war ruhiger, was im Vergleich zu Fedorchuk so viel nun auch wieder nicht besagte. Alterez war ein Kumpel, eine Klassifizierung, auf die er selbst sehr stolz war. Für einen ehemaligen Mex hatte er eine ganze Menge erreicht. Er bemühte sich nach Kräften, sich von den Anglos, mit denen er nun mal arbeitete, nicht zu sehr zu unterscheiden. Als Folge davon hatte er statt der guten hauptsächlich die schlechten Charakterzüge seiner bleichen Kollegen angenommen. Nicht, dass es auf dem Revier ein Überangebot an guten Seiten gegeben hätte. Er und Fedorchuk waren schwerfällig, fantasielos, vulgär und gründlich. Sie passten zueinander.
Fedorchuk beugte sich über seinen Drink und schlürfte aus dem breiten Glas, ohne es mit seinen Händen abzustützen. Seine Brauen zogen sich zusammen, als er den Kopf hob und zu dem flimmernden Fernseher hochsah.
»Klar weiß ich, wo ich war. Sowas vergisst man schließlich nicht, oder? Ich war auf meinem Balkon und hab' auf den Hund vom Nachbarn gepisst.«
Da alle, die neben Fedorchuk an der Bar hockten, eine ähnliche Einstellung dem Leben gegenüber hatten, hielten sie seine fromme Erinnerung für ungeheuer komisch. Alterez lächelte nur. Er war die Witze seines Partners gewohnt. Statt den Witz zu kommentieren, wandte er seine Aufmerksamkeit dem hellen Fernsehschirm zu. Es spielte keine Rolle, dass Duncan Crais ihn nicht hören konnte. Für Alterez zählte nur, dass er sich selbst reden hörte.
»Gib schon endlich die verdammten Baseballergebnisse durch!«
»Genau, Partner. Sag ihm mal ordentlich Bescheid!« Fedorchuks Augen zogen sich zusammen, als er seine ganze Aufmerksamkeit seinem Glas widmete. Den Rand allein mit seinen Lippen zu finden, war immer eine schwierige Herausforderung für ihn gewesen. Er war stolz darauf, solche Herausforderungen anzunehmen, vor allem die selbstgestellten.
Ein kurzer Blick nach oben enthüllte, dass sich Crais in eine mittelalte Cal Tech-Professorin verwandelt hatte. Sie wirkte, als fühlte sie sich etwas unbehaglich in ihrem gestärkten blauen Hemd, und ihre Gesten deuteten an, dass ihre gewohnte Kleidung aus einem weißen Labormantel bestand. Aber alle kuschten vor der allmächtigen Fernsehröhre und kamen ihren Wünschen nach. Sie war bereit, der Wissenschaft ein Opfer zu bringen. Fedorchuk ertappte sich bei der Frage, wie sie wohl unter ihrem Hemd aussehen würde.
»Seit die Menschen das erste Mal zu den Sternen aufsahen, gab es auch Vermutungen über einen Besuch von den Fremden da draußen. So liegt eine gewisse Ironie darin, dass die zweihundertsechzigtausend Passagiere des Raumschiffes ebenso überrascht ob ihrer Ankunft waren wie wir, als es tatsächlich zur ersten Kontaktaufnahme kam. Sie erwachten aus ihrem Winterschlaf, einer Art ausgedehntem Tiefschlaf, nur um herauszufinden, dass ein defekter Autopilot sie fälschlicherweise auf unserer Welt abgesetzt hatte. Sie waren mehrere Grad vom Kurs abgekommen und hunderte von Lichtjahren von ihrem eigentlichen Ziel entfernt gelandet.«
Sie sah so aus, als ob sie noch mehr zu sagen hätte, aber irgendetwas außerhalb des Blickfelds der Kamera erregte ihre Aufmerksamkeit und sie verstummte. Der Mann links von Alterez gab ein vulgäres Geräusch von sich. Crais tauchte wieder auf und übernahm den Platz der Wissenschaftlerin. Er war völlig entspannt, tadellos frisiert, seines Ranges und seines Ruhmes völlig sicher.
»Diese Newcomer, wie wir bald erfuhren, waren genetisch gezüchtete Humanoiden, geschaffen, um unter schwierigen Umweltbedingungen harte Arbeit zu verrichten. Es wäre falsch, sie als Sklaven zu bezeichnen, und doch hatte man ihnen keine andere Wahl gelassen. Ihr Schicksal ist von anderen bestimmt worden, ohne ihre Einwilligung. Doch das Schicksal rechnete nicht mit einem defekten Autopiloten. Statt auf dem beabsichtigten Planeten fanden sie sich auf der Erde wieder, als Gestrandete. Der eigentümliche und für uns bis heute völlig unverständliche Antrieb ihres Schiffes war erschöpft, und so gab es für sie keine Möglichkeit, dorthin zurückzukehren, woher sie gekommen waren, oder auch nur jene zu benachrichtigen, die sie vor so langer Zeit auf den Weg geschickt hatten...«
In der Nähe klapperten lautstark einige Biergläser. Verärgert sahen sich einige der Gäste nach dem Kellner um, vergaßen seine Ungeschicklichkeit jedoch nur allzu schnell und widmeten sich wieder ihren Gesprächen oder der nicht enden wollenden Dokumentation auf dem Bildschirm über ihnen.
In der Zwischenzeit hatte Crais erneut einem anderen Platz gemacht, dieses Mal einer Frau Mitte Vierzig. Sie stand auf der Veranda eines Hauses, hinter ihr strahlte die Sonne. Im Hintergrund lief ein Hund durch das Bild, dicht gefolgt von einem achtjährigen Jungen. Fedorchuk fragte sich zynisch, ob Junge und Hund vom Besetzungsbüro kamen oder ob sie tatsächlich der Frau gehörten, die da in die Kamera lächelte. Wahrscheinlich stand der zweite Regieassistent irgendwo links neben der Kamera und lockte den Hund mit einem Steak und den Jungen mit einem Fünfer.
Der Detective kippte den Rest des Drinks hinunter und ließ das leere Glas dort stehen, wo es der Bartender bemerken würde. Der Tender kannte ihn und seinen Partner ziemlich gut. Das Glas würde sich wie durch Zauberei von selbst auffüllen, ohne dass er irgendjemand dazu auffordern müsste.
»Als die Newcomer das erste Mal ihr Schiff verließen«, meinte die Frau gerade, »steckte man sie in ein Quarantänelager ungefähr zehn Meilen vor der Stadt.« Sie lächelte. Ein untrainiertes Lächeln, beschied Fedorchuk. »Sie können sich sicher vorstellen, was die Leute in dieser Gegend davon hielten. Aber nachdem sie die Wissenschaftler erst einmal behandelt und untersucht hatten und sie schließlich aus dem Lager entlassen worden waren und wir die Gelegenheit bekamen, sie besser kennenzulernen, erkannten wir, um was für freundliche, ruhige Menschen es sich in Wirklichkeit handelte.«
Jemand, der näher am Fernseher saß, murmelte etwas Raues. Einige andere Gäste lachten. Der Mann, der gerade etwas gesagt hatte, stand auf und fummelte einen Augenblick an der Kanaleinstellung herum. Ein halbherziger Freudenschrei ertönte, als eine andere Nachrichtensendung den Schirm füllte. Es waren zwar auch nicht die Sportergebnisse, aber immerhin etwas nicht ganz so Langweiliges.
Fedorchuk sah wieder auf sein Glas, und tatsächlich: Als er nicht hingesehen hatte, hatte es einen weiteren Zoll einer blassgoldenen Flüssigkeit und zwei neue Eiswürfel erworben. Seine Lippen zu einem ewig dünnen Lächeln von Verständnis und Dienstbeflissenheit erstarrt, nickte der Bartender einmal in Fedorchuks Richtung. Der Detective lächelte dankbar zurück.
Der Bartender ignorierte die hagere Figur, die hinter ihm hart arbeitete. Der Kellner war genau wie alle anderen Newcomer: massiv, menschlich, außer durch seine Größe auf den ersten Blick kaum von einem normalen Menschen zu unterscheiden. Erst als er sich umdrehte, wurden die verräterischen Markierungsmuster auf seinem kahlen Schädel und das Fehlen externer Ohren offenbar. Er hätte den Bartender mit einem einzigen falschen Schritt zertreten können, doch stattdessen bewegte sich der Außerirdische sehr gewandt um ihn herum, immer seinen Boden aufgebend, wenn man ihn ihm streitig machte, immer aus dem Weg gehend. Er hielt zwei volle Regale mit Biergläsern ohne die geringste Anstrengung hoch.
»Hey, Henry!«, rief Fedorchuk. Man hatte allen Newcomern menschliche Namen zugeteilt, als man entdeckt hatte, dass ihre eigenen entweder schwierig oder völlig unaussprechlich waren. Sie hatten ihre neuen Namen mit demselben Gleichmut akzeptiert wie ihr Schicksal, auf einer Welt gestrandet zu sein, für die sie nicht geschaffen worden waren. Schiffbrüchigen stand es nicht zu, über die Sitten der Eingeborenen zu urteilen.
»Wie läuft's denn heute Abend so?«, fuhr Fedorchuk fort. »Schwer am Schuften? Soviel Arbeit kann schon ziemlich auf den Geist gehen, weißte.«
Ausdruckslos und sich dennoch bewusst, dass man ihn an
gesprochen hatte, wandte sich der Newcomer namens Henry langsam um. Sein Gesicht war fast so menschlich wie das von Fedorchuk, was so viel allerdings auch nicht besagte. Dennoch waren die Ähnlichkeiten zwischen einem Newcomer und einem Menschen außergewöhnlich, die Unterschiede nur sehr klein. Klein, aber verstörend. Ein Newcomer sah immer irgendwie falsch aus.
Fedorchuk war noch nicht fertig. Ihm machte die Sache Spaß. »Hast du überhaupt schon eine Arbeitserlaubnis, Mann? Du bist doch wohl nicht ohne von zu Hause weg? Ich will dich doch nicht einbuchten.«
An der Bar saßen noch einige andere Bullen. Einige kannten Fedorchuk, andere nicht. Die meisten hielten den cleveren Seitenhieb ihres Kollegen für recht amüsant. Henry dagegen starrte Fedorchuk nur erwartungsvoll an. In seinen Augen lag keine Bosheit, in seinem Gesicht kein Schmerz. Er blinzelte einmal. Dann drehte er sich um und trug das schwere Tablett voll dreckiger Gläser in die Küche.
Der Wagen war so hässlich wie der Distrikt, in dem er Streife fuhr. Er lag sehr tief, seine zahlreichen Anstriche waren längst zu einem verwaschenen Einheitsgrün verschmolzen und so fiel er nur den wenigsten auf, als er durch jenen Stadtteil von Los Angeles rollte, der den Fremden Vorbehalten war. Niemand wusste ihn zu würdigen, aber Sykes und Tuggle hätten ihn nicht einmal gegen den neuesten, heißesten Schlitten eingetauscht, den die Abteilung zu bieten hatte. Das Schrottmobil besaß Persönlichkeit statt Klasse, und nachdem seine Insassen ebenso wenig Klasse besaßen, waren sie recht zufrieden damit.
Seine Eingeweide bestanden aus einer dreckigen Melange aus alten und neuen Teilen. Nur ein einziger Mechaniker in der ganzen Polizeigarage wagte es überhaupt, ihm nahezukommen. Die anderen sahen entweder verächtlich auf die geheimnisvolle Anhäufung von Einzelteilen herab, oder sie fürchteten sich vor ihr. Oder davor, was Sykes und Tuggle mit ihnen machen könnten, wenn sie irgendwas an diesem wertvollen Haufen beweglichen Mülls verbocken würden. Die beiden hegten eine unverständliche Zuneigung ihrem Vehikel gegenüber, selbst wenn man berücksichtigte, dass sie aus L.A. stammten, wo sich Scheidungsklagen mitunter nicht so sehr auf das Sorgerecht für etwaige Kinder als auf die Wagen der Familie konzentrierten.
Das Schrottmobil hatte nur sehr selten eine Panne. Sein Profil sah gefährlich aus, aber die altertümliche Stahlverkleidung würde Kugeln abweisen, die die Flanken der neuen Kohlefaserrahmen ohne weiteres durchschlagen hätten. Es kümmerte sich um die beiden Männer, die damit durch die dunklen Seitenstraßen der Metropolis kreuzten, und im Gegenzug kümmerten sie sich um ihr Vehikel.
Das Außerirdischenviertel von Los Angeles unterschied sich gar nicht mal so sehr vom Rest des großen Stadtgeflechts. Ein bisschen dreckiger als die meisten anderen vielleicht, härter als viele, und gelegentlich erinnerte ein unerwarteter Touch den Besucher daran, dass es zum Großteil von Flüchtlingen aus einer anderen Welt bevölkert war. Manchmal musste man schon genau wissen, wohin man sehen musste, um zu wissen, wo man sich gerade aufhielt. Sykes und Tuggle hatten viel Zeit auf den Straßen verbracht und wussten, wonach sie sich umsehen mussten.
Newcomer füllten die übergroßen Stühle eines schmuddeligen Nachtcafés. Eine Gesellschaft vor Ort hatte die Lehnen und Sitzflächen der Stühle umgebaut, damit sie den massigen Körpern der Fremden genügend Platz boten. Als das Schrottmobil die Straße weiter hinabfuhr, sahen sie zu ihrer Rechten einen Newcomer aus einer Doppeltür kommen. Tuggle fiel die Inschrift auf dem Fenster bei der Türe auf. Man hatte den alten Waschsalon in eine Abendschule für Aliens umfunktioniert.
Sie kamen an einem Stadtpark vorbei, der trotz eines offensichtlichen Mangels an Pflege immer noch recht grün aussah. Die Stadtgärtner hielten nicht sehr viel vom Außerirdischen-Viertel. Unkraut hatte eine ganze Menge des ursprünglichen Rasens überwuchert und auch die Risse im Bürgersteig erobert. Nun kroch es langsam auf das einst so heilige Pflaster zu. Trotz der späten Stunde hatte sich eine Gruppe außerirdischer Familien versammelt, um die Gesellschaft der anderen zu genießen. Sie beschäftigten sich gerade mit einem fremden Spiel von unbestimmten Zweck und unverständlicher Strategie. Sykes starrte zu ihnen hinüber, schüttelte den Kopf und scheiterte einmal mehr daran, den Sinn des Ganzen zu verstehen. Inzwischen lenkte Tuggle das Schrottmobil in Richtung Washington.
»Meine Fresse, diese organisierte Familienbumserei schimpft sich Spiel?« Tuggle schürzte seine Lippen. Auf der Reklamefläche zu seiner Rechten ließ eine gutgebaute Außerirdische meterhohe weiße Zähne blitzen, während sie eine kalte Pepsi an die Lippen presste. Die Reklamefläche war das einzig neue Bauwerk in der unmittelbaren Umgebung.
Tuggle bremste, als sie sich der nächsten Kreuzung näherten. Die Ampel hatte etwas gegen sie. Sie standen kaum, als eine riesige Pranke gegen das Fenster neben Sykes' Kopf knallte. Er zuckte unwillkürlich zurück und entspannte sich wieder, als er einen näheren Blick auf den Besitzer der Hand geworfen hatte.
Der Newcomer war ein Penner. Er stand neben dem Wagen, murmelte etwas in seiner eigenen zischenden Sprache und wedelte mit den Armen, um das Gleichgewicht zu halten. Dreck und Schmiere überzogen sein Gesicht und die verlotterten Kleider, seine blutunterlaufenen Augen hingen auf Halbmast. In seiner dreckigen Faust, die Nägel waren längst abgebrochen, hielt er eine Litertüte Milch. In der massiven Handfläche wirkte sie eher wie ein halber Liter.
Tuggle schoss einen abwägenden Blick in die Richtung seines Partners. Sykes gab einen angewiderten Blick zurück, schüttelte den Kopf und kurbelte dann das Fenster auf der Seite des Aliens herunter.
»Siehste nicht, dass das ein Bullenschlitten ist, Kumpel? Schau mal, wir sind heut' Abend wirklich nicht gut drauf. Also zisch ab, klar?«
Sobald er ausgesprochen hatte, fing er sich eine volle Duftwolke aus dem Mund des Penners ein. Er zuckte zurück und kurbelte das Fenster wieder hoch, während Tuggle gemächlich weiterfuhr. In dem engen Schrottmobil verflog der Geruch nur langsam.
Tuggle sah in den Rückspiegel. »Er steht in der Mitte der Straße und wedelt mit den Armen.«
Sykes kümmerte sich nicht darum. Der Ekel stand ihm nach wie vor ins Gesicht geschrieben, er rümpfte seine Nase noch immer. »Ist sowieso kein Verkehr und außerdem isses ziemlich spät. In einer Minute geht er weiter und sucht sich irgendwo 'ne Gosse.« Er grub in seinen Taschen, fand einen kleinen Plastikbehälter mit Pfefferminz und schob ein paar davon in seinen Mund. Tuggle lehnte sein Angebot ab und der Behälter verschwand wieder.
»Warum muss es ausgerechnet saure Milch sein, wenn sich die Typen die Birne vollknallen wollen? Was zur Hölle passt ihnen denn an Jack Daniels nicht? Oder meinetwegen Thunderbird, wenn's sein muss?«
Tuggle zuckte die Achseln, seine bevorzugte Geste. Er war weniger bombastisch als sein Partner und kultivierte diese Angewohnheit auch ganz bewusst. »Keine Ahnung. Und was ich so gelesen habe, kapieren's die Eierköpfe auch nicht. Die Physiologie der Newcomer ist ziemlich verdreht, sowohl in körperlicher wie chemischer Hinsicht. Aber du musst doch zugeben: Billiger kann man sich nicht besaufen.«
»Mhm.« Sykes starrte aus dem Fenster und studierte die Lichter und die einsamen Straßen. »Slagtown. Ich frag' mich, wie dieser Teil von L.A. hieß, bevor die Newcomer eingezogen sind.«
»Keine Ahnung. Ich bin kein Geschichtslehrer.«
Tuggle bog ab und fuhr den Broadway hoch, der inzwischen zu einer Kolonie von Schnapsläden und billigen Spielhöllen geworden war. Die meisten Kinos in der Gegend hatten dichtgemacht, da es noch keine Filme speziell für die Newcomer-Gemeinde gab. An diesem Problem arbeitete Hollywood noch. Andere Kinos spielten nach wie vor das Übliche und mühten sich ab, genügend Newcomer anzulocken, um im Geschäft zu bleiben. Keine Komödien allerdings. Abgesehen von ein paar Intellektuellen konnten die meisten Außerirdischen mit menschlichem Humor nichts anfangen. Die Mehrheit bevorzugte Action und, was im Grunde reichlich seltsam war, Liebesgeschichten. Außerirdische Hausfrauen zählten zu den treuesten Zuschauern der morgendlichen Seifenopern im Fernsehen.
Vor den Kinos und Restaurants stolzierten Newcomer-Huren auf und ab und gingen ihrem Gewerbe nach. Nicht alle Newcomer-Gewohnheiten entzogen sich menschlichem Verständnis. Die Frauen waren elegant und unmöglich groß, sinnierte Sykes.
»Ich frag' mich, ob der Klempner sich bei denen an denselben Grundriss gehalten hat«, meinte er.
»Hat er«, gab Tuggle in gewohnter Eintönigkeit zurück, ohne die Augen von der Straße zu nehmen. Sykes sah ihn neugierig an.
Als er sich gerade daranmachte, die unvermeidliche nächste Frage zu stellen, zog ein tiefliegender Kombi an ihrem Schrottmobil vorbei. Der Motor, ein aufgemotzter 427 Chevy, dröhnte laut. An der nächsten Kreuzung schoss er schnell um eine Ecke, obwohl der Fahrer trotz seiner herausfordernden Masche sorgsam darauf achtete, die Geschwindigkeitsbeschränkung nicht zu überschreiten. Er zeigte den beiden Polizisten seinen Mittelfinger, verbarg ihn jedoch recht sorgfältig. Tuggle fuhr weiter, vorbei an Schnellimbissen und Spezialitätenläden.
Eine ruhige Nacht, dachte Sykes. Nur die übliche Slagtown-Depression, die wie ein steter Regen über den Ladeneingängen und dunklen Wohngebäuden hing. Selbst die Penner und Ganoven bewegten sich hier sehr lahm und müde. Er suchte das Armaturenbrett ab und fand schließlich seine Kaffeetasse. Ein kleiner Dunstkreis an der Windschutzscheibe hatte ihren Aufenthaltsort inmitten des einbalsamierten Fast Foods preisgegeben, das sich im Verlauf der letzten beiden Wochen angesammelt hatte. Tuggle kaute auf seiner Unterlippe, als überlegte er, ob er etwas sagen sollte. Sykes wusste, dass sich sein Partner schließlich doch dazu aufraffen würde, egal, worum es sich handelte. Man fährt nicht mit einem Mann neun Jahre lang Streife, ohne ihn dabei recht gut kennenzulernen.
Als Tuggle schließlich doch den Mund aufmachte, kam jedoch nicht das heraus, was Sykes erwartet hatte. Überdies war es ein Thema, über das er lieber nicht diskutieren wollte.
»Also, gehst du jetzt hin oder nicht?«, fragte sein Partner knapp.
Sykes überlegte sich die Antwort, während er zusah, wie Tuggle gekonnt ein lauwarmes Dreieck schlapper Pizza aufhob und daran herumkaute. Es war ein raffinierter Balanceakt: gleichzeitig zu fahren, zu essen und dabei irgendwie zu vermeiden, die Uniform mit Käsefäden oder Tomatensoße zu dekorieren. Sykes hätte es nicht fertiggebracht. Egal, wieviel Mühe er sich gab, immer legten seine Hosen und Hemden hinterher Zeugnis vom Essen des vorangegangenen Tages ab. Tuggle verlor darüber kein Wort. Das brauchte er auch gar nicht. Die Blicke, die er auf die Kleidung seines Partners nach solchen Misshandlungen warf, waren beredt genug.
»Ich kann doch so nicht hingehen«, gab er zurück. Er versuchte, die Antwort möglichst spontan klingen zu lassen, als ob es ganz unvermeidlich wäre, dass er nicht hingehen könne.
Tuggle kaufte es ihm nicht ab. »Wieso nicht? Hör doch mit diesen Ausreden auf! Schmeiß dich in deinen abwaschbaren Smoking, schnall dir die Ansteckkrawatte an, lass dir von deiner Hausmeisterin die Schuhe zubinden, und fahr zur Kirche. Ist doch ganz einfach. Selbst für jemand wie dich.« Er unterbrach sich einen Augenblick und richtete sein Augenmerk auf die beleuchteten Schaufenster, die rechts an ihm vorbeihuschten. »Ich und Carol gehen jedenfalls hin.«
Das brachte ihm Sykes' uneingeschränkte Aufmerksamkeit ein. »Was?«
»Hey, du hast keinen Grund, dich darüber zu beschweren. Wir kennen Kristin seit ihrer Zeugung in der kleinen Hütte oben am Big Bear.« Er setzte sich etwas aufrechter hinter das Steuer und versuchte, die Stimmung etwas aufzulockern. »Erinnerst du dich noch an diese Nacht? Du und Edie habt so fest gegen die Wand gedonnert, dass ich und Carol eine ganze Woche lang den Putz aus unseren Haaren klauben mussten. Ich hab's ja gewusst, dass wir auf dem Bett im oberen Stockwerk hätten bestehen sollen. Aber nein, wir mussten natürlich hergehen und großzügig sein und euch das Riesenbett überlassen. Schöne Ferien waren das. Kein Auge haben wir zugetan.«
»Edie und ich auch nicht, aber das habt ihr wohl schon erraten.« Das Lächeln auf Sykes' Gesicht verschwand so schnell, wie es gekommen war. »Verdammt, Tug, ich will ja auch, dass Kristin endlich heiratet, okay? Mehr als alles andere. Aber ich...«
Tuggle beendete den Satz für ihn. »Aber dir geht es gegen den Strich, dass deine Exfrau und ihr neuer Mann die ganze Sache ausrichten.«
Sykes wollte etwas einwenden, änderte seine Meinung jedoch. Tuggle wusste ganz genau, wann ihn sein Partner anlog, war jedoch zu höflich, ihn darauf aufmerksam zu machen, und das machte jeden Versuch ziemlich witzlos.
»Scheiße, wenn Kristin da heiraten müsste, wo ich es bezahlen könnte, würden wir die Hochzeitsfeier bei McDonalds abhalten. Was hätte ich denn machen sollen? Edie hat ihn wegen seinem Geld geheiratet, und ich kann ihr nicht mal einen Vorwurf daraus machen. Verdammt noch mal, wir hatten ganz bestimmt nie was von dem Zeug.«
»Sieh's doch einfach als Kristins Geld. Sie würde wollen, dass du da bist, Partner.«
»Ich wäre genauso gern dabei, wie sie mich dabeihaben will, aber versuch' doch mal, das Ganze von meiner Seite zu betrachten, Tug. Der Vater der Braut, die arme Verwandtschaft. Jeder auf der anderen Seite gönnt mir einen dieser verdammt mitleidigen Blicke, die die Reichen immer für uns bereithalten, die wir uns keine von diesen bunten Kreditkarten leisten können. Dafür habe ich einfach zu viel Stolz, Tug. Das ist so ziemlich das einzige, das mir noch geblieben ist.«
»Vergiss deinen Stolz. Du solltest wirklich hingehen.«
»Ja, ich weiß, ich weiß. Wer bist du eigentlich, meine gottverdammte Zauberfee?«
»Genau. Willste meinen Stab sehen?«
»Was hindert mich...« Sykes unterbrach sich abrupt. Nur die eine Hälfte seines Gehirns hatte sich auf das scheinbar unlösbare Problem konzentriert, ob er an der Heirat seiner einzigen Tochter teilnehmen sollte oder nicht. Die andere Hälfte freilich - die andere Hälfte hatte weiterhin nach üblicher Polizistenmanier funktioniert, und irgendetwas, das sie gesehen hatte, hatte den automatischen Alarm im Inneren seines Schädels ausgelöst und damit zugleich auch den Rest seines Hirns von seiner beschissenen Laune abgelenkt. Er nickte aus dem Fenster.
»Oh, oh! Check das mal!«
Tuggle drehte sich gehorsam um und blinzelte in die Nacht. »Check was mal? Ich sehe nur Finsternis.«
»Da vorne. An der Ecke rechts, zwei Uhr.«
Tuggle bremste und bemühte sich, selbst zu sehen, was die Aufmerksamkeit seines Partners erregt hatte. Nachts sah Sykes besser als er. Gerüchte auf dem Revier besagten, dass Sykes eine Art nächtlicher Rückentwicklung darstellte, dass er nachts sogar besser sah als tagsüber.
Die beiden Aliens trugen lange Mäntel, und so kalt war es nun auch wieder nicht. Überdies hatte ihr Gang nichts vom Schlurfen eines besoffenen Perversen an sich. Perverse arbeiteten nicht zu zweit. Im Gegensatz zu einer anderen Art von Ungeziefer.
Die Mäntel unterschieden sich. Der eine war aus schwarzem Vinyl, der andere von einem tiefen Schwarz oder einem dunklen Blau, das nicht so aussah, als hätte man es imprägniert. Regenmantel, wie Tuggle ihn sofort taufte, hatte den Reißverschluss bis zum Kragen hochgezogen und schmückte sich überdies mit ausgefallenen Schuhen. Der andere Alien verbarg sich zum Teil hinter der Körpermasse seines Partners.
Die beiden betraten einen kleinen Supermarkt am Ende des Blocks. Regenmantel sah sich noch einmal um, bevor er seinem Kumpel nach drinnen folgte.
»Sieht das nicht ein bisschen verdächtig aus?«, murmelte Sykes nachdenklich.
Tuggle legte sich einen Anflug falscher Unschuld zu. »Aber was bringt dich denn auf solche Gedanken?«
Er fand einen leeren Parkplatz und manövrierte das Schrottmobil in die Lücke. Sykes hatte seinen Revolver gezogen und überprüfte das Magazin, während sein Partner den Motor und die Scheinwerfer abstellte.
Ohne den Blick von der Straße zu nehmen, fand Tuggle ganz automatisch den richtigen Knopf am Funkgerät und schaltete es auf den passenden Kanal. »Hier Eins-Henry-Sieben. Wir haben einen möglichen Zwei-Elf in Porters Supermarkt, Ecke Court und Alvorado. Erbitten Verstärkung.«
Die Hand seines Freundes klatschte hart auf seine Schulter. »Langsam, Cowboy. Irgendwann werden sie dir den Schädel wegpusten, weil du der Gerechtigkeit ein bisschen zu dicht auf den Fersen geblieben bist.«
Sykes blieb zwischen Tür und Angel stehen und grinste Tuggle an. »Ich bleibe ihr halt gerne so dicht auf den Fersen, dass ich wenigstens noch ihr Hinterteil sehe. Das haben sie uns doch in der Akademie beigebracht: Verlieren Sie niemals die Gerechtigkeit aus dem Auge.«
Tuggle seufzte, schüttelte den Kopf und hängte das Mikro wieder in die Halterung, während die Zentrale eine Bestätigung durchgab.
Die hochaufragenden Gebäude an der Alvorado waren vor langer Zeit erbaut worden, lange bevor die Zweitwagen-Familie Los Angeles erobert hatte. Die beiden Detectives waren dafür dankbar, bedeutete das doch, dass es nur sehr wenig Garagen gab, was wiederum bedeutete, dass es abseits der Straße keine Parkgelegenheiten gab, was wiederum bedeutete, dass es reichlich Deckung gab, während sie sich hinter den verbeulten Toyotas und Buicks duckten und langsam auf den hellerleuchteten Supermarkt zu pirschten.
Zwei Minuten später waren sie bereits nahe genug herangekommen, um durch das dreckige Schaufenster und die Gitterstäbe einen Blick ins Innere werfen zu können. Porters Supermarkt bot ein ziemlich unscheinbares Bild: Die Regale waren schlampig sortiert, von der Sauberkeit eines Circle K oder Seven-Eleven keine Spur. Die Deckenlampen hingen an nackten Ketten, grelle Neonröhren beleuchteten den allgegenwärtigen Staub.
Auch den fremden Besitzer konnten sie nun ausmachen. Er stand hinter der Theke und unterhielt sich angeregt mit einem der beiden Aliens, die gerade hereingekommen waren. Das Gespräch endete abrupt, als der größere Newcomer in seinen Mantel griff, eine abgesägte Schrotflinte zog und sie auf die Brust des anderen richtete. Regenmantel holte eine ähnliche Waffe aus den Tiefen seines schwarzen Mantels und wirbelte herum, um die verlassene Eingangstür im Auge zu behalten. Es war ziemlich schwierig, die Mienen der Newcomer auf diese Entfernung und durch das dreckige Glas hindurch zu deuten, doch Sykes hatte den Eindruck, als ob Regenmantel überaus nervös sei. Der andere, der den Besitzer niederstarrte, schien dagegen völlig entspannt und geschäftsmäßig.
»Ach du Scheiße, siehst du, was die mit sich rumschleppen?«
»Mhm.« Tuggles Gesicht verfinsterte sich. »Die Verstärkung sollte sich besser n' bisschen beeilen. Mach jetzt bloß keine Dummheiten. Oder irgendwas fürchterlich Tapferes.«
»Wer, ich? Hast du deine Weste dabei?«
Tuggle wand sich, als ihn der andere an seinen kugelsicheren Brustschutz erinnerte. »Klar. Sicher untergebracht,
genau nach Vorschrift. Direkt neben dem Ersatzreifen im Kofferraum.«
»Ungeheuer beruhigend, nicht? Meine liegt daneben.«
Die unerwartete Feuerkraft der beiden Aliens machte die beiden nervös. Man brauchte keine Schlachtfeldausrüstung, um einen Tante-Emma-Laden auszurauben. Vielleicht waren die Diebe etwas unsicher.
Der größere Alien gestikulierte heftig mit der wuchtigen Waffe. Obwohl sie draußen auf der Straße kein Wort hören konnten, sahen sie doch, wie sich die Lippen des Newcomers schnell bewegten, wie sich die Augen des alten Verkäufers mit reinem Entsetzen füllten. Er fing an, das Geld aus der Kasse in einen braunen Papiersack zu packen.
Tuggle nickte angespannt. »Hinten rechts.« Sykes riss seine Augen von der Pantomime los, die sich vor ihnen abspielte, und sah die Frau des Besitzers mit starrer Miene an der Hintertür stehen. Vorne hüpfte Regenmantel von einem Fuß auf den anderen, um die Spannung zu mildern. Kein menschliches Wesen hätte sich auf diese Art bewegen, eine so perfekte Folge von Steppschritten absolvieren können, ohne vorher länger darüber nachzudenken. Die Gefühle dahinter waren jedoch dieselben. Das Ganze erinnerte die beiden Detectives, die sich auf der anderen Straßenseite versteckt hielten, nur einmal mehr daran, dass keiner der Leute im Inneren des Ladens ein Mensch war.
Der Besitzer schaufelte weiter Geld in den Sack. Es dauerte ziemlich lange, da seine Hände zitterten und er immer wieder Scheine fallen ließ. Dies machte seinen Peiniger nur noch wütender, was im Gegenzug den alten Knaben immer nervöser werden ließ.
Regenmantel war nicht der einzige Teilnehmer des nächtlichen Dramas, der langsam unruhig wurde. Tuggle deutete mit dem Kopf auf einen Wagen, der in der Nähe des Supermarkts geparkt hatte.
»Pass auf den Fahrer auf. Ich versuche, ob ich nicht in einen besseren Schusswinkel näher bei der Tür komme.«
Sykes warf einen kurzen Blick die Straße hinab und sah dann wieder seinen Partner an. »Ich hab' gedacht, du willst auf die Verstärkung warten.«
»Die kommen schon in ein, zwei Minuten. Wir müssen jetzt eingreifen. Der Fahrer.«
Sykes drehte sich wieder zur Straße und hob seine Pistole. »Hab' ihn. Lass dich nicht festnageln, wenn du reingehst.«
Sein Partner nickte kurz, hob ab wie eine erschreckte Krabbe und spurtete über die Kreuzung. Sykes wartete, bis sein Partner in Deckung war, bevor er seine Aufmerksamkeit wieder dem Laden zuwandte.
Der größere Außerirdische packte den Geldsack und stopfte ihn in die Tasche seines Mantels. Mehrere Scheine flatterten zu Boden. Der Dieb ignorierte sie. Sykes runzelte darob die Stirn, hatte aber keine Zeit, sich Gedanken darüber zu machen. Die Haare in seinem Nacken richteten sich auf, als es losging. Er kam sich vor wie ein Mann, der einem Striptease in Zeitlupe zusah, zu jeder Reaktion, zu jedem Einschreiten unfähig. Es war verrückt. Es gab überhaupt keinen Sinn.
Der reine Wahnsinn.
Ohne die geringste Warnung riss der Räuber seine Kanone hoch und schoss. Auf die kurze Distanz wirkte das großkalibrige Geschoss wie eine Sprengkapsel. Es explodierte in der Brust des alten Besitzers und schleuderte ihn mit voller Wucht in die Regale voller Konservendosen und anderer Lebensmittel. Er hatte keine Chance. Und es gab keinen Grund dafür, nicht den geringsten.
Während der alte Knabe zu Boden glitt, beugte sich der Dieb über die Theke und pumpte eine weitere Salve in den verschrumpelten Leichnam. Für Sykes sah es fast so aus, als ob der Mörder seinen eigenen Wahnsinn noch einmal bestätigen wollte.
»Ach du Scheiße.« Sykes stand langsam auf.
Tuggle hatte es beinahe über die Straße geschafft, als der erste Schuss losging. Er ließ sich instinktiv zu Boden fallen und hob dann seinen Kopf, um einen besseren Blickwinkel zu bekommen. Im selben Moment schmetterte eine Hupe und die beiden Männer sahen überrascht die Straße hinab.
Eine Limousine, neueres Modell. Die Hupe erklang ein zweites Mal, eine körperlose Stimme, die über den Bürgersteig huschte. Sykes sah gerade noch, wie der Fahrer - ein Mensch - den Motor anließ, bevor die Hölle losbrach.
Die beiden Außerirdischen im Laden reagierten auf den Lärm der Hupe und drehten sich gerade rechtzeitig um, um den auf dem Asphalt liegenden Tuggle zu bemerken. Ohne Umschweife eröffneten sie das Feuer. Die Schaufenster lösten sich in einem Splitterregen auf, ein Querschläger sirrte über das Pflaster, ein anderer traf einen Privatwagen, der gerade über die Kreuzung rollte, zerfetzte dessen Kühler und brachte ihn nicht weit entfernt zum Stehen. Der erschrockene Außerirdische hinter dem Steuer besaß genügend Menschenverstand, um im Wagen und damit außer Sicht zu bleiben.
Tuggle sprang auf und versuchte, in die Deckung eines nahegelegenen Laternenpfostens zu rennen. Im selben Moment tauchte der Fahrer des Fluchtwagens auf und zielte mit einer Maschinenpistole in Richtung des flüchtenden Detectives. Ohne Zögern wandte sich Sykes der neuen Bedrohung zu und hoffte dabei inständig, dass die beiden Aliens im Supermarkt solange in Deckung bleiben würden. Als der Fahrer auf ihn schoss, blieb Sykes keine andere Wahl, als sich hinter seine eigene Deckung zurückzuziehen. Das Schnellfeuer-MG zerharkte das Metall und das Sicherheitsglas über seinem Kopf.
Nun rollte auch noch ein Lastwagen die Straße hinunter. Offenbar hatte sein Fahrer die Schlacht noch nicht bemerkt, die sich unmittelbar vor ihm abspielte. Der Fluchtwagenfahrer grinste, schob ein neues Magazin in seine Waffe und trat vor seinen Wagen. Was er freilich nicht sah, als er im Schutz des langsam vorbeifahrenden Wagens vorrückte, war, dass Sykes bereits um dessen Vorderteil herumraste. Dem Fahrer des Lastwagens blieb gerade noch genug Zeit für einen entsetzten Blick, als Sykes plötzlich vor ihm auftauchte, den Revolver hob und den Fluchtwagenfahrer zu Boden schickte.
Jetzt hatten die Außerirdischen keinen Fahrer mehr, und es war Sykes, der ihren Wagen nun als Deckung benutzte. Mit der Frau des Eigentümers stand ihnen natürlich eine potentielle Geisel zur Verfügung, doch sie entschieden sich, sie zu ignorieren. Sykes blieb unten, richtete sich lang genug auf, um einige Salven in Richtung des Ladens abzufeuern, und duckte sich dann hastig wieder, als die Antwortsalve von drinnen auf ihn zu pfiff.
Und wo, zur Hölle, fragte er sich wütend, blieb eigentlich die verdammte Verstärkung?
Tuggle, der nur den schmalen Lampenpfosten als Deckung hatte, war sehr viel schlechter dran. Auch die Außerirdischen erkannten das, konzentrierten ihr Feuer auf ihn und ignorierten Sykes' wilde Schüsse.
Sykes lehnte sich über die Vorderfront des Sedan. »Tug, verzieh dich!«
Tuggle hörte ihn und nickte, beugte sich nach links und zuckte sofort zurück, als eine großkalibrige Kugel am Pfosten abprallte. »Ich kann nicht! Ich hoffe, du hast nichts dagegen.«
»Ich geb' dir Feuerschutz. Verzieh dich!«
»Na schön, wenn du darauf bestehst!«
Sykes schnitt eine Grimasse in Richtung seines Partners, stand dann auf und feuerte ein ganzes Magazin in Richtung Laden. Der Geschosshagel reichte aus, um die beiden Räuber für kurze Zeit in Deckung gehen zu lassen. Tuggle nutzte die Gelegenheit, rappelte sich hoch und spurtete zur nächstgelegenen echten Deckung, als sei der Teufel hinter ihm her. Die nächstgelegene Deckung entpuppte sich als der abgewürgte Wagen mit dem zerschossenen Kühler. Tuggle warf sich auf die Haube, rollte sich auf die andere Seite, kam wieder auf die Beine, richtete sich langsam wieder auf und warf einen Blick durch die Scheiben.
Der Wageninsasse lenkte seine Aufmerksamkeit ab. Der ältere Außerirdische saß immer noch im Innern. Er hatte sich flach auf den Vordersitz gelegt, atmete schwer und sah Tuggle verzweifelt an.
»Kann ich jetzt raus?«
»Komm schon, beweg dich!«
Er zerrte den alten Knaben vom Sitz und sah zu, wie sich der Newcomer um die nächste Ecke in Sicherheit brachte. Die Geschwindigkeit, mit der er seine Beine bewegte, strafte sein wahres Alter Lügen.
»Bist du okay?« Sykes' Stimme, besorgt.
»Alles klar. Geht der Spaß jetzt endlich los?«
Darauf gab Sykes keine Antwort. Tuggle überprüfte seinen Revolver, stand dann auf und zielte sorgfältig auf den Laden. Die Aliens waren gerade dabei, ihre Waffen neu zu laden, aber es fiel ihm ziemlich schwer, sie zwischen all den Regalen und Theken auszumachen. Seine wenigen Schüsse in deren Richtung zogen heftiges Gegenfeuer nach sich. Aus irgendeinem Grund hing das Echo der Schrotflinten länger in der Nachtluft als zuvor.
Über seinem Kopf klirrte es gläsern, als die Scheiben des Wagens platzten. Das machte ihm nichts aus. Was ihm die Augen wirklich aufgehen ließ, war die plötzliche Erschütterung der Karosserie, hinter die er sich geduckt hatte. Zu seiner Rechten riss das Metall und zischte rauchend davon. Der letzte Schuss hatte den Wagen glatt durchschlagen. Durchschlagen! Während er noch verblüfft auf das gezackte Loch starrte, schlug eine zweite Kugel durch die Metallplatte, diesmal nur einige Zentimeter neben seiner Schulter.