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Das offizielle Buch zum Filmereignis des Jahres 2013! Als Captain Kirk und die Besatzung der Enterprise auf die Erde zurückgerufen werden, finden sie ihre Heimat und die Sternenflotte in Trümmern wieder - zerstört von einer feindlichen Macht aus ihren eigenen Reihen. Für Kirk beginnt nicht nur die Jagd nach einem dunklen, verräterischen Gegenspieler, sondern auch ein persönlicher Rachefeldzug in einer Welt, die sich im Ausnahmezustand befindet. Dabei werden er und seine Mannschaft zu Schachfiguren in einem perfiden Spiel über Leben und Tod: Liebe wird auf die Probe gestellt, Freundschaften werden auseinandergerissen und Opfer müssen erbracht werden für die einzige Familie, die Kirk noch bleibt: seine Crew. Regisseur J. J. Abrams gilt als einer der einflussreichsten und renommiertesten Filmemacher unserer Zeit und inszeniert jetzt mit STAR TREK INTO DARKNESS den zweiten spektakulären Film in der alternativen Zeitlinie!
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Seitenzahl: 409
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INTO DARKNESS
EIN ROMAN VON ALAN DEAN FOSTER
NACH DEM DREHBUCH VON ROBERTO ORCI, ALEX KURTZMAN UND DAMON LINDELOF
BASIEREND AUF STAR TREK GESCHAFFEN VON GENE RODDENBERRY
INS DEUTSCHE ÜBERTRAGEN VON SUSANNE DÖPKE
Die deutsche Ausgabe von STAR TREK into DARKNESS
wird herausgegeben von Amigo Grafik, Teinacher Straße 72, 71634 Ludwigsburg.
Herausgeber: Andreas Mergenthaler und Hardy Hellstern, Übersetzung: Susanne Döpke;
verantwortlicher Redakteur und Lektorat: Markus Rohde; Lektorat: Anika Klüver und Gisela Schell;
Satz: Rowan Rüster/Amigo Grafik; Print-Ausgabe gedruckt von CPI Morvia Books s.r.o.,
CZ-69123 Pohorelice. Printed in the Czech Republic.
Titel der Originalausgabe: STAR TREK INTO DARKNESS
German translation copyright © 2013 by Amigo Grafik GbR.
Original English language edition copyright
™, ® & © 2013 CBS Studios Inc. © 2013 Paramount Pictures Corporation.
STAR TREK and all related marks and logos are trademarks of CBS Studios Inc.
All Rights Reserved.
This book is published by arrangement with Gallery Books, a Division of Simon & Schuster, Inc., pursuant to an exclusive license from CBS Studios Inc.
Print ISBN 978-3-86425-194-8 (Mai 2013) · E-Book ISBN 978-3-86425-197-9 (Mai 2013)
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I
Klasse-M-Planet
Nibiru
Es schien, als wäre nicht allein der Supervulkan, sondern jeder Quadratmeter festen Bodens des Planeten Nibiru kurz davor, in tausend Stücke zu zerspringen. Eine gewundene Rauchwolke schlängelte sich aus dem riesigen, bedrohlichen Kegel empor und erstreckte sich bis weit hinaus aufs Meer. Sie behielt ihre unheilvolle Form über dem Ozean bei und tauchte den Großteil seiner Oberfläche in Schatten. Fliegende Kreaturen versuchten den giftigen Gasen zu entkommen, indem sie weiter im Norden und Süden nach reinerer Luft suchten. Während das Innere des Vulkans weiter anschwoll, donnerte ein Erdrutsch nach dem anderen an seinen Hängen hinunter. Sein von Magma verstopfter Hals hustete und rumpelte furchterregend. Weit unter der oberen Kruste des Planeten braute sich etwas zusammen. Etwas, das auf mehr hindeutete als auf eine Reihe von Eruptionen, die dem Stromboli auf der Erde alle Ehre machen würde.
Der kolossale Tempel aus handgehauenen Steinen stand nicht weit vom Fuße des Berges entfernt. Seine Erbauer hatten ihn so konstruiert, dass er wiederholten Beben und tektonischen Hüpfern widerstehen konnte. Trotzdem erzitterte er nun heftig, fiel aber nicht in sich zusammen. Stumm und unbeweglich hatte er seit vielen Hundert Zyklen an diesem Platz ausgeharrt, an dem die zahlreichen mühsam in den roten Wald geschlagenen Wege zusammenliefen.
Der Zweibeiner, der aus dem mit Reliefen verzierten Eingang kam, bewegte sich so schnell er konnte. Obwohl der schwelende Vulkan die größere Bedrohung darstellte, ging die dringlichere Gefahr von den Dutzenden Gestalten aus, die aus dem Inneren des Tempels stürzten, um der ersten Gestalt dicht auf den Fersen zu bleiben. Die leuchtend gelben Kutten und Leinentücher der Verfolger bildeten einen scharfen Kontrast zu ihrer Haut, die eine auffallende Ähnlichkeit mit Lehm aufwies, der auf dem Grund eines längst ausgetrockneten Sees Risse und Spalten bildete. Primitive einfache Symbole, die mit schlichter Pflanzenfarbe aufgetragen waren, schmückten ihre ansonsten nackten Körper. Ihr Brüllen und Schreien schwoll zu einer albtraumhaften Kakofonie an, die im krassen Gegensatz zum heftigen Keuchen des Flüchtenden stand.
Die grauen Stoffbahnen hatten James Tiberius Kirk als Verkleidung gedient, doch nun behinderten sie ihn viel zu sehr beim Atmen. Er bemühte sich, den Vorsprung vor seinen Verfolgern aufrechtzuerhalten. Er zerrte den Stoff fort und rang verzweifelt mehrfach hintereinander nach Atem, um seine Lunge mit der Luft der fremden Welt zu füllen. Gleichzeitig wich er den primitiven Speeren aus, die sein Leben ebenso sicher beendet hätten wie jeder Phaser. Der nibirische Wald um ihn herum schien seine Flucht absichtlich zu erschweren.
Der Hohepriester der Nibirianer stieß ein empörtes Heulen aus, als er an die Entweihung dachte, die sich gerade in ihrem heiligsten Tempel ereignet hatte. Er schüttelte seine Waffe, um seine Kameraden anzufeuern. Obwohl sie eindeutig humanoid waren, wiesen die rundlichen Gesichtszüge, die rituell verzierte lehmfarbene Haut und die schwarzen, pupillenlosen Augen darauf hin, dass sich die Nibirianer genetisch und evolutionär von den Menschen unterschieden, denen sie ansonsten jedoch sehr ähnlich waren.
Kirk, die Zielscheibe ihrer Wut, bemühte sich, noch größere Schritte zu machen. Wenn seine Verfolger ihn mit der Schriftrolle erwischten, die er sich im Tempel gegriffen hatte, würden sie keine Gnade walten lassen. Er wäre tot, bevor er erklären könnte, dass seine Absichten vollkommen rechtschaffen waren. Er musste einfach weiterrennen. Wenn alles nach Plan lief, nicht mehr lange.
Es konnte nicht mehr weit sein, das wusste er. Seine Beine verwandelten sich in Gummi, und seine Lunge drohte jeden Moment zu kollabieren.
Die Zweige und Ranken des Waldes peitschten ihn. Jede Sekunde, die sie ihn kosteten, kamen die wutschnaubenden Nibirianer näher. Eine Mutter auf Nahrungssuche blickte mit weit aufgerissenen Augen zu ihm auf, als er an ihr vorbeiflitzte. Auf einem roten Ast saß ein Wesen, das einer gelben Anemone ähnelte. Es zog seine Tentakel in den sackartigen Körper zurück, als er dicht an ihm vorübereilte. Der Captain wusste nicht, ob es sich um eine Pflanze, ein Tier oder vielleicht eine Kombination aus beidem handelte. Im Moment war ihm das auch egal. Er rannte einen mit rotem Laub bedeckten Pfad entlang und sprang über einen schmalen Bach auf eine kleine Lichtung. Dort bäumte sich vollkommen unerwartet ein gigantischer Vierbeiner mit langen Fangzähnen vor ihm auf. Kirks plötzliches Auftauchen aus dem Unterholz hatte das Wesen furchtbar erschreckt, und ihm selbst war ebenfalls fast das Herz stehen geblieben.
Kirk zog reflexartig den Phaser, der in dieser Umgebung in etwa genauso fehl am Platz war wie ein Tragflächenboot bei einer traditionellen Segelregatta. Bevor das Tier mit seinen großen Pranken auf ihn herunterschlagen konnte, traf er es mit einer vollen Ladung. Prompt brach es in einem Knäuel aus Beinen, Fell und Entsetzen zusammen und gab den Blick auf einen weiteren Zweibeiner dahinter frei. Dieser trug keine Waffe und hatte den Kopf Kirk zugewandt, während er versuchte, den Stoff von seinem verhüllten Gesicht zu streifen. Dieses Gesicht blickte ziemlich wütend drein, allerdings nicht wütender als gewöhnlich.
»Verdammt, Mann«, schnauzte Leonard McCoy. »Das war unser Taxi! Du hast gerade unser Taxi betäubt!«
Kirk stand vor dem Schiffsarzt und keuchte immer noch schwer. Es gelang ihm gerade so, ein frustriertes »Toll!« zu murmeln, bevor das Geräusch des wütenden nibirischen Mobs weiter anschwoll und alles andere übertönte, abgesehen von dem gefährlich tiefen Grollen des bedrohlichen Vulkans. Statt sich der Sprache zu bedienen, signalisierte Kirk McCoy mit einer Geste, ihm zu folgen. Mit einem letzten bedauernden Blick auf das reglose Reittier folgte der Arzt ihm.
Als McCoy die Rolle aus einheimischem Pergament bemerkte, die Kirk wie einen Staffelstab umklammerte, deutete er mit dem Kopf in ihre Richtung.
»Was zum Teufel ist das?«
»Keine Ahnung.« Der Captain rang nach Luft, jeder Atemzug wurde schmerzhafter und anstrengender. Er machte eine Handbewegung in die Richtung des grölenden Pulks einheimischer Verfolger. »Aber die haben sich davor verbeugt.« Als ein zweiter Blick zeigte, dass die vordersten Nibirianer weiter aufholten, zog Kirk mit der freien Hand seinen Kommunikator und ließ das Gerät aufschnappen.
»Kirk an Shuttle eins. Die Eingeborenen haben sich aus der unmittelbaren Todeszone entfernt. Ich habe … ihnen etwas anderes geboten, auf das sie sich konzentrieren können. Sie können fortfahren wie besprochen. Die Operation kann jetzt anlaufen!« Während er den Kommunikator senkte, schaute er nach links. »Weißt du, für jemanden, dessen Fachkompetenz sich eher auf sitzende Tätigkeiten beschränkt, bewegst du dich ziemlich gut.« Ein Speer schlug in einen Baum direkt rechts neben ihm ein.
Hinter ihnen begann der Vulkan, Lavaströme zu spucken, die auf seinen dunklen Basalthängen rot-orangefarben leuchteten. McCoy keuchte eine Antwort, die so trocken war wie der Lieblingsgin ihres Chefingenieurs. »Von mordlüsternen Eingeborenen verfolgt zu werden, steigert irgendwie meine Sprintfähigkeiten.« Seine Stimme wurde düsterer. »Wenn du natürlich nicht auf unser Taxi geschossen hättest …«
Kirk schüttelte den Kopf. »Ich kann dich nicht hören, Pille. Der Krach vom Vulkan …«
»Krach vom Vulkan am Ar…!«
Trotz computergestützter Stabilitätskontrollen musste Hikaru Sulu kämpfen, um das Shuttle zu stabilisieren. Das Innere einer schnell steigenden Schadstoffwolke mit all ihren Ausstößen aus säurehaltigen Gasen war nicht gerade die gesündeste Umgebung für ein Raumfahrzeug. Es erforderte Sulus volle Aufmerksamkeit, zu verhindern, dass ihr kompaktes Schiff nicht Hals über Kopf abstürzte. Oder noch schlimmer: dass es außer Kontrolle geriet und in einem willkürlichen Winkel geradewegs auf den unerbittlich harten Boden geschleudert wurde.
Der Audioempfang dagegen funktionierte einwandfrei. Kirks Stimme erklang im Cockpit.
»Verstanden, Captain!« Ein Blick nach hinten zeigte ihm, dass die Vorbereitungen auf den letzten Teil ihrer fragwürdigen Intervention noch nicht abgeschlossen waren. Sie hatten keine Zeit mehr zu verlieren, und Sulu machte seinen Bedenken unmissverständlich Luft.
»Wir müssen das jetzt angehen, Leute! Wenn wir noch länger in diesem Mief stecken, fangen die Säuren in den Abgasen an, unsere Systeme zu beeinflussen. Wenn wir nur eine Antriebsdüse verlieren, riskieren wir einen Absturz!«
Seine Warnung wurde mit einer Geste gewürdigt. Sie war nicht halbherzig, aber halb menschlich. Spock wandte sich wieder Uhura zu, die ihm half, den Exoanzug zu versiegeln. Die kupferfarbene Rüstung aus blinkendem Metall war für schwere Arbeit unter extremsten Bedingungen konstruiert und weitaus unflexibler als ihre Cousins, die Standardausführungen. Sie konnte ihren Träger vor fast allem schützen, war aber unbequem. Letzteres war dem Vulkanier egal. Sein Überleben allerdings nicht. Er neigte den Kopf etwas zur Seite und sprach in das Mikrofon des Anzugs.
»Captain, haben Angehörige der eingeborenen intelligenten Spezies Sie gesehen? Auf die Gefahr hin, das Offensichtliche zu wiederholen, und trotz der Schwierigkeiten, die mit unserer aktuellen Aufgabe einhergehen, muss ich noch einmal darauf hinweisen: Die Oberste Direktive besagt klar und deutlich, dass es keine wahrzunehmende Einmischung in die Entwicklung einer außerirdischen Zivilisa…«
Obwohl das Shuttle immer stärker ins Schwanken geriet, tönte Kirks Antwort völlig klar aus den Lautsprechern.
»Nein Mr. Spock, sie haben uns nicht gesehen. Ich weiß, wie die Direktive lautet! Ich habe vielleicht hier und da ein paar Details in bestimmten Fächern verpasst …« Die bewundernswerte Klarheit der Übertragung von der Planetenoberfläche an das Shuttle wurde noch eindrucksvoller, als Kirks Kommunikator McCoys unverkennbares sarkastisches Kichern auffing. »… aber diese Lektion habe ich nicht versäumt. Wir sollten gar nicht hier sein. Wegen der Obersten Direktive müssen wir das auf die harte Tour machen. Jetzt werfen Sie endlich diesen Supereiswürfel ab und lassen Sie uns von hier verschwinden! Kirk Ende!«
Der Wissenschaftsoffizier hätte gern mit seinem Captain weiterargumentiert, doch zwei Gründe hielten ihn davon ab: Erstens lief ihnen die Zeit davon, und zweitens erzeugte eine verbale Auseinandersetzung mit James T. Kirk normalerweise mehr Frustration als Befriedigung. Nachdem er die Fakten ihrer kurzen Konversation für eine spätere Diskussion gespeichert hatte, wandte sich Spock der bevorstehenden Aufgabe zu.
Uhura trat einen Schritt zurück, Spock kniete sich hin und öffnete einen geriffelten Metallkoffer. Es handelte sich nicht einfach um einen Behälter für Elektronikteile. Er verwandelte seinen Inhalt von einer Ansammlung scheinbar unvereinbarer Materialien und Bauteile in ein Gerät von ungemeiner Kraft für einen ungewöhnlichen Zweck. Zunächst einmal handelte es sich um einen einfachen, aber wirkungsvollen Zeitzünder. Nachdem Spock die letzten entscheidenden Informationen eingegeben hatte, schaute er das Gerät noch einen Moment lang an, um sich zu vergewissern, dass es korrekt aktiviert war. Erst als er sicher war, stand er auf. Er musste darum kämpfen, nicht das Gleichgewicht zu verlieren, als das Shuttle von den zunehmend brutaler werdenden atmosphärischen Einflüssen durchgerüttelt wurde.
Der Vulkanier streifte sich den Helm über und fixierte ihn an seinem Platz. Nachdem er die Sicherheitsleine an seiner Brustplatte befestigt hatte, prüfte Uhura, ob sie sicher an der Frachtwinde des Shuttles angebracht war. Dann hob Spock den Behälter auf und sicherte ihn mit einem Karabiner an der Seite seines Anzugs, der für das Befestigen von Ausrüstungsgegenständen bestimmt war.
Uhura schaute ihm durch das Industriestärkevisier in die Augen. »Bist du sicher, dass nicht lieber ich gehen sollte?« Eine Antwort zu verlangen, war eine Methode, um sicherzustellen, dass die Komm-Einheit seines Anzugs funktionierte. Ihre Frage rief genau die Art von Antwort hervor, die sie erwartet hatte.
»Das wäre höchst unlogisch«, antwortete Spock gelassen. »Ich habe bereits die gas- und hitzebeständige Ausrüst…«
Sie machte einen Schritt auf ihn zu und legte ihre Handflächen auf beide Seiten des schweren Helms. Als sie erneut das Wort an ihn richtete, klang ihre Stimme vollkommen anders. Weich, liebevoll und voll von dieser Bedeutung, die weit über Worte hinausging.
»Spock. Das war ein Witz.« Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und platzierte schnell einen Kuss auf der transparenten Vorderseite seines Schutzhelms.
»So kurzfristig sie auch sein mag, selbst eine minimale visuelle Verzerrung ist nicht hilfreich«, brummte er.
»Das wird in der Hitze schnell verdampfen.« Sie trat zurück. »Der Empfänger dagegen hoffentlich nicht. Du schaffst das, Spock.«
Die beiden blickten sich in die Augen. Sie wurden nicht durch die visuelle Verzerrung gestört, sondern von Sulus aufgeregter Stimme, die von vorne aus dem Cockpit zu ihnen herüberschallte.
»Wenn wir das durchziehen wollen, dann jetzt! Oder die Gelegenheit und das Shuttle lösen sich in Luft auf.« Explodierende Gase rüttelten an dem Schiff und brachten es gefährlich ins Schwanken. Der ständig wechselnde Atmosphärendruck drohte, sie gegen die umliegenden Felswände oder in den See aus glühender Lava nicht weit unter ihnen zu schleudern.
Es wäre weitaus leichter gewesen, wenn Spock einfach mit dem Schiffstransporter hinein und wieder herausgebeamt wäre. Während es kein Problem dargestellt hätte, ihn in den Vulkan zu beamen, wäre es jedoch geradezu unmöglich gewesen, ihn dabei auf einem Stück sicherem, festem Boden zu platzieren. Das hätte erfordert, sich vorab ein Bild von der Situation zu machen, und dafür hatten sie weder Zeit noch Mittel, die präzise genug waren. Auch wenn die fortgeschrittensten technischen Mittel zur Verfügung standen, funktionierte manchmal eben trotzdem nichts besser, als ein Paar erfahrene Augen … direkt vor Ort.
Uhura strich mit der Hand über die Seite seines Helms. »Wir sehen uns in ein paar Minuten. Bleib ruhig.«
»Es ist meine Absicht, dafür zu sorgen, dass alles ruhig bleibt.« Spock wandte sich dem hinteren Ende des Laderaums zu.
»Spock!«, schrie Sulu aus dem Cockpit des wild schaukelnden Shuttles herüber. »Sie müssen los! Jetzt!«
Uhura warf dem Wissenschaftsoffizier einen letzten Blick zu, drehte sich um und ging zu Sulu ins Cockpit. Die Luftschleuse versiegelte sich selbstständig, während sie sich auf dem Sitz neben dem Steuermann niederließ. Sulu schwitzte inzwischen so stark, als würde er selbst außerhalb des Shuttles im Vulkan stecken.
Uhura schenkte dem Wissenschaftsoffizier noch einen letzten hoffnungsvollen Gedanken. Dann atmete sie tief durch und leitete das Abwurfmanöver ein.
Spock war sicher in seinen Exoanzug verpackt und konnte gerade noch einmal Schlucken, bevor die Türen unter seinen Füßen aufglitten und ihn in einem kontrollierten Fall in glühende Hitze, sich auftürmenden Flammen und wirbelnde Gase schickten. Hinter ihm schlugen die Türen des Shuttles sofort wieder zu. Die kühle, sterile Atmosphäre im Inneren des Schiffs wurde von wütenden Gelb- und Rottönen ersetzt, während er sich auf einen Hochgeschwindigkeitsabstieg in die Hölle wagte.
Explosive Emissionen aus heißen Gasen, die sowohl ätzend als auch giftig waren, machten es der Shuttlebesatzung schwerer, jedoch nicht unmöglich, die unmittelbare Umgebung zu beobachten. In dieser Hitze waren die standardmäßig verwendeten Infrarotkameras vollkommen nutzlos. Einzig eine auf Lebensformen fokussierte Darstellung ermöglichte es, den Abstieg des Wissenschaftsoffiziers zu beobachten. Allerdings nur zeitweise, wenn keine Störungen durch die kontinuierlichen Eruptionen aus heißem magmatischem Material auftraten. Spock entging einer dieser Entladungen von der Größe eines kleinen Personengefährts nur um Haaresbreite, allerdings schüttelte ihre Schockwelle ihn gehörig durch und brachte ihn ins Trudeln. Er fiel kreiselnd abwärts, bis er die atmosphärische Verzerrung kompensieren und sich wieder stabilisieren konnte. Er stellte sich vor, er wäre eine Spinne, die an einem seidenen Faden nach dem einzigen sicheren Halt in einem Bottich mit siedendem Öl suchte.
Der Landepunkt, den die Shuttlebesatzung bei einem übereilten Scan der Oberfläche ausgesucht hatte, war genau dort, wo er sein sollte. Eine Felsnadel, die sich als metamorph stabil gezeigt hatte, ragte aus der tosenden Lava empor. Obwohl es eine Erleichterung war, den Ort wiederzuerkennen, machte das die Landung nicht einfacher. Überall um Spock herum schossen Fontänen aus geschmolzenem Gestein in den Farben der Sonne empor und drohten, über seinem wackligen Hochsitz zu brechen und ihn zu verbrennen. Heiße Luftströmungen erschwerten es, eine bestimmte Position zu halten. Sulus Bemühungen und allen Optimierungsversuchen der Shuttlestabilisatoren zum Trotz, war es unmöglich, im fauchenden Schlund des Vulkans Bewegungslosigkeit zu erlangen. Das musste auch der vollkommen überforderte Steuermann schließlich zugeben. Seine Stimme erfüllte die immer heißer werdende Luft im Inneren des Exohelms.
»Ich kann uns hier nicht halten! Die Aktivität des Vulkans nimmt immer weiter zu, und die Algorithmen der Stabilisatoren sind nicht darauf ausgelegt, mit dieser Kombination aus Hitze und atmosphärischen Störungen fertigzuwerden. Spock, wir müssen Sie wieder hochziehen!«
Die Erwiderung des Vulkaniers war nicht nur charakteristisch für ihn, sondern stand auch in einem unglaublichen Kontrast zu seiner momentanen Umgebung. »Negativ, Mr. Sulu. Das ist unsere einzige Chance, die gesamte Spezies zu retten. Wenn dieser Vulkan ausbricht, stirbt der gesamte Planet. Ich würde meine Pflicht als Wissenschaftsoffizier vernachlässigen, wenn ich diese Mission jetzt abbreche.«
Dann reagierte das von der Hitze strapazierte Kabel. Es war nicht darauf ausgelegt, mit derartigen Belastungen fertigzuwerden. Es riss.
Es war kein tiefer Sturz, aber die Landung war hart genug. Spock stöhnte laut, als er auf der unnachgiebigen steinigen Oberfläche aufschlug. Durch den Ruck entglitt ihm der Koffer und schlitterte mitsamt seines wertvollen Inhalts auf die geschmolzene Felsmasse zu, die den festen Steinboden seines Landeplatzes umgab. Während Spock sich drehte und darum kämpfte, einen sicheren Halt zu finden, griff er nach dem Rankine-Annullierer. Er ignorierte die Schmerzen in seinem Rücken und den Rippen und kroch hinterher, um ihn nicht an die Lava zu verlieren. Weit über ihm war das Kabel in der wirbelnden toxischen Hitze verschwunden.
Uhura war völlig fassungslos. Das plötzliche ungeplante Hochschnappen des Kabels konnte nur eines bedeuten. »Die Rettungsleine … es hängt kein Gewicht daran!« Obwohl er ebenso geschockt war, hatte Sulu keine Zeit, sie zu beruhigen. Während einzelne Komponenten ausfielen oder sich ganz abschalteten, konnte sich das Shuttle zusehends schlechter in der Luft halten. Sulu war vollauf damit beschäftigt, fieberhaft beschädigte Elemente zu überbrücken oder Notfallsysteme einzuschalten, um zu verhindern, dass sie dem Wissenschaftsoffizier in die brodelnde geschmolzene Lava folgten. Dann wurde das Raumfahrzeug von einem gewaltigen Stoß extrem heißer Luft erfasst und mehrere Dutzend Meter nach oben geworfen, bevor Sulu die Kontrolle zurückerlangen konnte. Obwohl Uhura Gefahr lief, auf das Deck oder gegen das Dach des Schiffs geworfen zu werden, begann sie, ihre Sicherheitsgurte zu lösen.
»Wir müssen ihn zurückholen. Im Frachtraum ist noch ein Exoanzug. Ich kann ihn anziehen, runtergehen und ihn holen.«
Sulu hatte keine Zeit für Diskussionen und hielt seinen Blick mit voller Konzentration auf die Kontrollen gerichtet. Zu viele Anzeigen waren auf ein monotones, tödliches Rot gesprungen, zu viele drohten von Grün auf Gelb umzuschalten. In seinem linken Ohr übermittelte ein fast unsichtbarer Transmitter einen beständigen Strom aus Aktualisierungen. Keine davon klang beruhigend. Ihre Lage war prekär und drohte, noch prekärer zu werden.
»Wenn man den zunehmenden Ausfall der Shuttlefunktionen betrachtet, kann ich mittlerweile schon von Glück reden, wenn ich uns zurück aufs Schiff bekomme.«
Ihre Stimme zitterte, sie blickte ihn flehend an. »Wir können ihn doch nicht einfach zurücklassen!«
Sulu war der ranghöhere Offizier. In diesem Moment wünschte er, es wäre nicht so. Für Wünsche war in der Kommandohierarchie der Sternenflotte allerdings kein Platz. »Wir haben keine Wahl! Wir können gerade so manövrieren. Wir waren zu lange hier drinnen. Wenn wir noch einen Augenblick länger warten, kann ich garantieren, dass es nirgendwo mehr hingeht, außer nach unten.«
Keine Zeit, keine Zeit. Uhura war sich nicht sicher, ob Spock sie überhaupt noch hören konnte. Trotzdem sprach sie in das Mikrofon in der Konsole. »Spock, wir werden versuchen, zurück auf die Enterprise zu gelangen.«
Ihre Diskussion wurde in dem Moment irrelevant, als ein beachtlicher Brocken aus hartem glühend rotem Basalt gegen die Unterseite des Shuttles krachte und es unkontrolliert kreiselnd in die Höhe katapultierte. Sulu kämpfte darum, die Oberhand zu behalten, und gab eine Navigationssequenz ein. Er hoffte, dass dem Shuttle noch genügend aerodynamische Funktionen geblieben waren, um sie auszuführen. Wenn er noch mehr Zeit an den manuellen Kontrollen verbrauchte, würde er nicht bereit sein, wenn die Zeit kam, das robuste, aber angeschlagene Fluggerät zu verlassen. Als er seine Uniform aufriss, kam darunter ein dünneres Material zum Vorschein. Es glänzte im ungleichmäßigen Blendlicht silbern. Der Anzug war unglaublich leicht, aber dennoch undurchlässig und gleichzeitig weich und schuppig. Er besaß Eigenschaften, die nichts mit den täglichen Bedürfnissen eines Sternenflottenoffiziers zu tun hatten. Uhura stand neben ihm und streifte unwillig ihre Oberbekleidung ab. Darunter kam ein ähnliches Kleidungsstück zum Vorschein, das in der flackernden Beleuchtung des Shuttles rot schimmerte. Zum letzten Mal sprach der Steuermann in das Konsolenmikrofon.
»Captain, wir setzen uns ab, solange wir noch können. Trotzdem weiß ich nicht, ob wir es zum verabredeten Treffpunkt schaffen. Ich lasse das Shuttle zurück. Sie müssen es allein zurück zur Enterprise schaffen.«
»Na wunderbar«,erklang die Antwort aus dem Kommunikationssystem. Sulu hatte den Eindruck, dass der Captain noch einen weiteren Kommentar abgegeben hatte. Wenn es so war, hatte ihn ein Schwall Interferenzen übertönt. Wie alle anderen Funktionen des Shuttles fiel nun auch die Kommunikation aus. Doch Sulu kannte den Captain mittlerweile so gut, dass er keine weiteren Kommentare von ihm hören musste. Besonders nicht zu dem Thema, dass er nicht abgeholt werden würde. Was Kirk dazu zu sagen hatte, konnte sich Sulu auch so sehr gut vorstellen.
Trotz all seiner Beschädigungen gelang es dem Shuttle, aus dem Vulkan herauszufliegen. Der Autopilot war noch in der Lage, einen Kurs zu setzen, trotzdem versagte ein System nach dem anderen. Beiden Offizieren war klar, dass sie es nicht ganz bis zum Schiff schaffen würden. Uhura war vollkommen benommen und wusste nicht, ob sie ihr Schicksal überhaupt noch kümmerte. Ihre Konditionierung, nicht ihr Wille, rang ihr die nötigen Handgriffe ab.
Sulu bemerkte, dass Verzweiflung und Gleichgültigkeit kurz davor waren, die Oberhand zu gewinnen. »Uhura, sind Sie bereit zum Schwimmen?«
Sie versuchte, das Gleichgewicht zu halten und nickte ernst. »Ich weiß, dass Sie alles getan haben, was Sie konnten. Ich bin bereit.« Ihre Stimme zitterte nicht länger, und trotz ihrer Gefühle trieb ihre Professionalität sie vorwärts.
Ihre Gedanken waren anderswo, von ihren Gefühlen ganz zu schweigen. Wenn nötig, beschloss Sulu, würde er Uhura im Falle eines Absturzes herausstoßen. Er hatte schon Spock zurücklassen müssen.
Er wollte verdammt sein, wenn nun auch noch Uhura folgte.
Kirk war so gut wie am Ende. Obwohl McCoy weniger gelaufen war als der Captain, ging es ihm nicht anders. Die Stärke seiner beschränkten athletischen Fähigkeiten lag eher in seinen Händen. Seit Anbeginn ihrer Flucht hatten seine Beine gegen die unnatürliche Belastung protestiert, die plötzlich an sie gestellt wurde. Als Arzt waren McCoy die körperlichen Anzeichen eines drohenden Zusammenbruchs bestens bekannt, und es gefiel ihm ganz und gar nicht, sie bei sich selbst diagnostizieren zu müssen. Wenn Kirk nur nicht aus Versehen das gezähmte Reittier betäubt hätte, das er für sie besorgt hatte. Wenn das Wörtchen ›wenn‹ nicht wär’, philosophierte der erschöpfte Arzt. Nicht dass ihn das alles überraschte. Es machte ihn eher traurig. Er hatte die ganze Mission vom ersten Moment an als vergebene Liebesmüh angesehen. Die aktuellen Umstände bestätigten seine Meinung bedauerlicherweise.
Es zeichnete sich ebenfalls nicht ab, dass sich ihre Situation in absehbarer Zeit bessern würde, dachte er bei sich, während er Kirk zurief:
»Jim … Jim, zum Strand geht es dort lang!«
Etwas Scharfes und potenziell Tödliches pfiff am Kopf des Captains vorbei. Ein Blick zurück zeigte, dass der nibirische Mob weiter aufholte. Bei der momentanen Fluchtgeschwindigkeit der beiden Offiziere war es nur noch eine Frage der Zeit, bis das erste Wurfmesser, der erste Speer oder einfach ein abgerundeter Stein den Captain oder ihn selbst zu Boden schmettern würde.
Kirk war vielleicht mutig, manchmal sogar geradezu leichtsinnig, wusste aber ebenso um ihre eingeschränkten Möglichkeiten. Trotzdem hatte er sein Ziel erreicht, die Eingeborenen so weit wie möglich aus der Gefahrenzone in der Nähe des Tempels wegzulocken. Er hielt nicht einmal an, als er die Pergamentrolle über eine Astgabel hängte. Nachdem er sie losgelassen hatte, rollte sie sich von alleine bis zum Boden ab. Sie gab den Blick auf eine große Anzahl Zeichen und Symbole frei. Ein nibirischer Schreiber hatte wahrscheinlich ungezählte Stunden daran gearbeitet, um alles so klar und präzise auf das Pergament zu bannen.
»Jim!« McCoy ging fast die Luft aus. »Das hier ist weder die richtige Zeit noch der passende Ort für eine dramatische Lesung!« Ein Blick zurück zeigte, dass die lärmenden Nibirianer sie fast eingeholt hatten. »Außerdem glaube ich nicht, dass dein Publikum zum Zuhören aufgelegt ist!«
Kirk brüllte eine Antwort, ohne sich zu ihm umzudrehen: »Macht nichts! Wir wollen auch nicht zum Strand!«
»Nein.« McCoy riss die Augen auf, als ihm die Bedeutung von Kirks Worten klar wurde. »Nein, nein, nein!«
Was immer auf der Rolle stand, es brachte die Nibirianer dazu, ihre wütende Jagd auf die frevelhaften Fremden abzubrechen. Als sie das geheiligte Dokument, das an dem Ast baumelte, erblickten, blieben sie sofort stehen und fielen in vollkommener Ehrfurcht auf die Knie. Sie streckten ihre Hände nach vorne aus und stimmten einen stetigen ehrerbietigen Singsang an. Ihre Augen waren geschlossen, und sie bewegten die Köpfe auf und ab. Sie hatten die Schriftrolle der Götter zurück und sprachen ein Dankgebet.
Einige unter ihnen hatten allerdings mehr im Sinn als passiven Götterkult. Für sie war da noch diese eine kleine Sache namens Rache. Für diese Gruppe der Krieger konnte das Gebet warten, bis diejenigen, die ihre heiligste Stätte entweiht hatten, angemessen bestraft worden waren. Wenn die Götter es wollten, stand die Abrechnung kurz bevor.
McCoy musste sich anstrengen, um mit Kirk Schritt zu halten, und schob mechanisch einen Fuß vor den anderen. Er war einfach nicht daran gewöhnt, sich so schnell zu bewegen. Und dass er dazu gezwungen war, trug nicht gerade zur Besserung seiner Laune bei. Trotzdem war er nicht zu erschöpft, um die Umgebung wiederzuerkennen, die sie vor der Landung auf dem Planeten studiert hatten. Er zeigte nach links.
»Jim, das ist alles total falsch! Der Treffpunkt am Strand liegt in dieser Richtung.«
Kirk blickte zu ihm herüber. Jedes seiner Worte wurde nun von einem kurzen, heftigen Keuchen unterbrochen. »Wir werden es nicht bis zum Strand schaffen!«
McCoy wusste, was nun kommen würde, und er freute sich nicht gerade darauf.
Vor ihnen lag nicht mehr viel roter Wald. Unglücklicherweise bedeutete das nicht, dass an seine Stelle fester Boden treten würde. Tatsächlich bedeutete es, dass es auf ihrem Fluchtweg in Kürze gar keinen Boden mehr geben würde.
Direkt vor ihnen verschwand der Wald und machte einem Band aus blaugrünem, wolkendurchzogenem Himmel Platz. Je näher sie dem Waldrand kamen, desto mehr Himmel tat sich vor ihnen auf und ging schon bald darauf in Wasser über. Der fremde Ozean befand sich tief unter ihnen – viel zu tief. Sein Ufer lag am Fuß der Steilklippe, auf die sie sich gerade zubewegten. Einen Sturz aus dieser Höhe hätten sie nicht einmal überlebt, wenn die Kieselsteine und ausgewaschenen Felsen dort unten durch den weichsten Sand ersetzt worden wären.
Sie könnten anhalten und sich den schreienden Eingeborenen stellen, die mit jeder Sekunde näher kamen, oder …
Es war keine Zeit für Analysen. Ohne ihren Lauf zu unterbrechen, warfen sich die beiden Männer über den Vorsprung der Klippe. Während McCoy strampelnd Seite an Seite mit Kirk in Richtung der tosenden Wellen stürzte, hatte er kaum Zeit zu hören, was sein Kamerad rief.
Es war jedoch eine Gefühlsäußerung, die er lauthals teilte, während Felsen und Wasser auf sie zurasten.
Das Wasser, durch das Kirk und McCoy nun schwimmen mussten, war etwas salziger als das in den Ozeanen der Erde. Es war trüb, aber nicht verschmutzt. Schwärme aus leuchtend bunten aquatischen Lebensformen schwammen um sie herum. Die meiste Zeit ignorierten sie die beiden Menschen. Ein paar Mal riskierten einige Raubfische, die mit zahlreichen Flossen und einem beachtlichen Gebiss ausgestattet waren, einen Blick. Sie umkreisten die Schwimmer ein, zwei Mal, bevor sie abdrehten und sich mit schlängelnden Bewegungen entfernten. Offenbar hatten sie entschieden, dass diese merkwürdig geformten Wesen überhaupt nicht in ihr Beuteschema passten. Vielleicht hatten sie aber auch die weit aufgerissenen Augen eines gewissen Arztes in die Flucht geschlagen.
McCoy zog am Ärmel seines silberfarbenen hautengen Anzugs. Kirk und er hatten die hauchdünnen Taucheranzüge unter ihren nibirischen Gewändern getragen. Nun hielten sie sie in den kalten Tiefen des fremden Meeres warm. Beide Männer hatten eine Taucherbrille aufgesetzt, die mit einem luftaufbereitenden Kreislaufatemgerät verbunden war. Es ermöglichte ihnen, problemlos unter Wasser zu atmen. Diese Notfallgeräte würden maximal dreißig Minuten lang halten. Das war mehr als genug für McCoy, der auf keinen Fall vorhatte, so lange in dem fremden Meer zu bleiben.
Obwohl sie wussten, wo sich ihr Ziel befand, brauchten die beiden Schwimmer einen Moment, um sich in der ungewohnten Umgebung zu orientieren. Von Zeit zu Zeit tauschten sie Blicke aus oder gaben sich Handzeichen, bevor sie beschlossen, ihren Weg fortzusetzen.
Erst als sich die Umrisse einer bekannten, riesenhaften Form abzeichneten, begannen sie, sich zu entspannen. Vor ihnen lag etwas unter Wasser, das auf dem Planeten Nibiru etwas vollkommen Fremdartiges darstellte. Es war das gigantische Raumschiff Enterprise.
Es ragte reglos vor ihnen auf wie ein großer schimmernder Bewohner der Tiefe, während Schwärme außerirdischer Wasserwesen zwischen Rumpf und Gondeln mal in die eine und mal die andere Richtung stoben.
Sie gelangten durch eine kleine Luftschleuse ins Innere, die eigentlich auf das luftleere Weltall und nicht auf einströmendes Salzwasser ausgelegt war. Trotzdem wurde sie ihrer Funktion gerecht, und das bisschen Unordnung, die der feuchte Einstieg der beiden Offiziere verursacht hatte, würde schnell wieder beseitigt sein. Die wenigen Meeresbewohner, die das Pech gehabt hatten, von ihrem hastigen Eintreten mitgerissen zu werden, würden ihren Weg in die Wissenschaftslabors des Schiffes finden.
Beide Männer hatten ihre Brillen abgenommen und die Sauerstoffgeräte entfernt, rangen aber immer noch nach Atem, als sich das innere Portal der Luftschleuse kreiselnd öffnete. Dahinter erschien die vertraute Gestalt des verärgerten Chefingenieurs Montgomery Scott. Der Supervulkan war augenscheinlich nicht das Einzige, worin sich gerade zu viel Hitze anstaute. Scotts verärgerter Blick wanderte von einem durchnässten Offizier zum anderen.
»Habt ihr Typen eigentlich irgendeine Ahnung, wie bescheuert es ist, ’n Raumschiff auf dem Grund eines verdammten Ozeans zu parken? Nur damit die Bewohner uns nicht sehen können? Weil’s gegen die Regeln ist? Wir sind seit gestern Nacht hier unten, und meine Leute haben die Nase voll davon, alles …«
McCoy hatte den Kopf nach links geneigt und versuchte, die letzten Wassertropfen aus dem Ohr zu bekommen. »Glauben Sie mir, Mr. Scott: Keiner bedauert es mehr als ich, dass wir unter diesen Umständen den Transporter nicht benutzen können.«
Kirk hatte schon vergessen, dass sie gerade mit knapper Not entkommen waren, und keine Zeit für das, was hätte passieren können. Er richtete seine volle Aufmerksamkeit auf den Ingenieur.
»Mr. Scott … Wo ist Spock?«
Die Haltung des Chiefs wandelte sich von gereizt zu besorgt. »Immer noch im Vulkan, Sir. Wir haben Sulu und Uhura vor Kurzem abgeholt, und sie sagen, dass sie ihn dagelassen haben.«
Kirk verzog das Gesicht. »Dagelassen?«
»Sulu sagt, dass er dabei war, die Kontrolle übers Shuttle zu verlieren und keine andere Wahl hatte, als den Rückzug anzutreten«, erklärte Scott hastig. »Sie waren wohl gerade dabei, ihn herunterzulassen, während … das Kabel gerissen ist.«
»Gerissen …?« Kirk konnte den Gedanken nicht zu Ende führen. Er versuchte mühsam, sich aus dem Taucheranzug zu pellen und es schien, als hätte sich jede anschmiegsame Windung und jede Falte des Materials gegen ihn verschworen, um ihn zurückzuhalten.
Spock war das uralte menschliche Konzept des Hades wohlbekannt, daher nahm er sich vor, die bemerkenswerte Ähnlichkeit seiner momentanen Umgebung mit ebendiesem irgendwann einmal näher zu untersuchen. Aber er hatte keine Zeit für weitere philosophische Betrachtungen. Das Magma unter ihm brodelte und schwappte unaufhaltsam weiter nach oben. Er beeilte sich, das mitgebrachte Gerät zu aktivieren.
Der Vulkanier war erleichtert, dass es nur oberflächlichen Schaden genommen hatte. Die vielen Schrammen und Kratzer hatten keine Auswirkungen auf seine Funktion. Trotzdem konnte Spock sich nicht vollends entspannen. Das konnte er erst, als die Eingabe der letzten Zahlen und Befehle eine schnell abwärts zählende numerische Sequenz in Gang setzte, die er auf den Anzeigen des Annullierers verfolgen konnte. Eine faustgroße Aushöhlung auf der rechten Seite begann weiß zu glühen.
Spock stand auf und blickte mit einem beträchtlichen Maß an Befriedigung auf sein vollendetes Werk hinab. Dabei ignorierte der Offizier vollkommen den Riss, der sich in der Flanke des Vulkans bildete und seinem Tod einen temporären Aufschub gewährte. Der Lavasee, der sich um Spock herum aufstaute, nutzte zunächst bereitwillig diesen neuen Abfluss.
Der Magma-Tsunami gewann dank der Schwerkraft an Geschwindigkeit und spülte am Hang des Vulkans hinunter. Er äscherte alles ein, was ihm in den Weg kam. Eine mächtige Explosion schickte der Lava vulkanische Bomben von der Größe eines Shuttles voraus. Das erste Gebäude, das davon zerstört wurde, war der größte Tempel der Eingeborenen auf dem Hauptkontinent des Planeten. Er wurde von einem Stück herabfallender Masse aus schnell abkühlendem Gestein zermalmt. Normalerweise wäre das Bauwerk dicht an dicht mit Betenden, Priestern und knienden Besuchern gefüllt gewesen. Nun war es jedoch vollkommen leer. Diejenigen, die dort für gewöhnlich beteten und arbeiteten, waren durch den Diebstahl der unersetzbaren Schriftrolle gestört und weggelockt worden. Captain Kirk hatte ihnen das Leben gerettet.
Auf der Brücke drehte sich Pavel Chekov auf dem Kommandosessel um. Er sah erleichtert aus, als er Kirk unter den Personen entdeckte, die aus dem Lift traten. Der große, abgerundete Raum bildete das Herz der Enterprise. Offiziere und Ensigns sahen kaum von der Vielzahl blinkender Anzeigen und Monitore auf, die ihre jeweiligen Arbeitsstationen darstellten, während die Gruppe eintrat.
»Keptin auf der Brücke!« Nachdem er formell das Offensichtliche verkündet hatte, gab Chekov den Kommandosessel frei und begab sich eilig zurück an seine Navigationsstation.
Kirk übernahm das Kommando ebenso schnell wie den Sessel und blickte zur Kommunikationsstation hinüber. Er hatte gedacht, dass die Umstände vielleicht Lieutenant Uhuras Abwesenheit zur Folge haben mochten und sich darauf eingestellt. Er war ebenso froh wie beeindruckt, als er sie an ihrer Konsole erblickte. Die gleichen Umstände bewahrten ihn auch davor, seinem Mitgefühl unmittelbar Ausdruck zu verleihen. Dafür war schlicht und einfach keine Zeit.
»Lieutenant, haben wir eine Verbindung zu Mr. Spock? Irgendeine, egal wie schlecht?«
Ihre Antwort war noch kürzer und präziser als gewöhnlich. »Extreme Hitzeverzerrungen beeinträchtigen seine Ausrüstung, aber wir haben immer noch Kontakt. Ich werde den Kanal so gut wie möglich verstärken.«
Die unterschwelligen Emotionen, die in ihrer Stimme mit-schwangen, ließen Kirk nicht kalt. Er wollte etwas sagen, entschied sich aber dagegen. Uhuras Bedürfnis, ihre Pflicht zu erfüllen, würde sie von ihren persönlichen Sorgen ablenken. Im Moment mussten alle auf der Brücke zu einhundert Prozent effizient funktionieren.
Wie gut, dachte er mit einem Anflug von trockenem Humor, dass er in emotional angespannten Situationen niemals überreagierte.
»Spock … Bericht!«
Ungeachtet des Abflusses in der Flanke des Vulkans begann die Lava wieder anzusteigen. Spock beendete die letzten Programmierungsarbeiten am Rankine-Annullierer. Er richtete sich auf und trat von dem Behälter zurück. Die Maße des Apparats waren bescheiden, seine Fähigkeiten dagegen furchteinflößend. Wenn er funktioniert, dachte er bei sich.
»Ich habe das Gerät aktiviert, Captain. Wenn der Countdown beendet ist, sollte die folgende geochemische Reaktion den Vulkan unschädlich machen. Gleichzeitig wird der tektonische Auslöser eliminiert, der nach unseren Berechnungen die katastrophalen seismischen Störungen in Nibirus Erdkruste in Gang gesetzt hat.«
»Ja, und das wird ihn unschädlich machen«, lautete McCoys knapper Einwurf.
Kirks Gedanken rasten, während er leise etwas entschieden Regelwidriges murmelte. »Können wir schon den Transporter benutzen, um ihn herauszuholen?«
Sulu, der wieder an seiner Konsole saß, schüttelte den Kopf. »Negativ, Captain. Ebenso wenig wie am Anfang, als wir entschieden haben, dass wir die Operation mit einem unserer Shuttles ausführen sollten. Die instabile Natur des magnetischen Felds und anderer Bereiche im Schlund des Vulkans beeinträchtigen den Transporter. Die übliche unveränderliche Reichweite des Transporters sowie seine Positionierungssystematik könnten sich um ein paar Millimeter verschieben – das wäre natürlich für jeden, der damit befördert wird, tödlich. Ich bedauere, aber die Lage ist unverändert. Wenn überhaupt, hat sie sich verschlimmert.«
Chekov schaltete sich mit unnötigem Nachdruck ein: »Ein Mr. Spock, den man mehrere Millimeter aus seiner korrekten Hülle herausholt, wäre nicht der Mr. Spock, den wir kennen, Keptin. Und höchstwahrscheinlich wäre er dann auch nicht mehr am Leben.«
Keiner seiner Offiziere teilte Kirk etwas mit, das er noch nicht wusste. Trotzdem …
»Es muss doch einen Ausweg geben, Mr. Chekov. Etwas, das wir tun können, damit es vernünftig funktioniert. Wir müssen Spock zurück aufs Schiff beamen.Wenn es keinen perfekten Weg gibt, dann nennen Sie mir den nächstbesten.«
Es gab nichts, was Chekov mehr liebte, als eine Herausforderung. Allerdings zog er solche vor, bei denen nicht das Leben eines Schiffskameraden auf dem Spiel stand. Seine Gedanken wirbelten, kollidierten und formten sich neu, einige sprach er auch laut aus.
»Vielleicht würde es funktionieren, wenn wir direkten Sichtkontakt herstellen könnten? So nah wie möglich? Wenn wir direkt über ihn gelangen könnten, wäre die Interferenz nicht eliminiert – aber sie wäre weitestgehend minimiert. Es gibt keine Garantie, dass es funktioniert, Keptin, aber es ist die beste Möglichkeit, die mir einfällt.«
Scott hätte seine Pflicht vernachlässigt, wenn er an dieser Stelle geschwiegen hätte. »Wir sollen die Position über einem aktiven Supervulkan halten, der kurz vor einem verheerenden Ausbruch steht? Sir, dieses Schiff wurde dafür konstruiert, eine Position im interstellaren Raum oder in einem Orbit zu halten. Die Enterprise wurde nicht gebaut, um mit derart radikalen atmosphärischen Störungen fertigzuwerden. Sie manövriert besser auf Warpgeschwindigkeit als mit Schubdüsen.«
Kirk sah zu seinem Chefingenieur zurück und schenkte ihm ein schwaches Lächeln. »Sie scheint sich doch gerade ganz gut zu machen, Mr. Scott.«
Der Chefingenieur wollte nicht nachgeben. »Weil die umliegende Atmosphäre relativ stabil ist, Sir. Ich wage zu behaupten, dass sich die Bedingungen mehr als nur ein bisschen verändern, wenn wir über ’nem Vulkan schweben und er hochgeht. Und damit meine ich nicht zum Besseren.«
»Ich glaube, Mr. Scott hat recht«, sagte Sulu, ohne von seiner Konsole aufzusehen. »Wenn wir von einer ausreichend starken Eruption erfasst werden sollten, glaube ich nicht, dass ich das Schiff auf Höhe halten kann. Vor allem wenn man in Betracht zieht, wie nah wir dann an der Oberfläche wären. Es wäre wirklich kein Platz, um ein Notmanöver durchzuführen.«
Kirk dachte hektisch über seine Möglichkeiten nach. Keine davon gefiel ihm. Er hatte auch gar keine Zeit, eine Entscheidung zu treffen, bevor ihn eine Stimme aus dem Komm-System aus seinen Gedanken riss. Störungen unterbrachen die Übertragung, aber die Stimme war klar und unverkennbar. Außerdem klang sie ziemlich verärgert.
»Das ist inakzeptabel, Mr. Chekov. Im Verlauf unserer Annäherung wurde das Shuttle von der Aschewolke und anschließend vom Vulkan selbst verhüllt. Aber die Enterprise ist zu groß für derartige Manöver. Wenn sie für einen Rettungsversuch benutzt würde, wäre es unvermeidbar, dass die eingeborene Spezies sie sehen würde.«
»Noch mehr Verweise auf die Oberste Direktive«, brummte McCoy. »Zum Teufel mit der Obersten Direktive.«
Kirk war vollkommen klar, dass sein Wissenschaftsoffizier derartige Kommentare komplett ignorieren würde, also versuchte er es mit einer logischeren Annäherung. »Spock, keiner kennt die Regeln so gut wie Sie. Also müssen Sie auch wissen, dass je nach den herrschenden Umständen, eine gewisse Abweichung erlaubt ist. Es muss doch irgendeine Ausnahme für …«
Hitze, Entfernung und die bevorstehende Apokalypse hielten Spock nicht davon ab, ihm ins Wort zu fallen.
»Es gibt keine, Captain. Nicht in dieser Angelegenheit. Wenn Sie die überlegene Technologie der Enterprise öffentlich zur Schau stellen, wäre das unbestreitbar eine Verletzung der Obersten Direktive.«
So viel zu Logik und Vernunft. Kirk wusste, dass sie keine Zeit hatten, um sich in einer der ausufernden Debatten zu verlieren, die sein Wissenschaftsoffizier so sehr schätzte. »Spock, es geht hier um Ihr Leben.«
Die Antwort klang ruhig und unerbittlich. »Die Regeln dürfen unter keinen Umständen gebrochen werrr…«
Kirk musste den Rest gar nicht hören, um zu wissen, dass sein Bitten ebenso wenig Wirkung zeigte wie seine Argumente. Aber er wollte den Rest der Worte des Wissenschaftsoffiziers hören. Solange die Stimme des Vulkaniers auf der Brücke erschallte, wusste er, dass sein Freund noch am Leben war.
»Spock?« Kirk wirbelte herum und wandte sich an seinen leitenden Kommunikationsoffizier: »Versuchen Sie, ihn wieder in die Leitung zu bekommen.«
Es gab niemanden auf der Enterprise, der das lieber wollte, als Nyota Uhura. Niemand hätte mehr dafür gegeben, noch einmal die wohlbekannte, gemäßigte und beruhigende Stimme des Wissenschaftsoffiziers zu hören. Während sie sich umdrehte, um ihren Kopf einmal kurz zu schütteln, wurde langsam allen auf der Brücke das volle Ausmaß von Uhuras Verlust bewusst.
Chekov konnte kaum sprechen, als er von seinen Anzeigen aufsah und das Schweigen brach. »Neunzig Sekunden bis zur Detonation, Sir.«
Kirk starrte nach vorne, auf etwas, das weit hinter dem abgeschalteten vorderen Schirm lag. »Wenn Spock hier und ich da unten wäre, was würde er tun?«
Da niemand antwortete, richtete er den Blick einmal mehr auf Uhura. Sie wollte etwas sagen, hielt inne, blieb stumm. Ihr gequälter Gesichtsausdruck verriet ihm, was er ihrer Meinung nach tun sollte, aber als Sternenflottenoffizier konnte sie es nicht aussprechen. Dieser Widerspruch drohte, sie innerlich zu zerreißen.
Am Ende waren es immer die Ärzte, die sich an derartige Fragen herantrauen. Doktor McCoy versuchte nicht absichtlich, die Art des Wissenschaftsoffiziers zu imitieren, aber Spock hätte die Hommage sicherlich zu würdigen gewusst.
»Er würde dich sterben lassen«, sagte McCoy ohne den geringsten Zweifel.
McCoys Worte, Uhuras Gesichtsausdruck. Es gab Zeiten, zu denen es erhebend war, der Captain eines noblen Schiffs zu sein. Dann wiederum gab es Zeiten, in denen es verwirrend war, Zeiten, in denen es tragisch war.
Und in genau diesem Augenblick war es für James T. Kirk die Hölle.
Obwohl Angst ein sehr reales Gefühl war, ließ Spock sie schnell hinter sich. Er war dafür ausgebildet, sie zu überwinden. Letzten Endes war Angst schließlich auch nur eines von vielen Gefühlen. Vielleicht war das, was er empfunden hatte, nicht einmal »Angst«. Eher Unbehagen im Angesicht der bevorstehenden Selbstaufopferung und des folgenden Ausfalls seines Bewusstseins. Das und ein übermächtiges Gefühl des Verlusts. Von Dingen, die noch nicht erledigt waren, nicht gemachten Erfahrungen, einer bestimmten Beziehung, die noch nicht voll ausgekostet war …
Auf die Angst folgte Ruhe.
Sie überkam ihn mit erstaunlicher Leichtigkeit und lag ebenso in seiner ureigensten Persönlichkeit begründet wie in allen Lektionen, die er je gelernt hatte. Spock schob jegliches Bedauern beiseite und bereitete sich auf das Ende vor. Er streckte die Arme in einer Geste von sich, die jedem Vulkanier wohlbekannt war. Er schloss die Augen, legte den Kopf in den Nacken und bereitete sich darauf vor, die Leere hineinzulassen.
Sie hatten die Störenfriede, die die Schriftrolle gestohlen hatten, verjagt. Die Götter würden erfreut sein. Einige der Verfolger heulten angesichts des zurückeroberten Relikts ekstatisch auf. Einen zusätzlichen Beweis, dass die Götter mit ihren Untertanen zufrieden waren, interpretierten sie in die Zerstörung des Tempels hinein: Denn glücklicherweise hatte sich niemand darin befunden, als das geschmolzene Gestein ihn verschlungen hatte. Der Verlust des Tempels an sich war nicht wichtig. Was zählte, waren die Schriftrolle und die Worte, die auf ihr geschrieben standen. Wenn die Priester zu der Zerstörung des heiligen Geländes befragt werden würden, dann würden sie beschwören, dass das die einzige Möglichkeit der Götter gewesen war, ihre Untertanen vom Bau eines neuen Tempels zu überzeugen. Einem, der noch erhabener und eindrucksvoller sein würde als sein Vorgänger. Das Volk würde dieser Anweisung mit Sicherheit Folge leisten.
Ein weiterer Beweis für die Zufriedenheit der Götter manifestierte sich bald auf eine bisher nie da gewesene Weise – eine, für die selbst die wortgewandtesten Priester keine Erklärung hatten.
Es war, als wäre die Luft selbst zu einem Instrument geworden. Sie pulsierte stetig und ein merkwürdig hoher Heulton erhob sich selbst über das Brüllen und Grollen des Vulkans. Dann erschien der Gott vor ihnen, in einer nie vorhergesagten Form und überwältigend majestätisch.
Meerwasser strömte von seiner großen Plattform und den Gondeln, einheimische im Wasser lebende Gliederfüßer zappelten, um der plötzlich beweglich gewordenen Oberfläche zu entkommen. Die Enterprise erhob sich unterhalb der Klippe aus dem Wasser. Sie stieg weiter aus dem Ozean, über die Steilküste, bis sie in Richtung des ausbrechenden Vulkans abdrehte. Die eingeborenen Zweibeiner konnten nur mit aufgerissenen Mündern nach oben starren. Als das Schiff beschleunigte, schwappte Wasser auf die verblüfften Zuschauer am Boden. Sie stöhnten auf, wanden sich und genossen es, sich von der Flüssigkeit durchnässen zu lassen, die nur von allerhöchster Heiligkeit sein konnte.
00:15 … 00:14 …
Es war wirklich erstaunlich, überlegte Spock, wie die Sekunden länger zu verstreichen schienen, wenn man nur noch einige wenige übrig hatte. Um ihn herum stieg der Lavasee unerbittlich weiter an. Der Rankine-Annullierer hatte ihm bereits so viel Mühe abverlangt und würde nun sogar sein Leben fordern. Wenigstens würde er, wenn das Gerät endlich zündete, keine Schmerzen mehr spüren. Es war besser, als zu verbrennen, denn sein Exoanzug würde ihn noch für eine begrenzte Zeit am Leben erhalten, wenn er in der Lava versank. Es würde eine Weile dauern, bis die Systeme versagten oder die strukturelle Integrität verloren ging.
Die Weite aus geschmolzenem Stein leuchtete nun so grell, dass es sein Sehvermögen beeinträchtigte, obwohl er das photosensitive Visier auf maximalen Lichtschutz gestellt hatte. Das diffuse orangefarbene Glühen wurde zu reinem Weiß und schien an seinen Sehnerven zu ziehen. Es tat nichts zur Sache. Wenn es ihm bestimmt war, blind zu werden, wäre das eine Einschränkung, die er nicht lange erleiden müsste. Seine natürliche Neugier ließ ihn allerdings die Tatsache bedauern, dass er nicht in der Lage sein würde, die letzten Augenblicke vor seinem Tod zu beobachten.
Dann folgte ein Moment der Desorientierung. Im Angesicht des Todes fühlte sich das seltsam bekannt an. Fast, als ob …
Sein Blick wurde wieder klarer. Das Visier reagierte auf die weniger gleißende Beleuchtung seiner Umgebung und eröffnete ihm ein größeres Sichtfeld als zuvor. Die Hitze, die begonnen hatte, die fortgeschrittenen Kühlsysteme des Anzugs zu übermannen, nahm nicht etwa nur ab, sie verschwand vollständig.
Er konnte sehen, dass sich Umrisse auf ihn zubewegten, die weder geschmolzen noch aus Stein waren. Er erkannte seine Umgebung. Er war am Leben. Er war nicht erfreut.
Kirk war der Erste im Transporterraum, McCoy war ihm dicht auf den Fersen. Der Arzt war aufgeregt, was sich auch in seiner beschleunigen Atmung äußerte. Er war an diesem Morgen gezwungen gewesen, entschieden zu viel zu rennen. McCoy blieb an der Tür des Transporterraums stehen und stützte eine Hand am Rahmen ab, während einige Mitglieder des Sanitäter- und Rettungsteams an ihm vorbeieilten.
Der besorgte Kirk hatte die Gestalt in der Mitte der Transporterplattform sofort erblickt. Der Rauch und der Dampf, die von dem Exoanzug aufstiegen, machten es unmöglich zu sagen, ob er intakt war. Ebenso hinderte es ihn daran festzustellen, wie der Zustand des Individuums im Inneren war. Selbst wenn der Vulkanier noch am Leben war, mochte er bis zur Unkenntlichkeit verbrannt sein: mit abgeplatzter Haut, versengten Lungen …
»Spock, geht es Ihnen gut?« Kirk konnte nicht helfen und wünschte sich verzweifelt, es wäre anders. Er konnte nur besorgt zuschauen, weil der Anzug noch zu heiß war, um seinen Träger zu umarmen.
Einen schrecklichen Augenblick lang zeigte die gepanzerte Gestalt keine Reaktion. Dann stand der Erste Offizier der Enterprise endlich auf. Er betrachtete suchend das Team, das sich im Transporterraum versammelt hatte. Dann richtete er seine Aufmerksamkeit auf Kirk und sprach mit ungläubiger Stimme.
»Captain, Sie haben dafür gesorgt, dass die Eingeborenen unser Schiff sehen konnten.«
McCoy stand neben Kirk, hob eine Hand und entspannte sich sichtlich. »Ihm geht’s gut.«
Der Captain ignorierte sowohl die Ermahnung des Wissenschaftsoffiziers als auch den Sarkasmus des Schiffsarztes. Unglaublich erleichtert schenkte er Spock ein breites Lächeln. »Schön, Sie wiederzuhaben.« Er wäre fortgefahren, wenn ihn nicht eine Meldung aus den Lautsprechern davon abgehalten hätte.
»Brücke an Captain Kirk.«
Uhuras Stimme. Kirk behielt einen vollkommen professionellen Ton bei. »Ja, Lieutenant?«
»Die Monitore zeigen an, dass der Transport beendet ist. Ist … Commander Spock an Bord, Sir?«
»Gesund und munter«, berichtete Kirk. Dann fügte er hinzu: »Die größte Sorge des Commanders gilt jedoch nicht seiner eigenen Gesundheit, sondern der Möglichkeit, dass die Eingeborenen unser Schiff beobachtet haben könnten.«
»›Beobachtet‹ mit Sicherheit«, murmelte Chekov vor sich hin. »Wir sind direkt über einige von ihnen hinweggeflogen.«
Uhura antwortete Kirk mit ruhiger, professioneller Stimme.
»Bitte benachrichtigen Sie Commander Spock, dass seine Vorrichtung erfolgreich detoniert ist.« Sie wurde von ihren Gefühlen übermannt und beendete die Kommunikation.
Die Aufmerksamkeit des Captains war immer noch auf den sicher heimgekehrten Vulkanier gerichtet, darum dachte er nicht länger darüber nach, warum sein Kommunikationsoffizier so kurz angebunden war. »Herzlichen Glückwunsch, Spock! Sie haben gerade diese Welt gerettet.«
»Captain, Sie haben die Oberste Direktive verletzt.«
»Dann haben sie uns eben gesehen.« Der kommandierende Offizier der Enterprise zuckte mit den Schultern. »Ist doch keine große Sache.«
Bevor der Wissenschaftsoffizier erneut etwas erwidern konnte, gab Kirk den Mitgliedern des Notfallteams ein Zeichen. Alle weiteren missbilligenden Kommentare wurden in einem Schwall aus Kühlgas und Dekontaminierungsmitteln erstickt.