Alkoholsucht durchgespielt - Jan Nebelfrost - E-Book

Alkoholsucht durchgespielt E-Book

Jan Nebelfrost

0,0

Beschreibung

Als Protagonist Jan Nebenfrost erzähle ich, wie es mir gelang, aus dem Strudel der Sucht zu entkommen. Im Rahmen der Alkoholsucht erlebte ich viel lustiges aber auch viel peinliches. Dennoch wollte ich meine Vergangenheit teilen und nicht vorenthalten. Das Buch ist nicht dick aber es ist gut.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 182

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhalt

Kapitel - Vorstellung der Familie

Kapitel - Vorstellung der Verwandten

Kapitel - Kindergartenzeit

Kapitel - Erinnerungen aus der Kindheit

Kapitel - kriminelle Energie im Kiosk

Kapitel - Spiel mit dem Feuer

Kapitel - Judoverein

Kapitel - Unfälle in der Kindheit

Kapitel - Schwimmen lernen

Kapitel - Scheidung der Eltern

Kapitel - vom Bauernhof ins Ghetto

Kapitel - Es wurde wild

Kapitel - Orientierungsdefizite

Kapitel - Kontrollverlust

Kapitel - Auf und davon

Kapitel - zurück zur Heimatstadt

Kapitel - den großen Max markieren

Kapitel - Magic Mushrooms

Kapitel - Hart drauf

Kapitel - Erster Therapieversuch

Kapitel - Trampen

Kapitel - Groningen im Knast

Kapitel - zwei Wochen JVA & Gerichttermin

Kapitel - nicht allein

Kapitel - forensische Psychiatrie

Kapitel - wieder ohne Ziel

Kapitel - Zweite Bude

Kapitel - kleine blaue Pille

Kapitel - Bundeswehr

Kapitel - Ärztliches Gutachten

Kapitel - von der Straße zur Freundin

Kapitel - Gerichtsverhandlung

Kapitel - Therapie Vorbereitung - Entgiftung

Kapitel - stationäre Therapie

Kapitel - ambulante Therapie - Resozialisierung

Kapitel - Neuanfang

Kapitel - Epilog

1. Kapitel - Vorstellung der Familie

Zu meiner Person: Ich spielte gerne mit Spielzeugautos, hatte einen eigenen Plattenspieler und auch ein Kassettendeck. Ich hörte sehr gerne Musik. Eines Tages baute unser Vater im Kinderzimmer, links neben dem Fenster ein Regal auf. Auf dem Regal befand sich nach kurzer Zeit ein Personal Computer. Erst ein Commodore VC-20, später ein C64. Mein Vater hat diesen oft für sich in Beschlag genommen und seitenweise Code aus der Zeitschrift »64er« abgetippt. So tippte er tagelang Code aus dem Heft ab, nur damit irgendwann ein blauer Heißluftballon aus »Sprites« auf dem Monitor hin und her flog. Dieses Erlebnis war für mich sehr imposant. So sah ich damals schon, dass man mit dem »Brotkasten« mehr machen konnte, als nur zu spielen.

Mein zwei Jahre jüngerer Bruder Lothar hatte meinem Gedächtnis nach nie Schwierigkeiten in der Schule. Es war für ihn kein Thema. Er hatte eine eher normale Statur. Meine Statur dagegen ähnelte eher der von Papa. Lothar interessierte sich schnell für die Sportart Fußball. Wenn man ihn suchte, gab es nicht viele Möglichkeiten. Entweder fand man ihn auf dem Fußballplatz oder auf dem Bolzplatz. Mit Lothar habe ich mich meist gut verstanden. Viele Male spielten wir zusammen im Zimmer mit den Spielzeugautos oder mit Spielfiguren. Meist spielten wir dann Szenen aus der Fernsehserie »Masters of the Universe« nach.

Mama war immer fleißig und liebevoll. Neben den ganzen Aufgaben eines Haushaltes hatte Sie oft noch nebenbei andere Arbeit. Aber Sie war auch oft weg, um mit dem Putzen Geld zu verdienen. Mama schaffte es allerdings immer, dass die Wohnung sauber war. Sie war ein wahres Organisationstalent. Früher lernte Sie den Beruf Löter. Mama strickte oder häkelte gerne. Und Mama schaute gerne Gruselfilme. Eines Abends schlich ich heimlich bis zum Eingang des Wohnzimmers und lauerte, was Mama sich im Fernsehen anschaute. Und ich sah im Fernseher, wie sich ein Mensch in einen Werwolf verwandelt. Wie ich Jahre später erfuhr, war es der Film »American Werewolf in London«. Es war für mich extrem gruselig und ich ging leise zurück ins Bett. Nachts hatte ich einen fiesen Albtraum. Ich wurde wach und heulte. Als Mama kam, erzählte ich ihr, dass ich lauerte und Sie beruhigte mich.

Papa war groß und schlank. Er lernte Kfz-Mechaniker, arbeitete allerdings als Lkw-Mechaniker für eine Spedition. Er hatte entweder Früh- oder Spätschicht. Hin und wieder auch mal Bereitschaftsdienst. Als Hobby bastelte er gerne an Modellbausätze der Marke »Revell«. Neben der Aquaristik interessierte er sich für Elektronik. Oft hat er einfach an kleine Elektronikteile für seine Modelle herumgelötet. Ein größeres Projekt und sein ganzer Stolz, war eine auf einer Holzplatte montierte Landschaft mit einer Modelleisenbahn. Die Platte war hinter der Wohnzimmertür montiert und konnte einfach hoch- oder heruntergeklappt werden. Er versuchte oft, mich für das Thema Elektronik zu begeistern. Aber Elektronik oder Strom waren für mich nie interessant oder mein Ding.

Oma und Opa von Papas Seite waren sehr, sehr lieb und stets zuvorkommend. Opa hatte ich überwiegend schlafend auf der Couch in Erinnerung. Oma wie Sie sich liebevoll um Hansi, Ihren Wellensittich kümmerte. Opa und Oma schenkten mir zum zehnten Geburtstag ein rotes BMX-Rad. Sie wohnten im ersten Stock direkt an der Straße. Es gab einen kleinen Garten mit einem Kirschbaum. Oma stellte für die Vögel oft Körner in einer kleinen Schale außen auf das Fensterbrett. Bei kälteren Jahreszeiten hing Sie Meisenknödel im Garten auf. Ganz allgemein hatte Sie für die Vögel immer etwas über. Wenn am Wochenende Besuch kam, gab es für die Erwachsenen gerne mal ein Pinnchen mit Weinbrand. Ich fand den Geruch schon immer interessant. Oft versuchte ich als kleiner Bengel, die Reste zu trinken. Manchmal konnten die Erwachsenen es nicht verhindern, weil ich das überraschend schnell machte. Da wurde also ein kleiner Gag von gemacht. Auf dem begehbaren Dachboden, spielten ich und meine Cousine Tatjana sehr häufig.

Oma und Opa von Mamas Seite waren auch immer sehr, sehr lieb. Sie wohnten auf einen Bauernhof, zogen aber auch einmal zu einem anderen Hof um. Früher hatten Oma und Opa Kühe, Schweine, Wolfshunde, Hühner, Gänse, Ponys und Schäferhunde. Da meine Mama insgesamt zwölf Geschwister hatte, war auf dem Hof immer ganz schön viel los. Am Wochenende kamen noch andere Verwandte oder Bekannte zu Besuch. Und dann sagte Opa zu einem seiner älteren Kinder: »Los, mach die Kutsche fertig, wir fahren eine Runde. Oder zwei«. So wurde dann die Kutsche rausgeholt und Opa hat uns Kinder dann durch die Bauernschaft gefahren. Das war wirklich toll. Ich war der älteste Enkel und so zeigte Opa mir immer Scherze, zum Beispiel, wie er andere auf eine fiese Art und Weise triezt. Opa war hochgradiger Kettenraucher und rauchte meist vier Schachteln am Tag. Einmal saß er im großen Wohnzimmer und ich saß neben ihm – wir schauten Fernsehen. Er steckte sich eine Zigarette an und meinte zu mir »Guck mal«. Dann zog er ein paar Mal von seiner Zigarette und wartete, bis seine Tochter Hilde kam. Hilde lief oft hin und her und war eine äußerst rastlose Person. Als Sie kam, aschte er dann plötzlich einfach auf den Teppich und rief: »Los Hilde! Hol mal den Staubsauger! Hier hat einer hingeascht!«. Oma und Hilde kochten immer zusammen für alle und waren ein eingespieltes Team.

Einmal, da war ich ungefähr acht oder neun, ging Opa mit mir hinten zu der Wiese bei den Ponys. Da rief er ein Pony herbei und meinte: »Los, setz dich mal drauf. Du kannst eine Runde reiten.« Ich ahnte keinen Hinterhalt und schwang mich auf das Pony. Da meinte Opa nur noch: »Halt dich an der Mähne fest!« und kaum griff ich zu, gab er dem Pferd einen dicken Klaps auf den Hintern. Das Pony galoppierte mit mir durch die Wiese und ich hatte voll Schiss herunterzufliegen. Das Pony beruhigte sich relativ schnell und blieb nach einer halb Runde über die Wiese stehen. Nicht ganz ungefährlich.

2. Kapitel - Vorstellung der Verwandten

Meine Cousine Tatjana, also die Tochter der Schwester von Papa, war für mich »meine beste Freundin«. Sie war ein wenig älter wie ich und spielte immer mit mir zusammen, wenn wir bei Oma waren. Sie spielte gerne mit Barbiepuppen und hörte wie ich auch gern Musik. Wir schaukelten uns gegenseitig in einer Hängematte. Wir pflückten zusammen Kirschen in Omas Garten und malten mit Kreide Straßen auf den Betonboden. Wir hörten zusammen die Lieder der neuen, deutschen Welle. Tatjana war für mich – ohne das Sie es vielleicht wusste, eine der wichtigsten Personen meiner Kindheit. Es war eine sehr vertraute Bindung. Mit Ihren jüngeren Brüdern verstand ich mich immer gut. Auch mit Ihnen spielte ich, wenn diese bei Oma zu Besuch waren. Aber eben lange nicht so viel, wie mit meiner Cousine.

Mit den Kindern von Mamas Geschwister konnte ich nur spielen, wenn wir auf den Bauernhof waren. Dort waren wir aber eben seltener als bei meiner Oma in der Stadt. Aber hier machte es dann auch Spaß, weil die Spielzeuge ganz andere waren. Dort gab es natürlich auch viel mehr Platz. Draußen konnten wir mit kleinen Spielzeugtreckern herumfahren und Bauernhof »spielen«. Natürlich war es auch niedlich, sich all die ganzen Tiere anzusehen. Auch die ganze Natur drumherum lud sehr zum Entdecken ein. So fand man sehr schnell irgendwelche Insektenarten, die man in einer Wohnung im zweiten Stock eher selten bis gar nicht antreffen würde. Dort übernachteten wir am Wochenende in einem eigenen Zimmer für Gäste. In den Wintermonaten war es oft so sehr kalt, dass man uns einen Radiator ins Zimmer stellte. Zum Einschlafen bekamen die Kinder eine Wärmeflasche mit ins Bett, damit man besser einschlafen konnte und sich nicht erkältet. Wir waren oftmals so viele Kinder, dass wir an mehreren Tischen verteilt essen mussten. Es gab oft Omas perfekte Graupensuppe. Der Geschmack dieser guten Graupensuppe verewigte sich in meinem Gehirn.

3. Kapitel - Kindergartenzeit

Ich fühlte mich zunächst wie ein normaler Junge. Nur in groß mit langen, dünnen Beinen. Meine lange, dünne Statur sah komisch aus. Und weil ich so groß war, dachten die anderen Kinder, es wäre ein ungerechter Vorteil. Einige wurden neidisch und fingen an, mich zu hänseln. Wie kann es ein Vorteil sein, wenn man gehänselt wird? Im Kindergarten erfuhr ich, wie man sich danach fühlt. So gab es im Kindergarten schöne Momente, die meisten jedoch waren traurig. Durch meine lange, dünne Statur wurde ich als »langer Lulatsch« oder »Bohnenstange« bezeichnet. Das tat sehr weh und machte mich misstrauisch. Zu Karneval war ich einmal als Frau verkleidet. Es war kein Problem, so wollte ich doch auch gefühlt ein Teil der Gruppe sein. Und normal sein, nicht ständig traurig. Ich wünschte mir oft, meine Größe wäre ein Vorteil gewesen. Es war genau das Gegenteil. Ich war zwar der Größte, wurde aber mit fast täglicher Hänselei »bestraft«. Als wir mal im Kreis saßen, sollte jeder mit einer Glocke seinen Vornamen in Silben unterteilen. Als ich dran war, sang ich: »Ja – han«. Das war natürlich falsch, richtig wäre einfach: Jan. Ich schämte mich dafür, dass ich diese Aufgabe nicht hinbekam.

Die Hänseleien kamen oft heimlich und nicht vorhersehbar. Ab dem zweiten Jahr entwickelte sich eine große Angst. Angst vor Hänselei, die ich im Kindergarten vielleicht wieder ertragen muss. Ich wusste nicht, ob und wann es erneut geschieht. Aber ich durchlebte jeden Tag die tief sitzende Angst. Ich entwickelte für mich die Strategie, möglichst für mich selbst zu sein. Auf keinen Fall im Fokus zu stehen und aufzufallen. Das war als großes Kind im Kindergarten schwierig durchzuhalten. Genau diese Aufgabe machte mich innerlich fertig. So zeigte ich möglichst keine Emotionen. Wollte zeigen, dass es mir nichts ausmachte. Nicht zeigen, das es mich verletzte. Und wenn es doch geschah, traf es mich hart. Aber trotzdem tat ich so, als würde es mir nichts ausmachen. Ich trug die traurigen Momente im Kopf und Herz mit nach Hause und schob diese sehr, sehr oft, mit sehr, sehr viel Musik beiseite. Musik half mir am besten.

4. Kapitel - Erinnerungen aus der Kindheit

Wir wohnten in einem relativ kleinen Hochhaus. Für eine Stadt wie Brokolt war dieses Hochhaus mit seinen drei oder vier Stockwerken nicht sonderlich prägnant. Wir wohnten in der zweiten Etage. Jede Etage hatte drei Wohnungen. Wir wohnten in der Mitte. Unten vor der Tür machte die Straße nach circa 25 Metern die nächste Linkskurve. Genau in der Mitte der Kurve gab es einen Weg zum Bolzplatz. Auf dem Weg zum Bolzplatz waren rechts auch kleine Wohnungen. In einer der Wohnungen wohnte damals auch einer der zwei Freunde, mit denen ich BMX gefahren bin. Daher nannte ich die beiden Freunde meine BMX-Freunde. Einer von den beiden zeigte mir auf unserer Straße, wie man auf dem Hinterreifen fahren kann. Oder wie man am Bolzplatz einen Abhang herunter springt. Danach kam Schotter und erst einige Meter weiter Rasen. Als ich eines Tages das Herunterspringen übte, rutsche beim Aufsetzen das Vorderrad zur Seite und bevor ich hinflog, schlug mir eines der Handgriffe in den Bauch. Das war überhaupt nicht gut. Leicht taumelnd schob ich mich und mein Rad nach Hause.

Mit unseren BMX-Rädern sind wir sehr oft durch den Wald gebrettert. Dort gab es einen guten Pfad, um mit dem BMX durchzufahren. Ins Industriegebiet habe ich mich nach einige Male auch allein getraut. Dort gab es am Wochenende die Möglichkeit, auf den breiten Straßen richtig schnell zu fahren, ohne das groß man gestört wurde. Eine Kurve hatte es mir angetan. Ich dachte, dass ich diese eine Kurve so gut kenne, dass ich diese durchfahren könnte und dabei nach hinten schaue. Gesagt getan: Schön Anlauf genommen, vor der Kurve dann einfach den Schulterblick nach hinten gemacht. Ich war viel zu schnell, merkte kurz die Erhöhung des Parkplatzes und »BAM« flog ich gegen die Deichsel von einem Anhänger. Das BMX flog unter der Deichsel durch und mir schlug das Teil voll in den Magen. Kam nicht gut. Zum Glück hat das Rad nur ein paar Schrammen abbekommen und ich ein bisschen Bauchweh.

Als mein BMX an einem anderen Tag wieder mal einen Platten hatte, wollte ich dies einfach ungeschehen machen. So ging ich mit meinem Rad zur Hecke am Rande der beiden Hochhäuser und legte es hin. Das Loch am Reifen war ein wenig größer. Ich dachte mir, wenn ich es mit Pflanzen voll presse, wird der Reifen wieder hart. Und so fing ich an, von den Sträuchern die Blüten abzupflücken und in den Reifen zu stecken. Als ich nach etlichen Blüten merkte, dass das wohl nichts wurde, musste ich doch nach Hause und Papa den platt Reifen präsentieren. Bei der Reparatur im Keller fand er dann die Blüten im Reifen und schüttelte mit dem Kopf: »Wie kann man denn auf so eine blöde Idee kommen?«. Ich sagte: »Ich dachte, das wird dann wieder fest«. Na klar – aus einer weichen Blüte wird eine Harte.

Wenn ich bei Oma in der Stadt war, hatte ich dort zum Fahren immer ein rotes Klapprad. Ich fuhr gerne Fahrrad. Und so fuhr ich mit dem Rad immer fleißig um den Block. Später erkundete ich die Umgebung etwas weiter. Ich sah auch gerne Fernsehen. Schaute unheimlich gerne »Ein Colt für alle Fälle«, »Master of the Universe« oder »Knight Rider«. Das Auto war so modern, mit all diesen futuristischen Knöpfen. Die Knöpfe malte ich mir auf Pappe und klebte diese dann an das Lenkrad vom BMX-Rad. Da war ich in meiner Rolle. Da war ich cool. Ich träumte sogar mal davon, dass »KITT«, mich abholen kommt. Völlig durchgeknallt. Mit meinem Bruder spielte ich oft »He-Man« und »Skeletor«. Das waren Spielzeugfiguren von der Marke »Mattel«. Wir hatten davon ein paar Figuren und die beiden Burgen. Eine für »Heman« und eine für »Skeletor«. Natürlich wollte ich immer der blonde, starke He-Man sein.

Das Zimmer teilten wir uns. Auf meine Musikanlage, welche ich gefühlt schon immer hatte, war ich mächtig stolz. Nur die Musik war oft die gleiche. So war ich regelrecht vernarrt in »Modern Talking« oder »Falco«. Später folgte Musik von »Michael Jackson«. Sehr oft hörte ich mir die Schallplatten von »Otto Waalkes« oder von »Mike Krüger«. Die Lieder zu einer Aufführung von »Otto Waalkes« konnte man später auf Schallplatte kaufen. Der Nachbarsjunge von oben zeigte mir manchmal auch neuere Musik, damit ich wenigstens halbwegs wusste, was im Trend liegt.

Sehr stark blieb mir auch eine Urlaubsreise mit der Familie nach Niederhausen im Gedächtnis. Ich hatte dort eine Verwandte, die ich aber bisher nur einmal sah. Zu der Zeit hörte ich immer noch »Modern Talking«, da ich die Musik wirklich mochte. Als wir da waren, zeigte Sie mir dann Ihre Musiksammlung. Und es kam, wie es kommen musste: Sie zeigte Platten von den »Toten Hosen« und »Die Ärzte«. Ich war geschockt von meinem Rückstand in Sachen Musik und wurde musikalisch geweckt. Von da an dachte ich mir: Ich werde bei Musik einfach immer mal schauen, was es Neues gibt, statt auf einer Musikrichtung zu verharren. Diese Denkweise übernahm ich im späteren Leben auch für die anderen Sinne.

5. Kapitel - kriminelle Energie im Kiosk

Im Kiosk, welchen ich immer besuchte, entdeckte ich bald eine Besonderheit. Es gab im Geschäft auf der linken Seite im hinteren Bereich drei Einbuchtungen. In der Letzten waren Kisten mit Süßigkeiten. Man nahm sich heraus, was man kaufen wollte. Damals gab es dort noch keine Spiegel oder Kameras. Wenn man sich in der letzten Bucht stellte, wurde man von vorne nicht gesehen. So nahm ich mir einige Male ein paar Pfennige mit und ging in den Kiosk. Pfennige waren in der alten Währung, wie heute Cent. Dort ging ich hinten zum Süßigkeitenregal und tat so, als wäre ich unentschlossen. Doch in Wirklichkeit nutzte ich die Zeit, um mir ein paar Bonbons in die Tasche zu stecken. Aber nur so viele, dass es nicht auffiel. Dann nahm ich die, die ich wirklich kaufen wollte, und ging damit zur Kasse. Am Anfang waren es nur wenige. Nach einigen Testkäufen nutzte ich möglichst viele Taschen meiner Kleidung. Später wurde die Lust am Nervenkitzel größer. Je mehr ich herausholte, desto größer wurde der Kick.

Als ich die Taschen nicht mehr voll genug bekam, bat ich meinen Bruder Lothar, mitzukommen. Auf dem Weg zum Kiosk erklärte ich ihm meine Taktik. Wir betraten den Kiosk und gingen nach hinten. Jeder steckte verschiedene Sachen ein. Unter anderem Überraschungseier. Ich nahm noch einige Bonbons für die Kasse mit nach vorne und bezahlte. Wieder draußen, gingen wir einige Meter und setzten uns auf eine Mauer an der Straße. Spannungsvoll packten wir unsere gemeinsame Beute aus. Da lagen auf einmal ganz, ganz viele Süßigkeiten. Genau in diesen einen Moment passiert es. Für mich geschah es in Zeitlupe. Mama näherte sich von links mit dem Auto. Ich erstarrte vor Schreck. Es gab auch keine Zeit mehr, Beute oder Teile davon zu verstecken. Lothar schaute mich fragend an, aber wir saßen dort wie die Vögel auf der Stange. Zwischen uns beiden lag das ganze Zeug. Im Vorbeifahren schaute Sie zuerst auf die Süßigkeiten. Danach richtete sich Ihr prüfender Blick in meine Augen. Diesen Blick werde ich nie vergessen. So ein Mist, dachte ich. Was für ein ungünstiger Moment.

Hätte ich mal einen klügeren Platz gewählt. Zuhause angekommen ging ich schnell auf mein Zimmer und ahnte nichts Gutes. Lothar blieb vorne. Er konnte nichts dafür, hatte ich ihn doch dazu angestiftet. Meine Mama war wütend und schimpfte laut. »Warte mal, bis Papa nach Hause kommt!«. Und er kam nach Hause. Ich hörte erst, dass Mama ihm erzählte, was passierte. Dann hörte ich seine schweren, stampfende Schritte, die immer lauter wurden. Wie ein Erdbeben Richtung Kinderzimmer. Die Tür flog auf, er schaut mich kurz an und gab mir eine heftige Backpfeife. »Einen Monat Hausarrest! Ohne Musik und ohne Computer!«. Er ging und zog die Tür zu. Später kam Mama noch mal zu mir und fragte, warum ich das tat. Wir würden doch Taschengeld kriegen. Doch was sollte ich sagen? Ich wusste damals nicht genau, warum ich gern klaute. So blieb ich stumm. Hatte ich durch die schlechten Noten doch schon genug Sorgen bereitet. In diesem Alter konnte ich noch nicht wissen, dass der Nervenkitzel auch zu einer Sucht werden könnte. So lenkte ich mich einen Monat lang mit verschiedenen Spielzeugen wie mit den Spielzeugautos ab. In der Zeit überdachte ich aber auch meine Taktik. Es musste von jetzt an immer so geschehen, dass man die Beute auf keinen Fall sieht.

6. Kapitel - Spiel mit dem Feuer

Es gab ein Tag, an dem ich nach etwas Spannung suchte. Mama und Papa saßen ahnungslos vorne im Wohnzimmer. Ich wollte ein Experiment wagen. All die ganzen Plüschtiere bestanden ja aus verschiedensten Stoffen. Da stellte ich mir die Frage: Welches Material brennt davon wohl am schnellsten? Eine wirklich hirnrissige Frage. Aber solch Dinge gingen mir früher durch den Kopf. So ging ich unter einem falschen Vorwand ins Wohnzimmer und stibitzte dabei heimlich ein Feuerzeug. Zurück im Kinderzimmer, zog ich die Tür zu. Wenn wir im Zimmer spielten, war die Tür eigentlich immer zu. Für unsere Eltern ein absolut harmonischer Zustand. Das nutzte ich diesmal aus und weihte Lothar ein. Er fragte mich extra noch: »Ist das nicht gefährlich?«. Ich schlug Folgendes vor: »Du hältst das Plüschtier fest. Ich zünde es kurz an und puste es danach sofort wieder aus.« Damit konnte ich ihn beruhigen und er war einverstanden.

Wir legten alle Plüschtiere auf unseren braunen Spielzeugschrank. Bevor es losging, öffnete ich das Fenster, damit der Rauch direkt abziehen konnte. Nun nahm Lothar immer ein Plüschtier und streckte es mir entgegen. Ich zündete es immer an einer eher unauffälligen Stelle an, beobachtete kurz, ob und wie schnell die Flamme ausbreitete. Dann pustete ich diese wieder aus. Bald waren wir fertig. Danach hatten alle Plüschtiere einen runden Fleck, an welchem etwas fehlte. Zum Glück bemerkten es unsere Eltern nicht. Da Wochenende war, brachte man mich nachmittags noch zur Oma in die Stadt. Wo ich wieder schlafen durfte. Am nächsten Morgen klingelte bei Oma das Telefon. Papa war dran und erzählte Oma ganz aufgeregt, dass es bei uns zu Hause gebrannt hätte. Papa käme mich sofort abholen. Ich setzte mir schon mal mein Käppi auf und fand mich in der Rolle als Sensationsdarsteller wieder. Ich dachte, nun bekäme ich die Chance meinen eigenen Bruder aus den Flammen zu retten. Was für irre Gedanken. Mein Papa holte mich ab und wir fuhren nach Hause. Auf der Fahrt erzählt mir Papa, dass Lothar wohl mit Feuer gespielt haben muss.