Alle 11 Minuten... ...wird der Prinz zum Frosch - Peggy Biczysko - E-Book

Alle 11 Minuten... ...wird der Prinz zum Frosch E-Book

Peggy Biczysko

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Beschreibung

Wow! Ein ganzer Katalog voller Männer! Bisher hatte Tessy nur aus der Werbung davon gehört, jetzt war sie mittendrin in dieser digitalen Partnerschaftsbörsen-Wunderwelt. Die Jagd nach dem Glück, nach einem neuen Mann an ihrer Seite, konnte beginnen. Noch einmal die große Liebe erleben! Doch was Tessy - 50 Jahre und verwitwet - über vier Jahre erlebt, ist ein Sammelsurium an Pleiten, Pech und Pannen. Dates mit einem verschrobenen Schlossherrn, einem Einsiedler in Unterhosen oder einem selbstverliebten, sextollen Manager reihen sich ebenso ein wie On-Off-Beziehungen. Und jedes Mal zerplatzt die Glücksblase, entpuppt sich der Prinz als Frosch. Behält letztlich doch einer die Krone auf dem Kopf, und gibt es ein Happyend für Tessy? "Alle elf Minuten... wird der Prinz zum Frosch" ist ein Roman, mitten aus dem modernen Leben gegriffen.

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Seitenzahl: 214

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Das Buch

Wow! Ein ganzer Katalog voller Männer! Bisher hatte Tessy nur aus der Werbung davon gehört, jetzt war sie mittendrin in dieser digitalen Partnerschaftsbörsen-Wunderwelt. Die Jagd nach dem Glück, nach einem neuen Mann an ihrer Seite, konnte beginnen. Noch einmal die große Liebe erleben!

Doch was Tessy – 50 Jahre und verwitwet – über vier Jahre erlebt, ist ein Sammelsurium an Pleiten, Pech und Pannen. Dates mit einem verschrobenen Schlossherrn, einem Einsiedler in Unterhosen oder einem selbstverliebten, sextollen Manager reihen sich ebenso ein wie On-Off-Beziehungen. Und jedes Mal zerplatzt die Glücksblase, entpuppt sich der Prinz als Frosch. Behält letztlich doch einer die Krone auf dem Kopf, und gibt es ein Happyend für Tessy?

„Alle 11 Minuten… wird der Prinz zum Frosch“ ist ein Roman, mitten aus dem modernen Leben gegriffen.

Die Personen in dem Roman sind fiktiv. Eine Ähnlichkeit mit lebenden oder verstorbenen Personen ist rein zufällig.

Die Autorin

Peggy Biczysko, Jahrgang 1961, ist seit vier Jahrzehnten fest angestellte Redakteurin bei der Tageszeitung Frankenpost. Sie lebt in Marktredwitz im schönen Fichtelgebirge. Zwei ihrer zahlreichen Reportagen sind 2010 mit dem BoB-Medienpreis Friseur ausgezeichnet worden. Ihr erstes Buch „Mit Leo zwischen den Ozeanen“, in dem sie ihre elfmonatige Weltreise mit dem Rucksack über fünf Kontinente schildert, ist 2016 bei BoD erschienen.

Inhaltsverzeichnis

Prolog

Wer nicht wagt, hat schon verloren

Ein Katalog voller Männer

Auftakt im Doppelzimmer

Der Bumm-Bumm-Biker

Der Angeber, der niemals antwortet

Tanz der Schmetterlinge

Lügen und dumme Sprüche

Der Wüstling

Der durchgeknallte Straps-Professor

Autofreak auf Durchreise

Zufälle gibt´s

Der missmutige Skeptiker

Polyamor und unerotisch

Auf Hasenjagd

Der sexbesessene Super-Macho

Der doppelte Rückzieher

Von einer Blume zur nächsten

Der schräge Schlossherr

Eine „feudale“ Bleibe

Der Unterhosen-Einsiedler

Empfang im Jogginganzug

Der allerletzte Versuch

Grenzenlose Freundschaft

Epilog

„Wo Liebe ist, wird das Unmögliche möglich.“

(Buddha)

Prolog

Hey, ich bin Tessy, 50 Jahre jung und lebe in Berlin. Mitten in Kreuzberg, dem kunterbunten Multikulti-Stadtteil unserer Bundeshauptstadt. Cool, dass du vorbeischaust. Hier, wo ich wohne, tobt das Leben, hier steppt der Bär, da ist Platz für verrückte Ideen und Kuriositäten. Hier fühle ich mich so richtig wohl. Naja, wenn nicht gerade eine Pandemie um die Ecke kommt, die mein und unser aller Leben lahmlegt, plattmacht, uns in die Ecke stellt wie einst einen ungehörigen Schüler. Gehörst du auch zu den knapp 22 Millionen Menschen, die in der Statistik als Single geführt werden? Bist du und sind die auch so verkümmert wie ich in dieser Corona-Zeit, als man uns einen Riegel vorgeschoben hat vor all die Dinge, die wir so lieben? Ausgehen, Leute treffen, Spaß haben, Tanzen, die neuesten Lokale checken und geniales Soul-Food lieben lernen. Plötzlich hat all das aufgehört zu existieren. Ich hatte viel Zeit, unendlich viel Zeit, in dieser Phase des zum Nichtstun-Verdammt-sein über alles nachzudenken. Zu sinnieren über das, was das Leben lebenswert macht. Da fallen einem Dinge auf, über die man sich vorher, als besagter Bär noch steppte, nicht allzu viele Gedanken gemacht hat. Auch über sich selbst und die Einsamkeit, wenn man so von oben dazu gezwungen wird. Da sind wir dann wieder bei den 22 Millionen Singles. Dass so viele Menschen ein Single-Dasein führen, ist schon Wahnsinn. Das hätte ich nicht gedacht. Es lebt eigentlich fast jeder vierte Deutsche allein – ob nun freiwillig oder nicht. Statistiker haben herausgefunden, dass im Jahr 2020 – also in unserem ersten Corona-Jahr – 5,06 Millionen Personen überzeugte Singles waren. Das ist ein Viertel aller Frauen und Männer, die alleine sind. Aber was ist mit den anderen mehr als 15 Millionen? Die sind also nicht so überzeugt davon, allein zu leben. Wieso finden Topf und Deckel nicht zueinander? Sind sie verlassen worden oder finden sie niemanden, der zu ihnen passt? War das früher auch schon so oder ist das eine Modeerscheinung? Sind alle wählerischer geworden und nicht mehr belastbar? Sind die Menschen durch Internet und Fernsehen einfach auf Traumwelten fokussiert, die es im richtigen Leben gar nicht gibt? Oder sind die verwitwet wie ich? Das zumindest erklärt, warum ich mit 50 Jahren keinen Partner habe. Meine tieftraurige Geschichte, die mich ordentlich aus der Bahn geworfen hat, liegt mittlerweile zweieinhalb Jahre zurück. Ich bin ziemlich jung Witwe geworden. Ich war gerade 47, als mein Mann verunglückt ist. Er hatte keine Chance. Der Typ, der ihm beim Überholen in der unübersichtlichen Kurve in Brandenburg mit dem SUV entgegenkam, spießte den Sportwagen von Alex regelrecht auf. Mein Mann war sofort tot. Und ich war es gefühlsmäßig auch. Über viele Monate, ja fast Jahre. Also: Ich habe dieses Schicksal, dass ich Single bin, nicht freiwillig gewählt. Alex und ich hatten keine Kinder. Irgendwie war nie die Zeit dafür. Partys, Urlaub, Freunde, Leben. Wir waren frei, ungebunden und genossen, was uns der Wohlstands-Teller bot. Alex war als Architekt viel unterwegs, und ich begleitete ihn, wann immer es möglich war. Auch ich jettete durch die ganze Welt, war überall dort, wo ich als Managerin großer Events gefragt war. Und Alex kam immer wieder dazu. Eigentlich führten wir ein Leben auf der Überholspur, genossen die Annehmlichkeiten zu zweit, wann immer sich Gelegenheit dafür bot. Wir hatten einen wunderbaren Freundeskreis – ich habe ihn ja noch immer, aber es ist allein doch eben anders – und genossen jede gemeinsame Minute. Bis zu jenem Tag, als es mir den Boden unter den Füßen wegzog. Als ich diesen Anruf bekam, ich möchte dringend in die Charité kommen. „Ihr Mann hatte einen Unfall.“ Wie ich in die Klinik gekommen bin, weiß ich heute nicht mehr. Völlig benommen saß ich an Alex‘ Bett und hielt seine Hand. Überall Schläuche, Verbände, das Fiepen der lebenserhaltenden Maschinen. Irgendwann hörte es auf, dieses Fiepen. Es läuft immer wieder ab wie ein Film. Bis heute. Wie ich nach Hause gekommen bin, weiß ich auch nicht mehr. Alex war auf jeden Fall tot. Und ich allein. Mein Leben war ein einziger Scherbenhaufen. Ich musste raus hier, raus aus meinem geliebten Berlin. Raus aus Deutschland. Auch meine Familie – Mama, meine Schwester Conny und mein Bruder Jack –, die sich rührend um mich kümmerte, konnte mich nicht halten. Niemand konnte es schaffen, mir diesen Schmerz zu nehmen. Ich musste gehen. Letztlich war es egal, von wo aus ich arbeitete. Und mein Chef hatte nichts dagegen, dass ich für eine ganze Weile nach Südamerika ging und von dort aus meine Kunden betreute. Es war wie ein Befreiungsschlag. Natürlich heulte ich nächtelang durch, hätte mich am liebsten von Brücken in die Tiefe gestürzt. Und habe es natürlich nicht getan. Ich klebe schon an diesem Leben. Auch wenn ich einsam bin. Viele Männer haben mich in all den Monaten umgarnt, mich umworben – auch wenn es nur eine Nacht wäre. Ich genoss dieses Werben, aber ich hatte keine Lust auf nur einen von ihnen. Es waren Typen dabei, die ich in einem früheren Leben sicherlich nicht von der Bettkante gestoßen hätte. Aber mein Leben hatte sich geändert, ich hatte mich geändert, meine große Liebe hatte alles geändert. Und der Tod von Alex sowieso. Nach einem Jahr kehrte ich zurück. Ich kam wieder in die Wohnung nach Kreuzberg, die ich zwischenzeitlich untervermietet hatte. All die Erinnerungen an die große Liebe meines Lebens waren wieder wach. Ich steckte wieder fest, wo ich doch geglaubt hatte, mich befreien zu können. Meine Freunde versuchten immer wieder, mich zu animieren, machten mich mit Männern bekannt, an denen ich keinerlei Interesse hatte. Sie wollten Farbe in mein Leben bringen, das wieder so farblos geworden war.

Jetzt bin ich also seit zweieinhalb Jahren Single. Als Witwe gezwungenermaßen. Und auch noch 50. Die magische Zahl, vor der so viele einen Horror haben. Der Geburtstag kam – und ging. Nach einer großen Feier war mir nicht zumute. Noch immer nicht. Und das, obwohl ich einst der große Partyfreak war, der immer und überall dabei sein musste. Da fehlt was in meinem Leben. Natürlich ist es Alex. Aber jetzt wird es Zeit, nach vorn zu blicken. Alex wird immer in meinem Herzen sein. Aber er hätte nicht gewollt, dass ich gefühlsmäßig verkümmere. Er hätte sich gewünscht, dass ich wieder fröhlich bin, das Leben genieße, wieder glücklich werde. Genau: Ich brauche endlich wieder einen Menschen, an den ich mich anlehnen kann. Denn ich bin extrem anlehnungsbedürftig. Doch wo - und vor allem wie - soll ich, wenn ich nicht gern allein bleiben möchte, einen Partner finden? Na klar, es liegt auf der Hand: Über eine Online-Dating-Platt-form. „Alle 11 Minuten…“ – ihr wisst schon! Die Statistiker haben auch hier hinter die Kulissen geblickt oder gar in unser Schlafzimmer. 43 Prozent der Deutschen sollen schon einmal Online-Dating ausprobiert haben. Mathematik war nie meine Stärke. Aber 43 Prozent? Das sind doch weit mehr als es Singles gibt, oder? Die anonyme Gelegenheit zum Seitensprung. Ich kann darauf verzichten, denn bei mir gibt es nichts zu springen – auch nicht zur Seite. Außerdem würde ich mich mal als treue Seele bezeichnen. Ein Viertel der befragten Singles gibt laut Statistik an, das Online-Dating zu nutzen, da sich im Alltag zu wenig Gelegenheiten ergeben, einen passenden Partner zu finden. Nun ja, so geht es mir auch. Wo denn? Wann denn? One-Night-Stands? Nein, aus dieser Nummer war ich raus. Also mal abgesehen von Corona, das uns in Flirt- und Liebesgeschichten auf dem Abstellgleis geparkt hat, hat sich auch vor der Pandemie äußerst wenig bis gar nichts auf dem zwischenmenschlichen Terrain getan. Denn als Arbeitstier war ich viel unterwegs. Als Fachfrau für Event-Marketing bin ich gefragt, wenn es um Messen geht, schicke Empfänge oder hippe Partys. Von pfiffigen Kellnern bis hin zu palettenweise Prosecco, von der Dekoration bis hin zu den Einladungskarten organisiere ich alles rund um diese Events. Natürlich lerne ich da tolle Leute kennen. Doch die meisten Menschen, die man in diesem Bereich trifft, kommen für mich als Partner nicht in Frage. Zu schrill, zu aufgesetzt, zu durchgeknallt, zu schwul, zu verheiratet. Alex und ich waren ein richtiges Traumpaar: 16 Jahre verheiratet, nie ein böses Wort, die gleichen Interessen, die gleichen verrückten Ideen, den gleichen Spaß am Leben und Reisen, an tollem Essen, an coolen Konzerten oder außergewöhnlichen Ausstellungen. Doch jetzt finde ich, ist es Zeit. Zeit für eine neue Beziehung. Ich wage ihn noch einmal, diesen Schritt. „Alle 11 Minuten…“ – ich bin ja Realist und weiß, dass alles nur Show ist. Aber man darf doch mal träumen!

Wer nicht wagt, hat schon verloren

Weinselig fläzte sich Tessy auf ihrem purpurfarbenen Sofa in den flauschigen Kissen. Wieder einmal war sie mit dem Taxi nach Hause gekommen. Stammtisch. Immer mittwochs. Lustig war‘s - auch wie immer. In der Regel ließ sie ihr Auto zu Hause stehen. Nach zwei, drei Gläschen Wein pflegte sie nicht mehr zu fahren. Nicht wie früher, als sie mit einem zugekniffenen Auge den Wagen heimsteuerte, damit die Mittellinie sich ja nicht verdoppelte. Das ist mehr als zwei Jahrzehnte her. Mittlerweile war sie erwachsen geworden. Glaubte sie zumindest. Tessy grübelte. Sie fühlte sich leer und allein. Jetzt, da alle gegangen waren. Das war auch wie immer. Nicht, dass sie nichts mit sich anzufangen wusste. Sie hatte ja ihren Job, der sie mehr als forderte. Sie war gefragt, reiste als Marketing-Fachfrau kreuz und quer durch die Welt. Eigentlich hatte sie erreicht, was sie wollte. Auch an Hobbys und Freunden mangelte es ihr nicht. Kaum eine Party, auf der sie nicht eingeladen war. Die Menschen mochten ihren Witz, ihren Esprit, ihren zuweilen spröden, auch derben Charme. Tessy war intelligent, liebte es zu diskutieren. Sie hatte eine schicke Wohnung, ein flottes Cabriolet, ein ausreichendes Einkommen. Mit 50 sah sie noch ganz passabel aus. Tessy warf einen Blick in den Spiegel. Heute wirkte sie ein wenig müde. Sie legte eine Gesichtsmaske auf und kuschelte sich, bewaffnet mit einer Tüte salziger Mandeln und einem Glas gut gekühlten, trockenen Lambrusco wieder aufs Sofa. Ja, viele mochten sie beneiden. Aber im Moment fühlte sie sich einfach nur einsam. Das passierte häufig in den vergangenen zweieinhalb Jahren, seit ihr Mann so plötzlich bei diesem schrecklichen Unfall ums Leben gekommen war. Eine große Liebe, die von einem Tag auf den anderen ein jähes Ende gefunden hatte. Nur allzu gern hatte Tessy das Angebot ihres Chefs angenommen, für ein Jahr ins Ausland zu gehen, um ihrem Kummer zu entfliehen. Ihren Job konnte sie dank der modernen Technik ja von überall aus erledigen. Hauptsache, weg von Berlin, da, wo sie alles an ihren Mann erinnerte. In Südamerika hatte sie sich wohl gefühlt. Schnell flogen ihr die Herzen der Ecuadorianer zu, auch wenn sie es nicht gewöhnt waren, dass eine Frau den Ton angibt. Doch weil Tessy eine Team-Playerin ist, gelang es nach anfänglichen Schwierigkeiten dann doch, dass die Machos ihren Rat gerne einholten, wenn es um die Organisation größerer Veranstaltungen und Festivals ging. Über all der Arbeit schaffte sie es beinahe, den Schmerz hinter sich zu lassen. Nur nachts, da kamen die Erinnerungen an ihr altes Leben - heftig, schmerzvoll, tränenreich. Dieser beschissene Unfall hatte alles zerstört. Die Tage mit Planungen und Meetings, die Nächte mit großen Empfängen und Festen, Vernissagen und Konzerten lenkten sie ab. Tessy ging in vielen Häusern, die Ausländern für gewöhnlich verschlossen blieben, ein und aus. Doch irgendwann drückte sie das Heimweh. Irgendwann kehrte sie wieder zurück in ihre alte Wohnung, die sie einstweilen untervermietet hatte. Zurück zu all den quälenden Erinnerungen. Aber auch zu ihren Freunden und der Familie. In fließendem Spanisch hatte sie Abschied genommen von vielen neuen Kollegen, Freunden, Auftraggebern. Sie hatten sie ungern ziehen lassen. Umso größer war die Freude in Berlin über ihre Rückkehr. „Welcome!“ Als sie in ihre alte Wohnung eintrat, knallten die Sektkorken. Tränen liefen ohne Ende. Es waren Tränen der Freude, als Freunde, ihre Mutter, ihre Geschwister und Kollegen sie in die Arme schlossen. „Schön, dass du wieder da bist!“

Tessy schwelgte in jener Zeit, die schon eineinhalb Jahre zurücklag, und nippte von dem köstlichen Lambrusco, der zusammen mit den salzigen Mandeln eine gaumenschmeichelnde Liaison einging. Zweieinhalb Jahre Single, murmelte sie fast ein wenig verzweifelt vor sich hin. Zum Alleinsein für die Ewigkeit fühlte sie sich nicht geboren. Sie sehnte sich nach Liebe, nach einer Schulter, an die sie sich anlehnen konnte, nach jemandem, der mit ihr Freud und Leid teilte. Nach heißen Küssen, auch nach Sex. Und nach Geborgenheit. All die Dinge, die sie so selbstverständlich genossen hatte mit ihrem Alex. Bis zu jenem grauenvollen Tag. Sie versuchte, den Unfall auszublenden. Im Hintergrund plapperte irgendein Moderator irgendeiner nichtssagenden Sendung. Werbung. Auch das noch! Tessy verdrehte die Augen, obwohl sie vorher auch nicht beim Geschehen war. Sie schlürfte ins Bad, wusch sich die Gesichtsmaske mit lauwarmem Wasser ab und trocknete sanft mit dem flauschigen Handtuch ihre Wangen. „Nicht so doll über die Augen reiben“, warnte ihre Kosmetikerin immer wieder. Heute hielt sie sich mal dran. Meistens war ihr das aber piep-egal. Tessy musterte ihre Falten und Fältchen im Zehnfach-Vergrößerungsspiegel. Puh, stöhnte sie auf. Dinge, die die Welt nicht braucht! Von der Seite blickte sie auf ihr Profil, streckte den Bauch raus und zog ihn schnell wieder ein. Drei, nein, fünf Kilo! Die müssen unbedingt weg, verschrieb sie sich für die kommenden Monate eine Diät. Der Busen war zu klein, um zu hängen. Zumindest, wenn sie die Schultern aufrecht zog. Tessy streckte ihr Kinn vor, versuchte, den Anflug eines Truthahnhalses im Keim zu ersticken. Wo war nochmal der Schneckenschleim? „Ah, da sind sie ja, die kleinen Helferlein!“ Sie fand die Ampullen, brach die Kappe eines Miniatur-Gläschens ab, schnitt sich ob ihrer Ungeschicktheit nach zwei, drei Gläschen Wein in den Finger und massierte die pappige Flüssigkeit in Krähenfüße und Fältchen ein, während sie mit einem Stück Klopapier die Blutung an ihrem Finger stoppte. Ohne Anspannung hob sie die Oberarme vor dem Spiegel. „Nein! Mehr Sport! Du musst mehr Sport treiben“, trieb sie sich winselnd an. Wenn sie die Arme straffte, waren die hängenden Flügel zumindest weg. Doch wer läuft schon permanent mit angespannten Oberarmen durch die Gegend? „Mit Fledermausarmen kriegst du ja gar keinen mehr ab!“ Abgesehen davon konnte sie sich so schlaff, saft- und kraftlos ja auch nicht leiden. „Ich mag nicht mehr so weitermachen!“ Tränen rollten über Tessys Gesicht. Sie rieb sich mit der ganzen Handfläche über die Augen. Die Warnung der Kosmetikerin war in dem Augenblick vergessen. Durchatmen und nach vorn schauen. Tessy fasste sich wieder. Etwas sanfter klopfte sie sich dann den schmelzenden Rest der Ampulle ins Gesicht. Booster-Effekt, las sie mit zusammengezwickten Augen. Die Lesebrille lag drüben neben ihrem Wein auf dem kleinen Glastisch neben dem Sofa. Wenn‘s hilft und schönmacht, sprach sie sich Mut zu und schlüpfte in das große, flauschige Herrenhemd, um es sich erneut im Wohnzimmer bequem zu machen. Ein dickes Kissen richtete ihren Rücken gerade, damit sie ihr Tablet bequemer an die Oberschenkel lehnen konnte. Tausend Mails, ächzte Tessy übertrieben und scrollte von einer zur anderen. Müll, Müll, Müll! Gut zwei Drittel beförderte sie mit der Löschtaste ins Jenseits. Rechnungen, Werbung, Benachrichtigungen. Nichts Spektakuläres. Im Hintergrund quengelte der Fernseher. Wieder Werbung. „Alle 11 Minuten...“ Tessy blickte von ihrem Tablet auf. „Scheiß drauf! Jetzt probiere ich das mal!“, entfuhr es ihr gedankenversunken. Wie oft hatte sie von Leuten gehört, die sich auf Internet-Plattformen herumdrückten. Immer mit einem Ziel: Auf der Suche nach der großen Liebe. Oder nach einer schnellen Nummer. Kam auf die Plattform an, wie sie aus ihrem Umkreis wusste. Völliger Blödsinn, hatte sie die Menschen stets verhöhnt. Und dann noch dieses Online-Dating, für das man nichts bezahlen muss. Wer weiß, welcher Massenmörder, Heiratsschwindler oder Ausbeuter hinter so einem Namen oder Foto steckt? Auf so eine Nummer wollte Tessy bestimmt nicht hereinfallen. Wie oft musste sie sich schon von Freunden oder Bekannten, die jemanden kennen, der wieder jemanden kennt, anhören, welch grauenhafte und üble Begegnungen solch eine Kontaktbörse im Internet nach sich gezogen hatte. Das wollte sie sicherlich nicht erleben. Neugierig tippte Tessy die Adresse ins Suchfeld. Okay, murmelte sie vor sich hin. Lass uns da mal reinklicken. Oh je, was die alles wissen wollen! Schon wieder musste sie auf „Weiter“ drücken. „Die quetschen ja mein ganzes Leben aus“, wunderte sie sich. „Auf was lass‘ ich mich da bloß ein?!“ Die Plattform bedeutete ihr, dass sie schon die Hälfte geschafft hätte. Oh nein! Ihr Blick auf die Uhr ließ sie hochschrecken. Schon nach Mitternacht. Ich muss doch morgen früh raus, da war doch der wichtige Termin mit dem neuen Klienten. Auch schon egal. Jetzt war Tessy zu neugierig geworden. Weiter, weiter, weiter... Endlich war sie am Ende. 79 Fragen musste sie beantworten. Natürlich ehrlich. Sonst würde die ganze Sache ja schiefgehen, vermutete sie. Sie hatte ohnehin keine Ahnung, ob das irgendwie funktionieren würde. Wie sollte man überhaupt nochmals die große Liebe finden? So was gibt‘s doch nur einmal im Leben - wenn überhaupt! Oder im Fernsehen, wenn Rosamunde Pilcher Frauenhorden vor die Glotze lockt. Jetzt noch bezahlen. Sie drückte den PayPal-Button. Und plötzlich tat sich eine völlig neue Welt vor ihr auf. Eine, von der sie bisher nur aus der Werbung wusste. Und jetzt, jetzt war sie mittendrin.

Ein Katalog voller Männer

„Wow!“, entfuhr es ihr. „Das ist ja wie früher im Quelle-Katalog, halt nicht mit Klamotten, Schuhen oder Unterwäsche, sondern mit echten Menschen.“ Eine ganze Liste mit Männern wurde ihr vorgeschlagen. Da sie recht flexibel war und auf niemanden Rücksicht nehmen musste, war es ihr egal, ob Deutschland, Schweiz oder Österreich. Umso größer war die Auswahl. „Glückwunsch! Mit einem Profil wie Ihrem haben Sie gute Chancen darauf, den passenden Partner zu finden.“ So hatte es der Computer ausgespuckt, nachdem Tessy alle Fragen nach bestem Wissen und Gewissen beantwortet hatte. Sieben Fotos präsentierten sie nun in den verschiedensten Lebenslagen: mal sportlich, mal schick und elegant, mal auf Reisen. Nichtraucher, das war ihr ganz wichtig. Sie hatte es schließlich geschafft, das Laster vor einigen Jahren an den Nagel zu hängen und war richtig stolz darauf. Also wollte sie sicherlich niemanden in ihrer Nähe, der zur Zigarette griff und eingehüllt war in eine stinkende Nikotinwolke. Tessy beschrieb sich als attraktiv, selbstbewusst und weltoffen. Wichtig war ihr, dass sie keinen Versorger suchte. Sie wusste von vielen Frauen, die sich gerade deshalb auf diesen Plattformen herumtrieben, mit dem Ziel, die Füße hochzulegen, nicht mehr zu arbeiten und sich jeden Wunsch von den Augen ablesen zu lassen. Tessy aber suchte einen liebevollen Partner mit viel Humor und Intelligenz. Respekt und Toleranz waren zwei weitere Dinge, die für sie ganz oben auf der Skala standen. Ja, Manieren sollte der Typ auch haben, lachte sie vor sich hin. Auch wenn sie hin und wieder mal mit der Bierbüchse am Straßenrand hockte, wenn es das Land und die Umstände es erlaubten. Aber mit einem Champagnerglas in der Hand jonglierte sie ebenso gern durch eine illustre Runde auf einer schicken Gala. „Gelackte Wichtigtuer, die nur Wert auf Optik legen, scheiden für mich aus“, schrieb sie in ihr Profil. Rechtsradikale Menschen sollten sich unbedingt von ihr fernhalten, vermittelte sie all jenen, die ihr Konterfei anklicken sollten, das nur verschwommen dargestellt war. Nur sie selbst konnte entscheiden, wer ihre Fotos letztlich ansehen durfte. Nicht schlecht, sinnierte Tessy – und lehnte sich mit einem zufriedenen Lächeln zurück. Unpünktlichkeit und Unzuverlässigkeit hasste sie. Das mussten die Interessenten ebenfalls sofort wissen. Sie hatte all ihre Hobbys und Themen, die sie interessieren, kundgetan. Auch, welche Reisen sie bevorzugte. Und welche Musik. Erstaunt scrollte sie die Liste hinunter, die ihr plötzlich angeboten wurde. Architekten, Lehrer, Polizeidirektoren, Designer, Privatiers, Journalisten, Manager, sogar ein Kapitän war mit dabei. Ärzte suchten ebenso ihr Glück wie Ingenieure, Angestellte, Kunsthändler, Maurer, Piloten und Techniker. Nachdem sie 50 war, hatte sie fünf Jahre nach oben und nach unten Luft gelassen. Ob jünger oder älter, war ihr letztlich egal. Die Bandbreite war - ihrem Gehalt angeglichen - schon enorm, wie sie fand. Völlig fasziniert blätterte sie sich durch die Kandidaten, die der Computer passend zu ihrem Profil herausgefiltert hatte. „Ist ja irre, wie viele Menschen auf der Suche nach einem Partner sind!“ Tessy war wirklich perplex. Mal lagen die Berührungspunkte bei hundert Prozent, mal drunter, mal sogar drüber. Selbstständiger aus Niedersachsen. „Oh nein, zu klein!“ Ein Stück größer als sie sollte der Unbekannte schon sein. Und bitte nicht getrennt lebend. Das roch extrem nach Schwierigkeiten, denn da waren die Fronten noch nicht geklärt. „Finger weg“, ermahnte sich Tessy. Kinder, die ja in der Regel ziemlich erwachsen sein sollten in dem Alter, das sie im Fokus hatte, waren kein Hindernis. Aber sie sollten - bitteschön - bei der Exfrau leben. Das war zumindest für Tessy wichtig. Denn plötzlich Mama zu spielen, wo sie bislang ja keine war, wäre jetzt nicht unbedingt ihr Ding. Freizeitbeschäftigung: Fernsehen, Computer - mit einem Klick war der Kandidat von der Plattform ins Jenseits gekickt. „So was Langweiliges“, murmelte Tessy entnervt. Bowling war auch nicht unbedingt die Sportart, die ihr so lag. Radeln klar, aber nicht als das Hobby schlechthin. Cluburlaub und Gruppenreisen - sie verzog angewidert das Gesicht. Abenteuer lagen ihr da schon mehr. Fremde Länder auf eigene Faust erkunden, nicht mit anderen, auf die man warten musste, weil sie gerade Shopping vorzogen. Heavy Metal. Mit Grausen wandte sie sich ab, nahm einen kräftigen Schluck vom Lambrusco, der längst warm geworden war. So sehr hatte sie sich in die Suche nach einem Mann vertieft. Forstbeamter aus Bayern. Angeln und Motorsport mochte dieser. Und er fühlte sich im Wald am wohlsten, ließ er die Frauenwelt wissen. Naja, sonst hätte er ja wohl seinen Beruf verfehlt, schoss es Tessy durch den Kopf, ehe sie weiterklickte. Winzer. „Na, das wär‘s doch. Zwei Fliegen mit einer Klappe“, lachte Tessy laut auf. Größe passt, Abitur hat er, und er treibt auch mehrmals im Monat Sport wie sie. Naja, im Moment vielleicht nicht, musste sie sich mit einem Hauch schlechten Gewissens eingestehen. „Lebenslustig, leidenschaftlich, junggeblieben“, beschrieb sich der Winzer, „leicht mollig und bescheiden“. Mmmhhh! Ansonsten gab sein Profil wenig Aufschluss. Tessy zappte weiter. Kaufmann aus dem Saarland. Geschieden, keine Kinder. Nun ja, Blockflöte spielen konnte sie auch einmal. Aber das war Lichtjahre her. „Klingt zu langweilig“, entschied sie. Der Zeiger auf der Uhr war bereits auf halb zwei vorgerückt, als die erste Nachricht mit einem unüberhörbaren Klick bei ihr auf dem Tablet aufblinkte. Ganz aufgeregt drückte Tessy den Knopf, der ihren ersten Interessenten offenbarte. Ein Unternehmer aus dem Raum Kassel. Und er gab auch sofort seine Fotos frei. Eines zeigte einen schlanken, smarten und gutaussehenden Mann in elegantem Smoking mit Champagnerglas in der Hand, das andere präsentierte den sieben Jahre älteren Herrn als Skifahrer im Schnee. „Nicht schlecht“, urteilte Tessy mit Kennerblick. Geschieden, ein Kind, nicht im eigenen Haushalt. „Selbstbewusst, spontan, weltoffen“ - na, die Überschneidung war perfekt. Sport, gesunde Ernährung - Dinge, die Tessy lagen. Er schien sich am Meer ebenso wohlzufühlen wie in den Bergen. Genau ihr Ding. Sport, Kunst und Architektur lagen ihr auch. Tanz weniger. Aber man konnte ja alles irgendwie auffrischen, dachte sie bei sich. Der