Alle lieben Dr. d'Azzaro - Margaret McDonagh - E-Book

Alle lieben Dr. d'Azzaro E-Book

MARGARET MCDONAGH

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Beschreibung

Als Chirurg hat er einen exzellenten Ruf, als Mann ist er unwiderstehlich! Warum sollte Dr. Luca d'Azzaro also ausgerechnet sie erobern wollen, fragt sich die unscheinbare Polly. Und wie konnte sie nur unbemerkt ihr verwundetes Herz an diesen Traummann verlieren?

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IMPRESSUM

Alle lieben Dr. d’Azzaro erscheint in der Verlagsgruppe HarperCollins Deutschland GmbH, Hamburg

Redaktion und Verlag: Postfach 301161, 20304 Hamburg Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0 Fax: +49(0) 711/72 52-399 E-Mail: [email protected]
Geschäftsführung:Katja Berger, Jürgen WelteLeitung:Miran Bilic (v. i. S. d. P.)Produktion:Christina SeegerGrafik:Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto)

© 2009 by Harlequin Books S.A. Originaltitel: „A Mother for the Italian’s Twins“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe JULIA PRÄSENTIERT ÄRZTE ZUM VERLIEBENBand 38 - 2011 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg Übersetzung: Michaela Rabe

Umschlagsmotive: nortonrsx / Getty Images

Veröffentlicht im ePub Format in 6/2024

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783751529815

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BACCARA, BIANCA, ROMANA, HISTORICAL, TIFFANY

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1. KAPITEL

„Guten Morgen.“

Als Dr. Nick Roberts an diesem sonnigen Montagmorgen mit einem knappen Gruß den Personalraum der Gemeinschaftspraxis von Penhally Bay betrat, hatte Allgemeinärztin Polly Carrick gerade unauffällig auf einem der wenigen freien Stühle Platz genommen.

Obwohl sie ihren ersten Patienten erst in zwei Stunden erwartete, war sie früher gekommen. Sie hatte vorgehabt, dem stetig wachsenden Papierberg auf ihrem Schreibtisch zu Leibe zu rücken.

„Darf ich um Aufmerksamkeit bitten!“ Der scharfe Unterton spiegelte die gereizte Stimmung wider, die der Chef der Praxis schon seit Wochen verbreitete. „Bald stehen unsere Patienten vor der Tür, und ich habe gleich noch einen Termin. Vorher möchte ich mit euch einiges besprechen.“

Sichtlich ungeduldig wartete Nick, bis das Gemurmel, das Stühlerücken und Scharren der Füße verstummte und im Zimmer Ruhe einkehrte.

Endlich war es still, nur gelegentlich war das leise Klingen eines Löffels zu hören, wenn jemand seinen Tee umrührte, oder das vertraute Geräusch, wenn die Blechdose mit Hazels beliebten selbst gebackenen Ingwerkeksen geöffnet wurde.

„In den letzten beiden Jahren hat sich nicht nur in Penhally Bay, sondern auch in dieser Praxis vieles verändert“, begann Nick ernst. „Wir haben uns vergrößert und werden es auch weiterhin tun, um unseren Patienten einen noch besseren Service zu bieten.“

Ein schwaches Lächeln milderte kurz seine strengen Züge. „Und heute stößt Luca d’Azzaro zu uns, um die Lücke zu schließen, die Adam mit seinem Weggang vor zwei Wochen hinterlassen hat. Einige von euch haben Luca bereits bei seinem kurzen Besuch im August kennengelernt. Allen anderen sei gesagt, dass er vor drei Jahren von Italien nach Cornwall gezogen ist und seitdem im St. Piran-Krankenhaus gearbeitet hat.“

Er blickte nachdenklich in die Runde. „Ich verrate kein Geheimnis, wenn ich euch sage, dass Luca vorhatte, sich auf pädiatrische Chirurgie zu spezialisieren, durch gewisse Umstände jedoch gezwungen wurde umzusatteln. Er hat sich für Allgemeinmedizin entschieden und besitzt einen exzellenten Ruf, nicht zuletzt wegen seiner herausragenden Kenntnisse in der Chirurgie und der Behandlung von Schwerverletzten. Vor allem für unsere Wundversorgung wird er ein Gewinn sein. Ich verlasse mich darauf, dass ihr ihn herzlich willkommen heißt und nach Kräften unterstützt.“

Beifälliges Gemurmel ertönte, und Nick wandte sich dem nächsten Punkt zu. Pollys Gedanken begannen zu wandern, Nicks sonore Stimme trat in den Hintergrund. Die Ankunft des neuen Kollegen bedeutete, dass sie nun nicht mehr die Neueste im Team war. Sie hatte vor neun Wochen in der Praxis angefangen und sich ohne Probleme eingelebt, nicht zuletzt, weil man sie herzlich aufgenommen hatte und weil ihr die Arbeit Freude machte.

Sich in Penhally Bay einzuleben, das war schon schwieriger gewesen. Sie war keine Fremde in diesem beschaulichen Fischerstädtchen im Norden Cornwalls. Polly hatte die ersten siebzehn Jahre ihres Lebens hier verbracht, allerdings keine guten Erinnerungen an diese Zeit. Es waren unglückliche, leidvolle Jahre gewesen, zumindest nach dem Tod ihrer Mutter, als Polly gerade vier gewesen war. Sie blieb in der Obhut ihres Vaters zurück, eines Mannes, der diesen Namen nicht verdiente.

Polly fröstelte und verschränkte die Arme, um das Zittern zu unterdrücken. Dies war sicher nicht der richtige Ort und nicht die richtige Zeit, um in alten Wunden herumzustochern.

Das Angebot, in der Gemeinschaftspraxis zu arbeiten, war aus heiterem Himmel gekommen. Als Kate Althorp angerufen und ihr von der freien Stelle erzählt hatte, hielt Polly das Ganze zunächst für einen Scherz. Kate war ihre Patentante, enge Vertraute und die Einzige, zu der sie hier noch Kontakt hatte, nachdem sie Cornwall vor dreizehn Jahren den Rücken gekehrt hatte.

„Die letzten Jahre waren nicht einfach für dich, Polly, und ich bin so stolz auf dich, dass du auch damit fertig geworden bist.“ Bei Kates Worten hatte Polly plötzlich einen dicken Kloß im Hals gespürt. „In deiner letzten E-Mail hast du gesagt, dass du eine Veränderung brauchst, dass du weg willst aus London.“

„Ja, schon, aber … Penhally Bay?“

„Ich weiß, Liebes, doch alles, was du hier an Schrecklichem erlebt hast, ist längst Vergangenheit. Ich habe dem Team von dir erzählt, und das Vorstellungsgespräch ist nur noch eine Formalie. Der Job gehört dir … wenn du ihn willst.“ Beharrlich versuchte Kate, ihre Bedenken zu zerstreuen. „Jeder Neuanfang ist schwer, das weißt du am besten. Hier sind Menschen, die dich mit offenen Armen empfangen werden, und ich stehe ganz vorn.“

Der Klumpen in ihrem Hals war noch größer geworden. „Kate …“

„Bitte, Polly, komm her“, unterbrach Kate sie gefühlvoll. „Du bist eine großartige Ärztin, Penhally Bay braucht dich. Und ich glaube, du brauchst Penhally Bay. Lass es nicht zu, dass die Schatten der Vergangenheit deine Zukunft verdüstern.“

Zweifel waren geblieben, aber Polly hatte sich trotzdem vorgestellt und schließlich den Vertrag unterschrieben. Und so war es gekommen, dass sie dreizehn Jahre, nachdem sie sich geschworen hatte, nie wieder einen Fuß nach Penhally Bay zu setzen, auf einmal hier war.

Kate fand auch eine Unterkunft für sie, das Apartment in der Bridge Street, in dem Nicks Tochter Lucy vor ihrer Hochzeit gewohnt hatte. Selbst in der winzigen Wohnung nahmen sich ihre wenigen Habseligkeiten kläglich aus, aber Kate, umsichtig wie immer, hatte den Kühlschrank mit Lebensmitteln und die Regale mit anderen Haushaltsvorräten gefüllt und auch einen Blumenstrauß hingestellt, sodass alles etwas heimeliger wirkte.

„Polly?“

Nicks drängende Stimme, zusammen mit einem sanften Ellbogenstoß von Chloe Fawkner, die neben ihr saß, holte Polly in die Gegenwart zurück. Verlegen blickte sie auf. Sie hatte nicht den geringsten Schimmer, was ihr Chef gesagt hatte. Alle sahen sie an, und sie spürte, wie ihr das Blut in die Wangen stieg. Oh, sie hasste es, im Mittelpunkt zu stehen …

Bemüht, nicht zusammenzuzucken, begegnete sie Nicks eindringlichem Blick, der ihr leider auch nicht verriet, worum es ging. „Ja, Nick?“

„Danke, Polly. Schön, dass du einverstanden bist.“ Damit wandte er sich ab.

Belustigtes Raunen erfüllte das Zimmer, und Polly sank das Herz. Wenn sie nur wüsste, wozu sie sich gerade bereiterklärt hatte!

Chloe schenkte ihr ein mitfühlendes Lächeln. Neben Kate hatten Chloe und die Physiotherapeutin Lauren Nightingale sie unter ihre Fittiche genommen und ihr das Einleben in Penhally Bay leichter gemacht. Sie kannte die beiden von der Schule her. Und mit Sam Cavendish, dem Vertretungsarzt der Praxis, war sie sogar in einer Klasse gewesen. Aber der hatte sie damals kaum beachtet, so wie alle anderen. Und warum sollten sie auch? Sie war ein mageres, stilles Etwas gewesen, die graue Maus, die niemand wahrnahm.

Ganz anders Chloe. Sie war eine erfahrene Hebamme, die sich fürsorglich um ihre werdenden Mütter kümmerte, freundlich zu den Kollegen und Kate eine enge Freundin war. Und eine schöne Frau, mit langen dunklen Haaren, großen grünen Augen und weiblichen Kurven, um die Polly sie glühend beneidete. Chloe sah einfach fantastisch aus, und ihr Mann, der verboten attraktive Oliver Fawkner, einer der Allgemeinärzte der Praxis, war so verliebt in sie. Die beiden turtelten bei jeder Gelegenheit miteinander.

Nick unterhielt sich gerade mit Dragan Lovak, dem kroatischen Kollegen, und Polly nutzte die Gelegenheit, sich zu Chloe hinüberzubeugen. „Womit bin ich einverstanden?“, flüsterte sie.

„Den Babysitter für unseren neuen Doktor zu machen.“

„Oje.“

Polly unterdrückte ein Stöhnen und sank zurück auf ihren Stuhl. Freiwillig hätte sie sich nie und nimmer dafür gemeldet. Konnte das nicht einer der dienstälteren Ärzte übernehmen? Sie war damals von Chloes Mann eingearbeitet worden, und sie erinnerte sich noch gut, wie Oliver ihr mit seiner freundlichen Art und seinem frechen Humor die anfängliche Scheu genommen hatte.

Natürlich wollte sie etwas zurückgeben und dafür sorgen, dass Luca sich von Anfang an hier wohlfühlte. Kein Problem eigentlich, wenn sie nur nicht so schüchtern wäre …

Die Besprechung war beendet, und der Personalraum leerte sich allmählich. Polly, gewohnt, sich im Hintergrund zu halten, musste feststellen, dass Nick schon im Flur war. Somit hatte sie die Gelegenheit, ihn noch einmal anzusprechen, verpasst.

„Ich komme nachher mit Luca bei dir vorbei, Polly!“, rief er ihr über die Schulter zu, während er die Treppe hinuntereilte. „Rechtzeitig vor deinem ersten Patienten.“

Seufzend blieb sie allein im Personalraum zurück. Sie setzte Wasser auf, kochte sich ihren Lieblingstee, weißen Tee mit Cranberrys, und nahm die Tasse mit nach unten in ihr Sprechzimmer.

Als sie an ihrem Schreibtisch saß, griff sie nicht gleich nach den Unterlagen, die sich dort stapelten, sondern nippte an dem duftenden Tee und dachte an den neuen Kollegen. Was war Luca d’Azzaro für ein Mann, wenn er eine vielversprechende Chirurgenkarriere aufgab, um als einfacher Allgemeinmediziner in einer Landarztpraxis zu arbeiten?

Polly schüttelte den Kopf. Das würde sie jetzt nicht herausfinden, und außerdem gingen seine Beweggründe sie nichts an.

Trotzdem rieselte ihr ein Schauer über den Rücken, als sie auf ihre Armbanduhr sah. Warum war sie so nervös? Und warum hatte Nick ausgerechnet sie damit betraut, sich um Luca d’Azzaro zu kümmern?

Es würde nicht mehr lange dauern, bis Nick ihr den rätselhaften neuen Kollegen brachte.

„So, von meiner Seite wäre alles gesagt, Luca.“ Freundlich lächelnd klappte Nick den Aktendeckel zu und lehnte sich in seinem Stuhl zurück. „Haben Sie Fragen?“

„Nein, keine, vielen Dank. Aber ich kann es kaum erwarten, mit der Arbeit anzufangen.“

Das stimmte, doch er verspürte auch einen ungewohnten Anflug von Nervosität. Heute trat er zum ersten Mal einen Vollzeitjob als Praxisarzt an.

Als junger Medizinstudent war er fest entschlossen gewesen, Kinderchirurg zu werden. Seine Ausbildung hatte lange genug gedauert, dass die Früchte intensiven Arbeitens und Lernens zum Greifen nahe gewesen waren, bevor ein grausamer Schicksalsschlag sie ihm für immer nahm. Aber ein Mann musste Opfer bringen und das Beste machen aus dem, was ihm widerfuhr. Und diese Stelle in einer Gemeinschaftspraxis erlaubte ihm geregelte Arbeitszeiten, sodass er sich wie ein guter Vater um seine beiden kleinen Zwillingstöchter kümmern konnte.

Für Luca war kein Opfer zu groß, um seine Mädchen dafür zu entschädigen, dass sie keine Mutter hatten. Auch jetzt verspürte er die nagenden Schuldgefühle, zusammen mit dem vertrauten Schmerz und dem immer vorhandenen Gefühl, betrogen worden zu sein. Eine Last, die schwer auf seinen Schultern lag, doch er war bereit, ein neues Kapitel in seinem Leben aufzuschlagen.

„Wir freuen uns aufrichtig, Sie im Team zu haben“, sagte Nick und stand auf.

Auch Luca erhob sich und schüttelte dem Praxischef die Hand. „Danke.“

„Dr. Polly Carrick wird Sie einarbeiten.“ Mit einer knappen Geste ließ Nick ihm den Vortritt, als sie das Zimmer verließen. „Nehmen Sie heute an ihren Sprechstunden teil, bevor Sie morgen mit Ihren eigenen beginnen. Und begleiten Sie sie für die nächsten zwei Wochen bei ihren Hausbesuchen, bis Sie wissen, wie der Hase läuft.“

Luca nickte zustimmend.

„Polly arbeitet seit Juli bei uns. Sie ist in Penhally Bay aufgewachsen und kennt sich also bestens in der Gegend aus.“

„Ich bin sicher, dass ihre Ortskenntnisse für mich nützlich sein werden“, erwiderte Luca höflich.

Nick betrat den Trakt, wo die Physiotherapie untergebracht war, öffnete eine Tür und deutete ins Zimmer. „Dies ist von heute an Ihr Reich. Falls etwas fehlt, sagen Sie bitte Bescheid. Haben Sie Ihr Namensschild mitgebracht?“

„Ja.“ Luca sah sich kurz um, während er seine Arzttasche auf den leeren Schreibtisch stellte. Der Raum war hell und luftig, recht groß und sehr gut ausgestattet. „Hier ist es“, sagte er, nachdem er das Schild aus der Tasche geholt hatte.

Nick lächelte. „Bitte, walten Sie Ihres Amtes.“

Als Luca das Kärtchen in die leere Halterung neben der Tür schob, erfüllte ihn ein seltsames Gefühl, das ihn stolz und traurig zugleich stimmte.

„Das Zimmer neben Ihnen gehört Gabriel Devereux“, erklärte Nick. „Sie haben ihn ja schon kennengelernt.“

Luca lächelte, als er sich daran erinnerte, wie herzlich der französische Kollege ihn willkommen geheißen hatte. „Ja … und seine Verlobte Lauren auch.“

„Natürlich. Dort drüben sind ihre Räume.“ Sein neuer Chef wies auf die Physiotherapie auf der anderen Seite des breiten Flurs. „Und hier haben wir Polly.“ Er blieb vor der Tür mit ihrem Namen stehen. „Einer der Gründe, warum ich Sie ihrer Obhut unterstellt habe, war Ihr Wunsch, an Ihrem ersten Tag etwas später anzufangen, damit Sie Ihre Mädchen persönlich zum Kindergarten bringen können – und Pollys erster Termin ist montags immer erst um zehn Uhr. Die Sprechstunden der übrigen Kollegen beginnen früher.“

Erleichtert stellte Luca fest, dass Nick nicht nur Verständnis für seine besondere Situation aufgebracht, sondern auch konkret darauf Rücksicht genommen hatte. „Vielen Dank, dass Sie daran gedacht haben. Gerade an ihrem ersten Tag im neuen Kindergarten wollte ich etwas mehr Zeit haben, nur für alle Fälle. Allerdings erwarte ich grundsätzlich keine Sonderbehandlung und versichere Ihnen, dass ich ansonsten mit vollem Einsatz zur Verfügung stehe.“

„Ich habe nichts anderes erwartet, Luca“, meinte Nick beruhigend. „Auch ich habe Zwillinge. Sie sind zwar inzwischen erwachsen und haben selbst kleine Kinder, aber ich kann mir vorstellen, wie schwierig es für Sie sein muss, sie allein großzuziehen.“

„Danke, Nick.“

Auch für seine drei Jahre alten Töchter war der Umzug nach Penhally Bay ein großer Einschnitt. Zum Glück hatten sie sich problemlos im Kindergarten abliefern lassen. Die Leiterin Christine Galloway und Trish Atkins, die sich um die Gruppe der Dreijährigen kümmerte, hatten ihm versichert, dass Rosa und Tonia sich schnell wohlfühlen würden. Luca unterdrückte ein Lächeln. Seine Zwillinge hatten es manchmal faustdick hinter den Ohren, hoffentlich machten sie keine Dummheiten!

Nick klopfte an Pollys Tür.

„Ja, bitte“, rief eine zarte, leicht heisere Stimme, und Luca verspürte unerwartet ein Prickeln, so als hätte jemand sanft seinen Arm berührt.

Noch damit beschäftigt, das verwirrende Gefühl abzuschütteln, folgte er Nick ins Zimmer und war nicht im Mindesten darauf vorbereitet, was dann geschah.

Er hatte die Tür hinter sich geschlossen und sich umgedreht, sah Polly Carrick, und intensive, unwillkommene Emotionen, die er seit langer Zeit nicht empfunden hatte, stürmten auf ihn ein.

Als Erstes fiel ihm auf, wie zierlich Polly war. Nicht dass sie klein gewesen wäre, wie er feststellte, als sie jetzt von ihrem Schreibtischstuhl aufstand. Luca schätzte sie auf gut einen Meter fünfundsechzig, doch auch die farbenfrohen, locker übereinander getragenen Kleidungsstücke, die ihre Figur verhüllten, konnten ihre schmale Statur nicht verbergen. Und sie wirkte unglaublich jung, fast wie ein Kind.

Ihre feinen Gesichtszüge wurden dadurch betont, dass sie ihr welliges aschblondes Haar hochgesteckt hatte. Einzelne Strähnen hatten sich gelöst, ringelten sich in ihrem schlanken Nacken und umrahmten federweich ihr Gesicht. Am liebsten hätte er sie ihr hinter die zarten Ohren geschoben. Oder wie sonst sollte er das Kribbeln in seinen Fingerspitzen deuten?

Ihr Kinn hatte einen trotzigen Zug, so als hätte sie im Leben oft darum kämpfen müssen, für voll genommen zu werden. Sie hatte ausgeprägte hohe Wangenknochen, eine kleine, gerade Nase, helle Haut und einen Mund, der pure Versuchung war … klein, aber üppig, mit ungeschminkten rosigen Lippen, wie geschaffen für leidenschaftliche Küsse.

Und dann blickte er ihr in die Augen und hielt unwillkürlich den Atem an. Polly Carrick hatte die schönsten Augen, die er je gesehen hatte. Umgeben von langen, dichten Wimpern erinnerten sie ihn an kostbare Saphire, ein betörend dunkles Blau, das von innen heraus zu leuchten schien.

Ihre Blicke trafen sich, und er sah, wie sich ihre Augen weiteten. Und er glaubte, die gleiche Verwirrung in ihnen zu lesen, gemischt mit einem Anflug von Furcht.

„Luca, das ist Polly. Polly … Luca d’Azzaro“, stellte Nick vor, anscheinend, ohne zu merken, dass …

Ja, was? Dio! Was ging hier vor? Luca konnte es sich nicht erklären, aber ihm war klar, dass Polly es genauso wenig wollte wie er. Er versuchte, sich zusammenzureißen, aber kaum nahm er die Hand, die sie ihm zögernd entgegenstreckte, schoss es wie ein Stromschlag seinen Arm hinauf.

„Wie geht es Ihnen?“ Höfliche Worte, aber ihre Stimme bebte leicht, und wieder hatte sie auf ihn die verwirrende Wirkung wie vorhin, als er sie durch die Tür gehört hatte. „Willkommen in Penhally Bay.“

Luca war sich ihrer feingliedrigen Hand in seiner überdeutlich bewusst. Sie fühlte sich weich und so zierlich an, dass er Angst hatte, sie könnte brechen, wenn er zu fest zudrückte. Als er nach unten blickte, sah er, wie sich ihre helle Haut von seiner dunkleren abhob und ihre schmale Hand fast in seiner verschwand.

„Danke, Polly.“

Irgendwie hatte er es geschafft zu antworten, ohne sich seinen inneren Aufruhr anmerken zu lassen. Die Sekunden verstrichen, und dann zog Polly behutsam ihre Hand zurück, und er merkte erst jetzt, dass er sie immer noch festhielt.

Abrupt ließ er sie los. Was war nur in ihn gefahren, so verhielt er sich doch sonst nicht! Und wie sollte er den Tag in ihrer Nähe überstehen, geschweige denn die nächsten zwei Wochen?

„Polly, ich habe Luca erklärt, warum ich dich gebeten habe, ihn einzuarbeiten, obwohl du erst seit Kurzem bei uns bist.“ Nick schien immer noch nicht zu bemerken, dass die Luft im Zimmer knisterte. „Du hast einen guten Draht zu Jugendlichen, und vor allem die offene Sprechstunde, zu der ich dich ermuntert habe, wird sehr gut angenommen.“

Luca warf einen Seitenblick auf Polly und hatte den Eindruck, dass ihr leicht unbehaglich zumute war. Vielleicht war die Sprechstunde eine von Nicks Ideen gewesen, und Polly war mit seiner „Ermunterung“ gar nicht einverstanden gewesen.

„Es war nicht meine Absicht, mit einer besonderen Altersgruppe zu arbeiten“, sagte sie.

„Wie auch immer, du machst einen ausgezeichneten Job, und wir geben dir gern jede Unterstützung, die du brauchst“, erwiderte Nick mit einem wohlwollenden Lächeln und wandte sich an Luca. „Die offene Samstagssprechstunde besteht seit ungefähr einem Monat und ist für alle unter Achtzehnjährigen gedacht, die Rat und Hilfe brauchen, ohne dass es um konkrete medizinische Probleme gehen muss.“

„Eine ausgezeichnete Idee“, meinte Luca, beeindruckt, dass Polly dieses Projekt ganz allein managte.

„Da Sie ein besonderes Interesse an der Pädiatrie haben, dachte ich, das wäre etwas für Sie. Du bringst Luca auf den neuesten Stand, ja, Polly?“

„Natürlich, Nick.“

Luca sah sie an und spürte ihre Abwehr. Aber sein Interesse war geweckt, an dem Projekt … und an Polly. Es hatte keinen Zweck, sich etwas vorzumachen. Polly, mit ihren betörend schönen Augen, dem elfenhaften Gesicht und der bunten, unkonventionellen Kleidung hatte einen starken Eindruck auf ihn gemacht.

„Gut, gut.“ Zufrieden rieb Nick sich die Hände. „Luca, ich überlasse es Ihnen, ob Sie sich engagieren und sich mit Polly wegen der Sprechstunde abwechseln wollen … sofern das mit Ihren anderen Verpflichtungen vereinbar ist.“

Luca wusste, was Nick meinte. Die Zwillinge. „Danke.“

Und da war es, das Hintertürchen. Er konnte von vornherein Nein sagen und dadurch verhindern, dass er noch mehr Zeit mit Polly verbringen musste. Er öffnete den Mund, um genau das zu tun, aber bevor er wusste, wie ihm geschah, hörte er sich sagen: „Ich bin sicher, dass Polly und ich uns einig werden.“

„Großartig. Ach, dabei fällt mir ein …“ Nick wandte sich mit einem entschuldigenden Lächeln an Polly. „John Whittford, der Rektor der Highschool, hat den Flyer erhalten, den du entworfen hast, um die offene Sprechstunde noch bekannter zu machen. Und er ist begeistert, er wird die Sache auf jeden Fall unterstützen.“

Ein Lächeln erhellte Pollys Gesicht, und Luca ertappte sich dabei, wie er den Atem anhielt. „Ich werde ihn anrufen, um Näheres zu besprechen“, sagte sie, setzte sich wieder hinter ihren Schreibtisch und zog ihren Terminkalender heran.

„Nun …“ Nick schnitt eine Grimasse und wirkte plötzlich schuldbewusst.

„Gibt es ein Problem?“, fragte sie und blickte auf, wobei sie sich unschlüssig auf die Lippe biss.

Luca unterdrückte ein Aufstöhnen, als er beobachtete, wie sich ihre weißen Zähne in die volle rosige Unterlippe gruben. Bei dem sinnlichen Anblick zog sich tief in ihm etwas zusammen, erregend, gefährlich und in diesem Moment absolut unerwünscht …

Erleichtert hörte er Nick antworten und versuchte, sich auf die Unterhaltung zu konzentrieren, um nicht die Frau anzustarren, die seine Fantasie anheizte und ihn Dinge denken ließ, die er seit vier Jahren nicht einmal im Traum gedacht hatte.

„Ich fürchte, ich habe etwas vorgegriffen“, antwortete Nick und verschränkte die Arme vor der Brust, als wollte er jede Kritik abwehren. „Aber John fragte, ob du nicht in dieser Woche in die Schule kommen und den Schülern unser neues Angebot vorstellen könntest. Ich habe ihm für Freitag zugesagt. Luca kann dich begleiten.“

„Verstehe.“

Luca war nicht entgangen, dass Polly blass geworden war. Sie ballte die schmalen Hände, bis die Knöchel weiß durch die Haut schimmerten. Warum? Weil Nick über sie verfügt hatte, ohne sie vorher zu fragen? Oder lag die Ursache tiefer?

Er hatte keine Ahnung, doch er war entschlossen, es herauszufinden … spätestens am Freitag.

Nick schien von alldem unberührt. „Schön, damit wäre das geregelt. Luca, falls Sie irgendetwas brauchen, scheuen Sie sich nicht, es mir zu sagen.“ Er schüttelte ihm noch einmal die Hand und wandte sich dann Polly zu, bevor er auf seine Uhr blickte. „Gleich zehn. Ich überlasse euch der Morgensprechstunde … und ich bin sicher, dass ihr gut zusammenarbeiten werdet.“

Bleischwer hingen die Worte in der Luft, nachdem Nick die Tür hinter sich geschlossen hatte. Eine angespannte Stille erfüllte das Zimmer. Luca hatte keinen Schimmer, ob Polly und er gut zusammenarbeiten würden.

Eins jedoch war ihm klar: Weder er noch sie waren besonders begeistert, dass das Schicksal in Form von Nick sie zusammengeführt hatte. Beide hatten die starke Anziehung von der Sekunde an gespürt, als sie sich zum ersten Mal in die Augen geblickt hatten. Und selbst wenn sie ihr widerstehen mochten, sie würde nicht wieder verschwinden …

2. KAPITEL

Es geht vorbei, sagte Polly sich. Diese unerwartet heftige Reaktion auf Luca d’Azzaro hatte nichts zu bedeuten.

Gleich würde sie wieder normal atmen können. Ihr Herz würde ruhiger schlagen, nicht hektisch und dröhnend laut wie eine Buschtrommel, die vor Gefahr warnte. Die Haut würde nicht mehr prickeln, und ihre Brüste würden nicht mehr so empfindlich sein, dass sie spürte, wie die harten Spitzen gegen ihr Baumwolltop drückten.

Da sie nie einen BH trug, vergewisserte sie sich mit einem hastigen Blick nach unten, dass niemand … vor allem nicht der Mann, der vor ihr stand … die verräterischen Veränderungen ihres Körpers bemerkte. Doch der bunte, locker fallende Lagenlook schützte sie.

„Möchten Sie einen Kaffee oder Tee?“, fragte sie und wünschte, ihre Stimme würde weniger atemlos klingen. Polly sah auf ihre Uhr. „Vor dem ersten Termin ist noch ein bisschen Zeit.“

„Nein, vielen Dank.“

Sie wünschte, er hätte nicht abgelehnt. Dann hätte sie sich mit etwas beschäftigen können, statt ihm gegenübersitzen und ihn ansehen zu müssen.