Alles auf Veränderung! - Jakob Lipp - E-Book

Alles auf Veränderung! E-Book

Jakob Lipp

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Beschreibung

Furchtlos Neues wagen: mit dem richtigen Mindset die Komfortzone verlassen Veränderung kann immer Unsicherheit bedeuten. Auch oder gerade in der Arbeitswelt stoßen neue Wege oft auf Widerstände. Ungewohntes zu versuchen, die Dinge anders anzugehen, fällt nicht leicht, selbst wenn es eine Verbesserung bedeutet. Was es dazu braucht, um über den eigenen Schatten zu springen und sich ins Abenteuer Veränderung zu stürzen: eine anständige Portion Mut! Der erfolgreiche Mentalist Jakob Lipp ist Experte für nonverbale Kommunikation und begeisterter Mutmacher. In seinem Buch zeigt er auf, wie die richtige Verständigung zwischen Führungsebene und Mitarbeitenden die Unternehmenskultur transformiert: - Von der Vision zur Umsetzung: Wie es gelingt, den ersten Schritt zu tun - Veränderung braucht Zeit: Warum Wandel nicht von heute auf morgen glückt - New Work als Lösung? Wie ein wertschätzender Umgangston Arbeitgeber attraktiv macht - Ein Buch für Führungskräfte, die Kommunikation auf Augenhöhe betreiben wollen - Angstfrei zur Transformation: tiefgreifende Veränderungen furchtlos wagen Innovation braucht Mut: ein Buch über die Chancen der Angstfreiheit Offene und motivierende Kommunikation auf allen Ebenen sorgt für ein Can-Do-Mindset: Wenn Führungskräfte ihren Mitarbeiter:innen Möglichkeiten zum kontrollierten Risiko geben, gelingen die erstaunlichsten Neuerungen. Jakob Lipp zeigt anhand der großen und aktuellen Themen Digitalisierung, Nachhaltigkeit, New Work und Transformation, was der richtige Kommunikationsstil bewirken kann. Raus aus der Komfortzone, rein in die Veränderung – mit Mut! Ein Buch für Führungskräfte, die den Beharrungstendenzen etablierter Abläufe entkommen wollen. Für frischen Wind im Unternehmen und Erfolg auf allen Ebenen!

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JAKOB LIPP

ALLES AUF VERÄNDERUNG!

Mit Mut und gelungener Kommunikation den Wandel gestalten

CAMPUS VERLAGFRANKFURT/NEW YORK

Über das Buch

Den Mutigen gehört die ZukunftGerade in Unternehmen herrschen oft starke Beharrungstendenzen als Reaktion auf Veränderung vor. Dabei ist Wandlungsfähigkeit eines der wichtigsten Kriterien für Innovationskraft und gelungene Kommunikation der Schlüssel für erfolgreichen Change: Wenn in Unternehmen mutig und motivierend kommuniziert wird, eine Kultur der Angstfreiheit geschaffen wird und Mitarbeiter:innen bereit sind, kontrollierte Risiken einzugehen, klappt es auch mit der Innovation.Wie Unternehmen eine Mutkultur etablieren, zeigt der Mutmacher und Speaker Jakob Lipp am Beispiel der vier drängendsten Themenbereiche: Digitalisierung, New Work, Nachhaltigkeit und Transformation. Für mehr Mut im Unternehmen und in Führungsetagen.

Vita

Jakob Lipp ist vieles und zu allererst als Mentalist ein absoluter Experte für nonverbale Kommunikation. Nachdem er mit erfolgreichen Shows halb Europa verblüfft hat, ist er inzwischen Gastredner und Berater für Führungskräfte. Er lebt auf einem Bauernhof und engagiert sich für verschiedene Umweltmaßnahmen.

»DER WAHRE ZWECK EINES BUCHES IST, DEN GEIST HINTERRÜCKS ZUM EIGENEN DENKEN ZU VERLEITEN.«

CHRISTOPHER DARLINGTON MORLEY1

Übersicht

Cover

Titel

Über das Buch

Vita

Inhalt

Impressum

VORREDE

Alles auf Veränderung? Nur Mut!

Wir leben heute in einer besonderen Zeit – in einer Zeit der Veränderung. Obwohl: War es nicht ein gewisser Heraklit von Ephesos, der sagte: »Nichts ist so beständig wie der Wandel«? Er formulierte diesen philosophischen Satz immerhin 500 Jahre vor unserer christlichen Zeitrechnung. Heraklit setzte sich unter anderem mit dem natürlichen Prozess beständigen Werdens und Wandels auseinander. Kein Wunder, dass ihm später auch die heute noch populäre Kurzformel »Alles fließt« in den Sinn kam. Seine Sicht auf die Welt war die eines Philosophen. Es ging ihm um Einsicht und Erkenntnis und darum, Muster zu erkennen. Er schaute von außen auf das, was auch heute noch Weltordnung heißt.

Im Unterschied zu Heraklit schauen wir Menschen des 21. Jahrhunderts kaum mehr von außen darauf, sondern sind mittendrin in einer sich immer schneller verändernden Welt. Der größte Teil von uns jedenfalls. Und damit meine ich den überwiegenden Teil der Menschheit. Es ist ein stark subjektives Empfinden, das uns die Weltordnung mehr denn je als eine Unordnung erscheinen lässt – ein großes Chaos. Nichts hat mehr Bestand. Nicht die Gesellschaft, nicht die Wirtschaft, nicht die Politik, ja, und auch nicht das Klima. Nichts. Falls wir nicht gerade der kleinen Zunft der Welterklärer angehören, uns zurücklehnen und das Ganze aus der Distanz betrachten dürfen, fühlen wir uns wie im Schleudergang einer Waschmaschine – mindestens –, wenn nicht sogar wie im Zentrum eines Wirbelsturms. Wir haben schon lange das Gefühl, dass wir selbst nicht mehr der Motor der Veränderung sind, sondern Veränderung mit uns gemacht wird.

Sicher, Veränderung hatte für uns Menschen immer etwas mit Unsicherheit zu tun. Jede Veränderung bedeutet, sich auf etwas Neues einzulassen, das womöglich Risiken mit sich bringt. Wir haben daher ein großes Beharrungsvermögen gegenüber Veränderung entwickelt. Die Furcht vor der Veränderung ist sprichwörtlich geworden; hat sich als Redewendung in unserem Kopf und als Gefühl in unserem Herzen manifestiert. Was tun? Was müssen wir ändern, um Veränderung wieder als Chance zu sehen statt als Bedrohung? Zunächst müssen wir wieder erkennen und lernen, dass Veränderung etwas Positives in sich trägt. Ich meine Veränderung im Sinne der Erneuerung. Natürlich ist niemand von uns in der Lage, alle Dinge von heute auf morgen zu ändern. Aktive Veränderung braucht zunächst eine Veränderung des Bewusstseins. Stellen Sie sich einen Schalter vor, den wir umlegen müssen. Aus »Angst vor« müssen wir »Mut zu« machen. Wir müssen die rote Lampe aus- und die grüne einschalten. Erst recht, wenn es um die großen Themen geht, die uns nicht nur bewegen, sondern – mehr als uns guttut – aufwühlen: Digitalisierung, New Work, Nachhaltigkeit, Transformation.

Veränderung braucht Mut und Zeit

Was ist Mut? Mut ist im Gegensatz zu Furcht, Ängstlichkeit oder Angst eines jedenfalls nicht: ein hinderliches Gefühl. Höchstwahrscheinlich ist genau dies der Grund, warum es Mut überhaupt gibt. Denn, gäbe es keinen Mut, gäbe es keine Entwicklung, keinen Wandel, keinen Fortschritt. Wir säßen wahrscheinlich immer noch in der Höhle, hätten unsere Urahnen nicht den Mut gehabt, in eine ihnen mehr oder weniger fremde Welt hinauszugehen. Schließlich heißt es bekanntlich: Den Mutigen gehört die Welt. Ein besonderer Vertreter der Mutigen ist der Superheld. Ihn zeichnet aus, was wir Normalos oft gerne hätten. Aber nicht jeder kann so mutig sein wie die Superhelden im Kino. Mut ist aber eigentlich in jedem von uns vorhanden. Es ist ein Keim, der immer weiterwachsen kann. Allerdings ist dieser Keim leider oft von der Unsicherheit und von negativen Erfahrungen, die das Leben mit sich bringt, überlagert und kleingehalten worden. Und genau das ist der Punkt: Wir müssen unseren Mut zu neuem Leben erwecken. Mut gibt uns Kraft, Dinge zu machen, vor denen wir eigentlich Angst haben. Mut lässt uns wachsen. Nehmen wir die künstliche Intelligenz. Die einen verteufeln die neue Technik, die anderen beten sie geradezu an. Beides scheint mir übertrieben ungesund zu sein. Unser Mut-Satz sollte an dieser Stelle besser so lauten: Künstliche Intelligenzen können sehr hilfreich sein, wenn man versteht, sie als Werkzeug zur Unterstützung der eigenen Arbeit zu nutzen. Die Büchse der Pandora ist geöffnet, und wir können sie nicht einfach wieder schließen, sondern müssen lernen, damit umzugehen und künstliche Intelligenz sinnvoll zu integrieren.

Das hört sich alles wunderbar an? Warum starten wir dann nicht den Mut-Motor und legen den Schalter von »Angst vor« auf »Mut zu« um? Warum verändern wir nicht den Status quo?

Bei meinen Auftritten vor Publikum spielt Mut eine zentrale Rolle. Mut zur Veränderung ist mein Meta-Thema. Aber ich verrate Ihnen hier etwas: Wenn wir uns mutig den nicht wenigen Herausforderungen stellen wollen, die unserer Entwicklung und Veränderungsfähigkeit scheinbar wie unverrückbare Steine im Weg liegen, müssen wir zunächst an unserer Haltung arbeiten. Und das bedeutet: Wir müssen zuerst eine Veränderung zum Mut durchlaufen, bevor wir den Mut zur Veränderung überhaupt nutzen können. Auch ich war am Anfang meiner Bühnenkarriere nicht sofort der Jakob Lipp, den Sie heute erleben können. Tage vor meinem ersten Auftritt plagte mich erhöhtes Lampenfieber: Schlafstörungen, Bauchschmerzen und zittrige Nervosität. Und dass, obwohl ich vor Publikum stehen wollte. Ich wollte! Aber ich musste erst noch werden. Dazu musste ich erkennen, dass ich selbst eine Veränderung zum Mut zu durchlaufen hatte. Erst dann würde ich die Menschen in meinem Publikum glaubwürdig in ihrem Mutigsein bestärken können. Viele Jahre und unzählige Bühnenauftritte später betrete ich guten Mutes jede Bühne und tue das mit dem Ziel, Menschen in Unternehmen – Mitarbeitende, Führungskräfte und Unternehmenslenker – in ihrem Tun zu ermutigen. Empowerment nennt man das, was ich tue, heutzutage. Empowerment bedeutet auf Deutsch so viel wie »Ermächtigung«, »Selbstbefähigung« oder »Stärkung von Eigenmacht und Autonomie«. Ich sage dazu: Stärkung des Eigen-Muts.

Und sicher ist: Ich kann Sie nicht nur in Ihrem Mut bestärken, ich kann Sie auch beruhigen. Ich habe immer noch ein bisschen Lampenfieber vor jedem Auftritt. Aber das ist normal. Dieser adrenalisierte Zustand ist schließlich evolutionär bedingt und bedeutet für mich Konzentration und Fokussierung, auf das, was da kommt – eine Schärfung der Sinne.

»Der oder die hat Fièvre de rampe, Rampenfieber«, sagte man im 19. Jahrhundert, wenn einem Bühnenkünstler unter den Gaslampen heiß wurde. Aus Rampenfieber wurde durch die Verwendung des Begriffs schließlich Lampenfieber. Wie gesagt: Alles normal. Als pathologisch ist Lampenfieber jedoch dann zu bezeichnen, wenn es zu akutem Erwartungsstress führt. Ein bekanntes Beispiel ist die britische Sängerin Adele. Es wird erzählt, dass sie zu Beginn ihrer Karriere während eines Konzerts in Amsterdam durch den Notausgang von der Bühne flüchtete. Und obwohl sie inzwischen weltweite Erfolge feiert und längst ein Superstar ist, bekommt sie trotz ihrer Routine wohl noch immer erhöhtes Lampenfieber, wenn sie vor Publikum auftreten muss. Zwar stellt sie sich ihrer Angst statt ihr auszuweichen, aber eine Veränderung zum Mut hat bei ihr offenbar noch nicht stattgefunden. Von einem endgültigen Urteil muss ich mich hier fernhalten. Aber vielleicht ist sie immer noch auf der Suche nach sich selbst, so, wie schon in ihrem Welterfolg »Hello« herauszuhören war.

An dieser Stelle muss ich leider einen etwas sehr strapazierten Begriff ins Spiel bringen: das Mindset. Was Mindset bedeutet, wissen die meisten von uns. Nochmal zur Erinnerung: Wir Menschen unterliegen bestimmten Denkmustern, die auf unserer Erfahrung gründen und sich auf unser Verhalten auswirken. Das heißt, dass unsere inneren Überzeugungen, unsere Gesinnung oder Mentalität, maßgeblich unsere Entscheidungen beeinflussen. Das bedeutet auch, dass unser Mindset, uns mutig oder ängstlich entscheiden lässt. Je nachdem, wie wir die unbekannte Situation oder das unerwartete Ereignis, dem wir uns gegenübersehen, aufgrund unserer Erfahrungen beurteilen. Und wenn wir dazu tendieren, ängstlich auf Unbekanntes, Neues zu reagieren, dann werden wir eher mutlos entscheiden. Dann beharren wir auf den Status quo. Also: nichts verändern, lieber soll alles so bleiben, wie es ist. Es sei denn, es droht eine vermeintliche oder tatsächliche Gefahr. Damit komme ich vom einen zum anderen und noch einmal zur Evolution. Für den Steinzeitmenschen gab es sicher viele bedrohliche Situationen. Etwa diese, wenn sich plötzlich ein Höhlenbär wenige Meter vor ihm aufbaute. Dem Menschen der Steinzeit blieben nur zwei Optionen: Kampf oder Flucht. Wenn er im Kampf keine Alternative sah, zögerte er keine Sekunde – vor allem, wenn er auf sich allein gestellt war – und ergriff die Flucht. Flucht hieß Konfliktvermeidung. Wir wissen nicht, wie es ausging. Aber in gewisser Weise hat der Steinzeitmensch überlebt – er lebt nämlich munter in uns weiter. Auch heutzutage kann es sinnvoll sein, das Weite zu suchen, wenn es kritisch wird, vor allem, wenn es ums Überleben geht. Heute läuft der Mensch jedoch eher vor einem Problem, einer Herausforderung oder vor etwas Unbekanntem fort, als vor einem wilden Tier. Flucht bedeutet, den Kampf zu vermeiden, aber das Problem (die Herausforderung, das Unbekannte) ist damit nicht aus der Welt. Der Höhlenbär lebt weiter, und der Steinzeitmensch wird ihm vielleicht schon bald wieder begegnen.

Die zweite Option, sich dem »Problembär« zu stellen, hieß Kampf. Zum Kampf kam es, wenn das Hirn des Steinzeitmenschen erkennen musste, dass es für eine Flucht zu spät war. In diesem Fall traf der Steinzeitmensch keine bewusste Entscheidung. Bei dieser Stressreaktion ging es um eine sekundenschnelle körperliche und seelische Anpassung an die Gefahrensituation. Der Körper wurde in erhöhte Alarmbereitschaft versetzt. Das Herz schlug schneller, der Atem beschleunigte sich, die Muskeln spannten sich an und die Pupillen weiteten sich. Das langsamere Großhirn schaltete sich ab. Sämtliche Reaktionen erfolgten instinktiv und dadurch schneller. Der Steinzeitmensch wurde im wahrsten Sinne des Wortes zur Kampfmaschine.

Kampf ist auch heute noch eine jener Lösungsstrategien, die von Menschen regelmäßig angewendet wird. Wahrscheinlich, weil sie wie die Flucht evolutionär in uns angelegt ist. Die Kampfstrategie hat jedoch einen entscheidenden Nachteil: Sie hinterlässt immer mindestens einen Verlierer. Denn kämpfen, heißt vernichten. Hier stellt sich die Frage, wozu es mehr Mut braucht: Zum Kampf oder zur Flucht? Ich bin mir sicher, dass es dabei keine eindeutige Antwort geben kann. Zunächst würde man denken, dass man für den Kampf wohl allen Mut zusammennehmen müsste, vor allem, wenn man gegen einen mächtigen Gegner antritt. Andererseits gibt es sicher Situationen, in denen ein Nachgeben oder Ausweichen (Flüchten) von großer persönlicher Reife zeugen kann. Um sich der Welt so zu präsentieren, braucht man jedoch eine Portion Mut. Denn wie leicht kann es passieren, dass man im ersten Augenblick für einen Feigling gehalten wird. Dieser Mut verdient Respekt. Am Ende des Tages kommt es aber wie immer auf die individuelle Situation an.

Mut macht Arbeit und Spaß

Dass man das Wort Mut bereits im Althochdeutschen findet, ist wenig überraschend. Mut ist eine Charaktereigenschaft und war daher für die Menschheit natürlich schon immer ein antreibender Zukunftsfaktor. Neugierig auf mehr? Mit der Wortgeschichte des Begriffes Mut beschäftigen sich unter anderem Mittelalter-Experten wie etwa Björn Schultz, nachzulesen auf seiner Website mittelalter-entdecken.de. Das Wort Muot hat seine sprachlichen Wurzeln im 8. Jahrhundert und bedeutet die Kraft des Denkens und des Wollens, aber auch Sinn und Zorn. Die indogermanische Vorsilbe mo bedeutet wiederum sich mühen, heftig nach etwas streben. Das Althochdeutsche Muot impliziert, dass Mut eine Kopfsache ist, und die Vorsilbe mo, dass Mut nicht vom Himmel fällt, sondern entwickelt werden muss. Diese beiden Erkenntnisse kann ich auch heute noch unterschreiben. Im Neuhochdeutschen, also seit etwa 1650, findet der Begriff Mut vor allem in Formulierungen wie Unerschrockenheit in Gefahr und Kühnheit Verwendung. Im Laufe von Jahrhunderten wurden viele Ableitungen und Zusammensetzungen mit Mut gebildet, einfach, um Stimmungen genauer beschreiben zu können. Einige dieser Wortschöpfungen werden heute noch mehr oder weniger häufig verwendet: Wagemut, Übermut, Wankelmut, Hochmut, Großmut oder Langmut. Im Althochdeutschen war übrigens auch die Verwandtschaft der Begriffe Mut und Gemüt bereits bekannt; ausgedrückt im Wort gimuoti, was so viel bedeutete wie Gesamtheit der seelischen Kräfte oder Sinnesregung.

Mut bedeutet für uns heutzutage in den meisten Fällen, sich einer bestimmten Herausforderung zu stellen. Wussten Sie, dass dabei verschiedene Arten von Mut zum Tragen kommen? Die Wissenschaft kennt drei Varianten von Mut:

Mut, der angeboren ist;

Mut, der durch Vernunft erworben wird;

Mut, der extremen Form: fehlendes Risikobewusstsein.

In dieser dritten, seltensten, Form von Mut machen manche Menschen Dinge, die uns Mittelmutigen schlicht verrückt erscheinen. Ein Paradebeispiel sind Extremsportler. Durch verschiedene Untersuchungen innerhalb dieser Gruppe hat man festgestellt, dass bestimmte Areale im Gehirn, vor allem das Angstzentrum (Amygdala oder Mandelkern), in Extremsituationen kaum aktiv werden. Das ist der Grund, warum Extremsportler keine Angst verspüren; ganz gleich, ob sie auf einem Drahtseil über eine Schlucht balancieren oder an der Dachkante eines Hochhauses einen Handstand machen. Diese Form von Mut, die man als fehlendes Risikobewusstsein verstehen muss, ist angeboren. Sie lässt sich nicht trainieren.

Beim erworbenen Mut sieht es dagegen ganz anders aus. Hier spielt das menschliche Belohnungssystem eine große Rolle. Hauptakteur ist unser Gehirn. Es schüttet das Hormon Dopamin aus, das manche sicher auch als Feelgood-Hormon kennen. Dieser Stoff wird immer dann aktiviert, wenn wir erkannt haben, dass sich eine von uns geleistete Anstrengung ausgezahlt hat. Indem ein Gefühl der Zufriedenheit oder des Glücks eintritt, werden wir belohnt. Nach dem Motto: Mut tut gut!

Bliebe noch der Mut, der uns angeboren ist. Nein, ich meine nicht den Mut, der sich durch fehlendes Risikobewusstsein auszeichnet. Der angeborene Mut ist nichts für den gewissen letzten Kick. Beim angeborenen Mut geht es um eine gerichtete Motivation zu einer bestimmten Handlung – und zwar mit Verstand. Andererseits geht es um scheinbar unüberwindbare Emotionen wie der Angst. So oder so, eine bestimmte Handlung aufgrund einer gerichteten Motivation muss nicht zwangsweise positiv motiviert sein. Die Motivation etwas zu tun, kann konstruktive wie destruktive Absichten enthalten. Mutig zu sein, kann heutzutage aber auch heißen, etwas nicht zu machen. Sie sehen: Selbst der Sinn des Begriffs Mut ist im Wandel begriffen. In jedem Fall hat die Vernunft beim angeborenen Mut die Oberhand. Der angeborene Mut kann von klein auf gefördert und auch noch im Erwachsenenalter trainiert werden. Und das sollte uns Mut machen.

Mut – wirtschaftlich betrachtet

So viel lässt sich bis hierhin sagen: Nach allgemeinem Verständnis sind wir dann mutig, wenn wir uns einer Herausforderung stellen, die uns eine größere oder scheinbar unüberwindbare Anstrengung abverlangt. Das ist unsere Sicht als Otto-Normal-Mensch. Aus Sicht des Psychologen ist Mut eine Charaktereigenschaft, die irgendwo in der Mitte zwischen Leichtsinn und Mutlosigkeit liegt. Eine klare Grenze lässt sich hier nicht ziehen. Eindeutig ist aber die Abgrenzung zwischen Mutlosigkeit und Leichtsinn. Leichtsinn ist ganz klar ein Handeln ohne Verstand. Mutlosigkeit ist dagegen das Resultat eigener, scheinbar unüberwindbarer Emotionen. Was Mut für uns so speziell macht, ist die Tatsache, dass wir den Ausgang einer mutigen Handlung nicht voraussagen können; wir aber wissen, dass unser Tun auch negative Folgen haben kann. Hier kämpfen Verstand und Emotionen einen permanenten Kampf um die Vorherrschaft.

Und was ist Mut aus der Sicht der Wirtschaft? Und um welche großen Herausforderungen geht es dabei? Die vier wichtigsten Schlüsselthemen, die für große Veränderungen stehen, will ich mit Ihnen dazu in diesem Buch betrachten: Digitalisierung, New Work, Nachhaltigkeit und Transformation.

Wo Wirtschaft sich grundsätzlich wandelt, braucht es viel Mut. Aber ist es nicht wunderbar, wenn am Ende des Tages für uns dank unseres mutigen Handelns die Aussicht auf Belohnung herausspringt, Kaskaden von Glückshormonen ausgeschüttet werden und wir uns von Führungskräften oder gar der Gesellschaft kräftig auf die Schultern klopfen lassen dürfen? Warum sind wir dann nicht einfach mutiger? Ganz einfach: Weil wir uns vor dem Risiko fürchten, dass wir etwas falsch machen könnten. Und darum verhalten wir uns lieber passiv. Und das Verrückte ist, wir haben auf diese Weise gelernt, dass noch viel mehr Dopamin ausgeschüttet wird, wenn wir nichts tun beziehungsweise unsere Verhaltensweisen nicht ändern. Ja, genau, es klingt verrückt, aber es ist so: No risk, no fun gilt nur für Extremsportler. Warum also sollten wir ein Risiko eingehen, wenn risikolos eine noch größere Belohnung winkt? Mut ist schön und gut, aber geht es nicht auch ohne? Sicher geht das. Aber nur, wenn wir nichts verändern wollen. Der Gesundheitspsychologe Prof. Michael Trimmel bringt es auf den Punkt: »Wo Bedrohung aus einer Handlung folgen kann, ist Mut entscheidend.«1

Bleiben wir noch kurz beim vermeintlich glückbringenden Nichtstun im Kontext von Veränderung. Denn in unserer Wirtschaft ist dieses Phänomen (Veränderung versus Nichtstun) leider nicht selten. Mut aber ist die Kraft, aktiv zu werden. Beispiel Innovation. Besonders in diesem Bereich fordern Unternehmen von ihren Mitarbeitenden gerne mutige Entscheidungen. (Bemerkung am Rande: Auch in der Politik erleben wir seit Monaten, dass die Transformation klare Entscheidungen braucht und hier die Schere zwischen den Parteien von »sofort und radikal« bis »später und halbherzig« auseinandergeht; was uns die einen als mutigen Fortschritt und die anderen als vorsichtiges Abwägen der Risiken verkaufen wollen.)

Aber zurück zum Thema Innovation in Unternehmen. Hierzulande haben wir gelernt, dass mutige Entscheidungen den Job und die Karriere kosten können. Was in den USA funktioniert, weil Scheitern dort zum Business gehört, ist in Europa verpönt. »Deshalb ist es zynisch, wenn ein Unternehmen keine angstfreie Kultur vorlebt und gleichzeitig mutige Entscheidungen verlangt. In so einer Umgebung verlieren selbst jene Menschen den Mut, die prinzipiell aufgrund ihrer Kindheitserfahrungen bereit wären, mehr zu riskieren.«2 Geschlossenheit ist daher eine Grundvoraussetzung für mutige Entscheidungen. Anders gesagt: Nur wenn alle in einem Unternehmen hinter den Entscheidungen stehen, wagt es auch der Einzelne, sich mutig zu entscheiden. Bei vielen Unternehmen ist das ganz und gar nicht der Fall, und die Mitarbeitenden stehen unter einem ständigen Druck. Was unter anderem an der digitalen Permanenz liegt – der negativen Seite eines Arbeitslebens in der On-Demand-Blase –, von der noch im späteren Verlauf des Buches die Rede sein wird.

Mut zur Veränderung

Angeboren, erworben oder fehlendes Risikobewusstsein – es gibt nicht nur diese drei grundsätzlichen Varianten von Mut, wie sie die Psychologie definiert. Es wird Sie nicht verwundern, wenn ich als Kommunikationsexperte auch hier die Besonderheiten der deutschen Sprache betrachte – so wie Sie es auch erleben können, wenn ich vor Publikum auf der Bühne stehe. Man kann wirklich behaupten: Unsere deutsche Sprache ist voller Mut. Man könnte frischen Mutes ein Essay – wahrscheinlich sogar ganze Bücher – über Mut schreiben. Unmut, Schwermut, Hochmut, Anmut, Langmut; jemandem etwas zumuten, jemanden ermutigen.

Wir kennen die unterschiedlichsten Ausprägungen von Mut, die wiederum in unserer Sprache unterschiedlich zum Ausdruck kommen. Im Zentrum stehen für mich der Wagemut, der Übermut und die Ermutigung. Wagemut ist das, was wir im Allgemeinen unter Mut verstehen. Also eine Initiativkraft, die uns befähigt, trotz Bedrohung und Angst ein gewisses Wagnis einzugehen. Von Übermut ist dagegen die Rede, wenn als Folge von Selbstüberschätzung der Mut zur Leichtsinnigkeit tendiert.

Allem voran aber ist die Ermutigung mein Thema. Neudeutsch: Empowerment. Ich leite Menschen dazu an, sich in ihrer Selbstbefähigung und Autonomie zu stärken. Und ich zeige auf, wie es in Unternehmen durch mutiges Entscheiden und Handeln gelingt, Herausforderungen anzunehmen und zu bewältigen. Dabei kreisen meine Vorträge und Auftritte im Wesentlichen um die großen Themen wie: neue Formen der Arbeit, die Gewinnung und Bindung von Mitarbeitenden, Digitalisierung und Künstliche Intelligenz, Nachhaltigkeit, Transformation und Kommunikation.

Veränderungen bestimmen unser Leben – im Alltag ebenso wie im Business. Veränderungen sind essenziell für den Erfolg und überlebenswichtig. Dennoch bleibt mir in meiner Beratungsarbeit nicht verborgen, dass Menschen jeder Art von Veränderungen im Unternehmen menschlich entgegensehen – nämlich mit verhaltener Begeisterung. Hier setze ich mit meinem motivierenden Impulsvortrag »Mut zur Veränderung« an. Es geht darum, sich jeglicher Herausforderung mutig und entschlossen zu stellen und durch einen Wechsel der Perspektive zu erkennen, dass in jeder Veränderung auch Chancen stecken, die sich – ganz allgemein gesprochen – positiv auswirken können.

Es gehört Selbstbewusstsein dazu, offen zu sein für neue Sichtweisen und Dinge anders anzugehen. Den Mut zum Change aufzubringen, fällt leichter, wenn man die Reaktionen auf Veränderungen versteht und sich seiner Sache sicher ist. Wir haben es selbst in der Hand. Einerseits ist uns das bewusst. Andererseits sind wir alle Gewohnheitstiere. Wir lassen uns oft genug von unseren Ängsten vor vermeintlich negativen Reaktionen davon abhalten, dieses Wissen auch umzusetzen. Wir fragen uns ständig: Was ist, wenn andere die Veränderungen nicht gutheißen? Was ist, wenn wir durch unsere Entscheidung den Job aufs Spiel setzen oder sogar den Erfolg des Unternehmens riskieren?

Veränderungen fordern uns überall. Sei es die Anpassung an die schnellen Veränderungen im Konsum-, Kauf- und Freizeitverhalten; seien es neue Trends, durch die neue Märkte entstehen; sei es die Politik mit wechselnden Förderungen und Zuschüssen. Und nicht zuletzt verändert sich unser Leben auch aufgrund der wachsenden Zahl von Krisen. Aber auch das ist nicht neu. »Nächste Woche bitte keine Krise. Mein Terminkalender ist voll.«3 Dieses Zitat wird Henry Kissinger zugeschrieben und zeigt, dass Krisen keine Erfindung des 21. Jahrhundert sind. Der Mann wurde 100 Jahre alt und war als ehemaliger US-amerikanischer Außenpolitiker von 1969 bis 1977 wahrlich krisenerprobt. Stichworte: Vietnam, Kalter Krieg und Nahostkonflikt.

Von Konsumverhalten bis Krisenbewältigung – all das erfordert sinnvolle Reaktionen. Zugleich müssen wir uns der europäischen Verantwortung unseres wirtschaftlichen und politischen Handelns bewusst sein: Wir alle sind Teil eines größeren Ganzen und verantwortlich für nachfolgende Generationen. Darum sollte es unser aller Ziel sein, nachhaltig und ressourcenschonend zu wirtschaften. Als weiteres Beispiel für den Prozess des Umdenkens, der für Unternehmen und Konzerne elementar wichtig ist, führe ich hier als letzten Veränderungstreiber die Digitalisierung an. Heute ist die Digitalisierung längst kein Trend mehr, sondern Bestandteil unseres Lebens. In den 1950er Jahren diskutierte man darüber, ob sich Fernsehen durchsetzt – wir kennen heute die Antwort. Es ist müßig, über die Zukunft der Digitalisierung zu spekulieren – wir sind mittendrin. Ähnliches gilt für New Work. Fünf Tage oder vier Tage die Woche? Remote von zu Hause oder Präsenz am Arbeitsplatz? Hier geht es nicht mehr um ein Entweder-oder, sondern um ein Sowohl-als-auch. Diese und andere neue Formen der Arbeit sind bereits Bestandteil unserer Arbeitswelt.

Ist es mutig, gleich ein Buch über vier Meta-Themen zu schreiben?

Und warum ausgerechnet über diese vier? Letzteres lässt sich schnell beantworten. Diese vier Themen sind gegenwärtig schlicht und ergreifend die Schlüsselthemen, die uns in Wirtschaft, Gesellschaft und Politik am stärksten beschäftigen und fordern. Und das noch für sehr lange Zeit. Es sind die vier Themen, die sehr viele Fragen aufwerfen, auf die wir Antworten finden müssen. Punkt. Und damit komme ich zur ersten Frage: Ja, es ist mutig, ein Buch zu schreiben, das gleichzeitig vier Schlüsselthemen beinhaltet. Es ist insofern mutig, weil es eine Mammutaufgabe ist. (Der Mammutaufgabe werden Sie in diesem Buch später übrigens noch einmal begegnen.) Für mich war allerdings von Anfang an klar, dass ich sie anpacken will. Denn als Mutmacher sehe ich mich in der Verantwortung. Ich kann nicht nur Mut predigen, ich muss selbst auch danach handeln und einen ordentlichen Schluck aus der Mutpulle nehmen. Glauben Sie mir, ich wusste nicht, was auf mich zukommt. Aber bei allem, was neu ist, wissen wir nicht sicher, was auf uns zukommt. Wir ahnen es lediglich; dabei würden wir es so gerne genau wissen. Sicher ist dabei nur eines: Es erfordert Offenheit, Neugier, Vertrauen, Selbstbewusstsein und nicht zuletzt auch immer Mut, sich auf das Neue einzulassen. Mut ist Veränderungsenergie. Folgen Sie mir.

Herzlichst, ihr Mutmacher!

Jakob Lipp

Vorab möchte ich noch betonen, dass Sie in diesem Buch keine Wissenschaft am Hochseil erwartet. Mir geht es bei allen Betrachtungen und Darstellungen stets darum, die wesentlichen Erkenntnisse aus den einzelnen Themenbereichen herauszuarbeiten. Nicht mehr und nicht weniger. Ein anderes Vorgehen würde den Rahmen dieses Buches sprengen. Mir ist bewusst, dass man für jedes der vier hier versammelten Themenkomplexe ein eigenes Werk verfassen könnte; einzelne füllen bereits die Regalreihen in den Bibliotheken und im Buchhandel. Mein Ziel ist ein anderes: Dieses Buch soll Denkanstöße geben, es soll Sie motivieren und inspirieren und bis zu einem gewissen Grad informieren, aber nicht lehren und schon gar nicht belehren. Viele von Ihnen sehen sich mit den hier beleuchteten Themen zunehmend konfrontiert. Andere sind bereits Experten. Lesen Sie dieses Buch so, wie Sie ein gutes Gespräch führen würden. Und wenn Sie aus den folgenden Seiten auch nur einen Impuls mitnehmen, der Sie entscheidend weiterbringt, freue ich mich, Sie dabei begleiten zu dürfen.

Mehr über meine Vorträge, meine Arbeit und mich erfahren Sie hier: www.jakoblipp.com

An meine Leserinnen und Leser: Der Einfachheit halber und um den Textfluss nicht zu stören, verwende ich beim Schreiben oft das generische Maskulinum, aber nicht ausschließlich. Ich weiche genauso oft davon ab, weil diese Form nicht uneingeschränkt in der Lage ist, sowohl männliche als auch weibliche Personen zu adressieren. Manchmal ist es einfach zu ungenau. Umgekehrt widerstrebt mir persönlich die Verwendung diverser Personenbezeichnungen, die angeblich für eine geschlechtergerechte Sprache sorgen sollen. Dazu zählen das Gendern mit Binnen-I, Binnen-Doppelpunkt und Binnen-Stern sowie das Gendern mit Paarform oder Schrägstrich. Ich schreibe lieber gendersensibel, und das heißt, dass ich alle Formulierungen verwende, die Personen adressieren können – vielfältig wie im wahren Leben.

1.

DIGITALISIERUNG

GROSSE CHANCE ODER SCHÖNER SCHEIN?

DER WANDEL DER KOMMUNIKATION IM ZEITALTER DER DIGITALISIERUNG

Die Kommunikation hat sich in den letzten hundertfünfzig Jahren in immer kürzeren Zeitabständen komplett verändert. Ich will Sie nicht allzu tief in die Vergangenheit zurückbeamen, aber es gab tatsächlich eine Zeit, da Postkutschen und Dampfloks Menschen und auch die Post transportierten. Und wenn es schnell gehen sollte, griff man zum Telegramm. Danach ging es mit der Kommunikation fast-forward. Auf den Brief folgte ab Anfang der 1920er Jahre der Radioapparat. »Hier ist Berlin, Voxhaus.«1 Mit diesen Worten begann am 29. Oktober 1923 das Rundfunkzeitalter in Deutschland. Nur wenige Hörer, die sich damals einen Radioapparat leisten konnten, wurden Ohrenzeugen der ersten Stunde des deutschen Rundfunks. Zum unrühmlichen Massenmedium wurde das Radio mit den Nationalsozialisten, die es als Sprachrohr für ihre Propaganda nutzten. Das Volk versammelte sich um einen etwa Schuhkarton großen braunen Kasten aus Bakelit oder Holz, Volksempfänger genannt, und empfing am 25. März 1933 die polternden Propagandabotschaften aus Berlin: »Der Rundfunk gehört uns und niemandem sonst!«2 Aber am Ende drangen auch die Worte von Admiral Dönitz an ihre Ohren, der am 8. Mai 1945 über das Radio die bedingungslose Kapitulation verkündete. Schlusspunkt und Neuanfang. Aus dem Propagandamedium wurde ein Unterhaltungsmedium. Dann, ab etwa 1950, begann das Fernsehzeitalter. Das Volk schaltete von Radio auf TV um. Wobei auch das wieder eine Frage des Geldes war. Der erste in der Bundesrepublik Deutschland nach dem Krieg in Serie hergestellte Fernseher war der Telefunken FE8. Er kostete 1 000 D-Mark. Das war in den 1960er Jahren ein ordentliches Sümmchen. 1 000 D-Mark entsprachen damals ungefähr dem doppelten durchschnittlichen Monatsgehalt eines Arbeiters. Wer sein Wohnzimmer mit einem Fernseher ausstatten konnte, sah zuerst schwarz-weiß, dann ab den 1970ern in Farbe. Immer vorausgesetzt, er konnte sich ein Farb-TV überhaupt leisten. 1970 standen nur in knapp 6 000 Haushalten der Bundesrepublik Farbfernseher. Nachdem sich das Fernsehen etabliert hatte, hoben die Deutschen ab. Bildlich gesprochen. Das Telefon begann sich mehr und mehr durchzusetzen. Es sollte bald zum beliebtesten Kommunikationsmittel aufsteigen. Aber das dauerte noch etliche Jahre. Denn bis 1970 hatten viele deutsche Familien noch kein eigenes Telefon. Man kann es sich kaum noch vorstellen, aber für viele war das lange ein unbezahlbares Luxusgut. Wenn ich zurückdenke, hatten meine Eltern zu meiner Kindheit keinen eigenen Telefonapparat. Mein Vater fuhr mit seiner alten blauen DKW Hummel zum Nachbarn, legte ihm ein 50-Pfennig-Stück auf den Tisch und telefonierte von dort. Dann kam der Tag, an dem auch wir ein Festnetztelefon erhielten. Wir telefonierten aber nur, wenn es unbedingt nötig war. Zu teuer. An Ferngespräche kann ich mich gar nicht erinnern.

Nach dem Telefon kam es zu einem kommunikativen Quantensprung. Technisch betrachtet wurde aus der Schritt-für-Schritt-Entwicklung, also aus der Evolution, eine Revolution – kabelgebunden, kabellos, grenzenlos. Spätestens mit dem globalen Durchbruch des Internets seit 1990 hat sich die menschliche Kommunikation grundlegend verändert. Knapp zehn Jahre vorher erblickte übrigens das erste Handy das Licht der Kommunikationswelt. Es war noch ein sehr unhandliches Gerät, Mobiltelefon genannt – und kam aus den USA, von Motorola. Auch der Computer, der als Endgerät für das Internet zunächst unerlässlich war, war anfangs kastenförmig und schwer. Erste Personal Computer, kurz PC, gab es zwar schon in den 1970er Jahren, aber erst ab 1981 hielt der Begriff mit dem IBM Personal Computer in unserem Sprachgebrauch Einzug. Wenig später, am 24. Januar 1984, stellte ein gewisser Steve Jobs den Macintosh 128k vor. Die staunende Welt sah einen knuffigen Kasten, den man für 2 495 US-Dollar kaufen konnte. Sein Kunststoffgehäuse zeigte eine helle, bräunlich-gelbe Farbe, als hätte man das Ding zu lange intensivem Zigarettenqualm ausgesetzt. Aber wie wir wissen, setzte Steve Jobs mit diesem Würfel den Startpunkt einer grandiosen Markengeschichte. Das konnte auch der stattliche Preis des ersten Apple, der damals noch die Bezeichnung Macintosh trug, nicht verhindern. Ungefährer Verkaufspreis in Deutschland damals 10 000 D-Mark.

Lange Zeit waren Bildschirme und Rechner in einem Corpus verbaut. Man schaute, ähnlich wie bei einem Fernsehgerät, in die Röhre. Erst um das Jahr 1997 herum brachten einige Hersteller (IBM, Apple, ViewSonic) leistungsfähige Farb-LCD-Monitore zu bezahlbaren Preisen auf den Markt. Nach und nach wurden die Bildschirme immer flacher, während die Ansprüche an die mobile Kommunikation wuchsen. Dazu wurden die Mobiltelefone geschrumpft, sie wurden klein und leicht – und internetfähig. Das Briefeschreiben, das Radiohören, das Festnetztelefonieren, der Teletext wurde immer mehr von SMS, WhatsApp oder Spotify ersetzt. Ach ja, Telegramme gibt es heute immer noch. Sie kommen jedoch nur im Singular vor und schreiben sich mit einem »m«. Nicht jeder nutzt es, aber fast jeder kennt es: Telegram ist ein kostenloser Instant-Messaging-Dienst zur Nutzung auf Smartphones, Tablets, Smartwatches und PCs, der übrigens in Russland entwickelt wurde.

So weit mein Schnelldurchlauf.

Zurzeit befinden wir uns gesellschaftlich mitten im Aetatis Communicationis. Versuchen Sie es erst gar nicht – den Begriff werden Sie bei Google oder sonst wo nicht finden. Ich habe ihn mir gerade ausgedacht, denn ich kann mir gut vorstellen, dass zukünftige Generationen irgendwann einmal vom epochalen Kommunikationszeitalter, dem Aetatis Communicationis, sprechen werden. Oder vielleicht schon bald. Wer weiß?

Die Veränderungen gehen jedenfalls rasend schnell. Meine Generation wurde noch von Textnachrichten via SMS geprägt. Fast niemand simmst heute noch. Laut »Jugend-Internet-Monitor« 20234 nutzen Jugendliche in Österreich allem voran WhatsApp (96 Prozent) und YouTube (94 Prozent), gefolgt von Instagram, Snapchat und TikTok. Pinterest (39 Prozent) zählt heute schon zu den Verlierer-Plattformen. Und X, formerly known as Twitter, geht bei den Jugendlichen gar nicht mehr: 18 Prozent. Der »Jugend-Internet-Monitor« ist eine jährlich durchgeführte und repräsentative Studie im Auftrag von Saferinternet.at, die zum Ziel hat, herauszufinden, wie beliebt welche Sozialen Netzwerke bei Jugendlichen (11 bis 17 Jahre) in Österreich sind. Ein entsprechendes Monitoring in Deutschland ist mir nicht bekannt.

Die Prioritäten der User, bezogen auf die Kommunikationskanäle und damit die Nutzung bestimmter Anbieter, ändern sich scheinbar alle drei bis fünf Jahre. Verzeichnet heute noch einer dieser Tech-Tools einen enormen Zuwachs, kann es mit ihm schon übermorgen rapide bergab gehen. Einstmals führende Hersteller von Handys wie etwa Motorola oder Nokia, die bei der rasend schnellen Entwicklung nicht mithalten konnten, sind innerhalb weniger Jahre nahezu vollständig vom Markt verschwunden. Dazu kommt das sich permanent verändernde Kommunikationsverhalten. Messenger-Dienste wie SMS und MMS sind dem Innovationskarussell zum Opfer gefallen. Der Anteil von SMS und MMS tendiert – im Vergleich zu Kurznachrichten über den Facebook Messenger oder vor allem WhatsApp und Co. – gen null. Mit dieser Turbo-Entwicklung konnten viele Unternehmen mit starren Strukturen nicht schritthalten.5