Alles, was Sie über Energiesparen wissen müssen - Carsten Herbert - E-Book

Alles, was Sie über Energiesparen wissen müssen E-Book

Carsten Herbert

0,0

Beschreibung

Energiesparen ist das Thema der Stunde, der Informations- und Beratungsbedarf ist riesig. Energiesparen, das ist Carsten Herberts Mission. Der Bauingenieur führt ein Ingenieurbüro, das seit annähernd 20 Jahren auf das Thema Energieeffizienz in Gebäuden spezialisiert ist. Als »Energiesparkommissar« bringt er auf YouTube einer rasant wachsenden Zahl von Menschen auf sehr verständliche Weise das Einmaleins des Energiesparens nahe: Was ist eine Wärmepumpe? Muss man dicke Wände nicht dämmen? Welche DIY-Maßnahmen helfen sofort? Egal, ob man zur Miete wohnt oder in den eigenen vier Wänden Energie sparen will – Carsten Herbert stellt die wichtigsten Themen mit vielen Grafiken und Schaubildern für Laien verständlich und anschaulich vor. Die ideale Soforthilfe für eine warme und bezahlbare Wohnung.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 260

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



© Verlag Herder GmbH, Freiburg im Breisgau 2023

Alle Rechte vorbehalten

www.herder.de

Grafiken, Layout, Satz: Jutta Nelißen Grafik, Bingen

E-Book-Konvertierung: Newgen Publishing Europe

ISBN (Print): 978-3-451-39498-0

ISBN (EPUB): 978-3-451-82997-0

Meinen Lieben.

INHALTSVERZEICHNIS

1 Wir sind Höhlenmenschen –Einleitung

2 Wo stehe ich? –Heizenergieverbrauch verstehen

Ein gescheiterter Versuch: Der Energieausweis

Spezifischen Energieverbrauch ermitteln – So geht’s richtig!

3 Wie geht die Wärme verloren? –Wärmeverluste verstehen

Wärmeverluste sichtbar machen

Wärmeverluste in der Gebäudehülle

Wärmeverluste der Anlagentechnik

4 Wie funktioniert Wärmeschutz? –Runter mit dem Energieverbrauch

Dämmung von Dach und oberster Geschossdecke

Fenstermodernisierung

Dämmung von Außenwänden

Unterer Gebäudeabschluss (Keller)

5 Wie heizen wir in Zukunft? –Anlagentechnik verstehen

Welche Heizsysteme gibt es?

Welche Heizsysteme kommen kurzfristig infrage?

Die Selbsterzeugung von erneuerbaren Energien

Lüftungsanlagen

6 Sofort loslegen –Do-it-yourself-Maßnahmen!

Rohrleitungsdämmung

Heizungseinstellungen optimieren I

Heizungseinstellungen optimieren II

Luftdichtheit im Dach verbessern

Rollladenkästen dämmen und dichten

Heizkörpernische dämmen

7 Was ist dran? –Energiesparmythen

MYTHOS #1: Wände müssen atmen!

MYTHOS #2: Häuser dürfen nicht zu dicht sein!

MYTHOS #3: Dicke Wände muss man nicht dämmen!

MYTHOS #4: Wärmedämmung verhindert Wärmegewinne der Sonneneinstrahlung!

MYTHOS #5: Innendämmung verursacht Schimmel!

8 Machen wir’s wie Goethe –Lasst uns anfangen

Wie war das nochmal? –Glossar

Dank

Bildnachweis

WIR SIND HÖHLENMENSCHEN

EINLEITUNG

Als ich im Sommer 2022 gefragt wurde, ob ich mir nicht vorstellen könnte ein Buch übers Energiesparen zu schreiben, da war mein erster Gedanke: Gibt es nicht schon genug davon und braucht es wirklich noch ein weiteres? Ihr müsst nämlich wissen, ich sammle seit den 1990er Jahren alles, was mir zum Thema Energiesparen in die Finger kommt. In meiner Sammlung gibt es auch mehrere Dutzend Energiesparbücher. Nach einer kurzen Bedenkzeit bin ich aber zu dem Schluss gekommen, dass kaum ein Buch in meiner Sammlung von einem Energieberater oder einer Energieberaterin geschrieben wurde und wenn doch, sind die Inhalte genau so, wie man das von Technikern oder Ingenieurinnen gewohnt ist. Sie sind eben sehr technisch. Und sie sind voll mit irgendwelchen Zahlen, die man nur teilweise versteht, und wenn man sie verstanden hat, sind sie schon wieder veraltet.

Daher wusste ich schnell, wenn es noch ein zusätzliches Energiesparbuch geben soll, dann muss es sich von den anderen Büchern in meiner Sammlung unterscheiden. Klar darf die Technik eine Rolle spielen und klar darf auch mal eine Zahl genannt werden. Aber eines stand auch fest: Es soll kein Buch eines Ingenieurs für andere Ingenieure und Ingenieurinnen werden. Es sollte eher ein Buch für all die Menschen sein, die möglicherweise keine einschlägigen technischen Vorkenntnisse haben, aber dennoch nach einer Idee oder zukunftsfähigen Lösung für ihr Haus oder ihre Wohnung suchen. Daher ist dies ein Buch, das sich in erster Linie an Laien richtet. Wenn ihr also keine Ahnung habt, seid ihr hier genau richtig. Wer versehentlich doch Ahnung hat, darf dennoch weiterlesen.

Denn der Bedarf an Energiesparinformationen war selten so groß wie heute. Zwar sind schon 1969 Menschen zum Mond geflogen, aber hier auf der Erde leben wir zu einem Großteil in Häusern, die energetisch kaum besser sind als die Höhlen unserer steinzeitlichen Vorfahren. Einziger Unterschied: Wir haben heute Haustüren und elektrisches Licht. Zwischen den energetischen Höhlenwohnungen, in denen die meisten von uns unterkommen, und den energetisch besten Häusern liegt der Unterschied beim Energieverbrauch pro Quadratmeter bei Faktor zehn. Das bedeutet, dass wir in einem Haus mit hohem Verbrauch pro Quadratmeter so viel Heizenergie benötigen, dass wir damit in einem besseren Haus fünf bis zehn Quadratmeter warm bekämen. Für alle Menschen, die in einer solchen Höhle leben, kann sich das durchaus zu einem Problem entwickeln.

Das Desaster macht an der Haustüre nicht halt. Der hohe Wärmeenergieverbrauch von Gebäuden führte ganze Staaten in Mitteleuropa schleichend in Energieabhängigkeiten, die uns erst durch die aktuelle Gaskrise wieder so richtig bewusst wurden. Und dann ist da ja auch noch die Klimakrise, die alte Spielverderberin.

Energiekosten, Energieabhängigkeit, Klimaerwärmung – es hilft alles nichts, wir müssen uns mit unseren Gebäuden beschäftigen, damit warme Zimmer in Zukunft kein Luxusgut werden, damit wir als Staaten unabhängiger und Energiekrisen unwahrscheinlicher werden und damit unser Planet für unsere Häuser und ihre Bewohnerinnen und Bewohner, um die es hier vor allem geht, auch in Zukunft ein lebenswerter Ort bleibt.

Damit das funktionieren kann, muss man wissen, dass wir uns nicht mehr nur allein auf die Fachleute verlassen können. Bereits die vergangenen Jahre haben gezeigt, dass der Bedarf an guten Informationen und Beratung stark zugenommen hat. Gleichzeitig sind die Expertinnen und Experten in Energieberatung und Handwerk kaum noch in der Lage, des Ansturms Herr zu werden. Ich gehe daher davon aus, dass ihr in Zukunft, viel mehr noch als in der Vergangenheit, Entscheidungen hinsichtlich eurer Wohnhäuser treffen müsst, ohne vorher mit jemandem mit Erfahrung und Expertise gesprochen zu haben. Die Frage, was ihr und in welcher Reihenfolge ihr es tun müsst, um euer Wohnhaus fit für die Zukunft zu machen, werdet ihr mit einer hohen Wahrscheinlichkeit selbst beantworten müssen. Denn wenn morgen die Heizung unerwartet kaputtgeht, ist kaum damit zu rechnen, dass ausreichend Zeit bleibt, um fünf Alternativen auf Machbarkeit und Zukunftsfähigkeit zu prüfen. In einem solchen Fall muss schnell entschieden werden, und schnelle, unter Zeitdruck getroffene Entscheidungen sind selten die bestmöglichen Entscheidungen.

Auf diese besonderen Herausforderungen möchte ich mit diesem Buch reagieren. Es soll euch befähigen, gute Entscheidungen für eure Häuser und Wohnungen zu treffen, indem ich versuche, euch ein Verständnis dafür zu vermitteln, wie Gebäude funktionieren. Ich möchte, dass ihr versteht, was eine hoher und was ein niedriger Verbrauch ist und wie ihr euer eigenes Haus oder eure Wohnung entsprechend einordnen könnt. Ich werde zeigen, wie und wo die Wärme in Gebäuden verloren geht und welche Möglichkeiten ihr habt, die Wärmeverluste zu reduzieren. Und klar, ich werde auch mit einigen Energiesparmythen aufräumen.

Was ihr in diesem Buch vermissen werdet, sind Aufforderungen oder Appelle. Ich setze für jeden Menschen, der dieses Buch bis an diese Stelle gelesen hat, voraus, dass eine zusätzliche Motivation von meiner Seite nicht erforderlich ist. Für euch Motivierte hält dieses Buch Informationen bereit, die es euch ermöglichen, brauchbare Entscheidung für die Zukunft eurer Immobilie zu treffen – und das auch, wenn ihr diese nicht selbst besitzt. Auch dann könnt ihr mit dem hier erworbenen Wissen viel bewirken.

Dabei verzichte ich weitgehend darauf, konkrete Zahlen für Kosten oder Wirtschaftlichkeit zu nennen. Das hat einen einfachen Grund. Diejenigen, die in den vergangenen 20 Jahren eine Energieberatung in Anspruch genommen haben und nur die damals als wirtschaftlich geltenden Maßnahmen umgesetzt haben, werden sich heute in den Allerwertesten beißen. Die über fast 40 Jahre annähernd konstanten und erstaunlich stabilen Brennstoffkosten haben uns glauben lassen, es werde immer so bleiben. So haben Wirtschaftlichkeitsberechnungen in der Vergangenheit Abertausende Maßnahmen verhindert, die heute höchst wirtschaftlich wären. Dumm nur für die Betroffenen, dass ein nachträgliches Ausbessern dieser Fehlentscheidungen erst nach Jahrzehnten wieder möglich ist. Wenn jemand vor zwei Jahren eine Wirtschaftlichkeitsberechnung für eine Energiesparmaßnahme erstellt hätte, wäre diese heute wertlos. Die Halbwertszeit von Wirtschaftlichkeitsberechnungen ähnelt denen von Myonen (kosmische Elementarteilchen, die eine Lebensdauer von wenigen Mikrosekunden haben). Im Vergleich dazu erreichen Eintagsfliegen ein biblisches Alter.

Fakt ist, jede Maßnahme, mit der wir unsere Energieabhängigkeit reduzieren, ist eine höchst lohnende. Es gilt daher nicht auf Basis von irgendwelchen heutigen Zahlenannahmen eine theoretische Wirtschaftlichkeit der Zukunft zu ermitteln. Sinnvoller ist es zu verstehen, wie ein Haus funktioniert, wie man die großen energetischen Probleme erkennt und wie man geeignete Energiesparmaßnahmen definiert und entsprechend priorisiert. Wer so vorgeht, wird immer und automatisch die wirtschaftlichsten Maßnahmen voranstellen und das bestmögliche und wirtschaftlichste Ergebnis erzielen.

Ich werde euch nach Kräften nur sehr selten mit Zahlen und komplizierter Fachterminologie quälen. Ganz ohne Fachbegriffe wird es aber nicht gehen. Manchmal werden neue Begriffe direkt im Text erläutert, manchmal aber auch nicht. Daher gibt es für die schlimmsten Fachbegriffe ein kleines Lexikon (Glossar) am Ende des Buchs. Immer dann, wenn ein Fachbegriff aus dem Glossar im Text das erste Mal verwendet wird, ist dieser kursiv geschrieben. Damit habt ihr die Möglichkeit, bei Bedarf im Glossar nochmal nachzuschauen, wenn ihr ein Wort noch nicht kennt oder nicht versteht.

In den jeweiligen Kapiteln findet ihr außerdem regelmäßig QR-Codes. Diese verlinken zu diversen Energiesparvideos auf meinem Kanal ENERGIESPARKOMMISSAR. Geht es im Buch zum Beispiel um das Thema Tauwasser und Schimmel, findet man den Link zum thematisch passenden Video als QR-Code direkt auf den entsprechenden Seiten. Die Videos gehen dabei etwas weiter in die Tiefe, als es mir im Buch wegen der Themenfülle möglich war. Die Filmbeiträge sind eine wertvolle Ergänzung und Unterstützung einiger im Buch behandelter Themen. Wenn ihr die Videos noch nicht kennt, solltet ihr natürlich auf jeden Fall mal auf meinem Kanal vorbeischauen. Es gibt Leute, die sagen es lohnt sich.

Schluss mit dem Gebabbel.

Los geht’s.

YouTube-Kanal

Energiesparkommissar

www.youtube.com/energiesparkommissar

WO STEHE ICH?

HEIZENERGIEVERBRAUCH VERSTEHEN

Wenn man sich Gedanken darüber macht, ob und wo man seinen Energieverbrauch reduzieren kann, sollte man zunächst verstehen, wie der eigene Verbrauch überhaupt einzuschätzen ist. Beim Stromverbrauch wird mit der Stromrechnung eine solche Einschätzung direkt mitgeliefert. Der Abrechnung können wir dann entnehmen, ob unser Verbrauch – in Abhängigkeit zur Personenanzahl im Haushalt – als hoch, im mittleren Bereich oder eher als gering einzustufen ist.

Häuser sind sehr unterschiedlich. Wie kann man dennoch deren Energieverbrauch vergleichen?Bildquelle 1/1

Beim Spritverbrauch von Autos gelingt uns diese Einschätzung sogar ganz ohne Tabelle der Fahrzeughersteller. So kennen sicher die meisten Halterinnen und Halter von Kraftfahrzeugen den sogenannten spezifischen Spritverbrauch ihres Fahrzeugs. Spezifisch meint dabei nicht den absoluten Verbrauch, also die Gesamtmenge des verbrauchten Treibstoffs über einen gewissen Zeitraum. Bei spezifischen Verbräuchen bezieht man den jeweiligen Verbrauch immer auf eine sinnvolle Bezugsgröße, wie wir es beispielsweise auch beim Strom sehen (dort als Verbrauch pro Person). Für den spezifischen Spritverbrauch hat man sich als Bezugsgröße auf die gefahrenen Kilometer geeinigt. Wenn man hört, dass ein Fahrzeug 20 Liter Sprit pro 100 Kilometer gefahrener Strecke verbraucht, weiß man sofort: Hier handelt es sich um ein Fahrzeug mit einem eher hohen Verbrauch, möglicherweise sogar um einen seltenen Oldtimer, denn vor 40 Jahren waren Verbräuche deutlich über zehn l/100 km für Autos durchaus keine Seltenheit. Auf der anderen Seite ist ebenfalls hinlänglich bekannt, dass ein Verbrauch unter fünf l/100 km als gering einzuschätzen ist.

ESK-Folge:Wie schätze ich meinen Heizenergieverbrauch richtig ein?

Bei Wohnhäusern hingegen ist das Wissen um die spezifischen Verbräuche bei Weitem nicht so ausgeprägt wie bei Autos – und das, obwohl die jährlichen Energiekosten für das Wohnen in vielen Haushalten deutlich höher sind als die Spritkosten, die durch das Autofahren anfallen. So gesehen müsste es doch eigentlich eher umgekehrt sein: Wir alle sollten viel besser über unseren persönlichen Wärmeenergieverbrauch in unseren Häusern und Wohnungen Bescheid wissen. Da liegt die Frage nahe: Warum ist das so – und warum wird dagegen nichts getan?

EIN GESCHEITERTER VERSUCH: DER ENERGIEAUSWEIS

Wir halten fest: Über unseren spezifischen Wärmeenergieverbrauch wissen wir in der Regel viel zu wenig. Dass dagegen überhaupt nichts unternommen wurde und wird, stimmt allerdings nicht. Im Jahr 2002 hat man dazu ein großflächiges Experiment gestartet, das bis heute läuft: den Energieausweis für Gebäude, also ein Dokument, in dem der spezifische Verbrauch von Gebäuden ausgewiesen wird. Mit der Einführung des Energieausweises sollte das Wissen um die energetische Qualität unserer Häuser und Wohnungen quasi per Verordnung zu einem Allgemeinwissen gemacht werden. Hiervon hat man sich erhofft, mit der ausgewiesenen energetischen Qualität ein zusätzliches Entscheidungskriterium beim Erwerb einer Immobilie – und damit auch mehr Transparenz am Gebäudemarkt – zu schaffen. Die Idee: Wenn mit jedem Verkauf oder bei jeder Vermietung ein Energieausweis vorgelegt wird, in dem der spezifische Wärmeenergieverbrauch bzw. Wärmeenergiebedarf ausgewiesen ist, dann wird sich auch das Wissen rund um den Energieverbrauch sicher schnell verbreiten und, wie beim Spritverbrauch, zu Allgemeinwissen werden. Der Energieausweis war daher erst mal eine wirklich klasse Idee und hatte das Zeug dazu, eine ganz große Nummer zu werden und den Wohnungsmarkt nachhaltig zu verändern.

Einige werden es an dieser Stelle schon ahnen: Der Energieausweis ist zwar als Tiger gesprungen, aber leider nur als Bettvorleger gelandet. Der Plan mit der Transparenz am Gebäudemarkt ging nämlich kräftig schief – mehr noch: Er hat sich ins Gegenteil verkehrt. Die im Ausweis dokumentierten spezifischen Verbrauchs- oder Bedarfswerte können je nachdem, von wem und wie sie ermittelt werden, so stark voneinander abweichen, dass der Energieausweis als verlässliches Bewertungsinstrument für die Energieeffizienz eines Gebäudes völlig unbrauchbar ist. Wenn überhaupt, vermittelt er uns nur eine ganz grobe Ahnung (Daumen hoch/Daumen runter) von der energetischen Qualität eines Gebäudes – mehr aber nicht.

Wie es dazu kam, ist eine Geschichte, die man schon häufiger so oder so ähnlich gehört hat. Als bekannt wurde, dass ein Energieausweis eingeführt werden soll, meldeten sich sofort die Interessenverbände aus der Immobilienwirtschaft und gaben ihre Bedenken und Wünsche ab. Sie wollten verhindern, dass die im Gebäudebestand vorhandenen, überwiegend alten und energetisch teils katastrophalen Mietshäuser im Energieausweis zu schlecht wegkommen. Zu teuer sollte er natürlich auch nicht sein. Die Lobbyarbeit der Immobilienwirtschaft war ein großer Erfolg. Nachträglich wurden etliche Änderungen und Ausnahmen gemacht. Und als dann irgendwann alle (teils auch absurden) Wünsche berücksichtigt waren, war das Endprodukt – ohne, dass es groß aufgefallen wäre – praktisch wertlos geworden. Beim Wunschkonzert der Verbände wurde irgendwann und schleichend das eigentliche Ziel komplett aus den Augen verloren. Damit ihr eine ungefähre Vorstellung von den Problemen des Energieausweises bekommt, möchte ich zumindest mal auf die größten Absurditäten eingehen.

ESK-Folge:Der Energieausweis für Gebäude – ein notwendiges Übel?

Eines der Hauptprobleme des Energieausweises für Gebäude besteht in der Tatsache, dass es unterschiedliche Berechnungsmethoden gibt. Das fängt schon damit an, dass man für den Ausweis sowohl Verbrauchsdaten verwenden kann (Verbrauchsausweis) als auch eine sogenannte Bedarfsberechnung machen darf (Bedarfsausweis). Beim Verbrauchsausweis werden, wie es der Name schon sagt, die tatsächlichen Energieverbräuche für den spezifischen Energieverbrauch herangezogen. Bei der Bedarfsberechnung wird dagegen ein Modell vom Gebäude gemacht, und sämtliche Wärmeverluste über die Außenbauteile, die Lüftungsverluste und die Heizungsanlage werden rein theoretisch berechnet. Das sind also schon mal zwei komplett unterschiedliche Herangehensweisen, die – das wird für euch jetzt keine Überraschung sein – zu zwei komplett unterschiedlichen Ergebnissen führen. Aber damit nicht genug: Bei der Bedarfsberechnung gibt es wiederum zwei unterschiedliche Berechnungsmethoden. Beide führen – Überraschung! – zu unterschiedlichen Ergebnissen.

Ein weiteres Problem versteckt sich in der Bezugsgröße. Wir erinnern uns: Beim spezifischen Spritverbrauch eines Autos werden als Bezugsgröße die gefahrenen Kilometer verwendet. Eine entsprechend naheliegende Bezugsgröße für die Wärmemenge in einem Haus wäre daher die beheizte Wohnfläche. Für den Energieausweis hat man hier aber unerklärlicherweise nicht auf das Naheliegende zurückgegriffen, sondern hat sich etwas ganz Neues ausgedacht: die sogenannte Gebäudenutzfläche. Die Gebäudenutzfläche ist aber eine Fläche, die im Gebäude so eigentlich gar nicht existiert, da sie aus dem beheizten Gebäudevolumen (Volumen x 0,32) ermittelt wird. Egal, wie oft wir mit dem Metermaß nachmessen würden: Die Gebäudenutzfläche entspricht keiner der real vorhandenen Wohn- oder Nutzflächen eines Hauses. Und nicht nur das – sie weicht auch noch deutlich von der beheizten Wohnfläche ab. Dadurch versteht natürlich niemand, der nicht vom Fach ist, wo diese obskure Gebäudenutzfläche herkommt. Und als von der Wohnungswirtschaft gewünschter Nebeneffekt wird der ausgewiesene spezifische Energiebedarf systematisch etwas kleiner gerechnet, als er tatsächlich ist.

Die genannten Punkte allein reichen bereits aus, um den Energieausweis unbrauchbar zu machen. Aber es geht noch weiter, denn es gibt auch für die Gebäudenutzfläche wieder Ausnahmen und Nebenregeln. Wenn ich etwa das beheizte Gebäudevolumen nicht kenne, darf ich die Wohnfläche „auf Grundlage der Wohnflächenverordnung oder der Zweiten Berechnungsverordnung“ verwenden. Diese wird dann mit dem einen oder anderen Faktor multipliziert. Und – Überraschung! – je nachdem, welche Variante der Gebäudenutzfläche ich wähle, komme ich wieder zu unterschiedlichen Ergebnissen.

Ihr seht: Beim Energieausweis gibt es eine Vielzahl von Möglichkeiten, um zu einem Ergebnis für den spezifischen Energiebedarf oder spezifischen Energieverbrauch zu kommen – und da haben wir über potenzielle Abweichungen, die sich durch eine fehlerhafte Ausweisersterstellung ergeben können, noch gar nicht gesprochen. Wie groß die Unterschiede in der Praxis dann tatsächlich sein können, wurde in der Vergangenheit bereits mehrfach in sogenannten Feldtests festgestellt. Das, was ich euch hier erzähle, ist also keinesfalls irgendein Geheimwissen.

Von allen mir bekannten Feldtests verdeutlicht ein im Jahr 2015 von Haus & Grund durchgeführter Test (Presseinformation vom 23. September 2015) die Probleme des Energieausweises meiner Meinung nach am eindrucksvollsten. Hier wurden fünf zugelassene Ausstellerinnen und Aussteller mit der Erstellung eines Energieausweises für ein und dasselbe Einfamilienhaus beauftragt. Bei dem Haus handelte es sich um eine Doppelhaushälfte, Baujahr 1984, mit fossiler Heizung. Es wurden sowohl Verbrauchs- als auch Bedarfsausweise erstellt. Und jetzt aufgepasst: Die Ergebnisse der fünf Energieausweise lagen beim ermittelten Endenergiebedarf bzw. -verbrauch zwischen 131 und 243 Kilowattstunden pro Quadratmeter und Jahr. Diese Ergebnisse entsprechen einer Menge von rund 13 bis 24 Litern Heizöl pro Quadratmeter und Jahr und weichen damit fast um den Faktor zwei voneinander ab. Bäm!

Die Untersuchungsergebnisse zeigen deutlich: Durch die Vielzahl der Berechnungsalternativen, Ausnahmen und Ungenauigkeiten ist der Energieausweis als Bewertungsinstrument vollkommen unbrauchbar geworden, um die energetische Qualität eines Gebäudes verlässlich einzuschätzen. Die spezifischen Kennwerte, die im Ausweis stehen, könnte man genauso gut auch würfeln. Jeder Euro, den man für einen Energieausweis zu viel ausgibt, ist daher ein verschenkter Euro – rausgeschmissenes Geld. Daher rate ich euch: Solltet ihr mal in die Situation geraten, einen Energieausweis zu benötigen, weil ihr ein Haus oder eine Wohnung verkauft oder vermietet, dann nehmt das billigste Angebot, das ihr finden könnt. Die Höhe der Kosten für den Energieausweis ist keineswegs ein Qualitätskriterium. Trotz seiner enormen Schwächen ist der Energieausweis bei Vermietung und Verkauf aber zwingend vorgeschrieben. Man kommt bei Verkauf und Vermietung von Immobilien nicht an ihm vorbei. Er ist in seiner heutigen Form somit letztlich zwar ein unliebsames, aber notwendiges Übel.

Für eine flächendeckende Bewertung der energetischen Qualität unserer Häuser wäre er jedoch selbst dann nicht geeignet, wenn er brauchbare Ergebnisse liefern würde. Denn wenn ich mein Haus nicht vermiete, sondern selbst bewohne, brauche ich keinen Energieausweis. Und wer gibt schon Geld für etwas aus, was nicht gebraucht wird?

SPEZIFISCHEN ENERGIEVERBRAUCH ERMITTELN ‒ SO GEHT’S RICHTIG!

Wenn wir die energetische Qualität unserer Häuser einschätzen wollen, brauchen wir also unbedingt eine alternative Methode, mit der wir zu einem spezifischen Energieverbrauchskennwert kommen. Die Methode sollte möglichst einfach handhabbar sein und mit den uns zur Verfügung stehenden Mitteln eingesetzt werden können. Gleichzeitig sollte die Methode für alle, die sie anwenden möchten, leicht verständlich sein. Das wäre doch großartig, oder? Und ja, diese Methode gibt es tatsächlich. Ich setze sie in der Energieberatung seit vielen Jahren erfolgreich ein. Sie ist denkbar einfach und liefert ausreichend genaue Ergebnisse, um eine Vergleichbarkeit der energetischen Qualität zwischen verschiedenen Häusern zu gewährleisten. Und sie versetzt mich in die Lage zu erkennen, ob ein Gebäude einen zu hohen, einen eher niedrigen oder einen erwartungsgemäßen Wärmeenergieverbrauch hat.

Diese von mir bereits hundert-, wenn nicht tausendfach erfolgreich erprobte Methode werde ich nun versuchen, euch näherzubringen. Und – hurra! – dafür braucht es nur zwei Schritte: Im ersten Schritt errechnen wir die sogenannte Energiekennzahl (EKZ), die den spezifischen Energieverbrauch abbildet. Im zweiten Schritt wird die ermittelte Energiekennzahl dann mithilfe der sogenannten Energiesparampel bewertet, wobei auch der bauliche Zustand des Hauses berücksichtigt werden muss.

Zuerst müssen wir also den spezifischen Energieverbrauch feststellen. Dafür brauchen wir zwei Dinge:

1. den mittleren Heizenergieverbrauch für ein ganzes Jahr in Kilowattstunden (kWh) und

2. die bewohnte und beheizte Wohnfläche in Quadratmetern (m2).

Wenn wir diese beiden Zahlen haben, müssen wir den Wärmeenergieverbrauch nur noch durch die Anzahl der Quadratmeter der beheizten Wohnfläche teilen.

Jetzt ist es natürlich so: Häuser werden sehr unterschiedlich beheizt. Da gibt es Häuser, die werden mit Erdgas beheizt, andere mit Heizöl oder Strom, manche auch mit Holz, oder es wird mit Holz zugeheizt. Die Bewertung für alle Energieträger auf einmal zu erklären, würde an dieser Stelle zu weit führen. Daher beginne ich exemplarisch mit dem Erdgas, weil die meisten Wohnhäuser heute noch immer mit Erdgas beheizt werden. Wie das mit den anderen Energieträgern funktioniert, darauf gehe ich am Ende dieses Kapitels nochmal ein.

Für unsere Beispielrechnung nehmen wir ein typisches Einfamilienhaus aus den 1950er Jahren mit 125 Quadratmetern (m2) beheizter Wohnfläche.

Der Gasverbrauch unseres Hauses für Heizung und Warmwasser beträgt rund 25 000 Kilowattstunden (kWh) pro Jahr (a). Der Gasverbrauch lässt sich der jährlichen Gasabrechnung entnehmen.

Wenn wir nun den Gasverbrauch durch die Wohnfläche teilen, erhalten wir den spezifischen Gasverbrauch, auch Energiekennzahl genannt. In unserem Beispiel sind das 25 000 kWh/a geteilt durch 125 m2macht 200 kWh Erdgas pro m2a.

So, die Energiekennzahl hätten wir also schon. Sie beträgt 200 kWh/m2a. Der erste Schritt ist damit bereits abgeschlossen. Etwas kniffliger wird es nun im zweiten Schritt. Nämlich: Wie sind diese 200 kWh/m2a einzuschätzen? Ist das nun ein niedriger oder eher ein hoher spezifischer Verbrauch? Und wie passt der Wert zu meinem Haus? Hätte man die Zahl für mein Haus so erwartet oder weicht sie von einem typischen, für mein Haus erwartungsgemäßen Verbrauch ab?

Um die ermittelte Energiekennzahl zu bewerten, nutze ich gerne die Energiesparampel. Im Vergleich zur Bewertungsskala im Energieausweis ist die Ampel viel leichter und intuitiv zu verstehen. Im Energieausweis werden zur Bewertung sogenannte Energieeffizienzklassen (A+ bis H) verwendet. Die Energiesparampel teilt die energetische Qualität von Häusern dagegen in nur drei Bereiche auf: rot, gelb und grün. Die rote Ampel steht dabei für Verbräuche rund um 200 kWh/m2a und damit für einen sehr hohen Verbrauch. Die gelbe Ampel steht mit rund 100 kWh/m2a für einen niedrigen Verbrauch. Und die grüne Ampel steht für einen Verbrauch, den man potenziell und maximal erreichen kann, wenn man wirklich alles unternimmt, was möglich ist. Quasi sehr guter Neubaustandard.

Die hier gezeigte Ampel gilt übrigens für Einfamilienhäuser und kleine Mehrfamilienhäuser. Zur Bewertung für große Mehrfamilienhäuser mit mehr als fünf oder sogar zehn Wohneinheiten müsste man die Ampel etwas anpassen, da der spezifische Verbrauch mit der Größe eines Hauses tendenziell immer kleiner wird.

Aber zurück zu unserem Beispielhaus. Mithilfe der Energiesparampel können wir nun erkennen, dass dieses mit seinen 200 kWh/m2a punktgenau im roten Bereich liegt. Somit wissen wir zunächst mal, dass der Energieverbrauch unseres Hauses tatsächlich als hoch einzustufen ist. Die Bewertung ist damit aber noch nicht abgeschlossen. Denn für eine vollständige Bewertung müssen wir unbedingt auch den baulichen Zustand des Hauses berücksichtigen. Was bedeutet das konkret?

Ein spezifischer Verbrauch von 200 kWh/m2a ist typisch für Einfamilienhäuser, die vor der 1. Wärmeschutzverordnung gebaut wurden, also für alle Häuser mit Baujahr vor 1977/78. Das trifft aber nur zu, wenn seit der Errichtung des Gebäudes keine nennenswerten energetischen Modernisierungen, wie eine Dach- oder Außenwanddämmung, durchgeführt, sondern allenfalls die Fenster und die Heizung erneuert wurden. In diesem Fall wären die 200 kWh/m2a zwar tatsächlich als hoch, zugleich aber auch als erwartungsgemäß zu deuten.

Ganz anders müsste die Bewertung ausfallen, wenn unser Beispielhaus zwischenzeitlich eine moderne Dach- und Außenwanddämmung erhalten hat. In diesem Fall läge eine erwartungsgemäße Energiekennzahl natürlich deutlich unter 200 kWh/m2a, weil davon auszugehen ist, dass durch die durchgeführten Maßnahmen auch eine verbrauchsreduzierende Wirkung erzielt wurde. Die Energiekennzahl sollte dann eher in einem Bereich von ca. 150 kWh/m2a liegen.

Ihr seht: Zu einer Energiekennzahl kommt man relativ schnell. Die Bewertung der Energiekennzahl ist aber alles andere als trivial. Daher habe ich versucht, die Bewertung von häufig vorkommenden Baualtersklassen und Modernisierungsvarianten in einer Übersichtstabelle zusammenzufassen. Mit dieser Tabelle sollte die Bewertung der meisten Einfamilien- und auch kleinen Mehrfamilienhäuser möglich sein.

Auf derselben Seite findet ihr auch noch die Tabelle mit den Umrechnungsfaktoren für weitere Brennstoffe. Damit lassen sich die von euch verbrauchten Energiemengen ganz einfach in Kilowattstunden umrechnen. Wenn ihr mehr als nur einen Brennträger nutzt, können die unterschiedlichen Energiemengen nach der Umrechnung problemlos addiert werden. Wenn ihr also zum Beispiel einen Brennstoffmix aus Heizöl und Holz nutzt, müsst ihr zur Ermittlung der Energiekennzahl zunächst die jährlich verbrauchte Menge jeweils in Kilowattstunden umrechnen und anschließend zu einer Gesamtmenge aufsummieren. Die Gesamtmenge wird dann – wie oben bei Schritt 1 gezeigt – durch die beheizte Wohnfläche geteilt. Voilà: Ihr erhaltet die Energiekennzahl für euer Haus oder eure Wohnung. Das ist transparent und funktioniert ohne fiktive Flächen oder undurchsichtige Umrechnungsfaktoren und ist damit denkbar einfach.

Gerade wegen ihrer Einfachheit wird die hier vorgestellte Methode gelegentlich auch angezweifelt. So wird nicht selten die Frage gestellt, ob man nicht zusätzlich auch noch das Klima berücksichtigen müsste. Denn das Klima weicht ja von Jahr zu Jahr immer etwas ab und führt dadurch auch mal zu einem höheren und mal zu einem geringeren Verbrauch – je nachdem eben, ob es ein eher warmes oder eher kaltes Jahr war. Dazu muss ich sagen: Das ist völlig richtig. Um diese durch das Klima bedingten Unschärfen zu verhindern, könnte man tatsächlich noch eine sogenannte Klimabereinigung durchführen. Gleiches gilt für das individuelle Heizverhalten. Natürlich gibt es Menschen, die es gern etwas wärmer haben, andere wiederum kommen mit einer niedrigeren Raumtemperatur aus. Aber selbst wenn wir diese Unschärfen eliminieren, indem wir die Klimaeffekte, das Nutzerverhalten und vielleicht noch weitere Einflussfaktoren berücksichtigen, wird unser Ergebnis bei erheblichem Mehraufwand doch nur unwesentlich genauer. Die Abweichungen sind so überschaubar, dass sich eine aufwändige Berücksichtigung nicht lohnt. Anders ausgedrückt: Ob mein Ergebnis am Ende 215 oder 185 anstatt 200 kWh/m2a beträgt, hat auf die Gesamtbewertung der energetischen Qualität des betrachteten Gebäudes mithilfe der Energiesparampel letztlich keinerlei Auswirkung. Denn: Die Unschärfen mit der hier vorgestellten Methode liegen vielleicht bei zehn oder maximal 20 Prozent, aber nicht, wie beim Energieausweis, bei annähernd 100 Prozent.

Die in diesem Kapitel vorgestellte Methode ist daher ausreichend genau, um eine brauchbare erste Bewertung vornehmen zu können. Von zentraler Bedeutung ist es dabei, dass sie von einer möglichst großen Zahl von Menschen leicht und intuitiv anwendbar ist. Ziel sollte es doch sein, dass wir in Zukunft ganz selbstverständlich die Energiekennzahl unserer Häuser und Wohnungen feststellen und einordnen können, so wie wir es beim Spritverbrauch von Autos schon heute sehen. Fakt ist: Oldtimer gibt es nicht nur bei den Autos.

Während sie auf den Straßen eher eine Seltenheit sind, sind sie bei unseren Häusern immer noch die Regel. Wie die Grafik „Spezifische Heizenergieverbräuche Wohngebäude“ zeigt, liegt die Energiekennzahl bei drei Vierteln des bundesdeutschen Gebäudebestandes noch bei über 100 kWh/m2a. Bei einem Großteil dieser Gebäude ist der Weg hin zu einem geringen Energieverbrauch noch weit.

Sollte es uns allerdings gelingen, den Energieverbrauch unserer Häuser in Zukunft besser einzuschätzen, dann wären wir auch in der Lage, einen potenziellen Handlungsbedarf zu erkennen und ggf. erforderliche Maßnahmen einzuleiten. Und um genau diese Maßnahmen, die kleinen wie die großen, wird es in den kommenden Kapiteln gehen.

WIE GEHT DIE WÄRME VERLOREN?

WÄRMEVERLUSTE VERSTEHEN

Etwas mehr als ein Fünftel des gesamten Endenergieverbrauchs in Deutschland wird für die Beheizung und das Warmwasser von Wohnhäusern gebraucht. Dieser Anteil ist in den vergangenen 25 Jahren zwar um rund fünf Prozent gesunken und wird wahrscheinlich langsam weiter sinken, aber dennoch – das ist und bleibt auf absehbare Zeit noch immer eine unvorstellbar große Menge Energie. Hauptverantwortlich dafür sind die sogenannten Altbauten und von diesen hauptsächlich die Häuser, die vor 1978 gebaut wurden. Ihr erinnert euch, das sind die Häuser, die vor der 1. Wärmeschutzverordnung gebaut wurden. Viele von diesen Häusern brauchen zur Beheizung ein Vielfaches von dem, was ein typischer Neubau verbraucht. Wenn man Klimaschutz ernst nehmen will, muss man sich also vor allem um den Wärmeverbrauch dieser Altbauten kümmern. Aber wo und wie geht die Wärme im Altbau überhaupt verloren? Und wäre es nicht wunderbar, wenn wir diese Wärmeverluste sichtbar machen könnten?

WÄRMEVERLUSTE SICHTBAR MACHEN

Wärme geht in unseren alten Häusern tatsächlich nicht nur auf einem, sondern auf unterschiedlichsten Wegen verloren. Und ja, ein paar davon kann man tatsächlich sogar sichtbar machen. Mit Infrarot-Wärmebildern lassen sich die Oberflächentemperaturen eines Hauses farblich darstellen. Jeder Temperatur wird dabei eine eigene Farbe zugeordnet. Unterschiedliche Oberflächentemperaturen lassen sich so schnell und einfach wahrnehmen. Je höher die mittels Thermografiekameras gemessenen Oberflächentemperaturen auf der Außenseite sind, desto größer ist der Wärmeverlust eines Bauteils.

Die hellen Stellen im Thermogramm zeigen die höchsten Oberflächentemperaturen. Hohe Temperaturen bedeuten hohe Wärmeverluste.1

Allerdings sind solche Wärmebilder, auch Thermogramme genannt, nicht in der Lage, sämtliche Wärmeverluste eines Hauses aufzuzeigen, auch wenn das durch die eine oder andere von Banken, Baumärkten oder auch Landkreisen und Kommunen organisierte Thermografieaktion suggeriert wird.

„Wissen, wo die Wärme hingeht“ oder „Den Wärmeverlusten auf der Spur“ oder „Mit Wärmebildern energetische Schwachstellen aufdecken und Energie sparen“ sind gängige Slogans, mit denen für die Wärmebilder geworben wird.

Wir nutzen die Thermografie in unserem Büro für die Energieberatung so gut wie nie, und das hat mehrere Gründe. Ein Grund dafür ist, dass für eine ordentliche Thermografie mehrere Rahmenbedingungen gleichzeitig passen müssen. So sollte z. B. eine möglichst große Differenz zwischen der Innen- und der Außentemperatur herrschen. Der Temperaturunterschied zwischen innen und außen sollte mindestens 15 °C betragen. Das bedeutet, dass es bei einer Raumtemperatur von 20 °C im Innern eines Hauses draußen maximal 5 °C oder möglichst noch kälter sein sollte. Thermografie ist daher schon mal nur im Winterhalbjahr möglich.

Außerdem sollte weder vor noch während der Aufnahme die Sonne scheinen oder unmittelbar davor geschienen haben. Der Grund dafür ist, dass die Oberflächenbauteile wie Wand und Dach die Wärmestrahlung der Sonne aufnehmen und speichern können. Diese gespeicherte und reflektierte Wärme kann das Messergebnis verfälschen und so unbrauchbar machen. Daher sollte man für ein gutes Messergebnis am besten vor Sonnenaufgang thermografieren. Gebäudethermografie ist also tendenziell in der zweiten Nachthälfte sinnvoll und dadurch nur was für absolute Frühaufsteher.

Zusätzlich gibt es noch ein paar äußere Einflüsse, die die Aufnahmen wertlos machen können. Das sind z. B. Regen, Schnee oder auch nur ein sehr kräftiger Wind. Ohnehin sollte das Wetter möglichst über zwei, drei Tage vor der Aufnahme ungefähr gleichbleibend stabil gewesen sein, damit sich das Haus auf die Außentemperaturen eingependelt hat und die Messergebnisse ohne Verfälschung interpretiert werden können.

ESK-Folge:Braucht man Thermografie für eine gute Energieberatung?

Die Wahrscheinlichkeit, dass man einen solchen Zeitpunkt erwischt, ist eher gering. Dass solche seltenen Bedingungen dann auch noch mit einem Energieberatungstermin zusammenfallen, kommt eigentlich so gut wie nie vor. Ich persönlich habe tatsächlich noch nie einen Energieberatungstermin um fünf Uhr in der Früh gemacht. Deshalb verzichte ich einfach auf die Verwendung einer Thermografiekamera in der Energieberatung, weil es schlichtweg nicht praktikabel ist.

Für erfahrene Energieberaterinnen und Energieberater gibt es noch einen weiteren guten Grund, auf die Thermografie zu verzichten. Denn sämtliche energetische Schwachstellen im Altbau sind hinreichend bekannt. Kundige Energieberaterinnen und Energieberater wissen auch ohne Thermografie, wo die Probleme liegen und welche Maßnahmen helfen, und das manchmal sogar besser als mit aufwändiger Technik. Denn beim Einsatz von Messtechnik kann es durchaus auch passieren, dass Messergebnisse fehlinterpretiert werden. Das wiederum kann zu falschen Schlüssen und zu fehlerhaften Maßnahmenempfehlungen führen. Wer nur noch nach Navi fährt, weil er der Technik zu sehr vertraut, übersieht leicht die Stoppschilder kurz vorm Seeufer. Damit ihr versteht, was ich mit den Fehlinterpretationen und falschen Schlüssen meine, gehe ich im Folgenden auf ein paar Fallstricke ein, die all diejenigen kennen sollten, die sich schon mal eine Thermografie von ihrem Haus haben machen lassen oder es in Zukunft doch noch vorhaben.

Beginnen will ich mit den Fenstern bzw. der Fensterverglasung. Merkt euch einfach mal folgenden Satz: Fensterscheiben lassen sich nicht thermografieren! Der Grund dafür liegt in der Eigenschaft der Fensterverglasung, Infrarotstrahlung