Allgemeine Panik - James Ellroy - E-Book

Allgemeine Panik E-Book

James Ellroy

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Beschreibung

"Das Fegefeuer ist selten so unterhaltsam." Financial Times Ein Leben wie das von Freddy Otash kann nur an einem einzigen Ort enden: im Fegefeuer. Dort sitzt er, den im Los Angeles der 50er-Jahre jeder kannte, seit nunmehr 28 Jahren. Seine Karriere füllt mehrere Leben, sein Leben mehrere Bücher: Marine im Zweiten Weltkrieg, Polizist beim LAPD, Privatdetektiv, Zuhälter, Betrüger, schließlich Kopf des Schundmagazins CONFIDENTIAL, das all den Schmutz der amerikanischen Prominenz – von Marilyn Monroe über James Dean, Richard Burton bis hin zu Liz Taylor – mit größtem Vergnügen am Skandal an die Oberfläche zerrte und der Öffentlichkeit zum Fraß vorwarf. Aber jetzt will er da endlich raus, und dazu muss er die Wahrheit sagen, und so ruft er seinen himmlischen Peinigern zu: »Baby, it's time to CONFESS.«

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Allgemeine Panik

Der Autor

JAMES ELLROY, Jahrgang 1948, begann seine Schriftstellerkarriere 1981 mit »Browns Grabgesang«. Mit »Die Schwarze Dahlie« gelang ihm der internationale Durchbruch. Unter anderem wurde Ellroy fünfmal mit dem Deutschen Krimipreis ausgezeichnet, zahlreiche Bücher wurden verfilmt, darunter »L.A. Confidential«.STEPHEN TREE ist in Zürich geboren und aufgewachsen und hat an der dortigen Schauspielakademie Regie studiert. Er ist Autor zahlreicher Funkfeatures und Monografien sowie seit der »Underworld-Trilogie« leidenschaftlicher Ellroy-Übersetzer.

Das Buch

Durch meine Synapsen sausen millionenfach meine miserablen Missetaten. Ich war der Höllenhund, vor dem ganz Hollywood kuschte. Ich war der Mann, der um all die kranken Sex-Geheimnisse wusste, auf die ihr irren Irdischen so scharf seid. Confidential war der Vorläufer des infantilen Internets. Wir haben wichtige Politiker hochgehen lassen. Wir haben es allen mörderisch gezeigt. Wir haben Amerika in die Voyeur- Sucht getrieben, bis es von der Teufelsdroge nicht mehr loskam. Kühn ein Laber-Lexikon gräulicher Gerüchte kreiert. Ein blühendes Tratsch-Treibhaus. Ich denke und schreibe in algorithmischen Alliterationen. Sprache muss Schlag haben und scharf und schneidend sein. Beleidigen heißt auch befreien. Meine Lebensbeichte wird euch mittels dieser schwindelerregenden Dialektik Mores lehren. Man sündigt und tut Buße, ihr Ficker – was anderes gibt es nicht.

James Ellroy

Allgemeine Panik

Roman

Aus dem Englischen von Stephen Tree

Ullstein

Besuchen Sie uns im Internet:www.ullstein.de

Die Arbeit des Übersetzers am vorliegenden Text wurde vom Deutschen Übersetzerfonds gefördert.

Die Originalausgabe erschien 2021 unter dem Titel Widespread Panic bei Alfred A. Knopf, New York© 2021 by James Ellroy© der deutschsprachigen Ausgabe 2022 by Ullstein Buchverlage GmbH, BerlinAlle Rechte vorbehaltenUmschlaggestaltung: zero-media.net, MünchenUmschlagmotiv: © THEPALMER / E+ / gettyimagesAutorenfoto: © Marion EttlingerE-Book powered by pepyrus

ISBN 9783843726603

Emojis werden bereitgestellt von openmoji.org unter der Lizenz CC BY-SA 4.0.

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Inhalt

Titelei

Der Autor / Das Buch

Titelseite

Impressum

SHAKEDOWN Freddy Otash gesteht, Teil I

ZELLE 2607 Strafanstalt zur tätigen Reue Abteilung für ruchlose Lebenszerstörer Perversen-Purgatorium 16. 07. 2020

NATE & AL’S DELI Beverly Hills 14. 08. 92

BEREITSCHAFTSRAUM RAUBDEZERNAT LAPD Detective Bureau City Hall 04. 02. 49

FUSSSTREIFE AUF ABWEGEN Downtown L. A. 04. 10. 52

LIBERACES SCHICKER SCHWULEN-SCHUPPEN Coldwater Canyon 29. 04. 53

IM BEVERLY HILLS HOTEL 14. 08. 53

LUMPENHUND Freddy Otash gesteht, Teil II

ZELLE 2607 Strafanstalt zur tätigen Reue Abteilung für ruchlose Lebenszerstörer Perversen-Purgatorium 25. 08. 2020

AUF EINER MATRATZE IN JACK KENNEDYS BOSS-BUNGALOW IM BEVERLY HILLS HOTEL 14. 02. 54

BÜRO DES SICHERHEITSBEAUFTRAGTEN IM ABGEWIRTSCHAFTETEN HOLLYWOOD RANCH MARKET 15. 02. 54

BERNIE SPINDELS ABHÖRWAGEN Vor Steve Cochrans Apartmenthaus West Hollywild 16. 02. 54

BÜRO DES SICHERHEITSBEAUFTRAGTEN IM ABGEWIRTSCHAFTETEN HOLLYWOOD RANCH MARKET 17. 02. 54

OLLIE HAMMOND’S 24H-STEAKHOUSE Wilshire / Ecke Serrano 18. 02. 54

VOR DER HORVATH-TODESWOHNUNG 19. 02. 54

CENTRAL DIVISION DETECTIVE BUREAU Verhörraum #3 21. 02. 54

INFERNALISCHES INTERMEZZO Mein vielfältig verficktes Leben 22. 02.–18. 03. 54

VOR CONSTANCE WOODARDS HANCOCK-PARK-HAUS19. 03. 54

NORTH CAMPUS BIBLIOTHEK DER UNIVERSITY OF CALIFORNIA 20. 03. 54

UNAUTORISIERTE FBI-AUSSENSTELLE Bürogebäude Wilshire / Ecke Mariposa 22. 03. 54

INFERNALISCHES INTERMEZZO Mein vielfältig verficktes Leben 23. 03.–04. 04. 54

IM SWEETZER-HORCHPOSTEN 05. 04. 54

ÖFFENTLICHE BIBLIOTHEK, DOWNTOWN L. A. 06. 04. 54

PARKPLATZ, GOOGIE’S 07. 04. 54

IN ZELLEN-MUTTIS ROTEM SCHLAFZIMMER 08. 04. 54

FRIEDHOF MALINOW-SILVERMAN 09. 04. 54

AUS UND VORBEI Freddy Otash gesteht, Teil IIIZelle 2607 Strafanstalt zur tätigen Reue Abteilung für ruchlose Lebenszerstörer Perversen-Purgatorium 04. 09. 2020

SHELL TANKSTELLE Beverly Boulevard, Ecke Hayworth Avenue L. A. 11. 05. 55

GOOGIE’S ALL-NITE COFFEE SHOP West Hollywild 11. 05. 55

MEINE GRANDIOSE JUNGGESELLENBUDE West Hollywild 12. 05. 55

GRIFFITH PARK Oberhalb des Drehs von Denn sie wissen nicht, was sie tun 13. 05. 55

BÜRO DES SICHERHEITSBEAUFTRAGTEN IM ABGEWIRTSCHAFTETEN HOLLYWOOD RANCH MARKET 14. 05. 55

VOR NICK ADAMS RUSTIKALER MIETBEHAUSUNG West Hollywild 15. 05. 55

VOR DEM CHATEAU MARMONT West Hollywild16. 05. 55

MEINE GRANDIOSE JUNGGESELLENBUDE West-Hollywild 17. 05. 55

MEINE GRANDIOSE JUNGGESELLENBUDE West-Hollywild 18. 05. 55

SUB-ROSA-UNTERSUCHUNG (MORD GEM. § 187 PC) Jane Margaret Blaine (wbl. Amerik., weiß) Geb.: 19. 04. 29/Visalia, Kalifornien Zuständige Untersuchungsbeauftragte: Sgt. M. Herman, Sgt. R. Stromwall, Sgt. H. Crowder, Det. E. Benson, Spec. Dep. F. Otash 18. 05.–21. 05. 55

VOR DEM CHATEAU MARMONT West Hollywild 22. 05. 55

VOR FETTSACK MAZMANIANS VERSTECK 2892 South Budlong 23. 05. 55

GOOGIE’S ALL-NITE COFFEE SHOP West Hollywild 24. 05. 55

INFERNALISCHES INTERMEZZO Mein vielfältig verficktes Leben 25. 05. 55–14. 10. 57

BONDAGE BOB HARRISON’S SUITE Im Downtown Statler 14. 10. 57

SHELL TANKSTELLE Beverly Ecke Hayworth 15. 10. 57

HORCHPOSTEN Argyle, nördlich der Franklin Avenue 16. 10. 57

VOR DER HALL OF JUSTICE Downtown L. A. 17. 10. 57

IM SWEETZER-HORCHPOSTEN West Hollywild 18. 10. 57

VOR DER CITY HALL Downtown L. A. 19. 10. 57

BÜRO VON NABOB NICK RAY 20th Century Fox 20. 10. 57

KKXZ RADIO Southside L. A. 21. 10. 57

INFERNALISCHES INTERMEZZO Mein nachrangig nachdenkliches Leben 22. 10. 57–01. 05. 60

GRÜNES ZIMMER Zuchthaus San Quentin 02. 05. 60

Anhang

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Cover

Titelseite

Inhalt

SHAKEDOWN Freddy Otash gesteht, Teil I

FürGlynn Martinund fürLois Nettleton, 1927–2008

SHAKEDOWN Freddy Otash gesteht, Teil I

ZELLE 2607 Strafanstalt zur tätigen Reue Abteilung für ruchlose Lebenszerstörer Perversen-Purgatorium 16. 07. 2020

Seit achtundzwanzig Jahren stecke ich in diesem beschissenen Elendsloch fest. Und jetzt will man mir weismachen, ich könne mir durch schonungslose Offenlegung meiner Missetaten einen Weg nach draußen schreiben.

Der ganze religiöse Schwachsinn, den ich belächelt und nie ernst genommen habe, trifft hundertprozentig zu. Es gibt einen Himmel für die Guten und eine Hölle für die bösartig Böööööösen. Und das Fegefeuer für Kerle wie mich – schräge Schurken, die die Schwäche eines siechen Systems ausgenutzt und andere ins Unglück gestürzt haben. Ich habe über zwanzig Jahre für meine irdischen Sünden abgesessen. Ich habe meine Erdentage in allen dystopischen Einzelheiten noch einmal durchlebt. Jetzt bieten mir meine gerissenen Wärter einen Handel an:

Halte deine schmähliche Lebensreise schriftlich fest. Raus mit der Wahrheit und nichts als der Wahrheit. Halte nichts zurück und heb in den Himmel ab.

Baby, jetzt heißt es GESTEHEN.

Das Fegefeuer ist das Letzte. Man behält den Körper, den man zum Todeszeitpunkt hatte. Zum Essen gibt’s nur Flugzeugfraß Holzklasse. Kein Schnaps, keine unterhaltsamen Intrigen, keine wonnig-wilden Weiber. Während die von mir misshandelten irdischen Opfer unvermittelt in meiner Zelle erscheinen. Sie gemahnen mich an meine mannigfachen Missetaten und setzen mir mit rot glühenden Feuereisen zu. Wütende warme Brüder fahren aus dem Himmel nieder und verfluchen mich, weil ich sie in den Schwuchtel-feindlichen Fünfzigern geoutet habe. Das war mein Job. Ich habe peinlichen Promis und prahlerischen Politikern fiese Fallen gestellt und sie anschließend in Confidential fertiggemacht. Ich habe dem schlimmen Revolverblatt meine Seele verkauft. Was ich jetzt zutiefst BEREUE.

Oder etwa nicht?

Bereuen ist was für Schlaffis und Verlierer. Die Rettung der sündigen Seele und der Freifahrtschein zum Himmel bestehen im Geständnis. So vernimm denn meinen jämmerlichen Notruf, wachsame Welt:

Schafft mich scheiß-schleunigst hier raus!!!!!

Meine Wärter haben mir Stift und Papier und sämtliche Ausgaben von Confidential zur Verfügung gestellt. Durch meine Synapsen sausen millionenfach meine miserablen Missetaten. Fred Otash, 1922–1992: Schurkenpolizist, Privatdetektiv, auf Schweigegeld-Erpressung spezialisierter Shakedown-Künstler. Der dämonische Deus ex Machina seiner elenden Epoche. Ich war der Höllenhund, vor dem ganz Hollywood kuschte. Ich war der Mann, der um all die kranken Sex-Geheimnisse wusste, auf die ihr irren Irdischen so scharf seid.

Confidential war der Vorläufer des infantilen Internets. Unsere Klatschmeldungen waren auf widerliche Weise wahr. Die eifrigen Blogger und deren windelweiche Tratsch-Texte von heute? Verglichen mit uns sind das allesamt schwachbrüstige Schwächlinge. Wir haben den Studios eingeheizt. Wir haben wichtige Politiker hochgehen lassen. Wir haben es allen mörderisch gezeigt. Wir haben Amerika in die Voyeur-Sucht getrieben, bis es von der Teufelsdroge nicht mehr loskam. WIR HABEN DIE RABIATE MEDIENKULTUR VON HEUTE GESCHAFFEN. Wir haben kühn eine krasse Sprache kreiert und uns dieselbe kunstvoll zu eigen gemacht.

Ein Laber-Lexikon gräulicher Gerüchte. Ein blühendes Tratsch-Treibhaus. Mit schleimig-schicken Anschuldigungen und dramatischem Drohpotenzial. Ich denke und schreibe in algorithmischen Alliterationen. Sprache muss Schlag haben und scharf und schneidend sein. Beleidigen heißt auch befreien. Das habe ich bei Confidential gelernt. Meine Lebensbeichte wird euch mittels dieser schwindelerregenden Dialektik Mores lehren. Man sündigt und tut Buße, ihr Ficker – was anderes gibt es nicht.

Das Purgatorium ist eine einzige Plage. Gestern hat mich Montgomery Clift mit einer Mistgabel gequält. Confidential hatte das »warme Winzlingsgemächt« als »Prinzessin Kleinklein« durch den Kakao gezogen. Nach Monty kam JFK dran. Ich habe seine Rauschgiftsucht und Callgirl-Eskapaden verpetzt. Dann hat mich Marilyn Monroe mit einem Schürhaken Buße tun lassen. Marilyn war Schlafmittel-süchtig. Und sich nicht zu gut, arglistigen Apothekern dafür XXX-exklusiv einen zu blasen! Die sie mit bösen Barbituraten entschädigten. Das hätte ich vielleicht nicht unbedingt öffentlich machen sollen – aber das war gemäß dem Ersten Verfassungszusatz mein Recht!!!!!

Ich werde von Freimut verzehrt und von Erinnerungswucht überwältigt. Ich fühle mich frisch gestärkt und zu jeder Frechheit entschlossen. Womit der meschuggene Gewaltmarsch durch mein Leben BEGINNT.

NATE & AL’S DELI Beverly Hills 14. 08. 92

Im Jahre ’51 war ich bei der Hollywooder Sitte. Wir hörten von einem Puff in der Villa Elaine. Ich raste Tempo Teufel hin.«

Wir hocken in meiner Nische im Deli. Mein Publikum: vier Showbusiness-Macher, denen es noch dreckiger geht als mir. Rollatoren, Stöcke und Sauerstofftanks, die den Weg zur Küche verstellen. Der Verdrießliche Freddy O. hält Hof.

Wir schreiben Spätsommer ’92. Ich bin siebzig und scheiß-eeeeelend dran. Ich habe mir seit Kindertagen täglich eine Pulle Scotch und drei Packungen Zigaretten reingezogen. Ich leide an einem Lungenemphysem und bin auf ein Klistier angewiesen. Ich hoffe, es bis achtzig zu schaffen. Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt.

»Und dann, Freddy«, sagte Sol Sidell. »Ihr seid zum Haus gefahren, und dann?«

Sünder-Sol. Käfigfleisch-Verkoster seit Menschengedenken. In den schlimmen ’60ern Produzent von Strandschönheit-Filmen. Dem ich um ’66 aus der Patsche half. Man hatte ihn bekifft und in flagranti mit zwei minderjährigen Kätzchen erwischt.

»Okay«, sagte ich. »Ich fahre zum Haus und spanne durch ein Seitenfenster. Sieh einer an – wenn das nicht Sam Spiegel ist, der Kerl, der Lawrence von Arabien und Die Brücke am Kwai produziert hat. Der sich gerade am unteren Schopf einer Dreihundert-Pfünderin verlustiert. Was damals, ’51, als seriöse Straftat galt. Ich habe den Tiefseetaucher wissen lassen, dass nun Zahltag ansteht. Festnahme wegen Moralvergehens oder eine monatliche Spende an die Fred-Otash-Pensionskasse.«

Meine Kumpel grunzten.

Ich ließ mir mein Roastbeef-mit-Schmelzkäse-Sandwich schmecken und fühlte einen Stich in der Brust. Ich warf mir Digitalis ein, während Jules Slotnick an seiner Sauerstoffmaske nuckelte und sich eine Camel Light anzündete. Julie hatte linke Flops über die Nöte von Farmarbeitern produziert. Das war seine persönliche Buße. Slotnick hatte sich von seinen Dienstmädchen regelmäßig einen blasen lassen. Deren Green Cards er zur Absicherung einbehielt, damit sie ihm täglich brav zu Diensten standen.

»Noch ’ne Geschichte, Freddy«, sagte Sid Resnick.

Der Sidster war ein Herzschmerz-Hebräer. Der schmalzige Liebesfilme für Islam-TV produziert hatte. Der voll auf üppig abfuhr. Je mehr Lebendgewicht, desto besser.

Ich zermarterte mir das Hirn nach einer Geschichte. Zwei ältere Schwuchteln strichen an der Nische vorbei. Das half mir weiter.

Ich wies auf die beiden: »’56 habe ich einen Hinweis auf eine rein männliche Pyjama-Party bekommen. Ich habe ein paar harten Jungs vom LAPD einen Hunni zugesteckt, damit sie die Brüder hochgehen ließen, während ich mit meiner Kamera im Anschlag lauerte. Die Kerle hatten sich gerade in einen flotten Fünfer mit Rock Hudson, Sal Mineo und einem Burschen mit riesigen Akne-Narben verwickelt. Confidential hat darüber berichtet. Und Universal hat mir zehn Riesen rübergeschoben, damit ich den Rockster draußen hielt.«

Die ganze Nische brüllte gleich zweimal vor Lachen. Julie Slotnick schnappte nach Luft. Al Wexler spuckte einen Bagel-Brocken aus. Er flog durch die Luft und purzelte zu Boden.

Alki-Al besaß sieben Porno-Buchläden, vierzehn Schwuchtel-Bars und neun Nasen-OP-Kliniken. Er war in einen Laster mit mexikanischen Wanderarbeitern gerast, was sechs Tote zur Folge hatte. Ich hatte dafür gesorgt, dass das zu einem einfachen Verkehrsvergehen runtergestuft wurde. Al war mir was schuldig, und zwar nicht zu knapp.

Ich verputzte mein Sandwich. Alki-Al tutete in die hohle Hand. Ich verkündete mein lebenslanges Motto: »Ich arbeite für jeden, außer für Kommunisten. Und tue alles, bis auf Mord.«

Meine Jungs klatschten und brüllten vor Begeisterung. Ich verspürte einen schlimmen Stich in der Brust. Ich warf Digitalis ein und spülte mit einem kräftigen Schluck Scotch nach.

Das Corned Beef und Sauerkraut kamen hoch. Mir schwindelte. Ich würgte eine Brotrinde aus. Die auf meinen Teller platschte.

Die Nische drehte sich. Die Kumpel verpufften. Mir wurde schwarz vor Augen. Die Seiten eines Abrisskalenders flogen an ihren Ort zurück. Jahrzehnte verschwanden und verwischten. Vielleicht bin ich bereits tot. Vielleicht ist das alles nur ein schräger Traum –

BEREITSCHAFTSRAUM RAUBDEZERNAT LAPD Detective Bureau City Hall 04. 02. 49

Das bin ich, 1949. Wie man so schön sagt: ein ganzer Kerl. Scharmant scharfe Schnallen schnackselnd, gelegentlich sogar drei aufs Mal.

Gut aussehend und gut bestückt. Reinrassiger Libanese – ein Kameltreiberabkömmling, wie’s im Buche steht. Ehemaliger Marine. Truppen auf Parris Island für Saipan drillend, schlau genug, nicht selber mitzukämpfen. Ende ’45 zum LAPD gekommen. Wo ich die Sache mit dem Schmiergeld wie geschmiiiiiiiert kapierte.

Ich organisierte einen auf 459er spezialisierten Einbrecherring. Der auf dem Gebiet meiner Streifenpatrouillen in der Innenstadt tätig war. Meine Leute raubten Pfandleihen aus und Apotheken, die Narkotika schwarz vertickten. Sie schnappten sich Bares und Stoff. Sie zogen nachts um zwei Uhr los. Ich war ihr Schurken-Polizeihauptmann.

Ich war schon immer korrupt und bin der Bestechung stets gerne erlegen. Das ist nun mal mein existenzielles Schicksal. Ich entstamme einer rechtschaffenen Familie aus dem Hinterland von Massachusetts. Mami und Papi haben mich geliebt. Niemand ist mir an der Wiege zu nahe getreten. Ich habe den persönlichen Ehrenkodex eines schneidigen Kerls. Es gibt Dinge, die ich tue, und Dinge, die ich nicht tue. Ein schmaler Grat, von dem ich am 04. 02. 49 böse abgestürzt bin.

Ich stand gerade vor dem großen Flurspiegel. Ich kämmte meine Haare und rückte mir die Krawatte zurecht. Meine Uniform hatte mir Sy Devore auf den Leib geschneidert. Im Bereitschaftsraum war ordentlich was looooos. An der 9th Street, Ecke Figueroa, war es soeben zu einer Schießerei gekommen.

Zwei Verletzte. Ein Verkehrspolizist, ein Räuber. Der Bulle kämpft um sein Leben. Der Räuber hat nur ein paar Kratzer abbekommen. Beide Männer befinden sich zurzeit im Polizeikrankenhaus an der Georgia Street.

Noch.

Der Bereitschaftsraum war laut. Die Telefone klingelten unablässig. Der Krach ging mir auf die Nerven. Mörderisches Gemurmel mit Lynchmob-Einschlag.

Ich hörte schwere Schritte. Die Schnapsfahne warf mich fast um.

»Wenn du dich genügend bewundert hast, hab ich dir was mitzuteilen.«

Ich wandte mich um. Vor mir stand Harry Fremont, ein Bulle vom Raubdezernat. Harry hatte einen miesen Ruf. Während der Zoot-Suit-Unruhen mit den Mexikaner-Streetgangs hatte er zwei Pachucos zu Tode getrampelt. Er fungierte als Zuhälter zweier Transen-Nutten, die in einer Transen-Bar anschafften. Und war schon mittags schwer betrunken.

»Yeah, Harry?«

»Mach dich nützlich, Junge. In der Georgia Street wird ein Bullen-Killer festgehalten. Chief Horrall meint, dass du dich der Sache annehmen solltest.«

»Welcher Sache?«, sagte ich. »Der Bulle, den er angeschossen hat, ist nicht tot.«

Harry rollte mit den Augen. Er drückte mir ein Schlüsseletui in die Hand. »4-A-32. Steht auf dem Parkplatz des Diensthabenden. Unter dem Hintersitz nachsehen.«

Ich kapierte. Harry sah mich an und nickte. Jeeetzt hat er kapiert. Er zwinkerte mir zu und ließ mich stehen.

Ich stützte mich an der Wand ab und stellte mich aufrecht hin. Der Lynchmord-Auftrag machte mir zu schaffen. Ich schwankte durchs Bereitschaftszimmer und schlafwandelte die Treppen hinunter. Ich erreichte die Garage.

Ich fand den Parkplatz des Diensthabenden. Die 4-A-32. Der Schlüssel passte ins Zündschloss. Die Garage war dunkel. Die Rohre an der Decke waren undicht. Wassertropfen nahmen eigenartige Farben an und verformten sich seltsam.

Ich gab Gas und bog in die Spring Street ein. Ich fuhr ausgesprochen laaaaaangsam. Der Räuber wurde im Gefangenentrakt des Krankenhauses festgehalten. Die Überstellungsnummer war abgekartet. Das ist jetzt dreiundvierzig Jahre her. Und die Vorgänge von damals sind mir immer noch in Sündemaskop und Mehr-Kanal-Raumklang ins Gedächtnis gebrannt. Ich kann die Gesichter der Passanten auf der Straße immer noch sehen.

Da steht es. Das Georgia Street Receiving Hospital.

Die Krankenstation für Gefangene war auf der Nordseite. Das Krankenhaus für die Braven im Süden. Zwischen den Gebäuden verlief ein schmaler Weg. Mir fuhr es durch Mark und Bein:

Die haben gewusst, dass du’s tun wirst. Die kennen deine Kragenweite.

Ich griff unter den Hintersitz. Ich holte die Überstellungspapiere für einen gewissen Ralph Mitchell Horvath heraus. Ich bekam einen kurzläufigen .32er zu fassen.

Ich steckte den Revolver in die vordere Hosentasche und schnappte mir die Papiere. Ich stieg aus dem Schlitten. Ich ging über den Weg zur Gefangenen-Krankenstation.

Der Mann hinter dem Tresen gehörte zum Police Department. Er wies mit den Augen auf einen Tunichtgut, der mit Handschellen an einer Abwasserleitung festgemacht war. Der Tunichtgut trug eine Hemdjacke und unten aufgeschlitzte Khaki-Hosen. Sein linker Arm war geschient. Er hatte Akne-Narben und Schanker-Blasen im Gesicht. Er sah aus wie ein Narki. Er wirkte frech und trotzig.

Der Mann hinter dem Tresen fuhr sich mit der Hand über die Gurgel. Ich reichte ihm die Papiere, löste die Handschellen von der Leitung und legte sie dem Tunichtgut neu an. Der Mann hinter dem Tresen sagte: »Gute Reise, Süßer.«

Ich schubste den Tunichtgut nach draußen und wies auf den Pfad. Er ging mir voran. Ich hatte kein Gefühl mehr in den Füßen. Ich hatte kein Gefühl mehr in den Beinen. Mein Herz hämmerte wie verrückt. Meine Arme und Beine waren wie abgestorben.

Keine verräterischen Fenster. Keine Passanten auf der Georgia Street. Keine Zeugen.

Ich holte die Waffe aus der Tasche und feuerte in die Luft. Der Rückstoß schoss mir Leben in Arme und Beine zurück. Mein Herzschlag stieg auf 200.

Der Tunichtgut drehte sich blitzschnell um. Er bewegte die Lippen. Er brachte nur ein Quieken zustande. Ich zog meinen Dienstrevolver und schoss ihm in den Mund. Seine Zähne explodierten. Er stürzte zu Boden. Ich drückte ihm die Belastungswaffe in die Rechte.

Er hatte versucht, »Bitte« zu sagen. Ein Traum, den ich immer wieder träume. Die Einzelheiten schwanken und schwinden. Das »Bitte« bleibt. Ich bin am Leben. Er nicht. Auf diese schlichte, schlimme Wahrheit läuft es jedes Mal hinaus.

Der Bulle überlebte. Er hatte einen glatten Durchschuss abbekommen. Eine Woche später war er wieder im Dienst.

Rohe Rachsucht. Im Rückblick irrig und überhastet. Ein Sprung in meiner Seelenschüssel. Harry Freemont gab bekannt: Der Otash-Junge ist koscher. Chief C. B. Horrall schickte mir eine Flasche Old Crow. Ein paar Monate später schmiss ihn eine Grand Jury raus. Die Verwicklung in einen Callgirl-Ring brachte ihn zu Fall. Ein Interims-Chief wurde eingesetzt.

Ralph Mitchell Horvath: 1918–1949. Autodieb/Räuber/Exhibitionist. Auf Yellow Jackets und Billigwein stehend.

Ralphie hinterließ eine Witwe und zwei Kinder. Ich habe mein schlechtes Gewissen mit Bußgeldzahlungen beschwichtigt. Mit Geldüberweisungen. Einmal im Monat. Gefälschte Unterschrift. Alles anonym. Man denke – Ralphie war tot, ich nicht.

Erinnerungen. ’49 stehe ich in Saft und Blüte. ’92 pfeife ich auf dem letzten Loch.

Ich verkroch mich in meiner Bleibe. Hing den ganzen Labor Day herum. Und erging mich im Gedenken an meine Schönen, meine Scharfen und meine Entschwundenen.

Ich blätterte meine Sammelalben durch. Die alten Fotos brachten mich in Wallung. Ich stehe neben Frank, Dino und Sammy. Ich habe mich für sie abgestrampelt. Sie ließen mich im Regen stehen. Viele Bilder von meinem Bett in der alten Wohnung. Das ich den »Landestreifen« nannte. Damals war ich Mr. Flotter-Dreier. Ich trieb es mit Stewardessen, mit Starlets und mit Stars. Liz Taylor und ich feierten mehrere Lenden-strapazierende Liebesfeste mit einer Mieze namens »Barb«. Bilder meiner großen Liebe Joi Lansing, mit der es nicht geklappt hatte. Bilder meiner wahren Liebe Lois Nettleton. Was war ich jung und kregel. Aaaahhhh – das scheiß-unergründlich-süße Mysterium des Lebens!!!!!

Da liegen mein Wörterbuch und mein Thesaurus. Die Lehrmittel meiner arglistigen Confidential-Autoren. Stabreime und fantasievolle Schimpfnamen nutzen. Homosexuelle sind »Wiener-Winsler«. Lesben »Macho-Maiden«. Alkis »Schluck-Spechte« und »Schnaps-Schmachter«. Vulgarisieren und vitalisieren. Eine waaahnsinnige populäre Sprachform schaffen. Und sie aufs Sündigste zum Siiiiiingen bringen.

Am Labor Day haben mich meine Kumpel besucht. Wir haben Burger gegrillt und gehörig was getrunken. Sie gingen um zwei Uhr früh. Eine ganze Kompanie Krankenpfleger karrte sie zu ihren Limousinen. Rollatoren kippten, Sauerstoffflaschen purzelten und rollten. Wahrhaftig nicht leicht zu ertragen, Daddy-O.

Ich machte mir’s bequem und zog mir eine Dragnet-Wiederholung rein. Bei vier Alkohol-am-Steuer-Klagen von Jack Webb hatte ich den Richter bestochen. Außerdem habe ich Jacks Ex bestiegen, den grandiosen Gesangsstar Julie London. Sie sagte, ich hätte den Größten und Besten.

Mein spätnächtlicher Snack bestand aus ein paar Famous-Amos-Keksen. Ich hatte die Episode schon mal gesehen. Sergeant Friday nimmt ein paar Hippie-Tunichtgute fest. Jack fehlt mir sehr. Was haben wir zusammen gelacht. Er starb – wann war das gleich?

Eine H-Bombe explodierte in meiner Brust. Pilzwolken umwaberten mich. Aus denen monströse Ungeheuer hervorkrochen. Johnnie Ray. Monty Clift. Bloßgestellte Politiker und durch den Dreck gezogene Filmstars. Ein Sammelsurium strafender Verachtung.

Sie sprangen mich an. Sie schrien. J’accuse, j’accuse, j’accuse!!!!! Ich schnappte nach Luft. Mein linker Arm explodierte. Ich drückte den medizinischen Notfallknopf am Telefon.

Dann ein paar verzerrte Bilder. Die Horror-Schlagzeilen des Herald. KLATSCH-TYRANN, MR. FURCHT-UND-SCHRECKEN, SCHAMANE DER SCHANDE. Dann ein krachendes Bersten. Die Tür wird aufgedrückt. Ich bekomme eine Maske aufs Gesicht.

Ich bin tot. Ich lande im Fegefeuer und bei dieser Beichte.

FUSSSTREIFE AUF ABWEGEN Downtown L. A. 04. 10. 52

Central Division Police Station.

Tageswache.

Fürwitz Freddy weiß nicht mehr weiter.

Ich löste meine 459er-Truppe auf. Meine wichtigsten Leute waren Heroin-süchtig geworden. Abgestürzt und jederzeit zu jeder Aussage gegen mich bereit. Meine Moneten hatte ich verspielt. Ich lebte von meinem dürftigen Polizeigehalt und litt. ’50 wurde William H. Parker Chief. Er führte frömmlerische Reformen durch und schleuste Bullen-Spitzel in die Truppe ein, um Übeltäter und Fehlverhalten aufzuspüren. Ich fuhr einen gepimpten Zuhälter-Packard. Den ich in der Schwarzenstadt beim Würfeln gewonnen hatte. Weswegen mich Parkers Jungs prompt beim höllischen Jefe verpetzten. Ich wurde einbestellt und mordsmäßig durch die Mangel gedreht. Parker mahnte mich nachdrücklich, kein Bolschewik zu sein. Er sagte: »Ich werde Sie in meinen vier Augen behalten.«

Es regnete den ganzen Tag. Ein Wahnsinns-Monsun. Wilde Winde wehten mich durch den Streifendienst. Ich blieb an einem Polizeitelefon stehen und rief beim Posten an. Der Mann am Tresen forderte mich auf, schleunigst in der South Olive Street 668 zu erscheinen. Wo man in der Lobby eine Episode von Racket Squad drehte. Sie forderten einen harten Burschen an, um ein paar Autogrammjäger zu verscheuchen.

Ich sputete rüber. Ich wurde von einem steifen Rückenwind vorangetrieben und schlitterte durch den Matsch. South Olive Street 668 war ein Ärztehaus. Mit hell erleuchteter Lobby. Ich sah gleich, dass am Set was nicht stimmte.

Lichter, Kameras, Schwenkmikros – und Action, unmittelbar vor mir.

Eine Type mit Segelohren, der einer tollen Blondine zusetzte. Er in hochtaillierten Chinos und Anzugjacke mit dick wattierten Schultern. Sie mit einer Superfigur.

Die Schauspieler und die Crew schauten zu. Segelohr hatte den Arm der tollen Blondine gepackt und war im Begriff, ihr denselben zu verdrehen. Was mich in der Seele traf und mir die Galle zum Sieden brachte. Ich stellte mich hinter ihn. Er bemerkte meinen Schatten und wirbelte um die eigene Achse. Meine Faust brach ihm die Nase. Meine linke Gerade erwischte ihn am Kehlkopf. Mein Knie traf seine Eier, als er umkippte.

Der Blondine blieb der Mund offen stehen. Ich tippte höflich grüßend an die Polizeimütze. Segelohr fasste sich an die Nase und wimmerte nach Mami. Schauspieler und Techniker klatschten Beifall.

»Mein Ex«, sagte die Blondine. »Mir noch drei Monate Unterhalt schuldig.«

Ich versetzte ihm einen Kopftritt und nahm ihm die Brieftasche ab. Er winselte erneut nach Mami. Schauspieler und Techniker pfiffen und johlten.

Die Brieftasche war schwer. Ich griff ins Notenfach und zählte jede Menge Hunnis ab. Die ich der Blondine überreichte. Sie ließ dieselben in ihre Handtasche fallen und einen einzelnen Dollarschein auf den Ex. »Das ist für früher«, sagte sie. »Im Bett war er gut.«

Ich lachte trocken. Ich griff in meine Tasche und reichte ihr meine Visitenkarte. Zurückhaltend und eindrücklich vornehm gestaltet: Name, Telefonnummer und ein diskretes »Mr. Dreiundzwanzig Zentimeter«.

Sie warf die Karte zu ihrem Geldvorrat. Ein Kerl rief: »Du bist dran, Joi! Szene 16-B!«

Sie zwinkerte mir zu und ging. Ich fixierte Segelohr die Hände mit Handschellen auf den Rücken, ging zum Münzfernsprecher und telefonierte mit dem Posten. Hollywild wie es leibte und lebte: ungerührt filmend, während der Ex weggetreten und gefesselt auf dem Boden lag.

Ich ging nach draußen und rauchte eine Zigarette. Ein Streifenwagen fuhr vor und schaffte den Ex zum Georgia Street Receiving Hospital. Ich dachte an Ralph Mitchell Horvath. Ein Junge brachte mir meine Visitenkarte zurück. Sie hatte was auf die Rückseite geschrieben:

»Joi Lansing. 99-64-97. Googie’s, heute Abend, 20:30.«

Ich besitze eine grandiose Junggesellenbude direkt über dem Strip. Mit jeder Menge Japsen-Flaggen und unter der Hand erworbenen Luger-Pistolen. Auf der rückwärtigen Veranda steht ein Periskop. Durch das ich die Frauen der Nachbarschaft spanne und deren Figuren begutachte.

Ich bin ein Voyeur. So was wie ein Augen-Vampir. Ich studiere die Menschen. Ich will einfach alles über ihren geheimen Scheiß wissen.

In meinem Schlafzimmer steht ein riiiiiiiiesiger begehbarer Kleiderschrank. Mit sechzig Sy-Devore-Anzügen. Die Schubladen meiner Kommode stecken voller Spitzenunterwäsche. Meine ranken und schlanken Liebhaberinnen pflegen mir köstliche Andenken zu hinterlassen.

Ich habe eine Akte über Ralph Mitchell Horvath angelegt. Aus Infos von Police Departments und Strafanstalten in ganz Kalifornien zusammengestellt. Ich kenne Ralphies sämtliche Geheimnisse.

Er hat in der Knabenstrafanstalt einen mexikanischen Schwächling gefickt. Er hat zwei minderbegabte Kinder gezeugt. Er hat seine Frau auf den Strich geschickt, um Pokerschulden zu begleichen. Er hat sich bei einem Chink-Apotheker rezeptpflichtige Narkotika besorgt.

Ich hatte all den Dreck ausgegraben. Das verschaffte mir Ralphie gegenüber ein bisschen Luft. Seine Feinde soll man kennen. Ein gottloser Grundsatz, der mir bereits im Kindergarten-Alter eingeleuchtet hatte.

Ich machte mich für Joi Lansing fein. Ich trug meine Krokodil-Slipper und steckte die Kanone in das Schulterhalfter. Ein Spritzer Lucky Tiger – und ein kurzer Spaziergang zum Rendezvous.

Das Googie’s war eine Kaffee-Höhle am Sunset Strip, Ecke Crescent Heights Boulevard. Die Raumfahrt-Zeitalter-Ästhetik setzte mir zu. Neonlicht, schwarzes Kunstleder, Chrom. Eine Ein- und Abflugschneise für Showbusiness-Mistkerle auf Höllenfahrt.

Ich ging rein. Joi Lansing schritt grüßend von Tisch zu Tisch. Sie trug ein zu enges Abendkleid und eine mickrige Nerzstola, an der noch der Zettel von der Pfandleihe hing. Der ganze Schuppen schwatzte von einer Probevorführung in Glendale. Ein Googie’s-Stammgast hatte eine Liebesszene mit Bob Mitchum gedreht. Bei der sich der Böse Bob ständig in der Zunge der Dame verhakte. Im RKO-Hinterhof hatten sie einen Joint geteilt. In seinem ’51er Ford hatte sie ihm einen geblasen.

Ein Raunen ging durch den Schuppen. Ich wusste, dass ich nach POLENTE roch. Ich ließ mich in eine Nische plumpsen und knöpfte das Jackett auf. Eine Tunte schlenderte vorbei und bestaunte meine Waffe. Sie schloss sich der Schwuchtel-Truppe in der nächsten Nische an. Weiterer böser Tratsch: Der Barmann in der Cocktail Lounge hatte eine Lustbuben-Versteigerung organisiert. Bei der Ex-Präsidentschaftskandidat Adlai Stevenson begeistert mitgeboten hatte. Die warmen Brüder schüttelten sich vor Lachen – hahaha!!!

Joi setzte sich. Ich wies aufs Pfandleih-Etikett. Sie riss es ab und ließ es in den Aschenbecher fallen.

»Danke für die Einladung«, sagte ich.

»Danke für die Genugtuung«, sagte Joi. »Der Bursche hat mir am St. Patricks Day ’49 das Handgelenk angebrochen.«

»Sie sind zu jung, um einen Ex-Mann zu haben.«

»Yeah, und unterdessen lebe ich schon getrennt von Nummer zwei. Wenn’s nicht so unsicher wäre, würde ich für eine Schnellscheidung nach Reno ziehen. Wir haben in Tijuana geheiratet, der Papierkram könnte heikel werden.«

»Kann ich Ihnen irgendwie behilflich sein?«

»Na, Sie sind doch Polizist.«

Ich zündete mir eine Zigarette an und hielt ihr die Packung hin. Joi schüttelte den Kopf.

»Er ist auf Bewährung draußen und außerdem ein Kiffer. Sie könnten die Drogen-Polizei rufen.«

Ich schüttelte den Kopf. »Geben Sie mir seine Adresse. Ich denke mir was aus.«

»Er wird um halb zehn hier erscheinen. Seit ich ihn rausgeschmissen habe, lebt er im Männerheim und lässt seine Anrufe von einem hiesigen Burgerbrater entgegennehmen. Er ist ein nicht gewerkschaftlich organisierter Beleuchtungsassistent. Ich habe ihm nach unserer Begegnung eine falsche Nachricht zukommen lassen. Sie sind ein Produzent von Fox und bieten ihm einen Job an. Er erwartet Sie auf dem Parkplatz.«

Ich lachte trocken. »Und Sie sind ohne Weiteres davon ausgegangen, dass ich mitmache?«

Joi lachte trocken. »Na, na, Freddy. Bei der Nummer, die Sie in der Innenstadt abgezogen haben, und Ihrem ›Mr. Dreiundzwanzig Zentimeter‹? Was tun Sie nicht, wenn Geld oder Frauen im Spiel sind?«

Ein Mexen-Kellner huschte vorbei. Ich packte ihn am Gürtel und brachte ihn zum Stehen. Er erblickte meinen Dienstrevolver und machte sich fast in die illegalen Hosen.

Ich stopfte ihm einen Zwanziger in die Brusttasche. »Geh in die Küche und besorg mir eine Tüte Gras. Oder du dampfst noch heute Nacht mit dem Nachtzug nach Culiacán.«

Manuel murmelte sí, sí und zog Leine. Joi lachte und schnorrte eine Zigarette. Ich blies einen hohen Rauchring. Sie einen noch höheren. Die Ringe trafen sich an der Decke und verwandelten sich in einen Hiroshima-Rauchpilz.

Manuel mäanderte mit der mota zurück. Ich entließ ihn. In der Schwuchtel-Party gab’s was Neues zum Quieken: Ava Gardner hatte Sinatra verlassen. Sie habe sich mit einem gut bestückten Statisten im Monogram einquartiert.

»Wie heißen Sie wirklich?«, sagte ich.

»Joyce Wassmansdorff«, sagte Joi.

»Erzählen Sie mir Näheres.«

»Ich komme aus Salt Lake City. Ich bin vierundzwanzig. Ich war bei MGM zur Ausbildung und bin dann stecken geblieben.«

»Aber jetzt geht es aufwärts mit der Karriere?«

Joi drückte ihre Zigarette aus. »In sechs Filmen unerwähnt, in vieren erwähnt. Racket Squad, Gangbusters und eine Komödie mit Jane Russell abgedreht.«

»Ein bisschen Tratsch über Russell, bitte.«

»Was gibt’s da zu tratschen? Sie ist ein braves Frauchen und mit dem Quarterback von den Rams verheiratet.«

Ich sah mich im Raum um. Ich werde immer mal wieder von Verfolgungswahn heimgesucht. Die beiden Bürstenschnitte am Sandwich-Tresen? Eindeutig Parker-Jungs. Die hatte ich schon in der Polizeizentrale gesehen. Zwei prüde Puritaner auf Krumme-Bullen-Pirsch.

»Wenn Sie meine Gesellschaft genießen wollen, brauchen Sie Geld«, sagte Joi.

Ich sah mich nochmals um. Ich schaltete meine Röntgenaugen ein. Ein Tunichtgut, den ich wegen Betrugs festgenommen hatte, erkannte mich und zog Leine.

»Es ist halb zehn«, sagte Joi. »Ein kleiner Kerl mit einer großen Schmachtlocke.«

Ich zuckelte zurück zum Parkplatz. Die Schmachtlocke schmachtete in einem 51er Mercury. Ich näherte mich. Er bemerkte das Schulterhalfter und bekam die Krise: Ach, du Scheiße! Er trug beige Hosen, in die er sich machte. Seine Hosenaufschläge wurden nass. Ich verlegte mich auf Diplomatie.

»Sie erklären sich mit der Scheidung einverstanden. Ich handle Ihre Unterhaltszahlungen aus. Sie schicken den Scheck direkt an mich. Ich ziehe meine Prozente ab und übermittle den Rest an Miss Lansing.«

Schmachtlocke hob abwehrend die Hände. Bitte nicht schlagen, Chef. Ich holte den Beutel mit dem Gras hervor und fing damit seine Linke ab. Ich drückte fest zu, um sicherzugehen, dass ich einen vollen Satz Fingerabdrücke bekam.

Es fing an zu nieseln. Ich wies auf die Straße. Joi Lansings Ex #2 gab Fersengeld.

»Hollywood könnte einen Kerl wie dich brauchen.«

Ich wandte mich um. Die schöne Joi. Die ihre Chancen zu nutzen versteht.

»Du meinst, ich könnte Hollywood brauchen.«

Sie küsste mich. Ich küsste sie wieder. So hat alles angefangen.

Ich verstehe Chancen zu nutzen. Du brauchst Geld, Schatz. Eine Woche später überfiel ich einen Buchmacher.

Ich tarnte mich mit einer Hitler-Maske. Ich kam mit einer leeren Einkaufstüte und ging mit vier Riesen. Die Hälfte der Beute verputzte ich mit Joi, mit dem Rest finanzierte ich mein Unternehmen. Ein Beverly-Hills-Apotheker bot mir jede Menge Pillen an. Harry Fremont verkaufte mir acht blitzsaubere Belastungswaffen. Joi brachte mich mit einem Ausschab-Spezialisten zusammen. Ich ließ ihn wissen, dass ich ihm nette Mädchen in Schwierigkeiten zuführen würde. Waffen, Stoff, krimineller Arzt. Meine Freundin als Vermittlerin zur Kultur des Korrupten.

Joi war ’42 nach Hollywood gekommen. Mit vierzehn. Sie hatte sich bei MGM eingeschrieben und traf alle und jeden. Sie war ebenso bodenständig wie umwerfend vernetzt. Sie wusste einfach alles. Sie war eine Ein-Frauen-Auskunftei. Sie kannte Bartender, Hotelpagen, Hilfskellner, Callgirls, Caster und Gigolos. Sie kannte Pornografen, Rauschgifthändler und Zuhälter. Sie kannte fuderweise Feger in Schwierigkeiten. Und war drauf versessen, mich zum ungekrönten Shakedown-König von Hollywood zu krönen. Mit meinen Bestechungsgeldern machte sich Joi Hollywild gefügig. Jede Menge skurriler Betrüger warfen sich mir zu Füßen. Wir kauften massenweise potenziell profitable Sauereien ein.

Ich arbeitete beim LAPD. Ich nahm eine Zweitstelle als Sicherheitschef beim Hollywood Ranch Market an. Ein legendär liederlicher Laden, rund um die Uhr geöffnet. Ich stellte Ladendiebe und Scheckbetrüger. Ich achtete darauf, dass meine Ausgaben meinem Gehalt entsprachen und Bill Parkers Spürhunden keine Handhabe boten. Ich lud Joi ins Ciro’s und ins Mocambo ein. Ich bemerkte Nachrichtendienst-Bullen, die den Ort beschatteten. Ich sprach sie kameradschaftlich an und schnitt mit den schicken Abenden auf, die ich meinen Wettgewinnen zu verdanken hätte.

Ich verkaufte Waffen, ich vertrieb Pillen, ich vermittelte Abtreibungen. Ich vertickte einen Pornostreifen mit dem Titel Mae West’s Menagerie per Post. Uneheliche Beziehungen waren LAPD-Männern verboten. Joi und ich trieben es im Haus ihrer Mutter in Redondo Beach. Sie meinte, unterdessen sei’s sprichwörtlich geworden: Auf Fred Otash ist Verlass.

Ich konnte mich vor Aufträgen kaum retten. Ich verdrosch einen Sittich, der vor Duke Waynes Frau den Wiwi blankgezogen hatte. Der Duke zahlte mir fünf Hunnis und setzte mich übers Rote Hollywood ins Bild. Dino Martin rief mich an. Er hatte sein mexikanisches Dienstmädchen mit demnächst zu erwartenden Drillingen geschwängert. Ich bestach einen Grenzer und ließ die bedauerliche Dolores nach Mexiko deportieren. Dino zahlte mir zwei Riesen und vermittelte mich an eine umwerfende Reihe von Starlets. Die sich mit mir in meinem Bett vergnügten, während sie mich mit dem neuesten Tratsch versorgten. Ein paar Hunnis und ein toller Ritt im Heu gefällig? Anruf bei Mr. Dreiundzwanzig Zentimeter genügt.

Ich besorgte Lana Turner eine Abtreibung. Sie hatte es im Überschwang ihrer Bepop-Begeisterung mit einem Alt-Sax-Solisten namens Art Pepper getrieben. Pimper Pepper wollte, dass sie das Kind behielt, und drohte, an die Öffentlichkeit zu gehen. Ich schmuggelte ihm zwei Joints in den Saxofon-Koffer und schickte ihn sechs Monate in den Wayside-Knast.

Joi kannte eine hochklassige Hausfrauen-Clique aus dem vornehmen Hancock Park. Die unerträglich frustriert waren und sich fast zu Tode langweilten. Die heimliche Abenteuer brauchten. Worin Joi eine Verdienstmöglichkeit sah. Worauf ich auch »Zuhälter« in mein Sortiment aufnahm. Und mich auf die Suche nach geeigneten strammen Kerlen machte.

Gelegenheit macht Liebe. Ein kühles Konzept als Balsam für meine wunde Seele.

Joi teilte mir mit, dass Liberace einen Auftrag für mich hätte. Wir lagen im Haus ihrer Mutter miteinander im Bett. Ihre Augen funkelten und trieben mich auf ganz neue Weise an. Sie schrieb Dollarzeichen in die Luft.

Ein Augenblick in vibrierendem VistaVision und schandbar swingendem Schwuchtel-O-Scope. Ein Konzertflügel nuschelt ein Nocturne und plinkert eine Polonaise.

LIBERACES SCHICKER SCHWULEN-SCHUPPEN Coldwater Canyon 29. 04. 53

Ich wurde von einem tuntigen Lakaien erwartet. Der Garten war tropisch aufgemotzt und Fußballfeld-groß.

Flamingos flitzten. Tukane trompeteten und schnappten nach Insekten. Ein Pfad wand sich durch dreimeterhohe Farne und überwältigende Blütenpracht. Alles war grün, lila und rosa.

Wir betraten eine Lichtung. Die mit Notenschlüssel-verzierten Steinplatten gepflastert war. Der Swimmingpool hatte die Form eines Konzertflügels. Liberace saß in einem Liegestuhl. Ein Leopard mit Nerzhalsband döste ihm zu Füßen.

Der Lakai zog hüftenschwingend von dannen. Ich rückte mir einen Liegestuhl zurecht. Der Leopard schreckte auf und knurrte mich an. Ich kraulte ihm den Nacken. Er schlief wieder ein.

»Völlig furchtlos«, sagte Liberace. »Ein Mann nach meinem Geschmack.«

»Ich bin hier, um Ihnen zur Hand zu gehen, Sir. Joi sagte, dass Ihnen eine Type Ärger macht.«

Der Lakai kehrte hüftenschwingend mit Cocktails zurück. Zwei Highball-Gläser glühten rosa. Die Type servierte und verschwand. Der Drink schmeckte nach radioaktivem Kaugummi.

»Köpfchen tief ins Wasser, Ärschchen in die Höh«, sagte Liberace.

Ich grunzte beifällig. »Ein Junge hat Sie im Schwitzkasten, richtig? Geld auf die Hand, oder er verpfeift Sie an die Anstands-Liga? Und die Itaker-Gangster, die Ihre Nummer in Vegas buchen, kriegen kalte Füße. Wenn bekannt wird, dass Sie’s gerne griechisch treiben, können Sie Ihre Fernsehshow vergessen.«

Liberace seufzte. »Unüberbietbar direkt und nur allzu wahr. Ein Geschirrwäscher im Perino’s. Was hab ich mir nur dabei gedacht?«

Ich nippte an meinem rosa Drink. »Bilder?«

»Natürlich, Lieber. Er hat mich in ein Motel mit Wandguckloch gelockt.«

Am Pool ging ein Hifi-Lautsprecher los. Judy Garland schmetterte: »Ein Mann wird kommen, der Mann, den ich liebe.« Der Leopard wachte auf und leckte sich die Eier. Liberace redete dem Tier liebevoll zu.

»Fünftausend, Sir. Sie erhalten die Bilder und Negative, samt meiner Zusicherung, dass dergleichen nicht wieder vorkommen wird.«

Liberace zog eine Schnute. Seine Brust hob sich. Glitzersteine sprangen von seiner Toga. Der Leopard schlenderte zum Pool und schob seinen Hintern über den Rand. Ein Riesen-Scheißhaufen folgte.

Der Lakai rannte herbei, eine Vorrichtung aus Schäufelchen und Eimer in der Hand. Liberace griff unter den Liegestuhl und holte ein Fotoalbum hervor.

»Ich bedaure, einräumen zu müssen, dass ich eine Schwäche für Ex-Sträflinge habe. Ich besitze Verbrecherkartei-Fotos von ihm und von ein paar anderen rauen Eroberungen jüngeren Datums. Das ist mein neues Hobby. Wenn ich nicht gerade Fans bezirze oder Chopin übe, klebe ich solche Bildchen ein.«

Ich schnappte mir das Buch und blätterte es durch. Ein wahres Schwulen-Schatzkästlein. Ich zählte sechsundzwanzig Gleitcreme-Cowboys mit Nackenschildern, Namen und Straffall-Nummern. Ein brutales Buffet bösartiger Burschen. Jede Menge Bewährungsauflagen-Übertretungen und Prostitutions-Anklagen.

Liberace wies auf das Bild eines gewissen Manolo Sanchez. Ein unheilvolles Bantamgewicht.

»Er brach mir das Herz, während seine böse Lesben-Schwester Schnappschüsse machte. Von mir aus dürfen Sie ihn gerne etwas unsanft anfassen.«

Ich nickte und blätterte weiter. Noch drei stramme Strahlemänner, die auf den schmierigen Seiten schmollten. Ward Wardell, Race Rockwell, »Esels«-Don Eversall. Alle wegen Pornografie-Besitzes festgenommen.

Ich wies auf die Bilder. »Porno-Darsteller, richtig? Die nebenher anschaffen. Sie sehen die Filme, kriegen Appetit und rufen an.«

»Richtig. Ich war zu einer Filmvorführung im Haus von Michael Wilding und Liz Taylor. Michael hat Sportgarderoben-Spiele und Heiß-im-Knast vorgeführt und mir die Kontaktadressen vermittelt.«

»Kontaktadressen« gab mir zu denken. »Können die Burschen auch bei Frauen einen hochkriegen?«

Liberace prustete. »Konnten, können und kriegen, Süßer. Wobei Esels-Don dem achten Weltwunder gleichkommt, wenn Sie mir folgen können.«

Ich war elektrisiert. Ich dachte an Gewinnmaximierung. Ich sah Dollar-Zeichen und Filmstars, die auf meinem Landestreifen zur Landung ansetzten.

»Heißt das, Michael Wilding ist andersrum?«

»Und wie, Bester. Sein Haus ist als ›Warmbruder-Bude‹ bekannt, was Liz offensichtlich zu schaffen macht.«

Ich grunzte. »Und Liz will eine Scheidung, damit sie zum nächsten Ehemann wechseln und den bisherigen Weltrekord endgültig brechen kann?«

Liberace schlug sich aufs Knie. »Ja, da hat sie sogar Ihrer Freundin was voraus.«

Ich ließ meine Knöchel knacken. Liberace war hin und weg. Der Type ging fast einer ab.

»Richten Sie Liz aus, sie solle mich morgen Abend beim Beverly Hills Hotel treffen. Setzen Sie sie über meine Dienstleistungen in Kenntnis.«

Liberace konnte sich erneut kaum fassen. Der Leopard knurrte und scheuchte einen Tukan auf den Baum.

Perino’s war ein Edelschuppen alter Schule. Wo alte Knacker und durchgeknallte Erbinnen speisten. Ich fuhr vor Beginn der Sperrstunde rüber und parkte an der hinteren Küchentür. Sie stand offen. Saubermann Sanchez schrubbte Töpfe.

Ich stieg aus dem Wagen und machte mich unsichtbar. Ich erkundete die Lage. Ich bemerkte eine Reihe von Garderobenschränken neben der Tiefkühlkammer. Ich war mit Saukerl Sanchez allein.

Er stolzierte zu seinem Garderobenschrank und machte sich schön. Ein Spiegel an der Innentür warf mir sein Konterfei zurück. Ich blinzelte und sah genau hin. Aaaaaaah, im obersten Garderobenfach. Dicke Packen Fotohüllen.

Er stocherte zwischen den Zähnen. Er drückte Pickel aus. Er säuberte sich die Ohren. Ich ging rein und schlich mich hinter ihn. Ich holte meinen flachen Totschläger raus. Ich sah, wie sich ihm die Nackenhaare sträubten. Er wirbelte herum und zückte ein Messer.

Schnapp – die Klinge hatte meinen Sy-Devore-Blazer aufgeschlitzt. Er kreischte en español. Was sich auf meine Mutter bezogen haben dürfte.

Er drehte sich um die eigene Achse und wehrte mich ab. Wir standen Messerklingen-nah. Ich riskierte eine tiefe Stichwunde und zog ihm eins über den Schädel. Der Totschläger erwischte ihn voll.

Die genoppten Säume rissen ihm das Gesicht auf. Das beschwerte Schlag-Ende nahm eine Augenbraue mit und brach ihm knirschend die Nase. Er ließ das Messer fallen. Ich trat es weg. Ich packte ihn am Nacken und hinderte ihn am Schreien. Wenige Schritte entfernt stand eine Fritteuse. Mit brodelnd heißem Fett und Kartöffelchen nach Lyoner Art.

Ich zerrte ihn rüber. Ich tunkte ihm die Messerhand ins Fett und frittierte sie. Ich hielt ihm die Hand im Fett fest und verbrannte sie bis zu den Knochen. Fettspritzer sprenkelten mein London-Shop-Shirt.

Ich ließ seine Hand fallen. Ich ging zum Garderobenschrank, schnappte mir die Bilder und blätterte sie durch.

Ooohhh, Daddy. Liberace, der’s griechisch treibt – in buntem Kodacolor, Negative beiliegend.

Sanchez schrie und schwankte durch die Küche. Er warf ein Geschirrgestell um und schlug spastisch an Wände. Die Hand war verbrutzelt und kross frittiert. Das Fleisch fiel ihm von den Fingern.

Die Nacht war noch jung. Ich hatte gerade fünf Riesen verdient, das Blut und die Angriffslust waren mir zu Kopf gestiegen. Da wurde mir unvermittelt klar: Ich konnte selber ins Tunten-Erpressungs-Geschäft einsteigen. Ich steckte mir zwei Liberace-Negative ein.

Ein Anruf bei der Auskunftsstelle des LAPD, und ich war über die Schmutzgeschäfte der Film-Troika informiert. Die Burschen teilten sich eine Bleibe in Silver Lake und verdienten ihr Geld mit Sex und Schweinkram. Semper fi – sie hatten sich im Marine Corps kennengelernt und ihr Geschäftshauptquartier in einer Bondage-Bar unten in Dago aufgeschlagen. Sie verkauften gefälschte Green Cards. Sie boten Spanische Fliege feil. Sie führten Rotarier zur Esels-Pornoshow von Tijuana. Ihr Verkaufsschlager: Dildo-Duplikate von Esels-Dons 41-Zentimeter-Gemächt.

’50 handelten sie sich Ärger ein. Sie hatten einer nervenschwachen Nymphomanin Spanische Fliege angedreht und ihr ein Rendezvous mit Esels-Don versprochen. Das der Donkster prompt platzen ließ. Worauf sich die Nymphomanin am Schaltknauf eines ’46er Buick aufspießte. Das Police Department San Diego erhob Anklage wegen Körperverletzung mit Todesfolge. Der Richter wies die Klage ab. Ein glaubhaftes Gerücht: Er gehörte zu Race Rockwells Stammkunden.

Ich fuhr zur Bleibe der Truppe. Ein abgewrackter, von Bougainvillea überwucherter Holzbau. Ich klingelte um 23:00 Uhr, und niemand reagierte. Ich knackte das Schloss und war drin. Ich schlich mit einer Taschenlampe durchs Haus und sah mich um.

Die Jungs besaßen Nazi-Armbänder, Mickey-Spillane-Romane, Marine-Paradeuniformen mit Kampfabzeichen. Dazu mucho Filmausrüstung. Dazu Nudisten-Magazine ab Jahrgang ’36. Dazu Souvenir-Schnappschüsse aus dem Klub Satan, Tijuana, von Neujahr ’48. El Burro trägt schicke rote Teufelsohren.

Ich ging raus auf die Veranda. Ich rauchte Kette und nuckelte an meinem Flachmann. Ich kannte die Abzeichen an ihren Uniformen. Die Jungs hatten Saipan eingenommen und Guadalcanal gestürmt.

Ich trank Bourbon. Ich bekam leichte Schlagseite. Um 01:00 fuhr eine alte Klapperkiste vor. Die Jungs stiegen aus und wollten rein.

Ich holte mein Polizeiabzeichen raus und leuchtete mit der Taschenlampe drauf. Draußen war es stockfinster. So konnte ich nicht sehen, wie sie klein beigaben. Ein picobello Pracht-Putsch, sozusagen. Der neue Leithund übernimmt.

»Ich heiße Otash. Von jetzt an arbeiten wir zusammen.«

Erfolgreicher Erpresser, florierender Unternehmer. Vier Begriffe, die ich andauernd wiederholte, während ich mir die Lippen nach Liz Taylor leckte.

Ich kippte halb um, als ich mit den Jungs Brüderschaft trank und ihnen die Geschäftsgrundlagen klarstellte: Zwanzig Prozent von eurem Porno-Betrieb im Austausch gegen Polizei-Protektion. Und – ihr seid jetzt in den harten Kern von Fred O.s Hengst-Stall aufgerückt. Macht euch bereit, es ein paar hitzigen Hausfrauen zu besorgen.

Esels-Don stiftete mir eine Handvoll Bennies. Mit denen ich den Dienst in der Innenstadt wie im Fluge absolvierte. Ich schritt bei einer Schlägerei in der Jesus-Rettet-Mission ein. Ich scheuchte rote Agitatoren vom Pershing Square. Ich nahm einen Wiener-Wackler im Kino Mayan fest. Ich buchtete einen überdrehten Jugendlichen ein, der einem Liebespärchen in einem ’49er Ford mit dem Lötbrenner auf die Pelle rückte.

Dann Schluss und Dienstende. Ich ging zum Kriminalgericht und machte mich in Sachen Scheidungsrecht kundig. Ich reservierte einen Bungalow im Beverly Hills Hotel und ließ mir von den Geschäften vor Ort die erforderlichen Erfrischungen spendieren. Lou’s Liquor Locker steuerte den Schampus bei, Hank’s Hofbräu die kalte Platte. Schnelle Lieferung inbegriffen.

Ich schaute zu Hause vorbei und tauschte meine Bullen-Uniform gegen Nadelstreifen. Oh YEAH – der Aufsteiger stand vor dem Gipfelsturm!