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Baden-Württemberg – das Land der gut ausgeschilderten, stark frequentierten Wanderwege, die mildes Wochenendvergnügen versprechen? Nicht nur. Es gibt sie auch hier, die alpinen Herausforderungen für Könner und Neugierige, die sich ein bisschen mehr zutrauen. Keine Anleitungen für Angeber und Selbstüberschätzer, aber neue, spannende Touren für Leute, die Erfahrung mitbringen.
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Seitenzahl: 163
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Umschlagfoto vorne: Auf dem Wiesfels scheint man über den Wolken zu schweben.
Umschlagfoto hinten: Auf Halbhöhe bei Lautlingen.
Foto S. 1: Eine kleine Kletterei am Carolafels.
Foto S. 2/3: Der Große Kandelfels von oben.
Bildnachweis: Alle Bilder von Philipp Sauer, außer
S. 99/101: Matthias Berndt
S. 100/102/103: TI Ottenhöfen
S. 157: Wolfgang Pluschke
S. 158: Annette Kirchner
S. 159: Trudpert Rees
Alle Wegbeschreibungen erfolgen nach bestem Wissen und Gewissen. Autor und Verlag können jedoch keine Haftung übernehmen, auch nicht bei etwaigen Unfällen. Die Benützung des Buches geschieht auf eigenes Risiko.
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1. Auflage 2019
© 2019 by Silberburg-Verlag GmbH,
Schweickhardtstraße 5a, D-72072 Tübingen.
Alle Rechte vorbehalten.
Umschlaggestaltung: Anette Wenzel, Tübingen.
Kartografie: Heidi Schmalfuß, München.
Lektorat und Satz: Verlagsbüro Wais & Partner, Stuttgart.
Printed in Slovenia by Florjancic.
ISBN 978-3-8425-2129–2
eISBN 978-3-8425-1839-1
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Philipp Sauer, geboren 1971 in Plochingen, ist Sonderschullehrer. Nach langen Jahren in der Kurpfalz ist er nun wieder im Schwäbischen heimisch. Seit Jahren stromert der ausgebildete Wanderführer mit Freunden durch die geliebten heimischen Mittelgebirge und knobelt dabei seine Wanderungen aus.
Zu diesem Buch
Tour 1Auf den Bergrücken des Jusi
Kohlberg, Parkplatz Raupental – Jusi – NSG Hörnle – Talries – Sattelbogen – Klausenbergpfad oberhalb von Dettingen – Jusi – Kohlberg, Parkplatz Raupental
Tour 2Alb alpin – über dem Fels, am Fels und unter dem Fels: der Charly-Lorch-Weg
Gutenberg, Haltestelle Post – Reiter-/Mädles-/Spitzfels – Schopfloch – linke Kesselwand – Pflug – Stellfelsen – Pfulb – Gutenberg, Haltestelle Post
Tour 3Ein Abenteuer – durch die Gustav-Jakob Höhle zu den Schrecken
Grabenstetten, Parkplatz Ruine Hofen – Ackerlesbergpfad – Gustav-Jakob-Höhle – Achsnagelweg – Kleine/Große Schrecke – Schreckenfels – Grabenstetten, Parkplatz Ruine Hofen
Tour 4Die Wolfsschlucht und die Wittlinger Kletterfelsen
Bad Urach, Parkplatz/Bushaltestelle Hohenwittlingen – Wittlinger Kletterfelsen – Wolfsschlucht – Geschlitzter Fels – Ruine Baldeck – Wittlingen – Schillerhöhle – Bad Urach, Parkplatz/Bushaltestelle Hohenwittlingen
Tour 5Känzele, Hölle und ein vergessener Pfad – felsig auf Deutschlands schönstem Wanderweg
Bad Urach, Bahnhof – Alter Tiergarten Pfad – Hanner Felsen – Kreuzhütte – Känzele – Hölle – Runder Berg – Maisental – Bad Urach, Bahnhaltestelle Wasserfall
Tour 6Alpine Momente – über den Glemser Felsenkranz zu den Höllenlöchern
Glems, Haltestelle Waldhorn – Wolfsfelsen – Wiesfels – Carolafels – Höllenlöcher – Calverbühl – Dettingen/Erms, Bahnhof
Tour 7Die alpinen Wegabschnitte um den Lichtenstein
Lichtenstein, Parkplatz/Bushaltestelle Traifelberg – alte Passstraße – Ohafels – Felsenmeer – Alter Lichtenstein – Schloss Lichtenstein – Föhnerquelle – Sonnenfelsen – Lichtenstein, Parkplatz/Bushaltestelle Traifelberg
Tour 8Gebirgsjägerübung bei Albstadt – der Muliweg und der Felsenmeersteig
Burgfelden, Parkplatz Heersfeld – Kammweg – Schalksburg – Heersberg – Felsenmeer – Muliweg – Heersberg – Burgfelden, Parkplatz Heersberg
Tour 9Steil am Plettenberg
Dotternhausen, Parkplatz Plettenberg – Russawegle – Plettenberg – NSG Plettenkeller – Steilanstieg – Plettenberghütte – Querung Seilbahn – Steilabstieg – Dotternhausen, Parkplatz Plettenberg
Tour 10Die Xanderklinge und der alpine Pfad bei Zavelstein
Bahnhof Bad Teinach-Neubulach – alpiner Wegabschnitt Zavelstein – Baiersbach – Ruine Waldeck – Talmühle – Xanderklinge – Talmühle, Haltestelle Talmühle
Tour 11Die Beckerrunde im Nationalpark
Bühl, Haltestelle/Parkplatz Sand/Kapelle – Mehliskopf – Kohlplatten – Beckerrunde/Ochsenkopf – Aschenplatz – Hundseck – Mehliskopf – Bühl, Haltestelle/Parkplatz Sand/Kapelle
Tour 12Schrofen und Steige, eine Klamm und ein Grat – alpines Premiumwandern um den Karlsruher Grat
Ottenhöfen, Bahnhof – Eichkopf – Gottschlägbachklamm – Schlickersteig – Xaver-Winkler-Steig – Herrenschrofen – Karlsruher Grat – Brennte Schrofen – Ottenhöfen, Bahnhof
Tour 13Steil, steiler am steilsten – die Höllkopf-Schultiskopf-Ibichkopf-Überschreitung und das Kostgfäll
Simonswald, Haltestelle Rathaus Simonswald – Höllkopf – Schultiskopf – Ibichkopf – Kohlhütte – Am Rohrhardsberg – Kostgfäll – Lochbauernhof – Simonswald, Haltestelle Rathaus
Tour 14Unterwegs auf dem Kandel – alpine Abschnitte auf dem Blocksberg des Schwarzwaldes
St. Peter, Haltestelle Rasthaus Kandel – Serpentine – Kandelrücken – Turnerpfad – Großer Kandelfels – Langeckhütte – Kleiner Kandelfels/Thomashütte – St. Peter, Haltestelle Rasthaus Kandel
Tour 15Die alpine Alternative zum Jägerpfad und die Ravennaschlucht
Breitnau, Haltestelle/Parkplatz Hofgut Sternen – Weberhansenkreuz – Noppelfelsen – Posthaldenhof – alpiner Pfad zum Hirschweiher – Posthaldefelsenweg – Großer/Kleiner Posthaldefels – Ravennaschlucht – Breitnau, Haltestelle/Parkplatz Hofgut Sternen
Tour 16Der Oberrieder Felsenweg und ein alpiner Prachtpfad der Extraklasse
Oberried, Haltestelle Goldener Adler – Felsenweg – Hochfahrn – Stollenbacher Hütte – Adamshof – alpine Wegabschnitte Zastler – Roteck – Scheibenfelsenhütte – Burghardtshof – Oberried, Haltestelle Goldener Adler
Tour 17Der Felsenweg oberhalb des Feldsees und der Silberbergpfad
Feldberg, Haltestelle Hebelhof – Felsenweg Rinken – Sägebachsteig – Feldberg – Hebelhof – Silberbergpfad – NSG Hinterwald Weide – Glockenführe – Herzogenhorn – Feldberg, Haltestelle Hebelhof
Tour 18Belchismus – die Ostflanke des Belchen
Aitern, Haltestelle Belchenbahn – Belchenhaus – Rosen-/Hohfels – Böllener Eck – Heideckfels – Hohkelch – Belchen – Krinne – Aitern, Haltestelle Belchenbahn
Tour 19Höchenschwander Felsenweg und der Rappenfelsensteig im Schwarzatal
Höchenschwand, Haltestelle Kurhaus – Parkplatz Kreuzstein – Felsenweg – Schwarzatal – Muckenlochhütte – Rappenfelsensteig – Kuchelfelsen – Muckenlochhütte – Parkplatz Kreuzstein – Höchenschwand, Haltestelle Kurhaus
Tour 20Der Ludwig-Neumann-Weg in der Wutachschlucht
Bonndorf, Haltestelle Lotenbachklamm – Schattenmühle – Dietfurt – (alpiner Abschnitt Ruine Boll) – Badhof – Ludwig-Neumann Weg – Rümmelesteg – Kanadiersteg – Wutach, Haltestelle Wutachmühle
ExtraZwei und ein halber Klettersteige
Weinheimer Karolasteig und Jakobswand – Klettersteig Schriesheim – Todtnauer Klettersteig
In diesem Buch soll es nicht darum gehen, den Feldberg zur Eigernordwand oder einen unserer alpinen Pfade zu einem kaum bewältigbaren Felsgrat aufzublasen – das wäre vermessen, denn unsere Mittelgebirge sind nun einmal nicht die Alpen. Das Ziel ist viel mehr, mit diesem Buch neue Perspektiven auf das bekannte Wanderrevier zu eröffnen, die die Alb und der Schwarzwald tatsächlich auch zu bieten haben … weg vom gut beschilderten, beschaulichen Komfortwanderweg, hin zum überraschenden und herausfordernden Bergwandern mit Felsen, Geröllfeldern, umgestürzten Bäumen, ausgesetzten und steilen Stellen und manchmal sogar kleineren Kraxeleien. Dem »gemeinen« Wander mögen die hier vorgestellten Pfade eventuell zu unaufgeräumt, zu unbequem, zu abgelegen, zu steil und zu wild sein – doch genau das suchen wir!
Eine Wanderung auf der Schwäbischen Alb um Schloss Lichtenstein, das hoch über dem Echaztal auf einem Fels thront, war die Initialzündung für dieses Buchprojekt. In diesem Gelände sind nämlich mehrere Hinweisschilder aufgestellt, die auf sogenannte »Alpine Pfade« hinweisen. Diese Pfade sind steil, schmal, felsig und manchmal ausgesetzt – aber ist das bereits alpin? Ich persönlich hatte den Begriff »alpin« automatisch immer mit der schroffen Bergwelt der Alpen in Verbindung gebracht. Ein Anruf bei der Gemeinde und der ortsansässigen Bergwacht brachte Klarheit: Da leider schon mehrere Leute in dem steilen Gelände verunglückt waren (teilweise auch tödlich) und dort mit Steinschlag, Rutsch- und Absturzgefahr zu rechnen ist, hatte man sich dazu entschlossen, diesen Teil des Wanderwegenetzes als »alpin« zu kennzeichnen, um die Wanderer bezüglich des Risikos zu sensibilisieren. Neugierig geworden, recherchierte ich zu Hause weiter, und siehe da: Alleine im Schwarzwald gibt es etliche Wege beziehungsweise Teilstrecken, die mit dem Prädikat »alpin« beschrieben werden. Man findet sogar einen Wikipedia-Eintrag dazu. So führte eins zum anderen: »Wenn diese Wege als alpin bezeichnet werden … auf der Alb und im Schwarzwald kenn’ ich noch mehr davon – die sind mindestens genauso steil, ausgesetzt und felsig«. So ist eine Sammlung von 20 Wandervorschlägen entstanden, die in die steilen und felsigen Gefilde der Schwäbischen Alb und des Schwarzwalds führen.
Eines der »alpinen« Hinweisschilder auf der Alb.
Das Buch-Projekt soll aber auch davon erzählen, wie unkompliziert es mitunter sein kann, sein Bedürfnis nach etwas Ungewöhnlichem in der Natur vor Ort zu befriedigen. Man muss dafür nicht unbedingt weit fahren oder in ein Flugzeug steigen, sondern man sucht das Natur-Abenteuer einfach dort, wo es keiner vermutet: im nächstbesten Mittelgebirge vor Ort.
Im Übrigen sollen die hier vorgestellten Touren nur als Vorschläge verstanden werden. Es sind zwar sehr schöne und exponierte Bespiele der Gattung »alpin« und »abenteuerlich«, aber wer sich die Mühe macht, sowohl aktuelles als auch altes Kartenmaterial genauer anzuschauen, wird noch viel mehr verschollene Wege, steile Tobelpfade und zugewachsene Gipfel abseits der ausgezeichneten Wanderrouten finden.
In Reise- und Wanderführern tauchen sie oft auf: Worte wie »spektakulär«, »atemberaubend«, »fantastisch«, »einmalig«, »schwindelerregend« und so fort. Eigentlich werden diese Worte benutzt, um die Besonderheiten der Landschaft wiederzugeben und die Eindrücke, die man vor Ort gewinnt, so genau wie möglich zu beschreiben. Andererseits werden solche Superlative bisweilen etwas inflationär verwendet, sodass sie kaum zu erfüllende Erwartungen wecken und sich zunehmend abnutzen. Wie es wirklich ist, erlebt man nur selbst vor Ort, und letztlich ist es subjektiv.
Wir sind viele unserer Touren mit erfahrenen Alpenüberquerern abgewandert und haben die unterschiedlichsten Reaktionen beobachtet. Von leicht spöttischen Bemerkungen wie »das nennst Du steil und felsig?« bis zu begeisternden Ausrufen wie »wow, ’ne Sicherung wär’ nicht schlecht« war alles dabei. Für gemütliche Städter können die hier präsentierten Touren also ein Abenteuer und der Einstieg in alpine Welten sein, für sportliche Wanderer ein neuer Blick auf das altbekannte Wanderrevier und für erfahrene Bergfexe ein kleines Training für die nächste Alpenroute – schön und spannend sind sie allemal.
1. Das Wort »Alpen«, von dem sich der Begriff »alpin« ableitet, ist eine Ableitung des schweizerischen und westösterreichischen Wortes »Alp« beziehungsweise »Alm«, was wiederum »Bergweide« bedeutet.
2. »Alpin« steht seinerseits vielen Begriffen als Prädikat vor und bedeutet dabei meist »gebirgig« oder »bergig«.
3. Gleichzeitig bezeichnet »alpin« auch eine Höhen- und Vegetationsstufe in den Alpen, genauer eine Hochgebirgsstufe, die zwischen 2000 und 3000 Metern liegt.
Welche dieser Punkte treffen nun auf die Mittelgebirgslandschaften Schwarzwald und Schwäbische Alb zu? Vor allem bei unseren Touren im Schwarzwald passieren wir des Öfteren typische Bergweiden. Die Pfade dort sind bergig, schmal und felsig und führen durch Steillagen, Lawinenbahnen, Blockhalden und Tobel, manchmal kleinere Klettereien inklusive. Lediglich der Hangwald bewahrt einen vor schwindelerregenden Tiefblicken. Da die Wege von üppiger Vegetation umgeben sind, fühlen sich die Menschen oft ganz sicher, obwohl es abseits des Pfads steil bergab geht. Gerade diese Flora, die man in den Alpen so nicht vorfindet, macht unsere Wege aber manchmal sogar schwieriger zu begehen als jene in den Alpen, da die herabfallenden Blätter, verrottenden Äste, Bäume und Wurzeln Stolperfallen sind und den Untergrund glitschig und rutschig machen. Etliche unserer Pfade werden auch nicht mehr gepflegt und gesichert, sodass deren Begehung zum Beispiel nach Stürmen eher einem Hürdenlauf unter erschwerten Bedingungen gleichen kann. Auf den sonnenabgewandten Nordseitenwegen im Schwarzwald passieren wir dabei sogar die letzten Rückzugsräume alpiner Vegetation. Wäre unser Wanderrevier komplett harmlos, gäbe es vor Ort auch nicht die Bergwacht, die leider immer wieder zu tragischen Unglücksfällen gerufen wird. Es sind also letztlich Länge, Vegetation und Höhenniveau, welche die alpinen Wege im Schwarzwald und auf der Alb von denen in den Alpen unterscheiden. Die Kennzeichnung der Pfade und Wege als »alpin« auf der Alb und im Schwarzwald verläuft dabei etwas uneinheitlich und ist nicht immer nachvollziehbar. Trifft man auf diesen Wegen auf andere Wanderer, entspinnt sich daher nicht selten eine Diskussion darüber, dass man eigentlich noch viel steilere Pfade kennt, die nicht als alpin gekennzeichnet sind. In diesem Buch werden auch Wege vorgestellt, die nicht offiziell als »alpin« ausgewiesen sind, weil der Autor sie nämlich als ähnlich felsig, steil und spannend empfindet. Dass dies sehr subjektiv ist und einheimischen Bergfexen und Wanderführern, die noch spannendere Wege in abgelegeneren Tobeln kennen, höchstens ein müdes Lächeln abringen mag, liegt in der Natur der Sache. Der Autor freut sich über jeden Tipp, den er erhält und erhalten hat. Letztlich geht es darum, dem Leser und Mittelgebirgs-wanderer eine Ahnung von alpinem Gelände durch die präsentierten Touren zu vermitteln.
So manches Geröllfeld muss durchwandert werden.
»Ein 34-jähriger Wanderer rutschte vermutlich aus Unachtsamkeit auf dem nassen und mit Laub bedeckten Untergrund eines alpinen Pfads im Bereich des Schlosses Lichtenstein aus und kam zu Fall. Er rutschte etwa 30 Meter den Hang hinunter und prallte gegen zwei Bäume. Daraufhin stürzte er einen Felsvorsprung hinab und kam nach weiteren circa 50 Metern im unwegsamen Gelände zum Liegen. Eine 31-jährige Frau, die gemeinsam mit dem Verunglückten unterwegs war, kletterte zu dem Schwerverletzten hinab und verständigte mit dessen Handy die Rettungskräfte.« Unfallbericht Bergwacht Pfullingen, 2017
Mittelgebirgslandschaften werden bezüglich alpiner Risiken oft unterschätzt. Wie bereits erwähnt, bewahrt einen meistens nur die umgebende Vegetation vor Schwindel und Ungleichgewicht. Zusätzlich gaukelt die leichte Erreichbarkeit und Nähe zur Zivilisation der Mittelgebirge Harmlosigkeit vor. Wenn Wanderer ihre Kräfte und die Beschaulichkeit des Geländes falsch einschätzen, ist das mehr als gefährlich. Wandert man auf Bergwanderwegen wie zum Beispiel den alpinen Pfaden um den Lichtenstein bei Honau, muss man trittsicher, schwindelfrei und in sehr guter körperlicher Verfassung sein und zudem die Gefahren im Gebirge kennen. So ist zum Beispiel mit Steinschlag und mit Rutsch- und Absturzgefahr zu rechnen. Voraussetzung fürs sichere Wandern in diesem Gelände ist außerdem eine entsprechende Ausrüstung, zu der wir noch kommen werden. Sandalen und Turnschuhe haben auf solchen Wegen nichts zu suchen, auch wenn man immer öfter Menschen mit Jogginghosen und Latschen solche Pfade herunterwanken und -schlittern sieht. Nur mit mehr Glück als Verstand kommt man so unverletzt ins Tal hinunter.
Die hier vorgestellten Routen sind kaum länger als zehn bis 20 Kilometer. Wenn man davon ausgeht, dass man auf ebener Strecke ca. 4–4,5 km pro Stunde schafft, umfassen unsere Bergtouren mit den diversen Auf- und Abstiegen ein zeitliches Spektrum zwischen drei und acht Stunden. Dabei sind die angegebenen Gehzeiten reine Wanderzeit ohne Pausen!
Eine vermeintlich überschaubare Weglänge hat aber in unserem Fall gar nichts zu bedeuten. Der Pfad durch die Xanderklinge beispielsweise ist nur etwas mehr als einen Kilometer lang, aber trotzdem braucht man wegen der abenteuerlichen Wegbeschaffenheit relativ lang, um ihn zu bewältigen. Neben der körperlichen Fitness sind ein gesunder Respekt einerseits und ein gewisses Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten andererseits fast noch wichtigere Faktoren. Viele Wanderer meinen heutzutage durch eine schicke Outdoorausrüstung bestens gewappnet zu sein. Ohne die körperlichen und psychischen Voraussetzungen nützt einem aber der beste Bergschuh nichts. Die Zahl der Wanderer, die von der Bergwacht und Höhenrettung mit Herz-Kreislauf-Problemen aus brenzligen Situationen geborgen werden müssen, steigt von Jahr zu Jahr.
Weiterhin ist ein guter Orientierungssinn absolut unerlässlich, denn manche unserer Pfade sind abschnittsweise oder sogar komplett unmarkiert, teilweise zugewachsen und in neuerem Kartenmaterial gar nicht mehr verzeichnet. Es gleicht manchmal also einer Spuren- und Fährtensuche, um die richtige Pfadfortsetzung zu finden und nicht irgendeiner Wildspur hinterherzuwandern. Man braucht dafür Erfahrung und Gespür, denn es ist gerade in unserem Terrain nicht ungefährlich, wenn man sich versteigt und immer weiter von der richtigen Route entfernt. Und manchmal, wenn auch selten, kriecht man eher, als dass man wandert.
Wer sich schwer tut, seinen Fitnesszustand selbst einzuschätzen, dem sei der Gang zum Sportmediziner seiner Vertrauens geraten, zu dessen Kernkompetenz es gehört, körperliche Leistungsfähigkeit bewerten zu können. Die Touren sollten für fitte Wanderer ab ca. 14 Jahren geeignet sein.
Unsere Pfade sind nicht immer aufgeräumt.
Das suchen wir: Felsen und Geröll unterhalb des Rappenfelsen.
Wer plant, mit anderen einen alpinen Weg zu gehen, sollte unbedingt darauf achten, dass das Leistungs- und Gesundheitsniveau innerhalb der Gruppe auf einem vergleichbar guten Level ist. Es ist nicht nur für die Gruppendynamik schlecht, sondern kann auch generell gefährlich sein, wenn jemand aus der Gruppe mitten auf der Strecke nicht mehr weiterwandern kann. Gleiches gilt übrigens für den Zustand der Ausrüstung. Man muss sich darauf verlassen können, dass diese bei allen vollständig und in Schuss ist.
Da Regen die Pfadbeschaffenheit durch die dann rutschig werdenden Wurzeln, Moose und herabfallenden Blätter (diesen Risikofaktor hat man in den Alpen meistens nicht!) signifikant verschlechtert, sollte man auf besseres Wetter warten und das Vorhaben verschieben. Auch starke Winde sollten ein Ausschlusskriterium sein, da wir uns zum einen auf ausgesetzten, teils dem Wind preisgegebenen Pfaden bewegen und zum anderen oft durch sogenannte Bannwälder beziehungsweise nicht vom Forst bearbeitete Waldpassagen wandern, wo es oft zu Holzbruch kommen kann. Entlang unserer Strecken gibt es meistens Vegetation, die dazu verleitet, diese als Auf- oder Abstiegs- und Haltehilfe zu benutzen. Das sollte man aber nur nach vorheriger Prüfung des Geästs machen, denn oft ist das Holz morsch oder der Busch nur lose im Boden verankert. Wenn dann ein Ast bricht, fällt der Sturz umso ungünstiger aus.
Das Fotografieren im alpinen Gelände bereitet große Freude, bekommt man doch reihenweise Traummotive vor das Objektiv. Gleichwohl birgt es für im alpinen Gelände unerfahrene Wanderer eine nicht zu unterschätzende Gefahr: Der all zu lange Blick durch das Objektiv gaukelt einem falsche Perspektiven vor. Richtet man dann seine Augen wieder auf die reale Natur, kann das zu Schwindel führen – keine gute Idee am Felsüberhang. Die Bilder im Wanderführer bilden leider oft nicht die wahren alpinen Verhältnisse ab. Die Berge und Pfade sind viel steiler beziehungsweise ausgesetzter und die Felsen viel massiver.
Etliche unserer Routen halten Überraschendes in bekanntem Terrain bereit. Im Bereich des Feldberges finden wir zum Beispiel alleine vier alpine Wege, die entweder so unbekannt sind, dass sie sich leider langsam selbst renaturieren, oder nicht oft begangen werden, da sie schwer zu gehen und zu finden sind und etwas abseits der Hauptwanderwege liegen. Gänzlich Unbekanntes haben wir aber auch für uns selbst entdeckt, obwohl wir schon einige Kilometer im Schwarzwald und auf der Alb zurückgelegt haben. Gute Beispiele sind die Xanderklinge im Nordschwarzwald, die fantastisch anstrengende Ibichkopf-Schultiskopf-Höllkopf-Überschreitung bei Simonswald oder die Abenteuerwanderung von der Gustav-Jakob-Höhle (die zur Gänze durchkrochen werden kann) zu den Schrecken bei Grabenstetten. Wir haben lange überlegt, ob wir auch touristisch stark frequentierte und weithin bekannte Ziele in das Buch aufnehmen sollten. Aufgrund ihrer landschaftlichen Schönheit und des abschnittsweise alpinen Charakters der Pfade haben wir uns letztlich dafür entschieden, zum Beispiel die steilen Wege um und in der Wutachschlucht oder den Uracher Wasserfall vorzustellen.
Bei den im Buch präsentierten Routen handelt es sich um Pfade beziehungsweise Streckenabschnitte mit alpinem Charakter, die mal länger oder kürzer ausfallen, sowie um alpine Spots & Momente, die durch ähnlich schöne und spannende, aber konventionellere Wanderwege miteinander verbunden sind. Die Streckenführung mag bei der einen oder anderen Route etwas kompliziert anmuten, es steckt aber System dahinter, denn wir haben uns bemüht, langweilige Zubringer und Verbindungswege so gut wie möglich zu vermeiden (was allerdings nicht immer möglich ist). Im Übrigen wurde versucht, die Richtung der Wanderung so anzulegen, dass die alpinen Wegpassagen aufwärts gegangen werden. Das ist sicherer und angenehmer für Knie und Zehen.
Drei kleine Klettersteige gehören zum alpinen Profildes Ländle dazu. Zwei davon befinden sich tatsächlich im nördlichsten Teil von Baden-Württemberg, nämlich an der Bergstraße beziehungsweise im Odenwald. Alle drei Steige sind zwar kurz, dafür befindet sich mit dem Karolasteig in Weinheim a.d. Bergstraße der schwierigste Klettersteig Deutschlands unter ihnen. Während der Todtnauer Klettersteig in den natürlichen Schwarzwälder Fels oberhalb der Stadt gebaut wurde, befinden sich die Odenwälder Klettersteige in zwei ehemaligen sehr großen Steinbrüchen. Im Schriesheimer Steinbruch, der sich über drei langgezogene Ebenen erstreckt, kann man die kleinen Zugangssteige zu den Kletterfelsen wunderbar mit einer Erkundung dieser drei Ebenen und einer Wanderung durch den umgebenden Odenwald verbinden.
Nicht unerwähnt sollen zwei weitere Klettersteige bleiben. Da wäre zum einen der kurze Starkenburger Trainings-Klettersteig bei Hainstadt im Odenwald, der aber nach unseren Informationen nur DAV-Mitgliedern zur Benützung offensteht, und zum anderen führt in Bühlertal (Landkreis Rastatt) eine kurze Tour durch eine der steilsten Weinberglagen Europas: der »Engelssteig«. Für abenteuerlustige Wanderer wird auf dem rund eineinhalb Kilometer langen Weg eine spannende Klettersteig-Variante über 50 Meter angeboten.
Der landschaftlich schönste Klettersteig liegt in Todtnau.