Alpträume bei Kindern und Jugendlichen - Johanna Thünker - E-Book

Alpträume bei Kindern und Jugendlichen E-Book

Johanna Thünker

0,0
35,99 €

oder
-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Das Manual bietet eine praxisorientierte Anleitung zur Behandlung von Kindern und Jugendlichen, die unter häufigen und belastenden Alpträumen leiden. Es basiert auf der "Imagery Rehearsal Therapy", die seit Jahren erfolgreich zur Behandlung von Alpträumen und posttraumatischen Alpträumen bei Erwachsenen eingesetzt wird und nachweislich zu einem deutlichen Rückgang der Häufigkeit und der Belastung durch Alpträume führt. Wesentliches Element dieses Therapieansatzes ist die Modifikation des Alptraums in eine nicht bedrohliche Traumgeschichte und die wiederholte Imagination dieses neuen Traumverlaufs. Die Alptraumtherapie umfasst eine Diagnostiksitzung und acht einstündige Therapiesitzungen im Einzelsetting mit den Elementen Edukation, Alptraumrekonstruktion, Entspannung, Imagination und Alptraummodifikation. Es handelt sich um ein vollständiges Therapieprogramm, das bei Bedarf aber auch in eine weitere therapeutische Intervention integriert werden kann. Das Manual ist geeignet zur Behandlung von allein auftretenden Alpträumen und Alpträumen im Kontext anderer Störungen, wie etwa einer Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS). Das therapeutische Vorgehen bei Kindern und Jugendlichen wird ausführlich beschrieben. Das Programm wurde bereits erfolgreich mit Kindern durchgeführt und in seiner Wirksamkeit überprüft. Zahlreiche (Online-)Arbeitsmaterialien und illustrierte Fallbeispiele unterstützen die Anwendung.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Johanna Thünker

Reinhard Pietrowsky

Alpträume bei Kindern und Jugendlichen

Ein Therapiemanual

Dr. Johanna Thünker, geb. 1985. 2003–2008 Studium der Psychologie in Münster und Düsseldorf. 2008–2013 wissenschaftliche Mitarbeiterin am Psychologischen Institut der Universität Düsseldorf, Abteilung Klinische Psychologie. 2010 Promotion. 2013 Approbation als Psychologische Psychotherapeutin. Seit 2013 niedergelassen als Verhaltenstherapeutin für Erwachsene, Kinder und Jugendliche in Bottrop mit den Schwerpunkten Schlafstörungen, ADHS und Autismus.

Prof. Dr. Reinhard Pietrowsky, geb. 1957. 1978–1985 Studium der Psychologie in Tübingen, danach wissenschaftlicher Mitarbeiter an den Universitäten Tübingen, Ulm, Bamberg und Lübeck. 1990 Promotion an der Universität Tübingen. 1996 Habilitation an der Universität Bamberg. 1990–1993 Psychotherapieausbildung am Stuttgarter Zentrum für Verhaltenstherapie. 1999 Approbation als Psychologischer Psychotherapeut. Seit 1997 Professor für Klinische Psychologie an der Universität Düsseldorf. Leiter der Psychotherapeutischen Institutsambulanz der Universität Düsseldorf und des weiterbildenden Studiums „Psychologische Psychotherapie“. Forschungsschwerpunkte: Ess- und Schlafstörungen.

Wichtiger Hinweis: Der Verlag hat gemeinsam mit den Autor:innen bzw. den Herausgeber:innen große Mühe darauf verwandt, dass alle in diesem Buch enthaltenen Informationen (Programme, Verfahren, Mengen, Dosierungen, Applikationen, Internetlinks etc.) entsprechend dem Wissensstand bei Fertigstellung des Werkes abgedruckt oder in digitaler Form wiedergegeben wurden. Trotz sorgfältiger Manuskriptherstellung und Korrektur des Satzes und der digitalen Produkte können Fehler nicht ganz ausgeschlossen werden. Autor:innen bzw. Herausgeber:innen und Verlag übernehmen infolgedessen keine Verantwortung und keine daraus folgende oder sonstige Haftung, die auf irgendeine Art aus der Benutzung der in dem Werk enthaltenen Informationen oder Teilen davon entsteht. Geschützte Warennamen (Warenzeichen) werden nicht besonders kenntlich gemacht. Aus dem Fehlen eines solchen Hinweises kann also nicht geschlossen werden, dass es sich um einen freien Warennamen handelt.

Copyright-Hinweis:

Das E-Book einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar.

Der Nutzer verpflichtet sich, die Urheberrechte anzuerkennen und einzuhalten.

Hogrefe Verlag GmbH & Co. KG

Merkelstraße 3

37085 Göttingen

Deutschland

Tel. +49 551 999 50 0

Fax +49 551 999 50 111

[email protected]

www.hogrefe.de

Sprecherin der Audiodateien: Nina Plotzki

Aufnahme der Audiodateien: Eliton Studio, Dorfen. www.eliton-musik.de

Illustrationen: Jenny Hampel

Satz: Sina-Franziska Mollenhauer, Hogrefe Verlag GmbH & Co. KG, Göttingen

Format: EPUB

1. Auflage 2024

© 2024 Hogrefe Verlag GmbH & Co. KG, Göttingen

(E-Book-ISBN [PDF] 978-3-8409-3183-3; E-Book-ISBN [EPUB] 978-3-8444-3183-4)

ISBN 978-3-8017-3183-0

https://doi.org/10.1026/03183-000

Nutzungsbedingungen:

Der Erwerber erhält ein einfaches und nicht übertragbares Nutzungsrecht, das ihn zum privaten Gebrauch des E-Books und all der dazugehörigen Dateien berechtigt.

Der Inhalt dieses E-Books darf von dem Kunden vorbehaltlich abweichender zwingender gesetzlicher Regeln weder inhaltlich noch redaktionell verändert werden. Insbesondere darf er Urheberrechtsvermerke, Markenzeichen, digitale Wasserzeichen und andere Rechtsvorbehalte im abgerufenen Inhalt nicht entfernen.

Der Nutzer ist nicht berechtigt, das E-Book – auch nicht auszugsweise – anderen Personen zugänglich zu machen, insbesondere es weiterzuleiten, zu verleihen oder zu vermieten.

Das entgeltliche oder unentgeltliche Einstellen des E-Books ins Internet oder in andere Netzwerke, der Weiterverkauf und/oder jede Art der Nutzung zu kommerziellen Zwecken sind nicht zulässig.

Das Anfertigen von Vervielfältigungen, das Ausdrucken oder Speichern auf anderen Wiedergabegeräten ist nur für den persönlichen Gebrauch gestattet. Dritten darf dadurch kein Zugang ermöglicht werden. Davon ausgenommen sind Materialien, die eindeutig als Vervielfältigungsvorlage vorgesehen sind (z. B. Fragebögen, Arbeitsmaterialien).

Die Übernahme des gesamten E-Books in eine eigene Print- und/oder Online-Publikation ist nicht gestattet. Die Inhalte des E-Books dürfen nur zu privaten Zwecken und nur auszugsweise kopiert werden.

Diese Bestimmungen gelten gegebenenfalls auch für zum E-Book gehörende Download-Materialien.

Zitierfähigkeit: Dieses EPUB beinhaltet Seitenzahlen zwischen senkrechten Strichen (Beispiel: |1|), die den Seitenzahlen der gedruckten Ausgabe und des E-Books im PDF-Format entsprechen.

Inhaltsverzeichnis

I  Theoretischer Hintergrund

Kapitel 1  Beschreibung der Störung

1.1  Erscheinungsbild und Definitionskriterien

1.2  Erscheinungsformen und Inhalte von Alpträumen

1.2.1  Erscheinungsformen von Alpträumen

1.2.2  Inhalte von Alpträumen

1.3  Epidemiologie und Verlauf

1.4  Klassifikation

1.5  Differenzialdiagnose und Komorbidität

1.5.1  Abgrenzung zum Pavor nocturnus

1.5.2  Abgrenzung zum Schlafwandeln

1.5.3  Abgrenzung zur Schlafparalyse

1.5.4  Alpträume und Posttraumatische Belastungsstörung

1.5.5  Komorbiditäten

Kapitel 2  Störungstheorien und Ätiologiemodelle

2.1  Psychoanalytische Theorien

2.2  Kognitiv-Behaviorale Theorien

2.3  Neurophysiologische Theorien

2.4  Persönlichkeitsfaktoren

2.5  Aktuelle Stressbelastung

2.6  Medikamente und Drogen

2.7  Folgen der Alpträume

Kapitel 3  Erfassung von Alpträumen und Indikation

3.1  Erfassung von Alpträumen

3.2  Indikation und Kontraindikation

Kapitel 4  Stand der Therapieforschung

4.1  Entspannungsverfahren

4.2  Exposition

4.3  Hypnotherapeutische Verfahren

4.4  Luzides Träumen

4.5  Imagery-Rehearsal-Therapie (IRT)

4.5.1  Ergebnisse zur Wirksamkeit der Imagery-Rehearsal-Therapie

4.5.2  Ergebnisse zur Durchführbarkeit der manualisierten Version der Imagery-Rehearsal-Therapie bei Kindern und Jugendlichen

II  Therapie

Kapitel 5  Allgemeine Informationen zum therapeutischen Vorgehen

5.1  Therapeutisches Setting

5.2  Zeitliche Struktur

5.3  Einbeziehung von Bezugspersonen

5.4  Arbeitsmaterialien

Kapitel 6  Diagnostik

6.1  Exploration des Schlafverhaltens

6.2  Exploration der Alptraumsymptomatik

6.3  Screening komorbider Störungen

Kapitel 7  Einführung in die Alptraumtherapie

7.1  Einführung des Therapietiers

7.2  Informationsvermittlung: Inhalte und Ziele der Alptraumtherapie

7.3  Psychoedukation

7.3.1  Traum und Alpträume

7.3.2  Schlafhygiene

7.4  Alptraumrekonstruktion

7.5  Alptraumdokumentation und Hausaufgaben

Kapitel 8  Entspannungsverfahren

8.1  Autogenes Training

8.2  Progressive Muskelentspannung

8.3  Hausaufgaben

Kapitel 9  Imagination

9.1  Fantasiereisen

9.2  Vertiefungsübung: Veränderung von Szenen

9.3  Hausaufgaben

9.4  Schwierigkeiten bei der Imagination

Kapitel 10  Alptraummodifikation

10.1  Vorgehen bei wiederkehrenden vs. verschiedenen Alpträumen

10.2  Materialien und Hilfsmittel zur Unterstützung der Alptraummodifikation

10.2.1  Malen und Zeichnen

10.2.2  Spielen

10.2.3  Basteln

10.2.4  Schreiben

10.3  Identifikation negativer Elemente

10.4  Identifikation charakteristischer Elemente

10.5  Erarbeitung eines alternativen Traumhergangs

10.5.1  Alternative Traumelemente

10.5.2  Entwicklung einer vollständigen, alternativen Traumgeschichte

10.5.3  Erprobung der neuen Traumgeschichte

10.6  Imagination des neuen Traums

10.7  Reflexion des Vorgehens

10.8  Hausaufgaben

10.9  Mögliche Schwierigkeiten bei der Alptraummodifikation

Kapitel 11  Abschlusssitzung

Kapitel 12  Besonderheiten bei der Behandlung posttraumatischer Alpträume

12.1  Anpassungen beim Entspannungstraining und der Imagination

12.2  Anpassungen bei Alptraumrekonstruktion und -dokumentation

12.3  Alptraummodifikation bei posttraumatischen Alpträumen

Kapitel 13  Fallbeispiele

13.1  Traum eines Jungen im Kindergartenalter

13.2  Verfolgungstraum eines Grundschülers

13.3  Alpträume einer Jugendlichen im Zusammenhang mit Verlust und Trauer

Literatur

Anhang

Arbeitsblatt 1: Alptraumfragebogen

Arbeitsblatt 2: Hallo, ich bin Alma

Arbeitsblatt 3: Alpträume sind normal

Arbeitsblatt 4: Alpträume machen krank

Arbeitsblatt 5: Den Alptraum unter die Lupe nehmen

Arbeitsblatt 6: Tipps zum Aufzeichnen von Alpträumen

Arbeitsblatt 7: Entspannung

Arbeitsblatt 8: Imagination

Arbeitsblatt 9: Alpträume verändern

Arbeitsblatt 10: Die Veränderung beginnt

Arbeitsblatt 11: Ideen für den neuen Traum

Hinweise zu den Online-Materialien

|9|I  Theoretischer Hintergrund

|11|Kapitel 1Beschreibung der Störung

Überblick

In diesem Kapitel werden Alpträume unter folgenden Aspekten näher beschrieben:

Was sind die Definitionskriterien klinisch relevanter Alpträume?

Welche Erscheinungsformen von Alpträumen bei Kindern und Jugendlichen gibt es?

Wie sind die Verbreitung, der Verlauf und andere epidemiologische Merkmale der Störung?

Wie werden Alpträume klassifikatorisch eingeordnet?

Welche Beziehungen gibt es zwischen Alpträumen und anderen psychischen Störungen (Differenzialdiagnostik und Komorbidität)?

1.1  Erscheinungsbild und Definitionskriterien

Alpträume sind vermutlich den meisten Menschen aus eigenen Erfahrungen bekannt. Besonders häufig kommen sie in der Kindheit und Jugend vor. In diesen Lebensabschnitten sind sie in der Regel keine klinische Störung, sondern ein normales Phänomen, das häufig von allein auch wieder verschwindet oder schwächer wird. Erst das gehäufte Auftreten von Alpträumen, vor allem aber das damit verbundene Leiden (z. B. Angst vor dem Zubettgehen, Beeinträchtigungen am Tag) bei den betroffenen Kindern oder Jugendlichen selbst oder ihren Bezugspersonen, machen die Alpträume zu einer klinisch relevanten Störung. Häufige Alpträume bei Kindern können zu erheblichen Beeinträchtigungen der Kinder und ihrer Eltern führen. Dabei kann es sein, dass die Betroffenen außer ihren häufig wiederkehrenden Alpträumen keine weiteren psychischen Beschwerden oder Störungen aufweisen. Es ist aber auch möglich, dass die Alpträume ein Symptom einer anderen psychischen Störung sind; dies ist relativ oft bei Angststörungen oder Depressionen der Fall. Bei der Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) kommt es meist zu Alpträumen, in denen das traumatische Ereignis immer wieder erlebt wird, sodass diese wiederkehrenden posttraumatischen Alpträume ein wesentliches Kriterium der PTBS darstellen.

Das im Begriff „Alptraum“ oder „Albtraum“ vorkommende Wort „Alp“ stammt aus dem Althochdeutschen und ist etymologisch mit dem Wort „Elfe“ verwandt. Als Alben oder Elfen wurden ursprünglich kleine, unterirdisch lebende Erdgeister bezeichnet. Alp war bereits im Mittelalter auch die Bezeichnung des Nachtmahrs, eines bösen (ursprünglich) weiblichen Geistes, der sich des Nachts, so die Annahme, auf die Brust des Schlafenden setze und ihm die Luft abdrücke. Durch diese Atemnot entstehen die angstbesetzten Träume, die Alpträume oder das Alpdrücken. In der englischen Bezeichnung für den Alptraum, „nightmare“, ist der Name des Mahrs bis heute erhalten geblieben. Die Schreibweisen „Alptraum“ und „Albtraum“ werden seit der letzten Rechtschreibreform synonym verwendet. Im Folgenden werden wir der Einheitlichkeit wegen jedoch nur den Begriff „Alptraum“ verwenden. Der Begriff „Angsttraum“ wird oft auch synonym für Alptraum gebraucht und |12|wurde noch bis zum DSM-III-R und in der ICD-10 für dieses Störungsbild verwendet oder für Alpträume, die nicht zum Erwachen führen.

Die entscheidenden Kriterien für Alpträume sind:

Ein Alptraum führt häufig zum Erwachen.

Nach dem Erwachen besteht eine sehr detaillierte Erinnerung an den Trauminhalt.

Das Erleben des Alptraums führt zu massiver Angst, Schuldgefühlen, Trauer oder einer Beeinträchtigung des psychischen Wohlbefindens.

Der Inhalt eines Alptraums handelt in der Regel von der Bedrohung des eigenen Lebens oder des Lebens nahestehender Personen, der Sicherheit oder der Selbstachtung durch Angriff, Verfolgung oder sonstige Formen der Ausübung körperlicher Gewalt, dem Erleben von Hilflosigkeit durch körperliche oder psychische Gewalt oder dem Beifügen von Gewalt oder Schädigung an anderen Personen durch den Träumenden selbst. Die Bedrohung kann dabei von Menschen, aber auch von Tieren oder fiktiven Wesen (Monstern) ausgehen. Alpträume bei Kindern beinhalten fast immer eine konkrete Gefahr für das Kind.

Alpträume treten in der Regel im letzten Drittel des Nachtschlafs auf. Dieser Schlaf zeichnet sich durch das Vorherrschen von langen REM-Schlaf-Episoden (Rapid-Eye-Movement-Schlaf) aus (Rechtschaffen & Kales, 1968), was bedeutet, dass es sich bei Alpträumen um ein Phänomen des REM-Schlafs handelt. Auch wenn bekannt ist, dass in allen Schlafphasen geträumt wird, so besteht für Träume in REM-Phasen eine besonders hohe Traumerinnerung und eine leichte Erweckbarkeit, da während des REM-Schlafs das Gehirn, im Gegensatz zum Non-REM-Schlaf, sehr aktiviert ist (paradoxer Schlaf). Der Non-REM-Schlaf besteht aus drei Schlafstadien (Schlafstadien N1 bis N3), wobei das Schlafstadium 3 als Tiefschlaf bezeichnet wird (American Academy of Sleep Medicine, 2008). Der Tiefschlaf tritt überwiegend in der ersten Hälfte der Nacht auf. Da idiopathische Alpträume vorwiegend im REM-Schlaf auftreten, liegt die Annahme nahe, dass ein vermehrtes Auftreten von REM-Schlaf mit einem gehäuften Auftreten von Alpträumen einhergeht. Diese Annahme wird gestützt durch die Beobachtung, dass Kinder, die über mehr REM-Schlaf verfügen, auch häufiger Alpträume haben und auch bei Erwachsenen eine erhöhte REM-Dichte des Schlafs, wie sie etwa bei depressiven oder künstlerisch und geistig tätigen Personen zu finden ist, mit einer erhöhten Alptraumfrequenz einhergeht. Allerdings wäre es zu vereinfacht, hier eine monokausale, lineare Funktion anzunehmen, da das Auftreten von Alpträumen natürlich durch viele anderen Faktoren neben der REM-Schlaf-Dichte mitbestimmt wird. Allerdings unterscheiden sich posttraumatische Wiederholungen von den idiopathischen Alpträumen (siehe Kapitel 1.2.1) darin, dass sie in früheren REM-Stadien oder sogar im Non-REM-Schlaf auftreten können (Davis, 2009; Schredl, 2008).

1.2  Erscheinungsformen und Inhalte von Alpträumen

1.2.1  Erscheinungsformen von Alpträumen

Die Erscheinungsform von Alpträumen lässt sich nach verschiedenen Gesichtspunkten klassifizieren. Grundsätzlich ist zwischen den bereits genannten idiopathischen und posttraumatischen Alpträumen zu unterscheiden. Hinsichtlich der Auftretenshäufigkeit von Alpträumen wird zwischen dem gelegentlichen und dem häufigen Auftreten von Alpträumen unterschieden. Dabei wird die Auftretenshäufigkeit in der Regel retrospektiv eingeschätzt. Hinsichtlich der Dauer des Auftretens der Alpträume, also der Chronizität, wird zwischen akuten, subakuten und andauernden Alpträumen unterschieden. Als weiteres Merkmal neben Häufigkeit und Störungsdauer lässt sich noch die Alptraumschwere oder -intensität nennen. Diese wird im Allgemeinen über die Häufigkeit des Auftretens von Alpträumen operationalisiert (vgl. Kapitel 1.4). Es ist aber empirisch eindeutig gesichert, dass die Alptraumschwere und der daraus resultierende Leidensdruck mit der Alptraumhäufigkeit nur schwach korreliert ist. Die erlebte Alptraumintensität scheint viel eher mit Persönlichkeitsmerkmalen in Zusammenhang zu stehen (vgl. Kapitel 2). Schließlich kann die Erscheinungsform von Alpträumen hinsichtlich des Kontextes ihres Auftretens unterschieden werden: Alpträume können isoliert auftreten oder zusammen mit anderen psychischen oder somatischen Störungen (idiopathische Alpträume) oder als wiederkehrende Alpträume (posttraumatische Wiederholungen, posttraumatische Alpträume) im Rahmen von Traumafolgestörungen.

Von idiopathischen Alpträumen sprechen wir, wenn das betroffene Kind oder die/der Jugendliche unter Alpträumen leidet, diese durchaus auch häufig auftreten können, aber sonst keine weiteren psychischen oder körperlichen Störungen vorhanden sind, die das Auftreten der Alpträume erklären könnten. Die betreffenden Personen können im Allgemeinen in ihren |13|sozialen, schulischen oder anderen wichtigen Funktionsbereichen beeinträchtigt sein, haben aber sehr oft Angst vor dem Einschlafen, weil sie befürchten, es könnte wieder ein Alptraum auftreten. Charakteristisch bei Kindern sind Träume, in denen das Kind gejagt, gehänselt, geschlagen oder ermordet wird. Zudem können in ihren Träumen Monster, Geister, wilde Tiere oder böse Individuen („schwarzer Mann“) auftreten. Die Betroffenen haben jedoch keine weitere klinisch relevante Störung, die im Alptraum auftretende Bedrohung nie als tatsächliches Trauma erlebt und sind nicht überdurchschnittlich im sozialen oder schulischen Bereich belastet. Nachfolgend ist ein Beispiel für einen typischen Verfolgungstraum eines 9-jährigen Jungen geschildert (vgl. auch Fallbericht in Kapitel 13.2).

Fallbeispiel: Oskar

Oskar, ein 9-jähriger Junge, begibt sich primär wegen wiederkehrender Alpträume in Behandlung. Die Träume zögen zum Teil Ängste vor dem Schlafen sowie Vermeidungsverhalten (im konkreten Fall von Toilettenräumen) nach sich. Das Screening auf komorbide Störungen ergibt den Verdacht auf eine Aktivitäts- und Aufmerksamkeitsstörung, die für die Alpträume zunächst weniger von Belang zu sein scheint. Oskar berichtet, dass er verschiedene Alpträume habe, in der Regel gehe es aber darum, dass er erschreckt oder angegriffen werde. Ein typischer und sehr eindrucksvoller Traum sei gewesen, dass er in einem Toilettenraum in einer Jugendherberge gewesen sei, die er mit der Schule besucht hätte. Er befinde sich in dem Traum in diesem Toilettenraum, es sei sehr dunkel. Vor ihm tauche eine Hexe auf. Auch hinter ihm seien Hexen, die würde er aber nur als Schemen sehen und am Geruch erkennen – sie würden eine Dunstwolke verbreiten. Diese Hexen würde Oskar aus einem Buch (Düsterwald) kennen und beschreibt umfangreich Teile der Handlung sowie weitere, noch gruseligere Figuren, die im Traum aufgetreten seien. Die Hexen hätten ihm aufgelauert, sie seien sehr mächtig und er allein habe gegen sie keine Chance.

Alpträume treten oft auch zusammen mit anderen psychischen Störungen auf, etwa Angststörungen oder Depressionen. Sind sie eine direkte Folge dieser anderen Störungen, so können sie als ein Symptom dieser betrachtet werden und werden in der Regel nicht eigenständig klassifiziert, außer die Alpträume würden ein zusätzliches Leiden verursachen, das über das Leiden oder die Belastung der komorbiden Störung hinausgeht. In den Alpträumen von Patientinnen und Patienten mit anderen psychischen Störungen spiegelt sich oft das zentrale Thema dieser anderen Störung wider. Bei Personen mit phobischen Ängsten ist häufig das phobische Objekt oder die phobische Situation Gegenstand des Alptraums. Depressive Patientinnen und Patienten berichten davon, dass in ihren Alpträumen das Thema Tod und Sterben sehr zentral ist, dass sie sich schuldig machen und schuldig fühlen am Leid oder Schicksal anderer. Ein charakteristischer Traum eines 16-jährigen Mädchens mit Verlusterlebnissen und Trauer in dem Verlust, Hilflosigkeit und Tod dominieren, ist nachfolgend kurz beschrieben (vgl. Fallbericht in Kapitel 13.3).

Fallbeispiel: Kira

Kira ist 16 Jahre alt und leidet neben einer Anorexia nervosa unter einer depressiven Störung mit suizidalen Krisen, selbstverletzendem Verhalten und Alpträumen. Die Lebenssituation von Kira ist geprägt durch die Krebserkrankung ihres Vaters, die ausbrach, als sie 13 Jahre alt war, sowie durch die schwere Erkrankung ihres Ponys. Sie habe schon immer unter Verlustängsten gelitten, durch die aktuelle Situation sind drohende Verluste ausgesprochen real. In einem für sie typischen Alptraum war sie in einem kleinen Dorf und der Traum spielte während des Zweiten Weltkriegs. Sie war dort mit ihrer Familie in einem Haus und als sie das Haus verließ, habe sie Flugzeuge gesehen, die Bomben abgeworfen hätten. Eine Bombe sei in das Haus gefallen. Sie habe den Knall gehört, als die Bombe in das Haus fiel, die Stimmen und Schreie ihrer Eltern und Geschwister, die bei dem Bombenangriff alle getötet worden seien. Sie habe sich gefragt, ob ihre komplette Familie jetzt tot sei und ob sie als Einzige überlebt habe. Das habe ihr im Traum furchtbare Angst, Trauer und Verzweiflung bereitet und sie habe sich daraufhin nur noch irgendwo versteckt.

Auch im Zusammenhang mit körperlichen Erkrankungen können Alpträume häufig auftreten. So ist es allgemein bekannt, dass z. B. unter Fieber sehr häufig Alpträume auftreten (Fieberträume). Aber auch nach großen oder schweren Operationen werden vermehrt Alpträume berichtet. Ebenso treten oft vor und auch nach einer großen Operation (z. B. Organtransplantation) gehäuft Alpträume auf, in denen sich vermutlich die Sorge um den Erfolg der Operation und die eigene Gesundheit widerspiegelt. Ebenso können Drogen oder Medikamente zum Auftreten von Alpträumen führen, wie z. B. Amphetamine, Kokain, selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer oder Beta-Blocker (vgl. Kapitel 2). Alle diese genannten Faktoren |14|dürften aber bei Kindern und Jugendlichen zum Glück selten die Ursachen von Alpträumen sein.

Schließlich und häufig finden sich Alpträume bei Patientinnen und Patienten mit Traumafolgestörungen, wo die Alpträume zu einem wesentlichen Kriterium der Störung selbst zählen (nach ICD-10 und DSM-5). Im Rahmen einer PTBS können zwei Formen von posttraumatischen Alpträumen auftreten: Posttraumatische Wiederholungen, in denen das erlebte Trauma immer wieder in gleicher Weise geträumt wird (vgl. Fallbeispiel in Kapitel 12); ähnlich wie dies in den Flashbacks der PTBS geschieht. Andererseits können posttraumatische Alpträume den traumatischen Inhalt zwar als Grundmotiv haben, dieses tritt aber in variierender Form in den Träumen auf. Zum Beispiel träumt ein Kind, das einen Verkehrsunfall mit dem Fahrrad hatte, bei dem es von einem Auto angefahren wurde, von Unfällen mit Autos, jedoch in der Form, dass es als Fußgänger von Autos angefahren wird. Ein typischer Traum einer jugendlichen Patientin, in dem sie ihre Traumatisierung immer wieder erlebte, ist in dem nachfolgenden Beispiel geschildert (vgl. Fallbeispiel in Kapitel 12).

Fallbeispiel: Katharina

Katharina wurde in der Schule von ihrem Lehrer sexuell missbraucht. Im Traum erlebt sie immer wieder die Situation, damals in der 7. Klasse, als sie mit ihrem Lehrer während einer großen Pause allein im Klassenzimmer war. Sie sieht genau die Situation, das Klassenzimmer, wie die Tische in U-Form aufgestellt sind und die großen Fenster mit Vorhängen, die der Lehrer zugezogen hat. Der Lehrer sei dann auf sie zugekommen, habe sie zuerst komisch angeguckt und dann angefangen, sie auszuziehen und danach habe er sich an ihr vergangen.

1.2.2  Inhalte von Alpträumen

Die ältere Bezeichnung Angstträume für die Alpträume lässt schon klar erkennen, dass Angst ein wesentlicher Affekt während der Alpträume ist, sodass angstauslösende Themen einen zentralen Inhalt von Alpträumen darstellen. Allerdings sind angstauslösende Situationen nur ein – wenn auch ein sehr wichtiges – Motiv, das in Alpträumen auftreten kann. Daneben können auch Themen, die zu intensiver Schuld, Verzweiflung, Ekel, Scham, Trauer oder Ärger führen, Gegenstand von Alpträumen sein (Mindell, 1996; Rose, Perlis & Kaszniak, 1992). Obwohl in Alpträumen häufig das eigene Leben oder das eigene Ich bedroht sind, treten oft auch Alpträume auf, in denen der oder die Träumende Zeuge von Gewalt oder Aggressionen gegen andere wird (Schredl, 2008) oder selbst Verursacher dieser Aggression ist (Mathes et al., 2018).

Was unterscheidet den Inhalt von Alpträumen vom Inhalt „normaler“, also nicht als Alpträume eingeschätzter Träume? Das wesentliche (psychologische) Moment der Alpträume, das sie von anderen Träumen unterscheidet, ist die erlebte Bedrohung der Person, des Selbstkonzepts oder der Identität des Träumenden (McNamara, 2008). Dies äußert sich aber nicht nur in den berichteten Inhalten, sondern auch in dem sprachlichen Report der Alpträume. So ist etwa die Anzahl der Worte, mit denen Alpträume berichtet werden, um etwa ein Drittel geringer als bei anderen Träumen. Auch dürfte es nicht überraschend sein, dass die Berichte über Alpträume in kürzeren Sätzen erfolgen, deutlich seltener als Frage formuliert sind, deutlich mehr negative Emotionen und weniger positive Emotionen beinhalten, häufiger im Präsens berichtet werden und mehr körperliche Zustände benennen als die Traumberichte anderer Träume.

Auch wenn die Inhalte von Alpträumen sehr verschiedenartig sind, so lassen sie sich doch bestimmten Bereichen zuordnen. Studien zu den Inhalten von Alpträumen kommen übereinstimmend zu dem Schluss, dass die häufigsten Alptraumthemen Verfolgung, der Tod anderer, der eigene Tod, Fallen, eigene Verletzungen, furchterregende Personen und furchterregende Monster sind (Schredl, 2007, 2008). Bei Kindern sind die Inhalte von Alpträumen oft relativ ähnlich (Mindell, 1996) und beinhalten fast immer eine konkrete Gefahr für das Kind. Sie handeln typischerweise von Verfolgung, Bloßstellung, dem Erleiden von Schlägen oder körperlicher Gewalt bis hin zur Ermordung. Sehr häufig sind auch Alpträume, in denen Monster, Geister, wilder Tiere, übernatürliche Kreaturen oder bösgesonnene Menschen vorkommen (Bhargava, 2011; Leung & Robson, 1993).

Damit unterscheiden sich Alpträume nicht nur in den eigentlichen inhaltlichen Themen von Nicht-Alpträumen, sondern auch in differenzierteren inhaltlichen Aspekten. Hall und van de Castle (1966) haben Normen zur Inhaltsanalyse von Träumen vorgelegt. Entsprechend dieser Normen kommen in Alpträumen im Vergleich zu anderen Träumen signifikant häufiger Männer vor, die auftretenden Personen sind seltener bekannte oder vertraute Personen, sehr selten sogar tatsächliche Freunde, die sozialen Interaktionen sind häufiger durch Aggression und Feindseligkeit gekennzeichnet. Diese Merkmale kommen dadurch zustande, dass in Alpträumen häufig Aggressoren auf|15|treten, die männlichen Geschlechts sind, diese sind oft auch nicht menschliche Kreaturen. Bei den von Hall und van de Castle (1966) aufgeführten großen Traumthemen (Aggression, Freundlichkeit, Sexualität, Unglück, Glück, Erfolg, Versagen und Anstrengung, ein bestimmtes Ziel zu erreichen) unterscheiden sich die Alpträume von anderen Träumen im Sinne signifikant erhöhter Aggressivität, Sexualität, erhöhten Unglücks, Erfolgs (durch aggressive Akte), Versagen und Anstrengung, ein bestimmtes Ziel zu erreichen (McNamara, 2008).

Eine besondere Form der aggressiven Akte in Alpträumen stellen die so genannten Täteralpträume dar. Während in den meisten Alpträumen die träumende Person das Opfer der gewalttätigen und aggressiven Akte ist, wird sie in den Täteralpträumen selbst zum Aggressor und verletzt, beleidigt oder tötet andere Personen im Traum (Mathes et al., 2018). Täteralpträume sind bei Erwachsenen gar nicht so selten und machen etwa 18 Prozent der Alpträume von Menschen aus, die häufig unter Alpträumen leiden (Mathes et al., 2018). Es ist naheliegend, dass das Erleben der eigenen Person als Täterin oder Täter in einem Traum zu einer besonderen Belastung führen kann. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist aber noch nicht bekannt, ob Täteralpträume auch bei Kindern und Jugendlichen auftreten und wie häufig sie in diesem Fall vorkommen.

1.3  Epidemiologie und Verlauf

Die epidemiologischen Angaben über die Prävalenz von Alpträumen in der Bevölkerung variieren je nach Untersuchung. Spoormaker, Schredl und van den Bout (2006) kommen nach einer Übersicht über Studien zur Prävalenz der Alpträume zu dem Resultat, dass die Prävalenzraten für die erwachsene Allgemeinbevölkerung zwischen 1 und 8 Prozent liegen. Eine mittlere Prävalenzrate von 5 Prozent für das wiederholte Auftreten von Alpträumen bei Erwachsenen scheint ein sehr realistischer Wert für die Allgemeinbevölkerung zu sein und wurde mehrfach in verschiedenen Ländern repliziert (Bixler, Kales, Soldatos, Kales & Healey, 1979; Janson et al., 1995; Ohayon, Morselli & Guilleminault, 1997). Bei klinischen Stichproben, beispielsweise bei Patientinnen und Patienten mit Substanzmissbrauch, einer Borderline-Persönlichkeitsstörung oder einer Störung aus dem schizophrenen Formenkreis sind die Prävalenzraten weit höher (Krakow & Zadra, 2006). Trotz der nicht geringen Prävalenzraten ist die Rate derer, die wegen ihrer Alpträume Hilfe suchen, gering (Schredl & Göritz, 2014; Thünker, Norpoth, von Aspern, Özcan & Pietrowsky, 2014).

Die Häufigkeit berichteter Alpträume ist bei Kindern sehr hoch und geht nach der Pubertät und Adoleszenz deutlich zurück. Bei Kindern und Jugendlichen gehören Alpträume zum Reifungsprozess dazu (Krakow, Sandoval et al., 2001) und gelten daher zunächst nicht als pathologisch, außer sie würden bestimmte Kriterien erfüllen (vgl. Kapitel 1.1 und 3). Retrospektiv geben 70 bis 90 Prozent aller jungen Erwachsenen an, sich an Alpträume in ihrer Kindheit zu erinnern. Die Prävalenz von Alpträumen ist bei Kindern zwischen sechs und zehn Jahren am höchsten und liegt zwischen 33 und 55 Prozent, wovon 2 bis 5 Prozent unter wiederkehrenden Alpträumen leiden (Schlarb, 2019). Insgesamt leiden Mädchen (4 bis 11 Prozent) häufiger unter Alpträumen als Jungen (3 bis 7 Prozent; Schlarb, 2019; Schredl & Pallmer, 1998). Im Erwachsenenalter nimmt die Alptraumhäufigkeit mit zunehmendem Lebensalter weiter ab (Schredl, 1999) und im hohen Erwachsenenalter treten Alpträume bei ansonsten gesunden Personen selten auf.

Im Erwachsenenalter hat die berufliche Tätigkeit insofern Einfluss auf die Alptraumhäufigkeit, als Alpträume etwa von Studierenden signifikant häufiger berichtet werden als von gleichaltrigen Nichtstudierenden (Levin, 1994). Ebenso berichten Personen, die künstlerisch oder kreativ tätig sind, mehr Alpträume als Menschen, die das nicht sind. So haben beispielsweise Kunststudierende mehr Alpträume als Studierende einer naturwissenschaftlichen Fachrichtung (Belicki & Belicki, 1982). Es scheint jedoch so zu sein, dass nicht die Berufstätigkeit an sich einen Einfluss auf die Alptraumhäufigkeit nimmt, sondern dass dieser Effekt durch Persönlichkeitsfaktoren bestimmt wird, wie etwa Kreativität oder die sogenannten „dünnen Grenzen“. Vermutlich gehen Personen mit einer bestimmten Persönlichkeitsstruktur auch eher bestimmten Berufen nach. Auf die Rolle der Persönlichkeitsfaktoren für die Alptraumentstehung und die Alptraumhäufigkeit werden wir gesondert eingehen (vgl. Kapitel 2).

Der Verlauf des Auftretens der Alpträume ist dadurch gekennzeichnet, dass sie in mehr als der Hälfte der Fälle vor dem 10. Lebensjahr beginnen, in mehr als zwei Drittel der Fälle vor dem 20. Lebensjahr. Der Verlauf der Alpträume im Kindesalter ist meist günstig und es bestehen in der Regel keine zusätzlichen psychopathologischen Auffälligkeiten. Alpträume stellen in der Regel eine normale Phase emotionaler Entwicklung dar. Ein erstmaliges Auftreten von Alpträumen im Erwachsenenalter ist eher die Ausnahme. |16|Daher nimmt der Verlauf von Alpträumen über die Lebensspanne hin ab.

Dies scheint vor allem für die gelegentlichen Alpträume (weniger als zwölf Alpträume pro Jahr) zuzutreffen. Häufige Alpträume (mehr als zwölf Alpträume pro Jahr) hingegen persistieren eher über einen längeren Zeitraum. Betroffene berichten oft darüber, dass häufige Alpträume über Jahre und Jahrzehnte bestehen bleiben und die Alptraumhäufigkeit oft sogar noch zunimmt. Häufigkeit und Verlauf der Alpträume sind sehr individuell. Manchmal wird über mehrere Alpträume pro Woche oder gar pro Nacht berichtet, manchmal treten Alpträume über mehrere Wochen oder Monate gar nicht mehr auf. In der psychotherapeutischen Praxis dürften akute Alpträume (Störungsdauer weniger als ein Monat) kaum zu beobachten sein, da oft erst ihre Chronifizierung oder die mit den Alpträumen dann auftretenden familiären oder schulischen Belastungen zu einem Leidensdruck führen, der die Betroffenen bzw. ihre Eltern eine Therapie aufsuchen lässt.

1.4  Klassifikation

Alpträume werden gemäß der gängigen Klassifikationssysteme den Parasomnien zugerechnet, also zu jenen Formen der Schlafstörungen, bei denen nicht eine Störung der Schlafmenge oder des Schlaf-Wach-Rhythmus im Vordergrund steht, sondern eine Störung der Schlafqualität durch im Schlaf auftretende Ereignisse. In der ICD-11 werden sie im Kapitel 07 „Schlaf-Wach-Störungen“ unter „Parasomnien“ im Unterkapitel 7B01 „Parasomnien im REM-Schlaf“ klassifiziert und mit der Nummer 7B01.2 als „Albtraumstörung“ kodiert (Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte, 2023). Im DSM-5 finden sich die Alpträume im Kapitel „Schlaf-Wach-Störungen“ in dem Unterkapitel „Parasomnien“, zusammen mit den Non-REM-Parasomnien und der REM-Schlaf-Verhaltensstörung als Alptraum-Störung (American Psychiatric Association [APA], 2013, 2015). Im DSM-5 wird der Alptraum-Störung der ICD-10-Code F51.5 zugeordnet. Da zum Zeitpunkt der Drucklegung dieses Buches die ICD-11-Kriterien für die Alptraum-Störung noch nicht publiziert waren, werden im Folgenden noch die Kriterien der ICD-10 (Dilling et al., 1992) berichtet. Die diagnostischen Kriterien der Alpträume unterscheiden sich zwischen der ICD-10 und dem DSM-5 geringfügig. In den neueren Klassifikationssystemen (z. B. DSM-5) ist im Gegensatz zu früheren Versionen das Erwachen aus einem Alptraum nicht mehr als Diagnosekriterium genannt.

Gemäß ICD-10 und DSM-5 ist es nicht der einzelne Alptraum, der als Störung klassifiziert wird. Erst das wiederholte Auftreten von Alpträumen, das mit Beeinträchtigungen und Leiden verbunden ist, macht die Störung aus. In den Diagnosekriterien (vgl. Tab. 1) wird darauf verwiesen, dass die Alpträume, um als solche klassifiziert zu werden, nicht ausschließlich die Folge einer anderen psychischen Störung oder körperlichen Erkrankung sein dürfen. Dieses Kriterium ändert aber nichts daran, dass beispielsweise die im Rahmen einer Posttraumatischen Belastungsstörung auftretenden Alpträume (posttraumatische Wiederholungen) Alpträume sind, auch wenn in diesem Fall die übergeordnete Störung, also die PTBS, klassifiziert wird. Das Gleiche gilt für die vermutete Verursachung der Alpträume durch die Wirkung einer Substanz oder eines medizinischen Krankheitsfaktors: Auch hier handelt es sich seitens des Erlebens der Alpträume und ihrer Konsequenzen um „echte“ Alpträume, allerdings werden sie, da die Verursachung klar auf medizinische Faktoren oder eine Substanz zurückführbar ist, unter diesen Störungen oder Krankheitsbildern klassifiziert. Ungeachtet dessen, ob Alpträume die Folge einer anderen Störung sind oder nicht, kann eine Behandlung dieser indiziert sein.

Das DSM-5 gibt zudem an, dass die Chronifizierung und der Schweregrad der Alptraum-Störung bestimmt werden sollten. Dies erfolgt nach den in Tabelle 2 genannten Kriterien. Ferner weisen ICD-10 und DSM-5 zu Recht auf die Bedeutsamkeit der durch die Alpträume und die daraus folgende Schlafstörung verursachten Leidens hin. Es ist bekannt, dass das angstvolle Traumerleben auch zu vermehrter und fortgesetzter Besorgnis, Grübeleien und existenziellen Ängsten führen kann, die ihrerseits einen starken (zusätzlichen) Leidensdruck verursachen können. Besonders bei Kindern können die Belastungen infolge von Alpträumen enorm sein. Nicht selten treten starke Beeinträchtigungen der Stimmung, des Wohlbefindens, der Konzentration oder der schulischen Leistungsfähigkeit auf. Entweder sind dies direkte Folgen der emotionalen Belastung durch die Trauminhalte oder es sind indirekte Folgen einer verminderten Schlafqualität oder -quantität aufgrund von Schlafangst. In besonderem Maße können Alpträume bei Kindern auch eine Belastung für die Eltern darstellen, da die Schlafprobleme des Kindes ein erheblicher Stressor für die Familien sein können (Bhargava, 2011). Auch Schlarb (2019) berichtet, dass sich die Schlafprobleme nicht nur auf die |17|betroffenen Kinder und Jugendlichen auswirken können, sondern auch die psychische Belastung für die ganze Familie dadurch ansteigt und deren Lebensqualität reduziert wird. Darunter kann auch die Beziehung zwischen Kind und Bezugsperson leiden. Insbesondere bei jüngeren Kindern, die noch nicht deutlich zwischen Traum und Wirklichkeit differenzieren können, spielen die Inhalte der Alpträume eine bedeutende Rolle. Sie befürchten häufig, die in den Träumen aufgetretenen Ereignisse (z. B. Tod eines Elternteils, Angriff durch Monster) würden sich tatsächlich bewahrheiten.

Tabelle 1:  Diagnostische Kriterien für Alpträume nach ICD-10 (Dilling et al., 1992) bzw. DSM-5 (APA, 2015)

ICD-10

DSM-51

Aufwachen aus dem Nachtschlaf oder nach kurzem Schlafen mit detaillierter und lebhafter Erinnerung an heftige Angstträume, meistens mit Bedrohung des Lebens, der Sicherheit oder des Selbstwertgefühls. Das Aufwachen erfolgt dazu zeitunabhängig, typischerweise aber während der zweiten Hälfte des Nachtschlafes.

Wiederholtes Auftreten von ausgedehnten, extrem dysphorischen und gut erinnerten Träumen, die üblicherweise Bemühungen enthalten, Bedrohungen des Überlebens, der Sicherheit oder der körperlichen Integrität zu vermeiden, und die meist in der zweiten Hälfte der Schlafperiode stattfinden.

Nach dem Aufwachen aus ängstigenden Träumen wird die betroffene Person rasch orientiert und munter.

B.

Beim Erwachen aus den dysphorischen Träumen sind die Betroffenen schnell orientiert und alert.

Das Traumerlebnis und die Schlafstörung, die aus dem Aufwachen in Verbindung mit diesen Episoden resultiert, verursachen einen deutlichen Leidensdruck.

C.

Die Schlafstörung verursacht in klinisch bedeutsamer Weise Leiden oder Beeinträchtigungen in sozialen, beruflichen oder anderen wichtigen Funktionsbereichen.

D.

Die Alpträume sind nicht Folge der physiologischen Wirkung einer Substanz (z. B. Substanz mit Missbrauchspotenzial, Medikament).

E.

Gleichzeitig bestehende psychische Störungen oder körperliche Erkrankungen können die vorherrschenden Beschwerden dysphorischer Träume nicht erklären.

Tabelle 2:  Einteilung der Alpträume nach Schweregrad (definiert über die Auftretenshäufigkeit) und Störungsdauer nach DSM-5 (APA, 2015)

Schweregrad

Störungsdauer

leicht

im Mittel weniger als ein Alptraum pro Woche

akut

Alpträume seit weniger als einem Monat

mittel

ein oder mehrere Alpträume pro Woche, aber nicht jede Nacht

subakut

Alpträume seit weniger als sechs Monaten