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Theodor und Emilie Fontane sind im September 1873 auf dem Weg nach Gut Wustrau. Während sich beide über den Ruppiner See rudern lassen, ertönt in der Stille des Spätsommertages ein Schuss. Hat die Jagdsaison begonnen? Beim Souper ereilt Graf von Zieten-Schwerin die Nachricht, dass im Forst von Altfriesack ein Toter liegt - im Abendanzug, die Pistole neben sich. Es ist der in den Gründerjahren zu Reichtum gekommene Baulöwe Schwartz aus Berlin. Fontane zweifelt an der Selbstmordthese des märkischen Amtsgerichtsrats und beginnt, sehr zum Leidwesen Emilies, selbst zu ermitteln ... Weitere Fontane-Krimis in der Reihe: "Hundstage. Theodor Fontane und der Tote im Walzwerk", "Schneegestöber. Theodor Fontane und der Brudermord", "Nachsaison. Fontane und die Bettler von Neapel"
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Seitenzahl: 277
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Frank Goyke
Theodor Fontanes erster Fall
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
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ebook im be.bra verlag, 2015
© der Originalausgabe:
berlin.krimi.verlag im be.bra verlag GmbH
Berlin-Brandenburg, 2015
KulturBrauerei Haus 2
Schönhauser Allee 37, 10435 Berlin
Lektorat: Gabriele Dietz, Berlin
Umschlag: Ansichtssache, Berlin, unter Verwendung eines Gemäldes von Matthias Koeppel, »Spandauer Zitadelle«, 1983, akg-images, Berlin, Abbildung einer Kavalleriepistole aus dem Jahr 1850
(Kunsthandel Seidel u. Sohn KG, Berlin)
ISBN 978-3-8393-6145-0 (epub)
ISBN 978-3-89809-511-2 (print)
www.bebraverlag.de
Kriminalkommissar Aschinger
Major von Blohm, Herr auf Gnewikow
Wilhelm Briese, Schneidermeister
Melchior Briese, Schneider, sein Sohn
Theodor Fontane, Schriftsteller
Emilie Fontane, seine Frau
Theodor, Mete und Friedrich Fontane, ihre Kinder
Eduard Frölich, Amtsgerichtsrat in Neuruppin
Leutnant Graf Gensfleisch, ein ostpreußischer Junker
Anton und Werner Kaschke, Zwillingsbrüder und Fassadenkletterer
Emil und Margarethe Kaschke, ihre Eltern, Bauern in Buch
Doktor Friedrich Kölling, Arzt in Neuruppin
Heinrich Loewe, Landrat von Neuruppin
Adolph Menzel, Maler
Wolf Reuchlin, Schränker
Gotthelf Schadewald, sein Komplize
Friedrich Georg Schwartz von Blohm, Bau-Entrepreneur
Antonia Schwartz von Blohm, seine Frau
Königlich Preußischer Generalmajor Heinrich von Schweinitz
Martha Tassel, ein Hausmädchen
Rudolf Virchow, Mediziner und Berliner Stadtverordneter
Kriminalkommissar Völker, Politische Abteilung
Geheimer Regierungsrat Hermann Freiherr von Wangenheim, ein Freund
Marie von Wangenheim, dessen Frau
Kriminalschutzmann Wittlich
Graf Albert Julius von Zieten-Schwerin und Gattin
Dem See war nicht anzusehen, wozu er fähig war. Trotz der Windstille war die Wasserfläche keineswegs spiegelglatt, sondern von Kräuselwellen bedeckt, über deren Ursprung es keinen Zweifel geben konnte: Der See lebte. Es bedurfte keines Windes, nicht einmal einer Brise, um ihn in Bewegung zu halten.
Der Mann, der auf der Rückbank des Ruderbootes saß, kannte den See seit seiner Kindheit, und er hatte ihn schon ganz anders erlebt.
Wenn im Frühjahr oder im Herbst Stürme eine Hetzjagd veranstalteten und an den Baum kronen zerrten wie ein Dorfpfarrer an den Haaren einer ungehorsamen Konfirmandin, verwandelte sich das jetzt harmlos erscheinende Wasser in eine Tollwütige. Es nahm dann das Aussehen von nachgedunkeltem Silber an, eine Spiegelung der bleischwarzen und tief hängenden Wolken, die es eilig hatten, dem Sturm zu entkommen. Hohe Wellen schlugen an die Ufer, und ein Kahn wie derjenige, in dem sich die Be sucher über den See rudern ließen, war verloren.
An solchen Tagen blieben die Fischer in ihren Hütten und wussten namentlich im Frühjahr nichts zu tun: Die Netze hatten sie bereits während der Wintermonate geflickt, der Holzvorrat genügte noch, bis endgültig die warme Jahreszeit anbrach, und das wenige Vieh, das sie hielten, weil die Fischerei allein sie nicht ernährte, wurde von der Frau und den Kindern versorgt. In diesen Mußestunden entstanden Geschichten. Sagen und Legenden wurden erzählt, die um den See und um die Menschen kreisten, die an seinen Ufern lebten.
Der Mann, der immer nur Schriftsteller hatte sein wollen, auch wenn ihn die Brotarbeit davon abhielt, liebte diese Überlieferungen und sammelte sie in seinem Gedächtnis und in seinen Notizen. Für ihn enthielten sie mehr Poesie als das hohle Gedröhn der Hofdichter und Publikumsliteraten.
Der Mann seufzte. Er war nicht allein in dem Boot, sondern wurde von seiner Frau begleitet. Sie saß neben ihm auf der Rückbank und ergriff nun mit beiden Händen seine Linke, schwieg aber, weil sie den Grund seines Seufzens zu kennen glaubte.
Der Mann hob den Blick und schaute dem Ruderknecht in das zerfurchte Gesicht. Fährmann Stoltze überquerte den Ruppiner See nun schon seit Jahrzehnten mit zahlenden Passagieren; man war beinahe geneigt zu sagen: seit der Vorzeit. Unter seiner Krone aus weißem Haar sah Stoltze unsterblich wie ein Gott aus – als brächte er nicht nur Leute von Neuruppin nach Wustrau, sondern vom Leben zum Tode, Rückfahrt ausgeschlossen.
»Na, Stoltze«, der Mann beugte sich ein wenig vor, »was halten Sie denn von diesem Herbst?«
»Tja«, erwiderte der Ruderer gedehnt. »Na ja, Herr Fontane. Über die Jahre …«
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