Amakusa Shiro - Gottes Samurai - Roland Habersetzer - E-Book

Amakusa Shiro - Gottes Samurai E-Book

Roland Habersetzer

4,3

Beschreibung

Zu Beginn des 17. Jahrhunderts gab es in Japan etwa 300000 Christen, unter ihnen mehrere daimyô. Doch das Tokugawa-Shôgunat, das seit 1603 Japan beherrschte, verbot die Ausübung der fremden Religion. Vor allem der dritte Shôgun der Dynastie, Tokugawa Iemitsu, sah darin eine Bedrohung für die ursprüngliche Kultur des Landes und nicht zuletzt auch für seine Herrschaft. Auf seinen Befehl wurden japanische Christen zu Zehntausenden gefoltert und hingerichtet. Besonders im Süden des Landes, wo die meisten Christen lebten, wurden die Lebensverhältnisse unerträglich. Doch im Geheimen wuchs der Widerstand gegen die Schreckensherrschaft. In seinem Zentrum standen fünf Rônin, die einen Aufstand planten. Als Anführer wählten sie einen 17-jährigen Jüngling, Shirô, von dem es hieß, er sei ein Gesandter des Himmels, ein neuer Messias. Ende 1637 brach der Aufstand aus und entwickelte sich rasch zur einer der größten Rebellionen, die das Reich der aufgehenden Sonne je erlebte. Zehntausende Bauern, Samurai und Rônin kämpften, beseelt von der Kraft ihres Glaubens, gegen die Macht des Shôgunats. Der französische Kampfkunstmeister Roland Habersetzer schildert in diesem Roman auf außerordentlich spannende und lebendige Weise sowie mit großer historischer Genauigkeit den Aufstand der Christen von Shimabara.

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Roland Habersetzer

Amakusa Shirō – Gottes Samurai

Der Aufstand von Shimabara

Historischer Roman

Aus dem Französischen von Frank Elstner

Palisander

Der Verlag dankt Dr.Janett Kühnert, Norbert Wölfel, Dr.Sven Hensel und Jens Regner (Chemnitz) sowie Sascha Germer (Berlin) für die fachliche Unterstützung bei der Redaktion.

Deutsche Erstausgabe

1.Auflage November 2013

Titel der Originalausgabe: Amakusa Shiro, samouraï de Dieu

© 2012 by Edition Amalthée

Deutsch von Frank Elstner

© 2013 by Palisander Verlag, Chemnitz

Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotografie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Schutzumschlaggestaltung: Claudia Lieb, München

Einbandgestaltung: Claudia Lieb, München

Lektorat: Palisander Verlag

Redaktion & Layout: Palisander Verlag

1. digitale Auflage: Zeilenwert GmbH 2014

ISBN 9783938305713

Der Autor

Roland Habersetzer, Jahrgang 1942, ist seit 1957Praktizierender der Kampfkünste. Bereits 1961 erhielt er den 1.Dan und wurde so zu einem der ersten französischen »Schwarzgurte« im Karate. Zu recht wird er sowohl als Spezialist der japanischen Kampfkünste (Budō) als auch der chinesischen (Wushu) angesehen. Nachdem er verschiedene Graduierungen in Frankreich, Japan und China erhalten hatte, wurde Roland Habersetzer im April 2006 in Japan durch O-Sensei Tsuneyoshi Ogura (Schüler von Yamaguchi Gōgen und Gima Makoto) der 9.Dan, Hanshi, sowie der Titel eines Sōke (Meister-Gründer) für seinen eigenen Kampfkunststil »Tengu no michi« (Tengu ryū Karatedō, Kobudō, Hōjutsu) verliehen. Damit wurden seine außerordentlichen Bemühungen bei der Verbreitung der Kampfkünste und die hohe Effektivität seines Wirkens gewürdigt. Nicht zuletzt stellt dies auch die Legitimierung seines eigenen Konzepts der Praxis der Kampfkünste dar, des »Weges des Tengu« (»Tengu no michi«).

Im Jahre 1968 erschien Roland Habersetzers erstes populärwissenschaftliches Buch über die Kampfkünste. Heute besteht sein Werk aus nahezu 80Büchern, was ihn zum Autor der weltweit bedeutendsten Buchreihe auf diesem Gebiet werden lässt. Seine Bücher, die in mehrere Sprachen übersetzt worden sind, gelten in allen frankophonen Ländern als historisches, technisches und pädagogisches Standardwerk. Auch in vielen anderen Ländern besitzen sie hohes Ansehen.

Sein erster Roman, »Li, le Mandchou«, erschien im Jahre 1976 bei Trévise, in der Folge veröffentlichte er drei weitere Romane mit kampfkunstbezogener Handlung im renommierten französischen Verlag Pygmalion. Ein Band mit Erzählungen über berühmte Samurai und Rōnin wurden 1988 im Verlag Amphora publiziert. Er erschien 2008 in deutscher Übersetzung im Palisander Verlag.

Roland Habersetzer

Centre de Recherche Budo– Institut Tengu

(CRB-IT)

7b, rue du Looch

67530 Saint-Nabor (Frankreich)

www.tengu.fr

Es hat mir stets gefallen, eine Arbeit zu Ende zu bringen…

Ich habe immer daran geglaubt, dass Versprechen gehalten werden müssen…

Vor langer Zeit habe ich versprochen, dass ich eines Tages all den vergessenen Namen eines der stürmischsten Ereignisse, die das Land der aufgehenden Sonne erlebt hat, neues Leben verleihen würde…

Bewunderung und jugendliche Begeisterung haben mich dieses Versprechen geben lassen…

Das Leben hat mir endlich die Möglichkeit gewährt, es zu erfüllen.

Roland Habersetzer

Inhaltsverzeichnis

Cover

Titel

Impressum

Der Autor

Zitat

Vorbemerkung

Zur Geschichte

Teil I– Der Gesandte des Himmels

Teil II– Die Märtyrer

Zurück zur Geschichte

Ein gehaltenes Versprechen

Anhang

Illustrationen

Einige historische Daten zum Aufstand

Die wichtigsten historischen Persönlichkeiten

Glossar

Quellen

Weitere Bücher

Fußnoten

Vorbemerkung

Bereits in meinem Buch »Die Krieger des alten Japan« ist eine Erzählung dem Shimabara-Aufstand gewidmet, jenem sechs Monate dauernden Bürgerkrieg, der zu Beginn des 17.Jahrhunderts den Süden Japans verheerte. Ein Krieg, der das Potential hatte, das Shōgunat der Tokugawa ins Wanken zu bringen. Mit meinem Roman wollte ich mich den Personen, die darin verwickelt waren, noch weiter nähern, jenen Kriegern, Bauern und Priestern, die sich um ihren jungen charismatischen Anführer scharten, dem sie den Namen Amakusa Shirō verliehen hatten und in dem sie den Boten des Christengottes sahen. Von einigen dieser Helden sind uns die Namen noch heute bekannt, aber die meisten von ihnen bleiben für immer anonyme Akteure in einer menschlichen Tragödie seltenen Ausmaßes. Sie sollen auf den Seiten dieses Buches wieder auferstehen, mit ihrem Glauben, ihrer Kraft, ihren Schwächen, ihren Leidenschaften, ihren inneren Widersprüchen, den Versuchungen, denen sie ausgesetzt waren, ihren Siegen und Niederlagen in einem dramatischen Kampf gegen die Obrigkeit. Sie alle spielen ihre Rolle in diesem Roman, der die Ereignisse trotz gewisser literarischer Freiheiten genauso schildert, wie sie stattgefunden haben. All diese Männer und Frauen zeigten menschliche Größe in ihrem Willen, eine bessere Welt zu errichten, und sei es um den Preis des eigenen Lebens. Ihr Beispiel zeigt, welche Kraft einer Idee innewohnen kann, wenn sie die Menschen beseelt. Das mussten selbst viele der Samurai, Rōnin und Ninja anerkennen, die im Auftrag der Obrigkeit gegen sie kämpften.

Zur Geschichte

Am Ende des 16.Jahrhunderts erlebte Japan einen gewaltigen Kampf um die Herrschaft im Lande. Der junge Tokugawa Ieyasu war entschlossen, den Klan des 1598 verstorbenen Toyotomi Hideyoshi von der Macht zu verdrängen. In der Schlacht von Sekigahara im Jahre 1600 erlitt der Toyotomi-Klan eine vernichtende Niederlage. In der Folge leisteten die unterlegenen daimyō dem Sieger den Treueeid. 1603 ließ Tokugawa Ieyasu sich zum Shōgun ernennen. Dies erscheint als ein gerechter Lohn für seine geschickte Politik, durch die er das Land geeint hatte. Eine schier endlose Reihe von Bürgerkriegen hatte Japan zuvor nicht zur Ruhe kommen lassen. Unter der Herrschaft der Tokugawa begann eine lange Epoche politischer Stabilität. Erst die Meiji-Revolution 1868 beendete die Macht dieses Klans, als der neue Kaiser Mutsuhito die Entscheidung fällte, sein Land in ein modernes Zeitalter zu führen.

Aber 21Jahre nach dem Tod Tokugawa Ieyasus kam es zu einem kurzen, doch blutigen Zwischenspiel. Einige Monate lang geriet im äußersten Süden des Landes, auf der Insel Kyūshū, die festgefügte Ordnung, die er im ganzen Land etabliert hatte, ins Wanken. Hier, weit entfernt von der Hauptstadt Edo, dem heutigen Tokio, brach ein Aufstand der Christen (kirishitan) aus, der genau genommen eine religionsübergreifende Revolte der gesamten Bauernschaft darstellte, die hier seit Jahrzehnten unbarmherzig unterdrückt und ausgebeutet worden war.

Von den Philippinen aus waren in der zweiten Hälfte des 16.Jahrhunderts missionierende Jesuiten nach Japan gelangt und hatten erfolgreich damit begonnen, ihren Glauben im Inselreich zu verbreiten. Kaum hatte der erste Tokugawa-Shōgun die Macht ergriffen, erließ er Edikte, die die verstärkte Verfolgung der Anhänger des fremden Glaubens forderten. Ieyasu befahl, die Kirchen zu zerstören, und er verlangte, dass die konvertierten Japaner entweder dazu gebracht würden, ihrem Glauben abzuschwören oder dass sie, wenn sie unbeugsam blieben, hingerichtet würden. Auf diese Weise sollte der Buddhismus, den er als bedroht ansah, zu seiner alten Stärke zurückfinden. Kyūshū, vor allem aber die Halbinsel Shimabara und die Amakusa-Inseln, wurden zum Schauplatz einer unbarmherzigen Christenverfolgung. Zwischen 1614 und 1635 starben nahezu 300000Christen, die sich weigerten, abzuschwören, darunter zahlreiche ausländische Jesuiten. Die Bewohner Kyūshūs stumpften allmählich ab unter dem ständigen Schrecken, mit dem sie leben mussten; nur so konnten sie die unaufhörlichen Gewalttaten der Gouverneure von Nagasaki ertragen, die sich geschworen hatten, die fremde Religion auszulöschen. Es durfte in Japan nur einen einzigen Gott geben, den Kaiser, den Tennō, der als Sohn des Himmels galt.

Zahlreiche Christen schworen unter dem Druck der Verfolgungen und den Schrecken der Folter ihrem Glauben ab. Andere zogen sich, seelisch und körperlich geschunden, in entlegene Winkel auf dem Lande zurück, um sich als Landarbeiter durchzuschlagen.

Doch die Steuern, die auf die Ernten erhoben wurden, waren dermaßen hoch, dass das, was den Bauern blieb, oft kaum zum Überleben reichte. Die örtlichen daimyō pressten buchstäblich das Allerletzte aus den armen Insulanern, um die hohen Ausgaben bestreiten zu können, die ihrem Rang entsprachen.

Aber unter diesen Bauern, deren Leben in den Augen der Machthaber nichts galt, verbargen sich zahlreiche Samurai, die ihre Einkünfte und ihre Privilegien als Berufskrieger verloren hatten, weil sie sich unter ihrem christlichen daimyō Konishi Yukinaga, dem einstigen Herrscher über diese Provinzen, zu dessen Glauben bekehrt hatten. Armut und Elend hatten sie bitter im Herzen werden lassen, aber dennoch hatte alles Unglück ihrer Moral nichts anhaben können. Immer noch war die Erinnerung an die Zeit des Ruhmes ihres Lehnsherrn in ihnen lebendig, jene Zeit, in der Disziplin und die Bewahrung der Tradition zu den wichtigsten Dingen in ihrem Leben zählten. Und so verharrten diese tapferen Männer lange Zeit in Stille, bis zu dem Tag, an dem offensichtlich wurde, dass ihnen tatsächlich keine andere Wahl mehr blieb, als zu kämpfen. Als sie dies begriffen, entschlossen sie sich, einen Aufstand zu initiieren. Und so erhob sich, völlig unerwartet für die Herrschenden, die gequälte Bauernschaft in einer gewaltigen Revolte.

Dies war der Aufstand von Shimabara (Shimabara-no-ran). An der Spitze der Erhebung standen fünf Rōnin, ehemals Samurai im Gefolge von Konishi Yukinaga. Ihre Namen lauteten Ashizuka Chūemon (Chidzuka Zenzaemon)– er war der Rangälteste–, Mori Sōi (Sōiken), Ōye Matsuemon, Ōye Genyemon und Yamada Emonsaku (Zenzaemon). Sie waren es, die in jenem schicksalhaften Herbst des Jahres 1637 den erst 17-jährigen Masuda Shirō Tokisada als charismatischen Anführer der Rebellion auswählten. Ihm folgend stürzten sich Zehntausende japanischer Christen in ein Abenteuer, aus dem es kein Zurück geben konnte, da sie es wagten, sich der Macht ihres Shōguns in den Weg zu stellen.

Masuda Shirō Tokisada wurde rasch zum Symbol des Widerstands gegen die Unterdrückung und die Ungerechtigkeit. Tatsächlich aber bleibt er eine höchst geheimnisvolle Persönlichkeit. Niemand weiß, ob er beim Aufstand von Shimabara tatsächlich die Befehlsgewalt innehatte oder ob er nur den Willen der fünf Rōnin vollstreckte, die seine Ausstrahlung für ihre Zwecke nutzen.

Wir kennen heute zahlreiche Einzelheiten über die Geschehnisse jener Tage, aber die wirkliche Persönlichkeit des jungen Anführers bleibt im Nebel verborgen. Er stammte aus der in der Provinz Higo gelegenen Stadt Udo. Sein Vater war der christliche Bauern-Samurai Masuda Yoshitsugu (Jinbei). Seit er zwölf Jahre alt war, befand sich Shirō häufig in Nagasaki, wo er für chinesische Händler arbeitete und in einer christlichen Familie Unterricht bekam. Wahrscheinlich war es dort, wo er in aller Heimlichkeit getauft wurde und den portugiesischen Namen Jerónimo Machondano Chico (Maxondanoxiro) erhielt. Es heißt, schon in sehr jungen Jahren habe sich seine Begabung für Literatur und für alle Formen der Kunst gezeigt. Und die Legende ergänzt: Er sei fähig gewesen, Vögel dazu zu bringen, sich auf seiner Hand niederzulassen und dort sogar Eier zu legen. Manch einer habe ihn gar über das Meer wandeln sehen, in der Nähe eines glühenden Kreuzes, das aus dem Wasser aufgetaucht sei… Man verlieh ihm messianische Eigenschaften, wie sie erforderlich waren, um die Masse der Bauern, Christen wie Nichtchristen, aus ihrer dumpfen Lethargie herauszureißen. Seine Jugendlichkeit, sein helles Gesicht und seine brennenden Augen trugen das ihre dazu bei: Amakusa Shirō wurde der Engel des Himmels (Tendō), ein neuer Jesus Christus (Yaso Kirishito), der Abgesandte Gottes (Deusu). Seine anziehende Persönlichkeit schlug jeden, der in seine Nähe kam, in den Bann. Seine Botschaft, die er unermüdlich wiederholte, besagte, dass »ein jegliches Ding auf dieser Erde und ein jegliches Wesen, welches auch immer sein Rang sei, denselben Ursprung hätten und von gleicher Natur seien« (Tenchi dōkon banbutsu ittai, issai shujo fusen kisen). Diese großzügige und auf die Gleichheit aller gerichtete Sichtweise fand offene Ohren bei den einfachen Leuten auf den südjapanischen Inseln, die Hunger litten und unter dem unerbittlichen Druck der Tyrannei von einer besseren Welt träumten.

Die fünf Rōnin hatten sich also darauf geeinigt, im Namen Shirōs zu handeln, nicht nur aufgrund seines natürlichen jugendlichen Charismas, sondern auch, weil er keiner der rivalisierenden Gruppierungen angehörte, die einen Anspruch darauf hätten erheben können, in diesem Aufstand die Führung zu übernehmen. Und noch bevor er selbst vor die Augen der Abertausenden Unterdrückten trat, die nur allzu gern daran glauben wollten, was ihnen die Gerüchte zugetragen hatten, begeisterte man sich für einen Plan, der ihm zugeschrieben wurde: Ein Marsch nach Norden, um sich mit ausländischen christlichen Truppen zu vereinen; dann die Festung von Ōsaka einzunehmen und auf Edo zu marschieren. Die verhassten daimyō würden unterwegs gefangengenommen werden. Ein neues Zeitalter würde in Japan erstehen!

Voll Hoffnung drängten sich die Menschen am Anfang jenes Herbstes des Jahres 1637 um die Kohlenbecken, die in die Lehmböden der elenden Hütten eingelassen waren, während sich draußen im Wind und in der Kälte die Geister tummelten und der Mond am Himmel aufstieg und die Wipfel der Bäume und die Silhouetten der Berge in ein bläuliches Licht tauchte…

Alle Ereignisse, die in diesem Buch erzählt werden, wie auch ihr zeitlicher Ablauf und die Namen der Orte, an denen sie sich abspielten, sind historisch belegt. Viele der Personen, die auf diesen Seiten auftreten, haben tatsächlich existiert. Der Leser findet sie im Anhang aufgelistet. Ihre Gespräche und konkreten Verhaltensweisen wurden hingegen vom Autor ersonnen. Das gleiche gilt für »Shirōs Tagebuch«, aus dem im Verlauf der Erzählung immer wieder zitiert wird. Die Tagebucheinträge sind gemäß der japanischen Ära Kan’ei (1624-1643) datiert, die der Endzeit der Herrschaft des Kaisers Go-Mizuno-o und dem Beginn der Herrschaft des Meishō-Kaisers entspricht.

Japanische Begriffe werden im Text kursiv angezeigt, dies soll es dem Leser erleichtern, sie im Glossar dieses Buches wiederzufinden. Ausgenommen davon sind Begriffe, die heute als weitestgehend bekannt vorausgesetzt werden können oder deren Bedeutung sich eindeutig aus dem Text selbst ergibt.

Was die Personen– seien sie historisch oder nicht– angeht, so werden ihre Namen gemäß dem japanischen Brauch angegeben: Zuerst wird der Familienname genannt und danach der Vorname.

Die beiden Landkarten im Anhang erlauben es, die Ereignisse räumlich einordnen zu können.

Teil I

Der Engel des Himmels

»Nachdem fünfmal fünf Jahre vergangen sein werden, wird ein außergewöhnlicher junger Mann in Japan erscheinen. Ohne etwas studiert zu haben, wird er ein Wissender sein. Dies wird geschehen. Und die Wolken werden glühen, im Westen wie im Osten. Ein toter Baum wird eine Blauregenblüte austreiben. Die Menschen werden auf ihren Häuptern das Zeichen des Kreuzes tragen. Weiße Banner werden auf dem Meer und den Flüssen schwimmen und über den Bergen und den Ebenen schweben. Dann wird die Zeit gekommen sein, Jesus zu huldigen.«

Aus der Hankan-Prophezeiung

1

Arima, Shimabara, Dezember 1637

Und immer wieder dieses Klagen und Schluchzen, das die Stille der Nacht zerriss. Voll Qual und Verzweiflung. Von Zeit zu Zeit, wenn der Wind sich drehte, wurden die peinigenden Laute unterbrochen. Dann klangen sie wieder auf, doch jedes mal ein wenig schwächer. Ein Wesen im Todeskampf.

Im ausgemergelten Gesicht von Kenzō Shibata zuckte kein Muskel, aber seine Fäuste waren geballt. Der Bauer wandte den Kopf leicht in Richtung des Mannes, der sich zu seiner Linken befand, gleich ihm an einen Baumstamm gelehnt. Im Dunkeln waren noch mehr reglose Silhouetten zu erahnen, die mit der Nacht zu verschmelzen schienen. Es herrschte eine Atmosphäre gespannter Aufmerksamkeit.

Mori Sōiken streichelte mit der linken Hand den feingearbeiteten Griff seines Schwertes, der von Zeit zu Zeit im Licht des durch die Äste scheinenden Mondes auffunkelte. Seine Ruhe war unerschütterlich, sein Geist unglaublich präsent. Kenzō Shibata wusste, dass der alte Samurai fähig war, die Klinge jederzeit mit tödlicher Schnelligkeit zu ziehen. Aber dies würde erst im entscheidenden Moment geschehen…

Bald schon. Sobald das grobe Gelächter und die johlenden Gesänge endlich verstummen würden, die die schrecklichen Klagelaute immer wieder übertönten. Hinter den Fenstern des befestigten Wohnsitzes von Nobuyuki Kishi, dem vom daimyō eingesetzten Steuereintreiber, sah man inmitten tanzender Lichter die unförmigen Schatten seiner Leute sich bewegen.

Die kleine Okita würde wohl nicht mehr zu retten sein. Und zweifelsohne war dies besser so. Über all der Scham und all den Schmerzen musste sie längst den Verstand verloren haben. Ja, es wäre besser, wenn sie stürbe. Es ging schließlich nicht nur darum, das Mädchen den Händen der Söldner zu entreißen. Das war genau genommen nur für ihren Vater Yoshio Sato, den shōya von Fukaiemura, von Bedeutung, der die Männer davon überzeugt hatte, ihm auf seinem Pfad der Rache zu folgen. Kenzō Shibata, wie die meisten anderen aus dem Dorf, war noch aus vielen anderen Gründen dabei. Hinter Bäumen oder zwischen Bambusgestrüpp verborgen, warteten sie, Geisterschatten gleich, voll Hass und mühsam beherrschtem Drang zu Gewalttaten, auf ihre Stunde. Wären die anderen dort in dem Haus weniger betrunken, wären sie vermutlich misstrauisch geworden angesichts der sonderbaren Stille, die im Wald herrschte. Kein Tier ließ wie sonst seinen Ruf erschallen. Aber wer würde sich schon vor dem Unvorstellbaren fürchten? Es war für die Leute des Steuereintreibers ein Abend wie jeder andere.

Was sie tun würden, würde nie vergeben werden. Gegen seinen Herrn und Meister aufzustehen, konnte nur mit dem Sieg oder dem Tod enden, einem Tod, dessen Schrecken jede Vorstellungskraft übersteigen würde.

Wir werden alle sterben, dachte Kenzō Shibata. Sicher nicht an diesem Abend, denn sie hatten den Vorteil der Überraschung auf ihrer Seite. Aber der nächste Tag würde schnell kommen… Er bedauerte nichts. Das, was sie planten, musste endlich getan werden. Das Martyrium, das die kleine Okita durchleiden musste, hatte selbst die Zweifelndsten entschlossen werden lassen. Das Gesicht des alten Bauern verzerrte sich vor Bitterkeit und Hass. Früher oder später hätten die neuen Steuern, die der Bezirksgouverneur ihnen auferlegt hatte, sie ohnehin getötet. Langsam zwar, aber sicherer als jede Krankheit. So, wie sie bereits vielen Kindern und Alten das Leben gekostet hatten, für die es nicht mehr genug zu Essen gegeben hatte. Und Woche für Woche wurden Hunderte– selbst schwangere Frauen und Kinder– Opfer der grässlichsten Foltern durch die Häscher des , die sich an Einfallsreichtum für ihre Grausamkeiten gegenseitig zu übertrumpfen suchten. Sie labten sich daran, dass die Berichte von ihren Schreckenstaten sich im ganzen Land verbreiteten. Im ganzen Süden Japans machte man Jagd auf jene, die sich geweigert hatten, ihrem christlichen Glauben abzuschwören. Nun– die Zeit war gekommen, sich zur Wehr zu setzen. Sie würden sich nicht mehr wie Schlachtvieh die Kehle durchschneiden lassen. Das war beschlossene Sache. So würden sie vielleicht etwas eher sterben, aber sie würden als Männer den Tod finden. Und nicht in Einsamkeit.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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