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Band 4 der Anastasia-Reihe.In Band 4 gewährt Anastasia Einblicke in die Urschöpfung und in die Werdensgeschichte des Menschen, dem im Kosmos eine besondere Rolle zugedacht ist. Unter dem Einfluss astraler Mächte jedoch hat er im Laufe der Jahrtausende seine eigentliche Aufgabe als Mitschöpfer vergessen, und damit ist ihm auch der Zugang zu tieferer Erkenntnis verwehrt. Sein analytisches "Wissen" kann ihm nicht zu einer ganzheitlichen Weltsicht verhelfen.Doch die ursprünglichen Kräfte des Menschen schlummern noch heute in uns allen. Insbesondere die Energie geistig inspirierter Leitbilder, die bereits die Zivilisation des antiken Ägypten trug, kann auch in der heutigen Wendezeit Entscheidendes zur Entfaltung einer neuen Zivilisation beitragen.Ein wichtiger Schritt in diese Richtung ist die Entstehung von Familienlandsitzen. Anastasia geht detailliert darauf ein, wie man solche Oasen praktizierter Erdverbundenheit auch mit einfachen Mitteln natur- und umweltgerecht errichten kann.
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Seitenzahl: 301
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Wladimir Megre
Anastasia
Band 4:
Schöpfung
aus dem Russischen übersetzt vonHelmut Kunkel
Govinda-Verlag
Herausgegeben von Ronald Zürrer
Alle Titel von Wladimir Megre zu Anastasia:
Band 1: Anastasia – Tochter der Taiga
Band 2: Anastasia – Die klingenden Zedern Russlands
Band 3: Anastasia – Raum der Liebe
Band 4: Anastasia – Schöpfung
Band 5: Anastasia – Wer sind wir?
Band 6: Anastasia – Das Wissen der Ahnen
Band 7: Anastasia – Die Energie des Lebens
Band 8.1: Anastasia – Neue Zivilisation
Band 8.2: Anastasia – Die Bräuche der Liebe
Band 10: Anastasia – Anasta
Hinweis zur Nummerierung: Gemäß dem Autor soll Band 9 im Laufe der Zeit aus Texten von Lesern und Bewohnern von Familienlandsitzen zusammengestellt werden.
Kontaktadresse des Verlages:
Govinda-Verlag, Postfach, 8462 Rheinau | [email protected]
govinda.ch
Offizielle Website des Autors (Informationen über Wladimir Megre, seine Bücher, Leseveranstaltungen und weltweiten Projekte):
www.vmegre.com
© 2005/2013 Govinda-Verlag GmbH
Alle Rechte vorbehalten.
Originaltitel: Cотворение
Übersetzung aus dem Russischen: Helmut Kunkel
Lektorat: Dania Asfandiarowa
Gestaltung Umschlag: Ronald Zürrer
Umschlagbild: © Kursiv
Erstausgabe als E-Book – August 2019
ISBN 978-3-905831-58-0 (E-Book)
ISBN 978-3-905831-21-4 (gedruckte Ausgabe)
Inhalt
1 Die Schöpfung ist nach wie vor vollkommen
2 Der Beginn der Schöpfung
3 Dein erstes Erscheinen auf Erden
4 Der erste Tag
5 Die erste Begegnung
6 Im Zeichen der Liebe
7 Die Geburt
8 Der Apfel, der nicht satt macht
9 Meidet die destruktive Kraft!
10 Drei Gebete
11 Anastasias Ahnen
12 Die treibende Kraft des menschlichen Tuns
13 Eine Taiga-Mahlzeit
14 Können sie die Welt verändern?
15 Eine einzigartige Kraft
16 Die Verantwortung der Väter
17 Er verherrlichte die Lebensfreude
18 Die Geheimlehre
19 Der genetische Code
20 Wohin gehen wir im Schlaf?
21 In einer anderen Welt
22 Die Invasionszentrale
23 Holt euch eure Heimat zurück!
24 Das Gleichnis von den zwei Brüdern
25 Jeder kann sein eigenes Haus bauen – schon heute!
26 Der Zaun
27 Das Grundstück
28 Das Haus
29 Die Energie der Liebe
30 Der Mensch, das Ebenbild Gottes
31 Wer ist schuld?
32 Der Alte beim Dolmen
33 Göttliches Lernen
34 Anomalien in Gelendschik
Über den Autor
1
Die Schöpfung ist nach wie vor vollkommen
Anastasia sprach: «Ich werde dir jetzt über die Schöpfung erzählen, Wladimir, über das große Werk des kosmischen Vaters; dann wird jeder auf seine Fragen selber Antwort finden können. Höre einfach zu und schreibe meine Worte zum Nutzen der Menschen auf. Lausche mit deinem Herzen und versuche das Bestreben des göttlichen Traumes zu ergründen.»
Anastasia sah mich nachdenklich an und schwieg. Sie muss meinem Gesicht wohl die Zweifel abgelesen haben, die sich in mir regten. Ja, ich traute dem nicht, was sie mir da erzählen wollte von Gott und der Schöpfung. Und warum auch? Warum sollte ich – oder irgendjemand anders – dieser schwärmerischen Einsiedlerin ihre Phantasien ohne Weiteres abkaufen? Sie hat keine historischen Beweise in der Hand. Wenn jemand mit Autorität über die Vergangenheit sprechen kann, dann die Historiker und Archäologen. Und was Gott betrifft, so wird über Ihn in der Bibel berichtet und in anderen heiligen Schriften – nur hat jede dieser Quellen etwas anderes über Ihn zu sagen. Nun, vielleicht hat ja niemand auf diesem Gebiet einschlägiges Wissen …
«Doch, es gibt solches Wissen, Wladimir», widersprach Anastasia plötzlich heftig und mit Überzeugung meinem unausgesprochenen Einwand.
«Und wo?»
«Alles Wissen, alle kosmische Wahrheit ist auf ewig gespeichert in der menschlichen Seele. Lug und Trug haben keinen dauerhaften Bestand, denn sie werden von der Seele als solche erkannt und abgelehnt. Um überleben zu können, müssen sie sich dem Menschen in immer wieder neuen Masken präsentieren, zum Beispiel in Form von sogenannten wissenschaftlichen Abhandlungen. Auf der Suche nach der verlorenen Wahrheit wechselt die Menschheit ständig ihre Gesellschaftsformen, doch dabei entfernt sie sich nur noch mehr von der Wahrheit.»
«Ist es denn bewiesen, dass die Wahrheit in jedem Menschen wohnt? Und wo genau wohnt sie? In der Seele oder woanders? Und wenn das tatsächlich so ist, warum ist die Wahrheit uns dann verborgen?»
«Ganz im Gegenteil, jeden Tag ist sie bestrebt, sich unseren Blicken zu offenbaren. Das unversiegliche Leben ist Teil der Wahrheit, denn es kommt von der Wahrheit.»
Anastasia fuhr mit ihren Händen durchs Gras und streckte sie mir entgegen. «Schau, Wladimir! Vielleicht kann das deine Zweifel vertreiben.»
Auf ihren Handflächen sah ich ein paar Grassamen, einen Zedernkern und einen krabbelnden Käfer. Das war alles! Ich fragte sie: «Was hat das zu bedeuten? Ist etwas Besonderes mit dieser Nuss?»
«Sieh nur, Wladimir, das ist ein ganz kleiner Samenkern. Wenn er aber in die Erde gepflanzt wird, wächst aus ihm eine gigantische Zeder. Keine Eiche, kein Ahorn, kein Rosenbusch, nein, eine Zeder. Und diese Zeder wird weitere Zedernkerne hervorbringen, die alle dieselbe ursprüngliche Information der Quelle in sich tragen werden. Und egal wann ein solcher Zedernkern mit der Erde in Berührung kommt – ob vor einer Million Jahren oder in einer Million Jahren –, es wird immer nur eine Zeder aus ihm keimen. In jedem Samenkern ist die vollständige Information des Schöpfers enthalten. Es vergehen Äonen, aber die Information Gottes ist noch immer da, unauslöschlich. Und dem Menschen, der Krone der Schöpfung, hat Gott im Augenblick der Schöpfung alles gegeben. Alle Wahrheit und alle künftigen Errungenschaften hat der Vater in Seinem geliebten Kinde bereits von Anfang an angelegt. Gottes großer Traum lebt im Menschen weiter.»
«Und wie kommen wir an diese Wahrheit heran? Wo können wir sie aufstöbern? In den Nieren, im Herzen oder im Gehirn?»
«In den Gefühlen. Versuche die Wahrheit aus deinen Gefühlen heraus zu finden. Lass dich von deinem Empfinden leiten. Und befreie dich von allen Dogmen, die kleinlicher Selbstsucht erwachsen!»
«Na gut, wenn du tatsächlich solches Wissen hast, dann teile es mir direkt mit. Vielleicht kann ja jemand dich mit seinen Gefühlen verstehen. Was also ist Gott? Lässt Er sich wissenschaftlich erfassen, sagen wir anhand einer Formel?»
«Eine wissenschaftliche Formel? Sie wäre so lang, dass sie mehrmals um die Erde reichen würde. Und wäre sie dann fertig, müsste man sogleich eine neue schreiben. Gott ist nicht so klein, dass Er sich in Gedanken fassen ließe. Nicht nur alle Materie ist in Ihm enthalten, sondern auch die feinstofflichen und transzendenten Dimensionen, die uns unsichtbar sind. Es hat keinen Zweck, Ihn mit dem Verstand ergründen zu wollen. Presse alle Formeln der Erde und alle Informationen des Kosmos in den kleinen Samenkern deiner Seele, wandle sie in Gefühle um, und dann lass diese Gefühle sich entfalten!»
«Sag mir bitte klar und deutlich, was ich fühlen soll.»
«O Gott, bitte steh mir bei! Hilf mir, Worte zu finden, die die Menschen verstehen können und die Dich angemessen repräsentieren.»
«Sieh an, jetzt fehlen dir die Worte. Du solltest dir vielleicht erstmal ein Wörterbuch beschaffen. Dort sind alle Wörter verzeichnet, die im normalen Leben gesprochen werden.»
«Vielleicht alle die, die man heute kennt. Aber die Wörter, die deine Ahnen gebrauchten, um sich über Gott zu verständigen, wirst du dort vergeblich suchen.»
«Meinst du die altslawische Sprache?»
«Nein, noch davor. Schon vor dem Altslawischen gab es hierzulande eine Sprache und auch eine Schrift …»
«Wovon sprichst du, Anastasia? Jedes Kind weiß doch, dass unsere erste Schrift von zwei orthodoxen Mönchen entworfen wurde. Wie hießen sie noch gleich … ich komm jetzt grad nicht auf ihre Namen.»
«Du meinst Kyrillos und Methodios?»
«Ach ja, natürlich – deshalb auch kyrillische Schrift. Von diesen beiden stammen unsere Schriftzeichen.»
«Genauer gesagt haben sie die Schriftzeichen unserer Ahnen modifiziert.»
«Modifiziert?»
«Es geschah auf Befehl. Damit die Kultur der alten Slawen für immer in Vergessenheit geriete. Die Reste des ursprünglichen Wissens sind dem menschlichen Gedächtnis seither entronnen, und es begann eine neue Kultur, mit der die Priester die anderen Völker unterjochten.»
«Was soll denn jetzt die Schrift mit einer neuen Kultur zu tun haben?»
«Stell dir mal vor, die Kinder müssten von jetzt an eine andere Sprache sprechen und schreiben und dürften die alte nicht mehr benutzen. Aus welcher Quelle würden dann wohl deine Enkel von der heutigen Zeit noch erfahren? Es ist nicht schwer, Menschen, die keine Verbindung zum Wissen der Vergangenheit haben, etwas Neues beizubringen, das angeblich sehr wichtig ist. Über die Vorfahren kann man ihnen dann erzählen, was immer man möchte. Mit der alten Sprache ist dann auch die alte Kultur verschwunden. Und genauso war es auch geplant. Aber diejenigen, die diesen Plan hatten, wussten nicht, dass die Wahrheit immer unsichtbar in Samenform in der menschlichen Seele erhalten bleibt. Ein einziger Tautropfen ist genug, damit dieser Same aufkeimt und zu einer starken Pflanze heranwächst. Bitte versuche die Bedeutung meiner Worte zu verstehen, Wladimir.»
Mal sprach Anastasia langsam und bedächtig, mal sprudelte es nur so aus ihr hervor, dann verfiel sie in nachdenkliches Schweigen, um wieder ihre langen, ungewöhnlichen Sätze zu bilden, so als hole sie das Wissen aus weiter Ferne. Ab und zu tauchten in ihrer Rede mir unbekannte Wörter auf, doch jedes Mal ersetzte sie diese mit klareren Wörtern, damit ich ihr folgen konnte. Immer wieder versuchte sie mir etwas zu beweisen, indem sie über Gott sprach.
«Jeder weiß, dass der Mensch das Ebenbild Gottes ist. Aber was bedeutet das? Wo in dir findest du Gottes charakteristische Eigenschaften? Hast du schon einmal darüber nachgedacht?»
«Eigentlich nicht. Irgendwie bin ich nie dazu gekommen. Besser, du erklärst es mir.»
«Wenn der Mensch sich nach dem täglichen Stress zur Ruhe begibt und aufhört, seinen Körper zu spüren, verlässt sein feinstoffliches, zweites Ich teilweise den Körper. Irdische Größen wie Zeit und Raum haben dann für ihn keine Geltung mehr. In weniger als einem Augenblick kann sein Bewusstsein jegliche Begrenzung des Kosmos hinter sich lassen. Mit seinem Emotionalkörper nimmt er Bilder der Vergangenheit und der Zukunft wahr, fühlt sich in sie hinein, gestaltet sie um und träumt. All das zeigt, dass das grenzenlose Weltall vom Menschen nicht nur mit den physischen Sinnen wahrgenommen wird. Das Weltall wird vom menschlichen Geist gestaltet, der ein Geschenk Gottes ist. Nur der menschliche Geist ist in der Lage, andere Welten zu erschaffen und bestehende Schöpfungen zu verändern.
Es kommt vor, dass der Mensch im Schlaf vor etwas erschrickt und vor Angst schreit. Die Begegnung des stressbefreiten Emotionalkörpers mit unbewältigten Bildern der Vergangenheit oder der Zukunft können solche nächtlichen Traumata, solche seelischen Erschütterungen auslösen.
Es kommt auch vor, dass der Mensch im Schlaf schöpferisch tätig wird. Seine Traumschöpfungen sind bestrebt, sich in der irdischen Sphäre zu verwirklichen – mal geschieht das schnell, mal langsam. Ob aber diese Traumbilder zu scheußlichen Formen oder zu harmonischer Schönheit sich entfalten, das hängt teilweise oder vollständig davon ab, wie viel Eingebung am Schöpfungsakt beteiligt ist und das göttliche Ich verstärkt. Auch die Genauigkeit und die Detailliertheit aller Aspekte eines schöpferischen Traums spielen hierbei eine Rolle.
Im ganzen Universum ist die Fähigkeit des Schöpfens nur Gott und Seinem Sohn, dem Menschen, zu Eigen.
Gottes Gedanke ist der Beginn von allem. Sein Traum verwirklicht sich in Form der Materie. Und auch dem Wirken des Menschen gehen zuerst Gedanken und Träume voran.
Alle Menschen der Erde sind gleich befähigt zum Schöpfen, nur verwenden sie ihre Fähigkeiten unterschiedlich. Dem Menschen ist dabei volle Freiheit gegeben.
Jetzt sage mir, Wladimir, wovon die Kinder Gottes heute träumen – zum Beispiel du und deine Freunde. Wofür verwendet ihr eure schöpferische Energie im Traum?»
«Ich? Nun ja, wie alle wollte ich im Leben etwas erreichen, viel Geld verdienen und mir eine Existenz aufbauen. Ich schaffte mir ein Auto an – mehr als nur eines –, elegante Möbel und viele andere lebensnotwendige Dinge.»
«Ist das alles? Dafür hast du also deine gottgegebene Schaffenskraft des Träumens benutzt?»
«Das tun doch alle. Geld ist nun mal das A und O. Um sich anständig zu kleiden, gut zu essen und zu trinken, zum Einkaufen, zu allem braucht man Geld.»
«Essen, trinken … Wladimir, diese Dinge sind jedem seit Anbeginn im Überfluss gegeben.»
«Soso. Und wo ist dann dieser Überfluss geblieben?»
«Was denkst du denn?»
«Ganz einfach. Jene ursprüngliche Kleidung ist längst verrottet, die Lebensmittel von damals sind aufgegessen. Außerdem haben sich die Zeiten geändert. Die Menschen von heute haben einen ganz anderen Geschmack. Sie richten sich nach der Mode, und auch beim Essen sind sie wählerischer.»
«Wladimir, Gott hat Seinen Söhnen Kleidung ohne Ende gegeben und unerschöpfliche Quellen der Nahrung.»
«Und wo sind all diese Dinge jetzt?»
«Es gibt sie auch heute noch.»
«Dann verrate mir, wo. Wo kann ich solche riesigen Vorräte finden, die bis heute aufbewahrt wurden?»
«Du sollst sie sehen – aber du musst mit deinem Gefühl sehen! Nur mit deinen Gefühlen kannst du das Wirken des göttlichen Traumes erkennen.»
2
Der Beginn der Schöpfung
Anastasia sprach weiter: «Stell dir den Ur-Anfang vor, als es noch keine Erde gab. Die Materie reflektierte noch nicht das kosmische Licht. Aber wie auch jetzt war das Universum von einer großen Menge energetischer Wesen beseelt. Die Energien dieser Wesen waren in der Finsternis geistig tätig. Sie schufen auch ohne äußeres Licht, denn sie waren von innen her erleuchtet. Und in jedem Wesen war schon alles vorhanden: Gedanken, Gefühle und Bestrebungen. Aber es gab Unterschiede zwischen ihnen. Bei jedem Wesen herrschten bestimmte Züge vor. Wie auch jetzt, gab es ein Wesen, das Leben spendete, und eines, das der Zerstörung diente. Dazwischen gab es die verschiedensten Abstufungen positiver und negativer Art, wie man sie auch heute unter den Menschen findet. Jene kosmischen Wesen waren voneinander isoliert. In jedem von ihnen pulsierten gewaltige Energien, mal träge, dann wieder blitzschnell. Aufbau und Zerfall, die nur in ihrem Innern verliefen, wechselten einander ständig ab. Das Pulsieren der Wesen war unsichtbar und hatte keine Wirkung auf den Kosmos, und jedes Wesen war überzeugt, allein im All zu sein.
In ihnen wohnte der Wunsch, gestalthafte, substanzielle Kreationen von Dauer hervorzubringen, aber die Unklarheit hinsichtlich ihrer eigenen Identität und Bestimmung gestattete ihnen das nicht. Folglich spielte sich in der Zeitlosigkeit des unendlichen Raums alles auf der Ebene feinstofflicher Schwingung ab; sich bewegende, eigenständige Formen gab es nicht.
Dann ging plötzlich ein gewaltiger Impuls durch das All: Eines der Energiewesen erleuchtete alle anderen. Was genau geschah, ist mit gewöhnlichen Worten kaum zu erklären. War dieses Energiewesen alt oder jung? Entstand es aus einem Vakuum oder aus einer Masse von Funken, die in sich alles vereinen, was man sich nur vorstellen kann? Das ist schwer zu sagen, aber es ist auch nicht so wichtig. Klar ist jedoch, dass jene Energiewesenheit dem Menschen stark ähnelte – nicht dessen physischem Körper, sondern dem ewigen, zweiten Ich des heutigen Menschen! Zum ersten Mal wurden alle Wesen des Universums ein wenig vom lebendigen Schaffensdrang und der Energie des Träumens berührt. Der Energieimpuls war so ungestüm, dass er die Gefühle aller Wesen ins Wallen brachte. Zum ersten Mal durchbrachen kommunikative Laute die Stille des Universums. Von allen Seiten des unermesslichen Kosmos erhob sich eine Frage, und diese Frage strebte dem Einen entgegen:
‹Was ist es, das Du so dringlich Dir wünschst?›, wollten sie alle wissen. Und Er antwortete, überzeugt von Seinem Traum: ‹Das gemeinsame Schaffen und Freude für alle beim Betrachten der Schöpfungen.›
‹Was kann diese Freude allen bringen?›
‹Die Geburt.›
‹Die Geburt wovon? Wir sind doch alle seit Langem eigenständige Wesen und ruhen in uns selbst.›
‹Es geht um eine Geburt, in der kleine Teile von allem enthalten sein werden.›
‹Wie kann man das zerstörende und das erschaffende Element zusammenbringen?›
‹Alle Energien, so vielfältig und verschieden sie auch sind, sollen im Akt der Schöpfung miteinander vereint werden. Wir alle sind integrale Teile des Vollkommenen Ganzen. Entgegengesetzte Elemente müssen zuerst im Innern ins Gleichgewicht gebracht werden.›
‹Wer ist imstande, dies zu tun?›
‹Ich.›
‹Was aber ist mit der Energie des Zweifels? Der Zweifel wird Dich heimsuchen. Er wird Dich vernichten, und die Teilchen entgegengesetzter Energien werden Dich zerreißen. Niemand kann Gegensätze im Gleichgewicht halten.›
‹Natürlich gibt es den Zweifel, aber es gibt auch die Kraft der Überzeugung. Wenn Zweifel und Überzeugung sich die Waage halten, werden sie den künftigen Schöpfungen Genauigkeit und Schönheit verleihen.›
‹Wie nennst Du Dich?›
‹Ich bin Gott. All eure partiellen Energien kann Ich in Mich aufnehmen. Ich werde es schaffen und werde allen Widrigkeiten trotzen. Die Schöpfung wird dem ganzen Universum Freude bringen.›
Daraufhin strömten alle Energiewesen des Universums auf einmal in die göttliche Existenz ein. Und jedes einzelne von ihnen versuchte die Oberhand über die anderen zu gewinnen. Ein gigantischer kosmischer Machtkampf begann. Es gibt keine Zeit- oder Maßeinheiten, um jenen Kampf angemessen zu beschreiben. Ruhe stellte sich erst dann ein, als alle begriffen, dass es keine höhere, mächtigere Energie im Universum gab als die Kraft des göttlichen Traumes.
Gott verfügte über die Energie des Träumens. Es gelang Ihm, Ausgleich zu schaffen sowie alles in sich zu vereinen und unter Seine Kontrolle zu bringen. Dann begann Er zu erschaffen. Während Er in sich die künftigen Schöpfungen erdachte, plante Er alles bis ins kleinste Detail, auch die Wechselbeziehungen all Seiner Geschöpfe. All das tat Er ganz allein, allein in der Finsternis des unendlichen Universums, und zwar mit unbeschreiblicher Geschwindigkeit. Er beschleunigte die Bewegung aller kosmischen Energien. Die anderen Wesenheiten entfernten sich von Gott, aus Angst vor dem ungewissen Ausgang Seines gewagten Unterfangens. Der Schöpfer geriet in ein Vakuum, und das Vakuum dehnte sich aus.
Es herrschte lähmende Kälte. Befremdung und Entsetzen hatte sich breit gemacht. Er allein sah schon die schöne Morgendämmerung, hörte den Gesang der Vögel, roch den Duft der Blüten. Durch die Leidenschaft Seines Traums brachte Er allein wunderbare Schöpfungen hervor.
‹Halte ein!›, mahnten Ihn die anderen Wesen. ‹Du befindest Dich in einem Vakuum und wirst gleich explodieren. Wie kannst Du all die Energien in Dir zusammenhalten? Nichts kann Dich jetzt mehr davor bewahren, in Stücke gerissen zu werden. Aber wenn Dir doch noch ein Augenblick verbleibt, so halte ein und lass die gesammelten Energien langsam los!›
Er aber erwiderte: ‹Ich werde Meine Träume nicht verraten, nein! Um ihretwillen werde Ich dem Druck standhalten und weiter ihre Energien beschleunigen. In ihnen sehe Ich, wie Ameisen auf dem Grase zwischen Blumen emsig hin und her laufen. Ich sehe, wie ein Adlerweibchen seine Jungen im Fliegen ausbildet.›
Mit Seiner unfassbaren Energie beschleunigte Gott die Bewegung aller kosmischen Energien. Kraft Seiner Inspiration ballte Er sie in Seiner Seele in Samenform zusammen.
Plötzlich verspürte Er eine Berührung. Ein intensiver Hitzeschwall umhüllte Ihn von allen Seiten; dann entfernte sich diese mysteriöse Energie, sandte aber ihre Hitze von der Ferne aus, sodass alles um Gott herum erwärmt und von einer neuen, unbekannten Kraft durchströmt wurde. Was zuvor eine finstere Leere gewesen war, war auf einmal von Licht erfüllt. Nie gehörte Klänge hallten durch das All, als Gott mit sanfter Begeisterung fragte: ‹Wer bist du?›
Eine singende Stimme antwortete: ‹Ich bin die Energie der Liebe und der Inspiration.›
‹Ein Teil von dir wohnt in Mir. Dieser Teil allein ist in der Lage, die Energie der Verachtung, des Hasses und der Bosheit zu unterbinden.›
‹Du bist Gott. Deiner Seele Traum hat allem und jedem Harmonie gebracht. Und wenn mein Wesensteil es vermochte, deinen Traum zu unterstützen, dann erhöre mich bitte, o Gott, und hilf auch mir.›
‹Was wünschest du? Warum hast du Mich mit der vollen Kraft deines Feuers berührt?›
‹Ich habe erkannt, dass ich die Liebe bin. Ich kann mich Dir nicht nur teilweise … nein, voll und ganz will ich mich Dir ergeben. Ich weiß, dass Du mir nicht gestatten wirst, völlig in Dich einzugehen, damit die Harmonie von Gut und Schlecht nicht aus dem Gleichgewicht gerät. Aber die Leere um Dich herum werde ich ausfüllen. Ich werde alles um Dich herum erwärmen. Der eisige Frost und die dichten Nebel des Kosmos werden Dich nicht anrühren können.›
‹Was ist nur los? Dein Licht leuchtet noch stärker als zuvor!›
‹Das bin nicht ich, es ist Deine Energie, Deine Seele. Ich habe sie nur reflektiert. Das reflektierte Licht kehrt dann zurück in Dein unsichtbares Selbst.›
Begeistert rief Gott der Energie der Liebe zu: ‹Alles wird beschleunigt. Alles tost in Mir! Oh, wie schön ist die Eingebung! Mögen die Geschöpfe Meiner lichten Träume in Liebe Wirklichkeit werden!›»
3
Dein erstes Erscheinen auf Erden
Anastasia fuhr fort: «Die Erde wurde zum Kern des gesamten Universums, sein erster sichtbarer Planet. Um sie herum erschienen dann die Sterne, die Sonne und der Mond. Das unsichtbare, von schöpferischer Kraft erfüllte Licht, das von der Erde ausging, wurde von den anderen Himmelskörpern reflektiert.
Eine neue, lichte Daseinsebene war somit im Universum entstanden: die der materiellen Existenz. Nichts und niemand hatte vor der Entstehung der Erde ein sichtbares materielles Dasein gehabt.
Die Erde war mit dem Kosmos in Berührung und gleichzeitig eine eigenständige Wesenheit. Was wuchs, was flog, kroch oder schwamm, ging nie verloren, nicht ein Gramm. Draus wurden andere geboren, sie wechselten nur ihre Form – dieser Kreislauf wurde die Norm. Die Fäulnis gar gebar Insekten, die indirekt Leben erweckten, denn andere Lebensformen deckten durch sie ihren Bedarf an Nahrung. So bot die Erde einer bunten Vielfalt von Formen eine freudige Erfahrung.
Mit Erstaunen, ja mit Entzücken begannen alle kosmischen Wesen die Erde zu betrachten. Die Erde war mit allem in Berührung, aber niemandem war es gewährt, sie zu berühren. Die innere Inspiration Gottes nahm zu. Das göttliche Wesen änderte jetzt Seine Form und nahm im Licht der Liebe, das das ganze Vakuum erfüllte, die Konturen des heutigen Menschen an.
Der göttliche Geist wirkte jenseits von Geschwindigkeit und Zeit. Von Inspiration und Erleuchtung geführt, übertraf er bei Weitem die Gedankenkraft aller anderen Energiewesen. So gab Gott sich dem Schöpfungswerk hin, doch zunächst war Er noch allein, die Schöpfung war noch nicht manifest.
Plötzlich flammte eine neue Erkenntnis auf, und die Liebe zuckte zusammen, wieder von heller Gluthitze erfüllt. Begeistert rief Gott aus: ‹Siehe, Universum, siehe da: Mein Sohn, der Mensch! Er steht auf Erden, in materieller Form. Die Teilchen von allen Energien des Universums sind in ihm enthalten. Er lebt auf allen Ebenen des Daseins. Er ist Mein Ebenbild, aber auch all ihr kosmischen Wesenheiten seid energetisch in ihm vereint. Begrüßet ihn und habt ihn lieb!
Allen Wesen wird Mein Sohn Freude bringen. Er ist die erstgeborene Schöpfung, das Ein und Alles! Er wird neue Schöpfungen hervorbringen, und er wird wiedergeboren werden bis in alle Ewigkeit.
Zuerst wird er allein unsichtbares Licht verströmen und dann, wenn er sich in viele erweitert, wird er dieses Licht in eins zusammenfließen lassen und das Universum in diesem Lichte führen. Allen Wesen wird er die Freude des Lebens schenken. Ich habe ihm alles gegeben und gebe ihm jetzt auch Meine Gedanken aus der Zukunft.›
Dies war dein erstes Erscheinen auf der wunderschönen Erde.»
«Über wen sprichst du, Anastasia? Etwa über mich?»
«Ja, über dich und über alle, die diese Zeilen lesen.»
«Es war doch aber nur von einem Menschen die Rede! So steht es auch in der Bibel: ‹Am Anfang gab es einen Menschen, und der hieß Adam.› Auch du hast ja gesagt, dass Gott einen Menschen schuf.»
«Da hast du schon Recht, Wladimir. Aber aus diesem einen Menschen wurden viele. Wir alle stammen von ihm ab, und die Information seines Lebens ist in Funkenform in allen Menschen gespeichert. Wenn du mit dem Willen deines Geistes alle nichtigen Sorgen von dir abwirfst, wirst du in der Lage sein, die Empfindungen dieses adamischen Lebensfunkens in dir zu spüren. Dieser Funke ist in dir und in allen Menschen auf Erden. Lass ihn sich in dir entfalten, und du wirst empfinden, was du einst gesehen. Und auch ihr, die ihr jetzt diese Zeilen lest, werdet spüren, was ihr am Anfang eures Pfades saht.»
«Nicht zu fassen! Bedeutet das, dass wir alle, die wir heute leben, am Anfang auf jener Erde existierten?»
«Ja, aber ‹jene Erde› ist identisch mit unserer Erde! Sie hatte damals bloß eine andere Erscheinungsform.»
«Und gibt es eine Bezeichnung für uns alle?»
«Ich werde den Namen ‹Adam› benutzen, aber stell dir bitte vor, dass du gemeint bist. Das Gleiche gilt für alle Leser. Ich werde deiner Vorstellungskraft durch meine Worte nachhelfen.»
«Ja, bitte tu das. Sonst fällt es mir bestimmt nicht leicht, mich in jene ferne Zeit hineinzuversetzen.»
«Stell dir vor, du betrittst einen Garten. Es ist Ende Frühling, und der Garten ist voller reifer Früchte, wie im Herbst. In dem Garten befinden sich Wesen, die du zum ersten Mal siehst. Es ist nicht leicht, alles auf einmal zu erfassen, denn alles ist neu und vollkommen. Versuche dich dennoch zu erinnern, als du, Adam, zum ersten Mal eine Blume sahst, eine ganz kleine Blume, und als deine Aufmerksamkeit sich an diesen Anblick heftete.
Die Blume ist kornblumenblau, und die ebenmäßigen Blütenblätter weisen ein linienförmiges Muster auf. Die Blüten leuchten ein wenig, so als ob sie den Himmel reflektierten. Und du, Adam, setzt dich zu der Blume und erfreust dich an dieser wundersamen Schöpfung. Doch während du die Blume betrachtest, ändert sich allmählich ihr Erscheinungsbild. Eine leichte Brise wiegt die Blume auf ihrem zarten Stängel hin und her, sodass sich der Strahlungswinkel des Sonnenlichts ändert, und die feinen Pastelltöne scheinen sich zu wandeln. Mal zittern die Blütenblätter im Winde, mal scheinen sie dem Menschen zuzuwinken, dann wieder dirigieren sie gleichsam ein Konzert, das in der Seele erklingt. Und mit ihrem himmlischen Duft sucht die Blume dich, den Menschen, zu umarmen.
Plötzlich ertönt ein lautes Gebrüll. Adam erhebt sich und wendet sich dem Klang zu. In einiger Entfernung stehen ein Löwe und eine Löwin. Mit dem Gebrüll macht der Löwe die Umgebung auf seine Anwesenheit aufmerksam. Adam betrachtet die ehrfurchtgebietende Erscheinung des Löwen, dessen stolzes Antlitz von einer dichten Mähne umrahmt ist. Sobald der Löwe Adam erblickt, springt er mit gewaltigen Sätzen auf ihn zu, und mit ihm seine Gefährtin. Adam bestaunt das Spiel ihrer mächtigen Muskeln. Drei Meter vor Adam halten die Tiere in ihrem Lauf inne. Die Blicke des Menschen liebkosen sie, und von ihnen geht eine derartige Wonne aus, dass sich der Löwe auf die Erde legt. Die Löwin legt sich dazu, ganz vorsichtig, um den Strom des wohlig warmen Lichts, das Adam verströmt, nicht zu unterbrechen.
Adam streicht dem Löwen durch die Mähne, berührt die Klauen seiner mächtigen Pranken und seine weißen Zähne und lächelt, als der Löwe vor Wohlbehagen knurrt.»
«Anastasia, was war das für ein Licht, das vom Menschen ausging, sodass der Löwe ihn nicht zerrissen hat? Und wieso hat heute niemand mehr ein solches Licht?»
«Wladimir, dieses Licht gibt es auch jetzt noch – hast du es denn nie bemerkt? Es liegt im geheimnisvollen Blick des Menschen, der unerklärliche Kraft ausstrahlt und von allen irdischen Geschöpfen wahrgenommen wird: vom kleinen Grashalm, vom wilden Raubtier und vom Stein mit seinem behäbigen Geist. Des Menschen Blick kann andere liebkosen. Sein vernichtender Blick kann aber auch alles in eisige Kälte hüllen. Hast du nicht auch schon mal die Erfahrung gemacht, dass jemand dich mit einem Blick erwärmt? Oder dass dir die Blicke eines anderen lästig werden?»
«Ja, das kenne ich. Manchmal fühle ich mich beobachtet. Das kann ganz angenehm sein, aber auch sehr unangenehm.»
«Na siehst du! Dann weißt du ja auch, dass ein liebevoller Blick dich innerlich erwärmen kann. Andererseits können Blicke aber auch Kälte und Vernichtung aussenden. In jenen Urzeiten waren die Blicke des Menschen viel mächtiger, als sie es heute sind. Der Schöpfer hat es so eingerichtet, dass alle Lebewesen sich danach sehnen, von den lichtvollen Blicken Seines Menschensohnes erwärmt zu werden.»
«Was ist denn geschehen, dass diese Blickkraft des Menschen so völlig verloren ging?»
«Nicht völlig. Sie ist noch immer ausreichend vorhanden. Aber die tägliche Hetze, eine oberflächliche Gesinnung, nachlassende Geistesgegenwart und die Unkenntnis des Wesentlichen trüben das menschliche Bewusstsein und blockieren den Fluss dessen, was alle vom Menschen erwarten. Doch die Wärme der Seele wohnt im Innern eines jeden. Ach, würde sie sich doch in allen Menschen entfalten! Die ganze Welt könnte sich wandeln in einen Garten Eden.»
«In allen Menschen entfalten? So wie es am Anfang bei Adam war? Ja, ist denn das möglich?»
«Alles kann erreicht werden, was der menschliche Geist anstrebt, solange er nur in der Einheit weilt. Als Adam allein war, hatte er die gleiche Geisteskraft wie heute die ganze Menschheit zusammengenommen.»
«Aha! Deshalb fürchtete sich also der Löwe vor ihm.»
«Nein, der Löwe fürchtete sich nicht vor ihm. Er huldigte bloß dem wohltuenden Licht. Alle Wesen, nicht nur die irdischen, sehnen sich danach, den Segen zu erfahren, den allein der Mensch zu erteilen vermag. Dafür sind sie bereit, den Menschen als Freund, als Bruder oder auch als Gott zu sehen. Eltern sind immer bestrebt, ihre Kinder mit den besten Fähigkeiten auszustatten. Sie wünschen sich aufrichtig, dass ihre Kinder sie noch übertreffen. So gab auch der Schöpfer Seinem Sohn all das, wonach Er selbst in Seiner Wallung der Inspiration strebte. Besonders wer selbst Kinder hat und versteht, dass Gott vollkommen ist, sollte in der Lage sein, sich in die Vaterrolle Gottes hineinzuversetzen und somit nachzuvollziehen, mit welcher Liebe Gott Seinen Sohn, den Menschen, erschuf. Und dass Er Seine Verpflichtung gegenüber der Krone Seiner Schöpfung nicht scheut und den Menschen niemals verstoßen würde, das wird klar durch Seine Worte, die uns durch die Jahrmillionen überliefert sind: ‹Er ist Mein Sohn, der Mensch. Ich habe ihn nach Meinem Ebenbild geschaffen.›»
«Dann würde Gott ja wollen, dass Sein Sohn, Seine Schöpfung … äh, na eben dass der Mensch stärker ist als Er selbst.»
«Die Bestrebungen aller Eltern bestätigen dies.»
«Hat Adam an seinem ersten Tag zur Verwirklichung von Gottes Traum beigetragen? Was tat er nach der Begegnung mit dem Löwen?»
«Adam versuchte, alle Lebewesen zu verstehen. Jedem Geschöpf gab er einen Namen und eine Bestimmung. Mal löste er diese Aufgaben schnell, aber es kam auch vor, dass er länger dazu brauchte. Zum Beispiel versuchte er bis zum Abend des ersten Tages, eine Bestimmung für den Prentosaurier zu finden. Er fand aber keine, und das Tier ist in der Folge ausgestorben.»
«Wieso das?»
«Eben weil der Mensch für ihn keine Bestimmung fand.»
«Prentosaurier … waren die nicht riesengroß, größer noch als Elefanten?»
«Ja, sie waren viel größer als Elefanten. Sie hatten kleine Flügel, einen langen, schlanken Hals und einen kleinen Kopf. Und sie konnten Feuer speien.»
«Ach, das ist ja ein Drache! So ähnlich wie Smej Gorynytsch, der Drache aus einem russischen Volksmärchen – der konnte auch Feuer speien. Aber ich glaube nicht, dass es Feuer speiende Tiere in Wirklichkeit gibt.»
«Oft sind Märchen allegorische Erzählungen von Dingen, die es tatsächlich einmal gab, und manchmal sind sie ganz und gar der Wirklichkeit entnommen.»
«Ach ja? Und woraus bestand dann dieses Ungeheuer? Oder ist das Feuerspeien nur im übertragenen Sinne zu verstehen? Steht es dafür, dass diese Tiere böse waren?»
«Das Feuer hat nichts mit Bosheit zu tun. Der Prentosaurier war kein Ungeheuer. Seine riesige Größe diente ihm zur Erleichterung seines Gewichts.»
«Wie soll denn das gehen?»
«Es ist wie mit einem Gasballon: Je mehr er aufgefüllt wird, desto leichter wird er.»
«Und was hat das mit dem Prentosaurier zu tun? Er war doch kein Ballon.»
«In gewissem Sinne schon. Der Prentosaurier war eine riesige wandelnde Kugel. Sein Skelett war sehr leicht gebaut, und seine inneren Organe waren relativ klein. Durch seinen Stoffwechsel produzierte er große Mengen Gas, das leichter war als Luft. Wenn er hüpfte und mit den Flügeln schlug, konnte er sogar ein wenig fliegen. Überschüssiges Gas stieß er durch den Rachen aus. Aus seinem Maul ragten Stoßzähne hervor, die bei Reibung wie Feuersteine wirkten und das aus den Eingeweiden hervorströmende Gas entzündeten.»
«Nun gut, aber woher kam all das Gas?»
«Wie ich schon sagte, es war ein Nebenprodukt seines Stoffwechsels.»
«Nun mach aber einen Punkt! Gas kommt nur im Erdinnern vor. Nachdem es dort gewonnen wurde, füllt man damit Ballons auf oder leitet es durch Rohre in die Haushalte, um damit Herde zu betreiben. Und auf einmal soll das Gas aus der Nahrung kommen – wie praktisch!»
«Ja, praktisch und einfach.»
«Na weißt du, das ist mir schon etwas zu simpel, und ich denke, auch andere werden dir das nicht abkaufen. Darüber möchte ich lieber nicht schreiben, sonst werden die Leser anfangen zu zweifeln und auch alles andere nicht glauben, was du sagst.»
«Wladimir, willst du damit etwa sagen, ich täusche mich oder ich lüge dich an?»
«Nein, anlügen würdest du mich nicht. Aber dass du dich mit dem Gas irrst, da bin ich mir sicher.»
«Ich irre mich nicht.»
«Dann beweise es mir.»
«Wladimir, auch in deinem Magen wird solches Gas erzeugt. Das ist ganz normal.»
«Unmöglich!»
«Das kannst du selber nachprüfen. Du brauchst es nur anzuzünden, wenn es aus dir austritt.»
«Aus mir austritt? Woher denn? Wo soll ich es anzünden?»
Anastasia lachte auf und sagte: «Wladimir, sei nicht so kindisch. Denk doch mal nach, es ist eine intime Erfahrung.»
Die Sache mit dem Gas ging mir nicht aus dem Kopf. Als ich wieder zu Hause war, beschloss ich, es auszuprobieren. Und tatsächlich – es brannte! Seitdem erinnere ich mich mit großem Interesse an Anastasias Worte über die ersten Tage Adams – oder genauer gesagt über unsere ersten Tage. Es ist ein Gefühl, als hätte man irgendetwas aus jener vergangenen Zeit nicht mit in die Gegenwart genommen. Oder geht das nur mir so? Nun, möge jeder das für sich selbst beurteilen, nachdem er über den ersten Tag des Menschen gelesen hat. Und Anastasia hatte noch mehr darüber zu sagen, denn der erste Tag Adams war noch nicht zu Ende …
4
Der erste Tag
Anastasia erzählte weiter: «Adam sah sich alles aufmerksam an: die verschiedenen Gräser und Kräuter, die bunt verzierten Käfer und die Vögel am Himmel. Als er zum ersten Mal einen Fluss sah, staunte er über das klare, glitzernde Wasser und die Vielfalt der Fische, die sich darin tummelten. Adam ließ seine Hand ins Wasser gleiten. Sofort wurde sie von der murmelnden Strömung erfasst und von den sanften Wellen umspült. Er stieg ganz hinein, und siehe da, sein Körper wurde auf einmal so leicht, dass er zu schweben begann. Er warf eine Handvoll Wasser in die Höhe und freute sich darüber, wie sich die Sonnenstrahlen in den Tröpfchen spiegelten und wie diese sich dann wieder mit dem Fluss vereinten. Mit Genugtuung trank Adam das Flusswasser, und bis zum Sonnenuntergang erfreute er sich am Anblick des Flusses und am Baden.»
«Warte mal, Anastasia, du hast gesagt, er habe Wasser getrunken. Aber hat er den ganzen Tag lang nichts gegessen? Er muss sich doch von etwas ernährt haben!»
«Um ihn herum gab es jede Menge Früchte, Beeren und essbare Kräuter. Doch in den ersten Tagen verspürte Adam überhaupt keinen Hunger. Er ernährte sich von der Luft.»
«Von der Luft? Davon ist noch keiner satt geworden. Das sagt schon das Sprichwort: ‹Von Luft allein kann man nicht leben.›»
«Von der Luft, die die Menschen heute atmen, kann man wirklich nicht leben. Sie ist stark verunreinigt, leblos und oft sogar für Körper und Seele schädlich. Doch gibt es noch ein anderes Sprichwort, das dem deinen widerspricht: ‹Ich nährte mich von der Luft allein.› Und ursprünglich war das auch tatsächlich möglich. Als Adam im Garten Eden geboren wurde, gab es keine schädlichen Staubpartikel in der Luft; dafür enthielt sie Pollen und feine Tautröpfchen.»
«Was für Pollen?»
«Pollen von Blumen und Gräsern, auch von Bäumen und Früchten, herbeigetrieben vom Winde. Keinesfalls wurde der Mensch durch Nahrungssuche von seinen großen Aufgaben abgelenkt. Er ernährte sich durch die Luft. Der Schöpfer hat es von Beginn an so eingerichtet, dass alle Lebewesen auf der Erde bestrebt waren, dem Menschen in Liebe zu dienen, und dass sogar die Luft, das Wasser und der Wind ihn labten.»
«Luft und Wasser sind tatsächlich stark verunreinigt, da muss ich dir schon recht geben. Aber heutzutage gibt es ja Klimaanlagen, die die Luft filtern, und man kann sich Mineralwasser kaufen. Zumindest wer es sich leisten kann, braucht mit Luft und Wasser also keine Probleme zu haben.»
«Eine Klimaanlage ist leider keine Lösung, Wladimir. Sie mag zwar Schadstoffe herausfiltern, aber dafür wird die Luft umso steriler. Und Wasser, das in verschlossenen Flaschen aufbewahrt wird, verliert auch jede Kraft. Alte Körperzellen können so vielleicht am Leben erhalten werden, doch für neue Zellen sind frische Luft und naturreines Wasser lebensnotwendig.»
«Und Adam hatte all dies zur Verfügung?»
«Ja, deshalb konnte er auch sehr schnell denken, und innerhalb kurzer Zeit wies er allen Lebensformen ihre Bestimmung zu. Einhundertachtzehn Jahre verflogen so schnell wie ein Tag.»
«Einhundertachtzehn Jahre … und lebte er die ganze Zeit allein?
«Ja. Doch die einhundertachtzehn Jahre machten ihn nicht alt, im Gegenteil, er stand in voller Blüte. Seine interessante Aufgabe hatte sein Leben erfüllt.»
«Wer so alt wird, ist ein Greis. Krankheiten und Altersschwäche sind da unvermeidlich.»