Anastasia, Band 5: Wer sind wir? - Wladimir Megre - E-Book

Anastasia, Band 5: Wer sind wir? E-Book

Wladimir Megre

0,0

Beschreibung

Band 5 der Anastasia-Reihe.Auf der Suche nach Beweisen für die Realisierbarkeit von Anastasias Visionen stößt Wladimir Megre in Band 5 auf einen abgelegenen Paradiesgarten, der ihn in seiner Überzeugung festigt, dass der chaotische Kurs der modernen Gesellschaft mit einfachen Mitteln geändert werden kann. Dann jedoch wird er mit einer wissenschaftlichen Studie konfrontiert, die Selbstzweifel in ihm aufkommen lässt. Er gerät in eine Identitätskrise und landet schließlich knallhart auf dem Boden der Realität. Anastasia hätte er dabei fast völlig vergessen.Der Leser erfährt in diesem Band außerdem, welche Geschenke Mutter Erde bereithält, wenn sich die Menschen auf die wahren Schätze der Natur besinnen. Bei der Neugestaltung der menschlichen Zivilisation fällt insbesondere den Kindern und ihrer kreativen Phantasie eine bedeutende Rolle zu. Aber auch die ältere Generation braucht dabei nicht tatenlos zuzusehen.Weitere Themen: Gibt es den Zufall? Was für eine ominöse Macht ist es, die wie mit unsichtbaren Fäden unser Schicksal zu spinnen scheint? Haben wir einen freien Willen, oder sind wir Marionetten im Schachspiel kosmischer Kräfte?

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 334

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Wladimir Megre

Anastasia

Band 5:

Wer sind wir?

aus dem Russischen übersetzt vonHelmut Kunkel

Govinda-Verlag

Herausgegeben von Ronald Zürrer

Alle Titel von Wladimir Megre zu Anastasia:

Band 1: Anastasia – Tochter der Taiga

Band 2: Anastasia – Die klingenden Zedern Russlands

Band 3: Anastasia – Raum der Liebe

Band 4: Anastasia – Schöpfung

Band 5: Anastasia – Wer sind wir?

Band 6: Anastasia – Das Wissen der Ahnen

Band 7: Anastasia – Die Energie des Lebens

Band 8.1: Anastasia – Neue Zivilisation

Band 8.2: Anastasia – Die Bräuche der Liebe

Band 10: Anastasia – Anasta

Hinweis zur Nummerierung: Gemäß dem Autor soll Band 9 im Laufe der Zeit aus Texten von Lesern und Bewohnern von Familienlandsitzen zusammengestellt werden.

Kontaktadresse des Verlages:

Govinda-Verlag, Postfach, 8462 Rheinau | [email protected]

govinda.ch

Offizielle Website des Autors (Informationen über Wladimir Megre, seine Bücher, Leserveranstaltungen und weltweiten Projekte):

www.vmegre.com

© 2005/2013 Govinda-Verlag GmbH

Alle Rechte vorbehalten.

Originaltitel: Кто же мы?

Übersetzung aus dem Russischen: Helmut Kunkel

Lektorat: Dania Asfandiarowa

Gestaltung Umschlag: Ronald Zürrer

Umschlagbild: © Kursiv

Erstausgabe als E-Book – August 2019

ISBN 978-3-905831-59-7 (E-Book)

ISBN 978-3-905831-22-1 (gedruckte Ausgabe)

Inhalt

1 Zwei Zivilisationen

2 Der Geschmack des Weltalls

3 Träume à la Auroville

4 Vorboten der neuen Zivilisation

5 Die Suche nach Beweisen

6 Der unvergängliche Garten

7 Anastasias neues Russland

8 Das reichste Land der Welt

9 Es wird gut werden auf Erden …

10 Das große Wettabrüsten

11 Wissenschaft und Pseudowissenschaft

12 Sind unsere Gedanken frei?

13 Eine Reiterin aus der Zukunft

14 Die Stadt an der Newa

15 Schritte in die Zukunft

16 Offener Aufruf

17 Fragen und Antworten

18 Die Philosophie des Lebens

19 Wer lenkt den Zufall?

20 Eine tiefe Sinnkrise

21 Ein Deprogrammierungsversuch

22 Unsere Realität

23 Deine Wünsche

24 Vor uns liegt die Ewigkeit

Anhang

Über den Autor

1

Zwei Zivilisationen

Wir alle haben es eilig, wir alle streben nach etwas. Jeder von uns will ein glückliches Leben führen, seine große Liebe finden und eine Familie gründen. Doch wie vielen gelingt es, diese Wünsche zu verwirklichen?

Wovon hängen Zufriedenheit oder Unzufriedenheit, Erfolg oder Misserfolg ab? Worin liegt der Sinn im Leben des Einzelnen und der gesamten Menschheit? Was erwartet uns in der Zukunft?

Diese Fragen beschäftigen uns Menschen schon seit Langem, doch niemand vermochte bislang klare Antworten darauf zu geben. Wäre es nicht auch interessant zu erfahren, in was für einem Land wir in fünf oder zehn Jahren und in was für einer Welt unsere Kinder einmal leben werden? Leider aber wissen wir das nicht, ja wir sind wohl nicht einmal in der Lage, uns unsere eigene Zukunft vorzustellen, denn wir haben es ja so eilig – doch wohin wollen wir eigentlich?

Es ist erstaunlich, aber wahr: Die erste klare Vorstellung von der Zukunft unseres Landes verdanke ich nicht irgendwelchen wissenschaftlichen Analytikern oder Politikern, sondern der Taiga-Einsiedlerin Anastasia. Und sie hat mir nicht einfach irgendeine schöne Zukunftsvision verheißen, nein, sie hat mir mit handfesten Argumenten bewiesen, dass das Glück unseres Landes zum Greifen nahe ist – schon für unsere jetzige Generation. Sie hat mir ihren Entwurf zur Entwicklung unseres Landes vorgestellt.

Während ich durch die Taiga wanderte – von Anastasias Lichtung zum Fluss – erwachte in mir irgendwie die tiefe Überzeugung, dass ihr Projekt vieles in der Welt verändern kann. Bedenkt man, dass sich alles, was sie sich in Gedanken vorstellt, ohne Fehl im realen Leben verwirklicht, so leben wir eigentlich in einem Land, dessen Zukunft nur blühend sein kann. Ich ging also durch die Taiga und dachte über die Worte der Taiga-Einsiedlerin nach, die unserem Lande eine so wunderbare Zukunft verheißen hatte, eine Zukunft, die vielleicht schon unsere Generation erleben darf. In einem Land, in dem es keine regionalen Konflikte, kein Banditentum und keine Krankheiten gibt, wird es auch keine armen Menschen geben. Und obwohl ich nicht alle Gedanken Anastasias verstanden hatte, wollte ich ihre Worte diesmal nicht anzweifeln – im Gegenteil, mir war daran gelegen, ihre Richtigkeit aller Welt zu beweisen.

Ich fasste also den Entschluss, alles zu tun, was in meiner Macht stand, um Anastasias Projekt zu verwirklichen. Rein äußerlich sah das Ganze recht simpel aus: Jede Familie sollte auf Lebenszeit einen Hektar Land zur Verfügung gestellt bekommen und sich darauf ihren eigenen Landsitz einrichten, um sich so ein kleines Stück Heimat zu schaffen. Doch so einfach der Plan auch erschien, so erstaunlich, ja geradezu unglaublich waren bestimmte Elemente seiner Umsetzung, die demzufolge meine Aufmerksamkeit stark fesselten.

Man stelle sich einmal vor: Es waren keine Agrarwissenschaftler, sondern eine Taiga-Einsiedlerin, die bewies, dass man allein durch naturgerechtes Anpflanzen nach ein paar Jahren keinen Dünger mehr braucht und sogar die Qualität von ertragarmem Boden verbessern kann.

Als vornehmlichstes Beispiel nannte Anastasia die Taiga. Seit Jahrtausenden wächst und gedeiht dort eine große Vielfalt von Pflanzen, ohne dass je einer den Boden der Taiga gedüngt hat. Anastasia sagt, alles, was auf der Erde wächst, seien Manifestationen von Gottes Gedanken und Gott habe die Welt so eingerichtet, dass sich die Menschen nicht mit dem Problem der Nahrungsbeschaffung herumschlagen müssten. Man brauche sich lediglich zu bemühen, die Gedanken des Schöpfers zu verstehen und gemeinsam mit Ihm Schönes zu erschaffen.

Auch ich kann dazu ein anschauliches Beispiel aus eigener Erfahrung anführen. Auf der Insel Zypern, wo ich einige Zeit verbringen durfte, ist der Boden zum großen Teil felsig und verkarstet. Das war aber nicht immer so. Vor vielen Jahrhunderten gab es auf der Insel herrliche Zedernwälder, Obstbäume gediehen, und die zahlreichen Flüsse führten klares Süßwasser; kurzum, das Eiland war eine Art Paradies auf Erden. Dann wurde es von römischen Legionen erobert. Sie begannen, die Zedern abzuholzen und aus dem Holz Schiffe zu bauen. Am Ende waren praktisch keine Zedern mehr übrig. Heute gibt es auf dem größten Teil Zyperns nur sehr spärliche Vegetation, das Gras verdorrt nach dem Frühling, und Sommerregen ist eine Seltenheit. Es herrscht ein großer Mangel an Süßwasser. Fruchtbarer Humus muss mit Lastkähnen nach Zypern eingeführt werden. Daraus kann man ersehen, dass der Mensch die Schöpfung nicht verbessert hat; vielmehr hat er durch seine barbarische Einmischung in den Lauf der Natur ein Chaos herbeigeführt.

Während Anastasia mit mir über ihr Projekt sprach, erwähnte sie wiederholt den «Ahnenbaum», der auf jedem Grundstück gepflanzt werden sollte. Sie meinte, Verstorbene sollten nicht auf einem Friedhof, sondern auf dem Stück Land beerdigt werden, das sie selbst bearbeitet haben. Grabsteine seien nicht notwendig, denn das Andenken an die Verstorbenen sollte durch etwas Lebendiges, nicht durch etwas Totes bewahrt werden. Die Verwandten sollten durch lebendige menschliche Werke an ihre Ahnen erinnert werden, dann könnte sich die dahingeschiedene Seele von neuem im paradiesischen Garten namens Erde verkörpern.

Denjenigen aber, die auf Friedhöfen begraben liegen, sei der Weg zum irdischen Paradies verwehrt. Die dahingeschiedenen Seelen könnten sich nicht erneut verkörpern, solange ihre Verwandten und Freunde an ihren Tod dächten. Und ein Grabstein sei nun einmal ein Denkmal des Todes. Das heute übliche Begräbnisritual entstamme den dunklen Kräften und ziele darauf ab, die menschliche Seele gefangen zu halten. Das sei aber nicht im Sinne unseres Vaters, der Seinen geliebten Kindern weder Leid noch Trauer zugedacht habe. All Seine Kreaturen seien ewig, in sich selbst vollkommen und fähig, sich zu vermehren. Alle Lebewesen dieser Erde, vom einfachen Grashalm bis zum Menschen, stellen ihrer Ansicht nach ein harmonisches, ewiges Ganzes dar.

Was sie sagte, leuchtete mir ein, denn schließlich erkennen ja selbst Wissenschaftler heutzutage an, dass der menschliche Gedanke eine Kraft ist, deren Wirkung sich direkt in der materiellen Realität niederschlagen kann. Folglich wäre es durchaus denkbar, dass die Verwandten eines Verstorbenen ihn dadurch, dass sie ihn für tot erklären und an ihn als Toten denken, im Zustand des Todes gefangen halten und seine Seele quälen. Anastasia sagt, der Mensch, vielmehr die menschliche Seele, sei dazu geschaffen, ewig zu leben. Sie könne sich immer wieder verkörpern, sei dabei jedoch bestimmten Bedingungen unterworfen. Diese Bedingungen seien auf einem Familienlandsitz im Sinne ihres Projekts am besten erfüllt.

Hat sie nun recht damit? Ich meinesteils habe ihr einfach geglaubt. Ihre Aussagen über Leben und Tod zu beweisen oder zu widerlegen wäre wohl eher eine Aufgabe für sachverständige Esoteriker.

Einmal sagte ich zu Anastasia: «Du wirst eine Menge Gegner haben.»

Sie winkte nur ab und lachte: «Alles ist so einfach, Wladimir! Das Denken des Menschen ist in der Lage, Materie zu beeinflussen. Der Mensch kann mit seinem Geist Dinge verändern und Ereignisse vorherbestimmen, sich seine eigene Zukunft schaffen. Deshalb werden Vertreter des Materialismus, die versuchen, die Endlichkeit des menschlichen Wesens zu beweisen, sich selbst vernichten, denn durch ihre Gedanken werden sie sich nur ihr eigenes Ende bereiten. Diejenigen hingegen, die ihre höhere Bestimmung und das Wesen der Ewigkeit verstehen, werden glücklich sein und immer wieder geboren werden. Kraft ihrer eigenen Gedanken werden sie sich ihr ewiges Glück erschaffen.»

Ein weiterer Pluspunkt für Anastasias Projekt fiel mir auf, als ich über dessen wirtschaftlichen Nutzen nachdachte. Ich kam zu dem Schluss, dass sich durch die Gründung eines Familienlandsitzes jeder seinen eigenen Lebensunterhalt sowie den für seine Kinder und Enkelkinder sichern könnte – und das nicht nur in Bezug auf hochwertige Lebensmittel und eine gesicherte Unterkunft. Nach Anastasias Vorstellung sollte das Grundstück von lebenden Bäumen eingezäunt sein, und ein Viertel des Hektars sollte aus Wald bestehen. Auf einem viertel Hektar Wald stehen etwa 300 Bäume; davon könnte man in achtzig bis hundert Jahren etwa 400 Kubikmeter Bauholz gewinnen. Gut getrocknetes und zugeschnittenes Bauholz kostet heutzutage mindestens 100 Dollar pro Kubikmeter – das ergäbe eine stattliche Summe von 40 000 Dollar. Natürlich sollte man nicht den ganzen Wald auf einmal abholzen, sondern nur die ausgewachsenen Bäume, die dann sogleich durch Neupflanzungen ersetzt werden. Den Gesamtwert eines solchen Familienlandsitzes kann man durchaus auf eine Million Dollar veranschlagen, und jede Familie mittleren Einkommens könnte sich ein solches Anwesen aufbauen. Das Haus kann zu Beginn ruhig eine eher bescheidene Unterkunft sein – der wahre Wert liegt in der natürlichen Schönheit und der richtigen Bebauung des Landes. Wohlhabende Leute geben heutzutage Unsummen für Landschaftsgestaltung aus. Allein in Moskau gibt es rund vierzig Unternehmen in diesem Gewerbe, und ihnen mangelt es nicht an Aufträgen. Die Gestaltung von nur einem Ar kostet 1500 Dollar und mehr, das Pflanzen eines 6 Meter hohen Nadelbaums weitere 500 Dollar. Reiche Leute sind aber bereit, für schönes Wohnen beträchtliche Summen hinzublättern. Ihren Eltern ist es nun einmal nicht in den Sinn gekommen, für ihre Kinder einen Familienlandsitz zu errichten. Dabei muss man dazu nicht einmal reich sein, man braucht lediglich in seinem Kopf richtige Prioritäten zu setzen. Wie wollen wir unsere Kinder erziehen, wenn wir nicht einmal solch einfache Dinge verstehen? Anastasia hat ganz recht, wenn sie sagt, dass wir mit der Erziehung bei uns selbst beginnen müssen.

Auch ich habe den starken Wunsch, ein eigenes Grundstück zu besitzen – mir einen Hektar Land zu nehmen, ein Haus zu bauen und vor allem ringsherum Gärten anzulegen. Es ist mein Traum, mir so eine kleine Heimat zu schaffen – wie Anastasia es beschrieben hat, umgeben von ähnlichen Nachbargrundstücken. Anastasia könnte ebenfalls dort wohnen mit unserem Sohn, zumindest besuchen könnten sie mich. Und dann können die Enkel und Urenkel kommen. Nun ja, und falls die Urenkel in der Stadt arbeiten wollen, dann können sie sich immerhin auf ihrem Familienlandsitz erholen. Und einmal im Jahr, am 23. Juli, dem Tag unserer Mutter Erde, wird sich auf meinem Grundstück vielleicht die gesamte Verwandtschaft versammeln. Ich selber werde dann wohl nicht mehr unter ihnen weilen, aber das von mir angelegte Grundstück mit seinen Bäumen und dem Garten wird noch da sein. Ich werde einen Teich graben und dort eine Fischbrut aussetzen; ich werde Bäume pflanzen, so wie Anastasia es mich gelehrt hat. Einiges wird meinen Nachkommen gefallen, anderes werden sie ändern wollen – auf jeden Fall werden sie sich an mich erinnern.

Ich selbst aber will auf diesem Grundstück begraben werden und werde mir ausdrücklich erbitten, dass es kein Grabmal geben soll. Niemand soll an meiner Ruhestätte falsche Tränen weinen. Wozu solche Heuchelei, wozu überhaupt all diese Trauer? Ein Grabstein oder eine Grabplatte ist völlig überflüssig. Es reicht doch, wenn aus meinen zu Erde gewordenen Gebeinen frisches Gras und Büsche wachsen oder vielleicht Sträucher mit Beeren, von denen meine Nachkommen etwas haben. Nicht in Trauer, sondern mit Freude sollen sie an mich denken. Ja, für sie will ich alles planen, für sie alles gestalten …

Eine Art freudige Vorahnung packte mich. Ich war ganz aufgeregt und wollte mich am liebsten gleich ans Werk machen. So schnell wie möglich wollte ich in die Stadt, doch ich war mitten in der Taiga, und bis zum Fluss waren es noch zehn Kilometer Fußmarsch. Dieser Wald … er wollte einfach kein Ende nehmen. In meinem Gedächtnis tauchten plötzlich Daten über die Wälder Russlands auf, die ich einmal in einer statistischen Abhandlung gelesen hatte:

Die Vegetation Russlands besteht zum größten Teil aus Wald. Rund 45% des Landes sind mit Wald bedeckt. Russland verfügt über die weltweit größten Waldbestände. Im Jahr 1993 wurden 886,5 Millionen Hektar Wald mit 80,7 Milliarden Kubikmetern Nutzholz gezählt, was 21,7% bzw. 25,9% des weltweiten Bestands darstellt. Die Tatsache, dass der zweite Wert den ersten übersteigt, spricht für eine höhere Qualität und Produktivität der Wälder in Russland als sonstwo auf der Welt.

Der Wald spielt eine entscheidende Rolle beim Stoffwechsel des irdischen Lebens. Nach einer Berechnung des Wissenschaftlers B. N. Moissejew bindet der russische Wald jährlich rund 1,8 Milliarden Tonnen Kohlendioxid, erzeugt 1,3 Milliarden Tonnen Sauerstoff und speichert dabei 600 Millionen Tonnen Kohlenstoff. Somit leistet er einen bedeutenden Beitrag zur Erhaltung des Gleichgewichts der irdischen Atmosphäre und der Balance des Klimas.

Oft hört man, Russland werde in der Zukunft eine besondere Rolle für das Leben auf der Erde spielen. Dabei ist genau das schon jetzt der Fall.

Man stelle sich einmal vor: Die Menschen aller Welt atmen russischen Sauerstoff, den Sauerstoff, den dieser Wald hervorbringt … und ich wandere so einfach durch ihn hindurch. Aber überlegen wir mal, ob Sauerstoff das Einzige ist, was der russische Wald den Menschen bietet.

Während ich, so in meine Gedanken vertieft, allein durch die Taiga zog, hatte ich gar keine Angst vor der Wildnis. Es war fast so, als machte ich einen Spaziergang durch einen Park. Natürlich gibt es in der Taiga keine Parkwege, und mein Pfad war immer wieder durch Bruchholz und Dickicht versperrt. Diese Hindernisse ärgerten mich aber nicht mehr.

Unterwegs pflückte ich hier und da ein paar Himbeeren und Johannisbeeren von den Sträuchern. Mit Interesse beobachtete ich auch die umliegenden Bäume, und zum ersten Mal fiel mir die große Vielfalt der sibirischen Flora auf: Auch wenn es von jeder Pflanze zahlreiche Artgenossen gab, war doch jedes Exemplar einzigartig. Auf einmal hatte ich den Eindruck, die Taiga meinte es gut mit mir. Dabei spielte wohl auch mein Gefühl eine Rolle, dass auf einer kleinen Lichtung mitten in dieser Wildnis mein kleiner Sohn geboren worden war und dass auch Anastasia dort lebte, die Frau, die mein Leben so nachhaltig verändert hatte.

In dieser unendlichen Taiga lag Anastasias Lichtung, die sie nie für längere Zeit verlassen wollte. Nicht einmal gegen die komfortabelste Wohnung hätte sie ihre Lichtung eingetauscht. Dabei war es doch nicht mehr als ein leerer Flecken im Dickicht, wo es kein Haus und nicht einmal einen primitiven Unterschlupf gab, ganz zu schweigen von all den Gebrauchsgegenständen des Alltags. Und doch freute sie sich jedes Mal, wenn sie dorthin kam. Irgendwie hatte auch ich bei diesem meinem nunmehr dritten Besuch ein ähnliches Gefühl gehabt, als sei ich von einer beschwerlichen Reise nach Hause gekommen.

Unsere Welt ist schon ein seltsamer Ort. Seit Jahrtausenden kämpft die Menschheit nun schon, um jedem Erdenbürger Glück und Wohlstand zu gewährleisten, doch immer öfter zeigt es sich, dass der moderne Großstädter vielen Gefahren praktisch schutzlos ausgesetzt ist. Der eine hat einen Unfall, ein anderer wird ausgeraubt, ein Dritter wird krank – ohne Apotheke kann man heutzutage kaum mehr am Leben bleiben –, und wieder ein anderer ist so frustriert, dass er Selbstmord begeht. Gerade in den sogenannten zivilisierten Ländern mit hohem Lebensstandard wächst die Selbstmordrate beständig an. Und immer wieder sieht man im Fernsehen Mütter, die davon berichten, dass sie für ihre Kinder und für sich selbst nichts zu essen haben.

Anastasia hingegen lebt in der Taiga mit unserem kleinen Sohn wie in einer anderen Zivilisation. Sie braucht inmitten der Wildnis keinerlei Polizei oder Armee zu ihrem Schutz. Anscheinend mangelt es weder ihr noch dem Kinde auf der Lichtung an irgendetwas.

Natürlich gibt es große Unterschiede zwischen ihrer und unserer Zivilisation, und sie versucht, die besten Elemente beider zu vereinen. Auf diese Weise wird eine neue, eine glückliche Gemeinschaft von Menschen geboren werden.

2

Der Geschmack des Weltalls

Lange konnte ich mich nicht damit abfinden, dass Anastasia das Kind völlig unbekümmert allein in der Wildnis ließ. Mal legte sie es aufs Gras unter einem Busch, mal neben eine ruhende Bärin oder Wölfin. Nicht, dass ich mir Sorgen zu machen brauchte, die Tiere würden ihm etwas antun; im Gegenteil, ich war überzeugt, dass sie es mit ihrem eigenen Leben beschützen würden, wenn es darauf ankäme. Doch beschützen vor wem eigentlich? Schließlich kümmerten sich ja all die Tiere hier wie selbstverständlich um unseren kleinen Sohn. Dennoch war mir nicht ganz wohl dabei, wenn Anastasia das Kind allein ließ, und so sprach ich sie eines Tages darauf an.

«Schön und gut, Anastasia, die Tiere werden dem Kind nichts tun, aber das bedeutet ja nicht, dass ihm nicht sonst etwas zustoßen könnte», gab ich zu bedenken.

«Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, woran du da denkst», entgegnete Anastasia.

«An alles Mögliche. Stell dir zum Beispiel vor, es kommt dem Kleinen in den Sinn, auf einen Hügel zu klettern. Was, wenn er dabei unglücklich fällt und sich die Hand oder den Fuß verstaucht?»

«Wladimir, ein Sturz aus einer Höhe, die er aus eigener Kraft erklimmen kann, wird ihm keinen Schaden zufügen.»

«Und wenn er etwas Giftiges isst? Schau nur, er steckt sich ständig etwas in den Mund. Wer soll ihm dann den Magen auspumpen? Weit und breit ist kein Arzt zu bekommen, und ein Klistier gibt es hier auch nicht.»

«Wozu denn ein Klistier?», lachte Anastasia. «Den Darm kann man viel wirksamer reinigen als mit einem Klistier.»

«Und wie?»

«Willst du es mal ausprobieren? Wenn es dir nichts ausmacht, kann ich dir gern ein paar Kräuter bringen, die das bestens erledigen.»

«Lass nur, schon in Ordnung. Sicher willst mir irgendein Abführmittel geben, das meine ganze Verdauung durcheinanderbringt.»

«Du selbst bist es, der deine Verdauung durcheinanderbringt, seit Langem schon. Gerade deshalb täten dir diese Kräuter gut, um all die Schadstoffe aus deinem Körper zu treiben.»

«Alles klar, im Falle eines Falles willst du dem Kleinen ein paar Kräuter geben, und dann bekommt er Durchfall. Wozu eine solche Tortur?»

«So etwas wird nicht geschehen. Unser Sohn isst nichts Schlechtes und wird es auch in Zukunft nicht tun. Besonders Kleinkinder, die an die Brust gewöhnt sind, nehmen darüber hinaus nichts in größerer Menge zu sich. Und ein paar Beeren oder Kräuter kann unser Sohn ruhig probieren. Wenn sie einen Schadstoff enthalten, sind sie bitter, und er wird sie ausspucken. Im schlimmsten Fall wird er sich übergeben und in Zukunft nicht mehr davon essen. Ich möchte, dass unser Sohn von der Erde kostet. Er soll selber den Geschmack der Erde und des Weltalls erfahren, nicht durch die Worte eines anderen.»

Nun, ganz unrecht hatte sie wohl nicht mit ihrem Standpunkt. Immerhin ist unserem Sohn bisher tatsächlich nichts passiert. Außerdem hatte ich, während ich den kleinen Wladimir und die Tiere beobachtete, eine kleine Entdeckung für mich gemacht. Ich hatte nämlich immer geglaubt, Anastasia würde die Tiere der Lichtung dressieren, damit sie den Umgang mit dem Menschen erlernen. Dann aber fiel mir auf, dass die Tiere selbst ihre Jungen darin unterrichteten. Auch habe ich nie beobachtet, dass Anastasia ihre Zeit dafür verwendet.

Eines schönen Tages saßen wir gemeinsam am Rande der Lichtung. Anastasia hatte gerade den Kleinen gestillt, und er lag glücklich in ihren Armen. Eine Zeitlang schlummerte er sanft auf ihrem Schoß, dann wachte er auf und griff lächelnd nach ihrem Haar. Anastasia lächelte zurück und flüsterte ihm zärtlich etwas zu.

In diesem Augenblick betrat die Wölfin die Lichtung, diesmal in Begleitung von vier noch ganz kleinen Welpen. Sie kam auf uns zu, blieb aber in etwa zehn Metern Entfernung stehen und legte sich ins Gras. Die Jungen drängten sich sofort an ihren Bauch heran. Anastasia stand auf und ging mit unserem Söhnchen in den Armen auf die Tiere zu. Zwei Meter von ihnen entfernt setzte sie sich ins Gras und begrüßte die Wölfin: «Oh, welch schöne Junge unsere Kluge geboren hat! In einem von ihnen sehe ich schon jetzt einen Leitwolf, und dieses Mädchen hier kommt ganz nach der Mama. Sie wird dir zur Freude deine Gattung würdig vermehren.»

Die Wölfin schien mit verträumt zusammengekniffenen Augen vor sich hin zu dösen – wer weiß, ob sie tatsächlich schlummerte oder einfach Anastasias kosende Lobesworte genoss. Die Welpen ließen vom Bauch ihrer Mutter ab, und einer von ihnen tapste unbeholfen auf Anastasia zu.

Plötzlich sprang die vermeintlich schlafende Wölfin auf, packte ihr Junges mit den Zähnen und warf es zu den anderen zurück. Auch die anderen Jungen versuchten nun, einer nach dem anderen, sich Anastasia zu nähern, und alle wurden sie von ihrer Mutter wieder zurückgebracht. Doch so leicht waren die Welpen nicht von ihrem Vorhaben abzubringen. Widerspenstig setzten sie ihre Bemühungen fort, so lange, bis sie sich schließlich damit abfinden mussten, dass ihre Mutter sie nicht gewähren ließ. Zwei von ihnen kämpften jetzt im Spiel miteinander, die anderen beiden saßen ruhig da und sahen uns Menschen an. Klein Wladimir erblickte die Wölfin mit ihren Jungen und bestaunte sie. Ungeduldig strampelte er mit seinen Beinchen und stieß einen Laut hervor.

Anastasia streckte ihre Hand den Welpen entgegen, die sich ihr vorsichtig näherten. Diesmal wurden sie jedoch nicht von ihrer Mutter daran gehindert – im Gegenteil, sie stupste ihre beiden spielenden Jungen sogar in Anastasias Richtung. Nicht lange, und alle vier waren bei Anastasia versammelt. Einer schnappte nach ihrem ausgestreckten Finger, ein anderer versuchte, ihre Hand zu erklimmen, und die übrigen zwei wuselten um ihre Füße herum. Unser Sohn begann sich nun unruhig in Anastasias Armen hin und her zu winden; offenbar wollte er zu den Welpen. Anastasia setzte ihn ins Gras, und er fing sogleich an, mit ihnen zu spielen. So sehr vertiefte er sich in dieses Spielen, dass er alles andere um sich zu vergessen schien. Anastasia ging zur Wölfin und strich ihr dankbar über den Widerrist, dann kehrte sie zu mir zurück.

Ich wusste bereits, dass die Wölfin nie von allein zu Anastasia lief – um sie nicht zu stören. Neu für mich war jedoch die Erfahrung, dass sie das Gleiche auch ihrem Nachwuchs beibrachte. Ich nehme an, dass sie einst selbst dieses Verhalten von ihrer Mutter erlernt hatte, jene Mutter wiederum von ihrer Mutter, und so gab es wahrscheinlich eine ganze Tradition, in der die Tiere von einer Generation zur anderen die Verhaltensregeln für den Umgang mit dem Menschen weitergegeben hatten, und zwar, wohlgemerkt, für den respektvollen Umgang mit dem Menschen. Von wem nur haben die Tiere es gelernt, den Menschen anzugreifen, wie es heutzutage so oft geschieht?

Wenn man das Leben der sibirischen Taiga-Einsiedler kennenlernt, drängen sich unwillkürlich alle möglichen Fragen auf, Fragen, die man sich zuvor nicht einmal hätte vorstellen können. Denn das Leben dort ist irgendwie nicht von dieser Welt. Anastasia jedoch hat keinerlei Absicht, etwas an ihrer einsiedlerischen Lebensweise zu ändern. Doch Moment mal! Immer wenn ich das Wort ‹Einsiedler› gebrauche, sehe ich einen Menschen vor mir, der von der modernen Gesellschaft mit ihrem Informationssystem isoliert ist. Passt dieses Bild etwa auf Anastasia?! Nach jedem Besuch auf ihrer Lichtung schreibe ich ein neues Buch. Diese Bücher werden von den verschiedensten Menschen gelesen und lebhaft diskutiert, darunter auch Wissenschaftler und Konfessionsführer. So gesehen, bringe nicht ich ihr Informationen von unserer so wohlinformierten Gesellschaft, vielmehr gibt sie mir Informationen, die für unsere Gesellschaft von Interesse sind.

Wer ist also in Wahrheit als Einsiedler zu bezeichnen? Haben wir uns vielleicht in den Spinnweben des Überflusses – oder genauer gesagt, des scheinbaren Überflusses – an Informationen verheddert? Wer lebt tatsächlich in Abgeschiedenheit, gleichwohl abgeschnitten von der wahren Informationsquelle? Ist die abgelegene Taiga-Lichtung nicht geradezu ein kosmisches Informationszentrum, eine Brücke zu anderen Dimensionen? Wer bin dann ich, wer sind wir alle, und wer ist Anastasia? Nun, vielleicht ist das gar nicht so wichtig jetzt … Viel wichtiger ist etwas anderes: In ihren letzten Äußerungen sprach sie über Wege zur Verbesserung der Lebensqualität des Einzelnen, des Landes und der Gesellschaft, und zwar anhand der Änderung unseres Lebensstils.

Und alles ist so unglaublich einfach: Die Menschen müssen nur ihren Hektar Land bekommen – Anastasia hat ja auch darüber gesprochen, was auf diesem Land zu tun ist. Dann werden die Menschen wie von selbst von der Energie der Liebe beseelt sein. Es wird glückliche Ehen geben und muntere Kinder; viele Krankheiten und Gebrechen werden weichen, und auch Kriege und andere Katastrophen wird es nicht mehr geben. Der Mensch wird Gott näher sein.

Sie hat uns auch angeboten, um unsere Städte herum viele Lichtungen wie die ihre anzulegen. Dabei lehnt sie es nicht einmal ab, dass wir die Errungenschaften unserer Zivilisation gebrauchen. «Auch das Negative soll zum Wohle der Menschen beitragen!», sagt sie. Ich habe an ihr Projekt geglaubt, an all das Schöne, das sich durch seine Verwirklichung in unserem Leben manifestieren würde. Vieles davon leuchtete mir ein; man sollte das Ganze nur nochmals genau prüfen und durchdenken. Und ihr Projekt muss an die jeweiligen geographischen und geologischen Umstände angepasst werden.

Anastasias Idee zur Umgestaltung der Landschaft hatte mich gepackt. Ich wollte so schnell wie möglich nach Hause, um herauszufinden, was Wissenschaftler über Siedlungen sagen, wie sie Anastasia vorschwebten. Vielleicht gab es ja irgendwo auf der Welt schon etwas Vergleichbares … Zunächst wollte ich eine solche Siedlung im Detail planen, um dann Menschen zu finden, die den Wunsch hatten, beim Aufbau mitzuhelfen. Natürlich konnte weder ich noch sonst jemand die Planung einer solchen vorbildlichen Siedlung im Alleingang planen. Die Sache musste im Team angepackt werden. Die Mitarbeiter des Planungsteams mussten sich zusammensetzen und alles in Ruhe besprechen, auf Grundlage der Informationen, die uns zur Verfügung standen, und unter Berücksichtigung der Fehler, die andere vor uns gemacht hatten.

3

Träume à la Auroville

Die ersten Monate nach meiner Rückkehr aus der Taiga verbrachte ich damit, Informationen über Ökosiedlungen zu sammeln und zu studieren. Das meiste Material stammte aus dem Ausland. Insgesamt erfuhr ich so über 86 Siedlungen in 19 Ländern, darunter Belgien, Kanada, Dänemark, England, Frankreich, Deutschland und Indien. Besonders beeindruckt war ich jedoch nicht von diesen Beispielen. In keinem einzigen Land spielten diese Siedlungen eine genügend große Rolle, um eine nennenswerte Wirkung auf das soziale Leben zu hinterlassen. Eine der größten und bekanntesten Siedlungen ist die Stadt Auroville in Indien, auf die ich im Folgenden näher eingehen möchte.

Auroville wurde 1968 von Mirra Rishar, der Frau Shri Aurobindos, in der Nähe der südindischen Stadt Pondicherry gegründet. Seit den vierziger Jahren hatte Aurobindo in seinem Ashram durch seine Lehre des «integralen Yoga» immer mehr Anhänger um sich geschart, sodass die indische Regierung ihnen ein größeres Stück Land zum Bau einer Siedlung zur Verfügung stellte. Dem Plan zufolge sollten in dieser internationalen Stadt einmal 50 000 Menschen leben. Getragen wird die «Stadt der Morgenröte» von der Vision, dass dort Menschen verschiedenster Nationen eine friedliche Gesellschaft aufbauen, die im Einklang mit den Gesetzen der geistigen Welt steht. In der Charta von Auroville schreibt Mirra Rishar: «Auroville soll ein Ort spiritueller und materieller Forschung sein, damit eine wirkliche menschliche Einheit lebendige Gestalt annehmen kann.»

Die Gründung und die Ziele von Auroville wurden von Indira Gandhi genehmigt, und das Projekt bekam finanzielle Unterstützung vom indischen Staat, von der UNESCO und von zahlreichen Sponsoren. An der Gründungszeremonie nahmen Vertreter von 121 Ländern und 23 indischen Bundesstaaten teil. Für einen Großteil der «spirituell» orientierten Menschen dieser Welt schien ein Traum in Erfüllung zu gehen.

Doch bereits kurz nach dem Tode Mirra Rishars im Jahre 1973 traten die ersten Schwierigkeiten auf. Der Schüler und Nachfolger Shri Aurobindos, Satprem, übte scharfe Kritik an Auroville und nannte es «ein rein kommerzielles Unternehmen». Der Ashram, der über den Großteil der Finanzen des «Unternehmens» verfügte, beanspruchte Entscheidungsgewalt über alle Geschehnisse in der Stadt. Die Einwohner der Stadt jedoch widersetzten sich dieser Oberhoheit des Ashrams. Sie entgegneten, ihre Kommune gehöre schließlich der ganzen Welt. So kam eine heftige Kontroverse zwischen dem Ashram und den Aurovillanern ins Rollen, eine Kontroverse, die nicht auf geistige Dimensionen beschränkt blieb, sondern handfeste Formen der Gewalt annahm. Im Jahre 1980 sah sich die indische Regierung gezwungen, Auroville von der direkten Kontrolle durch die Aurobindo-Gesellschaft abzukoppeln, und es wurde eine Polizeistation in der Stadt eingerichtet. Dieses Dilemma von Auroville führte zu einer allgemeinen Krise der von Shri Aurobindo inspirierten Bewegung.

Anstatt der ursprünglich geplanten 50 000 Einwohner leben heute (1998) gerade mal 1200 Menschen in Auroville. Die gesamte Region um die Stadt, einschließlich der 13 umliegenden Dörfer, zählt zurzeit 30 000 Einwohner. Woran ist der Traum von Auroville gescheitert? Vielleicht an folgender Regelung: Ein Aurovillaner hatte – mit entsprechender Genehmigung der Stadt – zwar das Recht, sich in der Region ein Grundstück zu kaufen, um ein Haus zu bauen, doch juristisch blieb das Grundstück im Besitz von Auroville. Mit anderen Worten, das Grundstück wurde durch die Mittel des Hausbauers, aber im Namen Aurovilles erworben. Die Gründer hatten nur Vertrauen in die Idee von der Stadt, nicht aber in ihre Bewohner. So gerieten all die Aurovillaner, die sich selbst ja als spirituell denkende Menschen erachteten, in Abhängigkeit von der Organisation. Hier zeigt sich die Kehrseite der Medaille sogenannter Spiritualität.

Die Lage des heutigen Auroville bedrückte mich stark. Nicht, dass ich Zweifel bekam an Anastasias Projekt, aber dennoch beschlichen mich negative Gedanken. Wenn schon in Indien, dem Land, das oft als geistiger Vorreiter der Menschheit betrachtet wird, der Bau einer einfachen Siedlung misslungen war, wie sollte dann Anastasia allein ihr gewaltiges Vorhaben realisieren und dabei erfolgreich alle Klippen umschiffen können? Nun gut, ganz allein war sie auch wieder nicht. Immerhin gab es ja all die Leser, die Anastasias Ansichten teilten, aber selbst gemeinsam waren wir nicht allzu stark, und noch dazu war für fast alle von uns die Aufgabenstellung gänzlich neu.

Hätte je ein Mensch das Geheimrezept für ein glückliches Dasein des Einzelnen und der Gesellschaft gekannt, wäre das Ergebnis dann nicht schon längst irgendwo zu sehen gewesen? Offenbar kannte niemand den richtigen Weg. Wohin man auch sah, überall gab es nur negative Erfahrungen. Wo nur konnten positive Beispiele gefunden werden?

«In Russland», lautete Anastasias Antwort.

4

Vorboten der neuen Zivilisation

«Keime dieser verheißungsvollen Zukunft gibt es schon jetzt – die russischen Kleingärtner!», sagte mir diesmal nicht Anastasia, die nicht anwesend war, sondern meine innere Stimme. Dabei erinnerte ich mich daran, mit welchem Enthusiasmus Anastasia vier Jahre zuvor über die russischen Kleingärtner gesprochen hatte, die ihrer Meinung nach 1992 einen globalen Kataklysmus verhindert hatten. In Russland war damals jene sonderbare Bewegung der Kleingärtner entstanden, die einen Teil der Erde besänftigte. Ich erinnere mich noch deutlich an Anastasias Worte:

«Und Millionen von Menschenhänden berührten die Erde mit Liebe. Gerade mit den Händen, nicht mit Maschinen, berührten die Menschen auf ihren kleinen Grundstücken in Liebe die Erde. Und die Erde spürte jede einzelne Hand und sammelte so Kräfte, um noch eine Zeitlang weiter durchzuhalten.»

Damals hatte ich ihre Worte nicht besonders ernst genommen, umso mehr aber jetzt, nachdem ich Bekanntschaft gemacht hatte mit Versuchen in aller Welt, spirituelle Ökosiedlungen zu gründen. In Russland war etwas Ähnliches geschehen, doch ohne pompöse Werbung und in viel größerem Ausmaß. Zieht man allein die Landesfläche und die Anzahl der in Russland entstandenen Landkommunen in Betracht, so wirkten die Informationen über die Schaffung einzelner Siedlungen hier und da in aller Welt recht kümmerlich.

Urteilen Sie selbst: Ich habe hier haufenweise Bücher und Artikel vor mir liegen, in denen ernsthaft das Problem erörtert wird, wie viele Menschen in einer Ökosiedlung leben sollten: Im Allgemeinen wird die Anzahl auf 150 Siedler begrenzt. Dafür wird der Verwaltungsstruktur und der geistigen Führung große Bedeutung beigemessen.

In Russland hingegen existieren seit Jahren Landkommunen in Form von Kleingärtner-Kooperativen mit 300 Familien und mehr, mit einem Verwaltungsapparat von ein oder zwei Personen – viele von ihnen sind Rentner. Und von ihrer Funktion her sind sie auch nicht gerade als Verwaltungsratsvorsitzende einer russischen Landkommune zu betiteln. Vielmehr hören sie sich die Vorschläge und Meinungen der Bewohner an und tun das, was die Mehrheit wünscht. So etwas wie zentrale Verwaltungsorgane kennt die Landkommunenbewegung Russlands schon gar nicht. Dabei haben – laut Angaben des Goskomstat* von 1997 – 14,7 Millionen russische Familien ihren eigenen Garten und 7,6 Millionen Familien ihren eigenen Gemüsegarten, mit einer Gesamtfläche von 1,821 Millionen ha. Rund 90% der Kartoffeln, 77% der Früchte und Beeren sowie 73% des Gemüses wurden damals in Russland von der Bevölkerung im eigenen Garten erzeugt.

Wahrscheinlich werden die Theoretiker, die sich jahrelang mit Ökosiedlungen beschäftigt haben, mir jetzt entgegenhalten, diese Landkommunen seien nicht mit wahren Ökosiedlungen zu vergleichen. Dem möchte ich sogleich entgegenhalten, dass es mir nicht um großartige Bezeichnungen geht, sondern um die Sache an sich. Außerdem beachten die meisten russischen Landkommunen sehr wohl die ökologischen Prinzipien. Und die Tatsache, dass sie dabei nicht mit spiritueller Vervollkommnung prahlen oder lauthals auf die Notwendigkeit der umsichtigen Beziehung zur Natur pochen, sondern einfach handeln, beweist nur ihre wahre spirituelle Größe. Millionen von Bäumen haben sie gepflanzt und Hunderttausende Hektar Ödland in blühende Gärten verwandelt.

Wie wir aus den Medien erfahren, lebt ein Teil der russischen Bevölkerung heute am Rande des Verhungerns, Lehrer und Bergleute streiken, und die Politiker suchen nach einem Weg aus der Krise. Nicht einmal zu Zeiten der Perestroika stand Russland so nahe an einer sozialen Explosion wie vor ein paar Jahren. Aber dazu ist es nicht gekommen. Und nun stellen Sie sich einmal vor, was ohne jene 90% Kartoffeln, 77% Früchte und Beeren sowie 73% Gemüse passiert wäre. Den gesteigerten Frust und die Existenzangst von Millionen von Menschen kann man sich kaum ausmalen. Auch muss man kein Psychologe sein, um zu sehen, dass in jenem Szenario der beruhigende Faktor der Datschen – das Bepflanzen der eigenen Beete und die Berührung mit der Erde – eine nicht zu unterschätzende Rolle spielte.

Was wäre also in den Jahren 1992, 1994 und 1997 ohne die Kleingärtner geschehen? In jedem dieser Jahre sind wir dicht an einer sozialen Katastrophe vorbeigeschliddert. Wie leicht hätte ein solches soziales Feuer in Russland auf den gesamten Planeten übergreifen können – vor allem, wenn man das vernichtende Waffenpotenzial in vielen Ländern berücksichtigt!

Aber eine solche Katastrophe ist nicht eingetreten. Anastasia sagt, die drohende Katastrophe von 1992 sei nur dank der russischen Kleingärtner abgewendet worden, und jetzt, wo ich all die Fakten kenne, glaube ich ihr.

Es ist jetzt nicht so wichtig festzustellen, welcher kluge Kopf in unserer Regierung auf die Idee gekommen war, grünes Licht zu geben für die Datschenbewegung in der damaligen Sowjetunion. Wer weiß, vielleicht war es ja auch eine höhere Fügung, dass es ausgerechnet in Russland geschehen ist. Viel wichtiger ist aber, dass es überhaupt geschehen ist. Und dies ist der beste Beweis dafür, dass es möglich ist, in der menschlichen Gesellschaft Stabilität zu erreichen, jene Stabilität, nach der viele Völker auf Erden jahrtausendelang strebten, die sie jedoch nie erreichten.

Nach Anastasias Ansicht ist die Datschenbewegung in Russland der wichtigste Wendepunkt in der Entwicklung der menschlichen Gesellschaft. «Die Kleingärtner», sagt sie, «sind die Vorboten all des Schönen, was nach ihnen kommt», wobei sie auf die von ihr beschriebenen Siedlungen anspielt. Ich selbst würde sehr gern in einer solchen Siedlung wohnen, und ich wünsche mir, dass sie auf dem Boden eines blühenden Landes namens Russland liegt.

Goskomstat (Gosudarstwennij Komitet po Statistike): Statistisches Bundesamt Russlands. (Anmerkung des Übersetzers)

5

Die Suche nach Beweisen

Die glorreiche Zukunft Russlands, davon bin ich überzeugt, wird auch meine Generation noch erleben. Durch dieses Land werden sich die Geschicke der Menschheit und des gesamten Planeten zum Guten wenden. Anastasia hat mir die Zukunft unseres Landes gezeigt. Es ist mir gar nicht mehr so wichtig, wie diese lebenssprühende, nimmermüde Taiga-Einsiedlerin ihre Reisen zu anderen Planeten und in die Vergangenheit oder Zukunft zustande bringt. Oder wie sie menschliche Seelen mit unsichtbaren Fäden zu einem weltweiten Netz verknüpft und so zu gemeinsamem Schaffen inspiriert. Viel wichtiger ist, dass diese Schaffenskraft tatsächlich wirkt und was sie bewirkt. Auch kommt es meines Erachtens nicht darauf an, wo sie all ihre kosmischen Informationen und ihr Wissen über unser Leben hernimmt. Was für mich zählt, sind die wunderbaren Ergebnisse ihres Wissens: dass Menschen in den verschiedensten Städten Zedernalleen pflanzen, dass sie beginnen, Zedernöl herzustellen, und dass so viele Lieder und Gedichte über das Gute und Schöne entstehen.

Es ist schon so eine Sache! Sie erträumt etwas, ich schreibe darüber und puff!, schon wird es Wirklichkeit! Eigentlich grenzt so etwas an Zauberei, und doch geschieht es vor unser aller Augen, hier und jetzt. Nun hat sie eine wunderschöne Zukunft für Russland erträumt. Ob sich wohl auch diese ihre Vision verwirklichen wird? Unbedingt! Und wir alle sind aufgerufen, dabei mitzuhelfen!

Wieder und wieder hatte ich versucht, den Wahrheitsgehalt von Anastasias Worten zu prüfen und ihre Visionen zu analysieren, und so war ich immer mehr zu der Überzeugung gelangt, dass ihr Traum von der schönen Zukunft in der Tat verwirklicht werden kann. Ich glaubte an ihn.

Ich hatte begonnen, alles zu glauben, was Anastasia sagte, doch was das Kapitel über die Zukunft Russlands betraf, so hatte ich mit seiner Veröffentlichung gezögert. Eigentlich war es für das vorhergehende Buch, Schöpfung, geplant gewesen, und so wurde dessen Produktion (und auch die Produktion des vorliegenden Bandes) über einen längeren Zeitraum aufgehalten. Denn ich wollte, dass das, was ich schrieb, auch für andere Menschen glaubwürdig war, dass meine Leser beginnen würden, an der Verwirklichung der schönen Zukunft mitzuwirken. Und wegen bestimmter Aussagen Anastasias erschien mir dieses Kapitel einfach nicht überzeugend genug, sodass ich es letztlich vollständig aus Band 4 strich.

Nehmen wir allein Anastasias Aussage, dass alles, was uns umgibt, nichts anderes sei als der Materie gewordene Geist Gottes. Weiter sagte sie, wenn der Mensch auch nur teilweise Gottes Absichten verstünde, bräuchte er keine großen Anstrengungen zu unternehmen, um Nahrung zu gewinnen, da Dünger und Schädlingsbekämpfung nicht mehr nötig seien, wenn die eigenen Regenerationskräfte des Erdbodens genutzt werden würden. Sein Geist wäre frei von alltäglichen Haushaltsproblemen, und er könnte sich um Dinge kümmern, die seinem Wesen viel besser entsprechen, indem er zusammen mit Gott an dem Aufbau einer schönen Welt wirke. Ich würde mir wünschen, dass möglichst viele Menschen diese Worte glauben. Wie aber sollen sie Vertrauen schöpfen, wenn man in der Agrotechnologie – und das nicht nur in unserem Land – ohne Kunstdünger gar nicht mehr auszukommen meint?

Es gibt zahllose Betriebe in aller Welt, die mit der Herstellung von chemischen Düngemitteln beschäftigt sind. Ich wandte mich mit meiner Frage an verschiede Agrarwissenschaftler, aber jedes Mal bekam ich in etwa die gleiche mitleidige Antwort: «Natürlich kann eine Familie auf einem Hektar Land einen Paradiesgarten erschaffen, aber dazu muss sie von morgens bis abends hart arbeiten, und ohne Dünger wird es keine nennenswerte Ernte geben. Auch auf Pflanzenschutzmittel kann man dabei nicht verzichten, weil sonst ein Großteil der Ernte von Schädlingen vernichtet wird.» Auf Anastasias Argument, in der Taiga wachse ja auch alles ohne die Hilfe des Menschen, entgegneten die Agronomen: «Gut, dort wächst alles von allein. Und vielleicht hat deine Einsiedlerin ja recht damit, dass die Natur der Taiga direkt von Gott geplant ist. Nur kommt der Mensch mit dem, was in der Taiga wächst, einfach nicht aus. Die Taiga ist nun mal kein Freigarten, in dem Obst und Gemüse von allein wachsen. Ohne die ständige Pflege des Menschen geht es nicht.»