Anders aber geil - Lars Junghans - E-Book

Anders aber geil E-Book

Lars Junghans

0,0

Beschreibung

Anders aber geil ist nicht nur der Titel meines Buches, es ist meine neue Einstellung zum Leben. Als der Krebs bei mir diagnostiziert wurde und sich daraus die Amputation meines Unterschenkels ergab, war zunächst nur Leere in mir. Ich möchte zeigen, dass man auch als Amputierter noch alle Möglichkeiten hat und das es unendlich viele Ziele gibt, die trotz fehlender Gliedmaßen erreichbar sind. Mein Werk soll Mut machen, bzw. die Motivation steigern und erhalten. Das Leben ist lebenswert. Nichts ist unmöglich, solang du selbst an dich glaubst. Mein Weg ist nicht auf jeden übertragbar, aber jeder kann einen Nutzen daraus ziehen, Betroffene, Familie, Angehörige und Freunde. Alle gemeinsam können eine neue Normalität erschaffen, die trotz allem schön sein wird.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 161

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Vorgeschichte

Uni Heidelberg

Krankenhaus

Endlich zuhause

Anträge über Anträge

Versorgung

Der Weg zurück ins Leben

Ehrgeiz

Mein Mindset

Zuspruch ist wichtig, darf aber nicht zur Droge werden

Schlusswort

Danksagungen

Vorwort

Ich bin Lars und meine, auf den folgenden Seiten beschriebene, Geschichte soll ähnlich betroffenen Menschen Mut machen. Mut machen, weil sie deutlich machen soll, dass man kein super ehrgeiziger Sportler sein muss, um meinen Weg zu gehen. Ich bin es nämlich auch nicht.

Ich will mich nicht hervorheben von all den Menschen, die ein ähnliches oder schlimmeres Schicksal „erleiden“ mussten. Viele, die ich bis dato mit ähnlichen Beeinträchtigungen kennenlernen durfte, sind noch viel mobiler geworden als ich.

Aber jeder, der diesen Weg zurück ins Leben bestreitet, unabhängig vom Grad seiner zurückerlangten Mobilität, verdient den allergrößten Respekt. Weil es mir aber leicht fällt, darüber zu sprechen, möchte ich meine Geschichte erzählen und die Leistung Anderer damit nicht schmälern.

Im Gegenteil, die Leistung anderer von Unterschenkelamputation Betroffenen motiviert mich selbst immer wieder, auch heute noch.

Motivation ist etwas, das meiner Meinung nach bewusst passieren sollte. So bin ich immer auf der Suche nach Beiträgen und/oder Berichten von und über Menschen mit Amputationen, um zu sehen, zu was sie alles im Stande sind und wie sie auch alltägliche Dinge meistern.

Meistens merke ich dann, wie sich in meinem Kopf folgender Gedanke zusammenbaut:

„Das will ich auch wieder können.“

Meine Geschichte soll zeigen, dass es keinen Hochleistungssportler braucht, um den Weg zurück ins Leben zu finden.

Ich war nie wirklich sportlich. Ich war zwar beruflich und privat immer körperlich gefordert, verfügte aber nie über eine gute Fitness. Man kann also nicht sagen, dass meine Fortschritte in einer besonders guten sportlichen Vorgeschichte begründet sind.

Ich passe körperlich wohl ganz gut in das Raster des Durchschnittsdeutschen. Leicht übergewichtig mit einer Tendenz zum Bierbauch (auch wenn mein Bauch nicht auf Bier basiert), sportlich inaktiv, aber auch kein Couchpotato. Einzig meine 2 Meter Körpergröße lassen mich etwas aus dem Rahmen fallen, machen aber meinen Weg zurück ins Leben nicht wirklich leichter.

Zudem bin ich nicht sonderlich gläubig. Phrasen wie „Gott hat mir geholfen“ werdet Ihr also auf den folgenden Seiten nicht finden.

Ich habe mit 18 Jahren, nach meinem Realschulabschluss (ja, ich habe zwei Ehrenrunden gedreht), eine Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann gemacht, war beim Bund (Grundwehrdienst) und danach immer irgendwo als Fahrer angestellt. Also alles nichts Besonderes. Nichts, was mich irgendwie besonders auf mein Schicksal vorbereitet hätte oder woraus ich heute einen Nutzen ziehen könnte.

Daher sage ich ganz klar:

„Der Bundesdurchschnitt kann genau denselben Weg gehen, wie ich ihn gegangen bin.“

Hoffentlich muss diesen Weg keiner gehen, aber wenn ihr an einem ähnlichen Startpunkt steht, dann macht den ersten Schritt. Nur so kommt ihr ans Ziel. Ich hoffe, die folgenden Seiten können euch etwas Mut machen und helfen euch dabei, die ein oder andere Hürde vielleicht sogar noch besser zu nehmen als ich.

Vorgeschichte

Es muss 2021 gewesen sein, also etwa 2 Jahre vor meiner alles verändernden Operation. Ich war damals noch als Auslieferungsfahrer in einer kleinen Spedition angestellt und wir lieferten in Zweierteams mit einem 7,5-Tonner Neumöbel an Endkunden aus und montierten diese vor Ort beim Kunden.

Zu dieser Zeit machte ich diesen Job schon über 10 Jahre. Also täglich schwere Lasten tragen, Treppe hoch, Treppe runter, und auch das Montieren der Möbel verlangte dem Körper einiges ab. Aber ich habe diesen Job gerne gemacht. Jeder Tag war anders, jeder Kunde war anders, und so stellte sich nie ein Gefühl von Langeweile ein.

Während der Arbeit, wo man ja nicht wirklich jede Bewegung ganz bewusst macht, spürte ich eines Tages ein Stechen im rechten Fuß. Um genau zu sein, im Großzehnballen des rechten Fußes. Ich schenkte diesem Schmerz zunächst keine große Beachtung. Die Füße mussten berufsbedingt schließlich einiges aushalten. Ich trug immer Sicherheitsschuhe mit einem hohen Schaft. Allein schon für maximale Stabilität beim Treppenlaufen. Bis heute habe ich meine Schuhwahl nicht bereut und kann nur jedem raten:

„Seid euch nicht zu fein für Sicherheitsschuhe.“

Erst nach einem wiederholten Auftreten des Schmerzes wurde ich wirklich aufmerksamer und es galt, die Ursache dafür zu finden. Der Schmerz war nur punktuell, immer an derselben Stelle und immer nur bei einer ganz bestimmten Belastung. Das Naheliegendste war also, dass ich in einen Nagel oder dergleichen getreten war.

Das konnte ich aber relativ schnell ausschließen, nachdem ich meine Schuhe darauf geprüft hatte. Auch befand sich kein Stein in meinem Schuh oder meiner Socke. Ein Stein hätte sich ja mal verschoben und wäre dauerhaft spürbar gewesen.

Dies unangenehme Gefühl trat aber nur unter bestimmten Bedingungen und immer an derselben Stelle auf. Ohne diese Stelle zu belasten war ich sogar noch beschwerdefrei, bis ich eben das nächste Mal wieder genau diesen Punkt traf. Ich beschloss, meine Füße einer intensiveren Pflege zu unterziehen. Zu diesem Zweck entfernte ich penibel und ausgiebig sämtliche Hornhaut. Auch überprüfte ich meine Fußsohlen auf dermatologische Auffälligkeiten. Also ob ich irgendeine Veränderung der Haut in dem Bereich, wo die Schmerzen auftraten, feststellen konnte. Es war jedoch nichts zu erkennen oder zu spüren.

Im Rahmen dieser selbst durchgeführten Fußpflege versuchte ich auch den entsprechenden Punkt mit meinem Daumen zu reizen, um den mittlerweile bekannten Schmerz zu erzeugen. Es war aber nicht das Gleiche. Ich konnte nur einen dumpferen Schmerz erzeugen, weniger stechend als es bei falscher Belastung der Fall war.

Einige Wochen beobachtete ich nun dieses Phänomen, dessen Ursache mir immer noch schleierhaft war. Als sich allerdings eine spür- und tastbare Schwellung entwickelte, entschied ich mich, einen Orthopäden aufzusuchen.

Ich fühlte mich zwar nicht krank und war auch weit weg von arbeitsunfähig, aber diese Stelle ging mir zunehmend auf die Nerven. Nicht nur weil ich den Schmerzpunkt immer häufiger traf, sondern auch weil nach einer Reizung das Abklingen dieses unangenehmen Gefühls immer länger dauerte.

Der Orthopäde schaute sich meinen Fuß an, drückte mal hier und drückte mal dort. Die Röntgenbilder, die er anfertigte, wertete er noch am selben Tag in meinem Beisein aus. Selbst für mich sah das nach seinen Erklärungen auf dem Bild irgendwie merkwürdig aus.

Seine Diagnose beruhigte mich aber. Es sei lediglich ein entzündetes Sesambeinchen, und das bekäme ich mit Kamillenfußbädern wieder in den Griff. So etwas käme schon mal vor bei Überbeanspruchung oder Überbelastung, und so schloss sich für mich der Kreis. Meine Arbeit war also Schuld daran.

Ich vertraute auf die entzündungshemmende Wirkung der Kamille und auf den Rat meines Arztes. Nun hieß es jeden zweiten Abend Kamillenfußbäder machen und auf der Arbeit den Fuß etwas schonen, soweit das überhaupt möglich war.

Ich war mir natürlich dessen bewusst, dass sich eine Besserung nicht von heute auf morgen einstellt. Kurzzeitig hatte ich tatsächlich auch das Gefühl, dass die Beschwerden weniger werden würden. Nun bin ich aber auch nicht derjenige, der sofort wieder zum Arzt rennt, wenn es nicht besser wird. Ich versuchte also weiter alles, um mein Sesambeinchen zu beruhigen.

Die Frequenz der Kamillenfußbäder ging zwar zurück, nicht aber die Achtsamkeit bezüglich meines Fußes. Ich sorgte weiterhin für das Fortbleiben von Hornhaut und schonte meine Füße während der Arbeit.

Circa 6 Monate nach meinem ersten Besuch suchte ich meinen Orthopäden abermals auf. Ich berichtete von meiner Therapie und dass sich eben der gewünschte Erfolg nicht einstellte, im Gegenteil. Mittlerweile war auch von Außen eine Verdickung sichtbar. Ich dachte aber, das käme nur daher, weil der Fuß ja trotz allem ständig in Benutzung war.

Für tage- oder wochenlanges Fußhochlegen war und bin ich nicht der Typ. Ein Schonen meines Fußen war mir leider so nicht möglich, wie es mein Orthopäde vielleicht gern gehabt hätte. Er schaute sich jedenfalls meinen Fuß nochmals an und verschrieb mir Einlagen. Der Satz,

„Dann müssen wir es eben doch mal mit Einlagen probieren“,

stimmte mich zuversichtlich, obwohl, und das weiß ich heute, der Satz genug Spielraum für Interpretationen lässt.

Waren die Kamillenbäder für ihn nur eine billige Möglichkeit, mich loszuwerden? Wollte er mich zuerst vor dem Tragen von Einlagen bewahren, aus welchen Gründen auch immer? Oder war das Verschreiben der Einlagen tatsächlich ein mit Aussicht auf Erfolg versehenes Vorgehen, das üblicher Weise nach den Kamillenfußbädern kommt, wenn diese nicht wirken?

Diese Fragen stellte ich mir damals aber nicht und besorgte mir zeitnah maßgefertigte Einlagen und achtete darauf, diese auch möglichst immer zu tragen. Nun ging ich also mit Sportschuhen arbeiten, weil ich diese auch in der Freizeit trug und so wirklich das Maximum an Tragezeit der Einlagen erreichen konnte.

Wochen und Monate vergingen, doch es stellte sich, entgegen meiner Erwartungen, keine Besserung ein. Die Schwellung im Fuß pochte mittlerweile noch einige Zeit nach, nachdem ich meine Schuhe auszog, und ich musste wieder meinen Doc konsultieren.

Leider war mittlerweile sein Wissen erschöpft, er wusste also nicht mehr weiter. Damit mir jedoch geholfen wird, verwies er mich an einen Kollegen. Ein Fußchirurg in einer 30 km entfernten Klinik sollte sich nun meinem Problem annehmen.

Voller Hoffnung machte ich also einen entsprechenden Termin und begab mich dann dorthin. Nach dem Erstellen neuer Röntgenbilder und einem Gespräch mit mir wollte er sich dann auch mal meinen Fuß ansehen. Auch mein Gangbild schaute er sich an, also wie mein Bewegungsablauf beim Gehen aussah.

Er stellte fest, dass ich mit dem betroffenen Fuß bereits eine Schonhaltung eingenommen hatte und nicht mehr vollflächig über den ganzen Fuß, sondern mehr über die Außenkante abrollte. Mein erster Gedanke war:

„Dafür hätte ich keinen Arzt gebraucht.“

Ich blieb aber freundlich und ließ mich weiter auf ihn ein. Schließlich war er der Studierte und ich wollte ja seine Hilfe bekommen. Selbst die dann folgende Aussage stimmte mich nicht missmutig und machte fast Sinn für mich.

„Sie sind scheinbar etwas zu schwer für Ihren Fuß. Der muss ja beim Gehen zeitweise ihr gesamtes Körpergewicht alleine tragen, und ich gehe davon aus, dass das einfach zu viel für ihren Fuß ist.“

Auf Deutsch:

„Du bist zu fett. Nimm mal etwas ab, dann geht es auch deinem Fuß besser.“

Zwiegespalten von dieser Aussage machte ich mich nachdenklich auf den Heimweg. Ich dachte lange darüber nach. Sind 140 kg bei 2 Metern echt so viel zu viel? Letztlich beschloss ich, es darauf ankommen zu lassen, und hielt von nun an Diät.

Jeder, der mal abnehmen wollte, wird das nachvollziehen können. Das geschieht ebenfalls nicht von heute auf morgen. Weitere 6 Monate gingen ins Land. Mittlerweile hatte ich stabil meine 120 kg gehalten, nicht nur erreicht, sondern auch gehalten. Mein Fuß dankte es mir leider trotz allem nicht.

Nicht nur die letzten erfolglosen und ernüchternden Arztbesuche, sondern auch ein nun bevorstehender Wohnungsumzug hielten mich allerdings zunächst davon ab, erneut einen Arzt aufzusuchen.

So brachten wir erst einmal unseren Umzug hinter uns. Natürlich nahezu alles in Eigenleistung. Möbel auf- und abbauen war für mich ja, ebenso wie das Schleppen aller Einrichtungsgegenstände, nie ein Problem.

Grund für diesen Umzug war tatsächlich die Familie. Wir wollten die Familie näher zusammen bringen und so beschlossen meine Frau Gabi und ich gemeinsam den Umzug in die Nähe ihrer Schwester Sabine und deren Lebensgefährten Christian. Familie in der Nähe zu haben ist immer gut.

Da wir uns nach unserem Umzug in einer völlig fremden Stadt befanden (etwa 60 km vom vorherigen Wohnort entfernt), dachte ich,

„neue Stadt, neues Glück“.

Und so suchte ich mir den nächstgelegenen Orthopäden. Der Termin hatte hier allerdings länger auf sich warten lassen als in unserer früheren, eher ländlichen Gegend. Aber jede Wartezeit findet irgendwann ein Ende, und so durfte ich dann eines Tages beim Arzt vorsprechen und ihm mein Leid klagen.

Nun hat diese Praxis leider kein eigenes Röntgengerät und lässt solche Aufnahmen von einem nahegelegenen Radiologiezentrum machen. Ohne diese Bilder konnte der Arzt aber leider gar nichts sagen. So musste ich erst einmal einen Termin für das Erstellen der Röntgenaufnahmen machen und diesen Termin abwarten.

Weitere Wochen gingen ins Land und ich konnte wiederholt den Arzt aufsuchen, diesmal aber mit meinen aktuellen Röntgenbildern des Fußes im Gepäck. Der Arzt konnte auf Grundlage der Bilder kein abschließendes Urteil abgeben bzw. keine eindeutige Diagnose stellen.

Es war eine Verkalkung und eine Schwellung erkennbar. Ihm erschloss es sich aber nicht, wie diese zwei Sachverhalte miteinander zusammenhingen, und er wollte dies mit Hilfe weiterer bildgebender Diagnostik abklären.

Er verwies mich wieder an das Radiologiezentrum, um eine MRT meines rechten Fußes erstellen zu lassen.

Neben der ganzen ärztlichen Odyssee hatten wir natürlich auch noch ein Privatleben und ein Arbeitsleben. Zwischenzeitlich war ich bereits weggekommen von der Möbelauslieferung und konnte meinen Körper in dem neuen Job etwas schonen.

Ich war mittlerweile Fahrverkäufer und im Rahmen dieser Tätigkeit mit einem Kleintransporter unterwegs, um die mir zugeteilten Zigarettenautomaten zu pflegen und zu füllen. Insgesamt also ein weniger körperlicher Job, aber nichtsdestotrotz viel auf den Füßen unterwegs.

Zu allem Überfluss erwies sich unsere Wohnungswahl als sehr unglücklich. Die Nachbarschaft war eine Katastrophe. Die sachlichen Auseinandersetzungen mündeten letztendlich in dem Versuch, unsere Hunde mit Giftködern zu verletzen. Das war für uns Anlass genug, nach einer neuen Wohnung zu suchen und die zuerst bezogene Wohnung nach 4 Monaten bereits wieder zu verlassen.

Natürlich wurde auch dieser zweite Umzug wieder in Eigenleistung gestemmt und wir (meine Frau Gabi und ich) waren glücklich, als wir auch diesen Umzug vollendet hatten.

Der Umzug war rum, Frau und Hunde in Sicherheit, mein Job gefestigt und so konnte ich mich wieder meinem Fuß widmen.

Der Termin für die MRT rückte näher und ich war guter Dinge, dass mir nun nach mittlerweile 2 Jahren mal wirklich geholfen wird. Die MRT vom Fuß ist jetzt nicht so spektakulär und war auch erst einmal nicht aufregend.

Nach Abschluss der Bildgebung wurde mir allerdings mitgeteilt, dass weitere Aufnahmen nötig seien. Die weiteren Aufnahmen müssten allerdings mit Kontrastmittel gemacht werden, wozu zwingend der so genannte Krea-Wert nötig sei. Also ein ganz bestimmter Blutwert.

Hätte man mir das früher gesagt, hätte ich dafür sorgen können, dass ich diesen Wert bereits zum Termin mitbringe. Zeit hätte ich vorher ja genug gehabt.

Meine erste Befürchtung, nämlich dass ich jetzt wieder einige Wochen auf den nächsten Termin warten müsse, stellte sich allerdings ziemlich schnell als unbegründet heraus. Ich konnte mir noch am gleichen Tag den benötigten Wert von einer ortsansässigen Apotheke ermitteln lassen und so kam es, dass ich bereits am Folgetag erneut im MRT lag, diesmal allerdings mit Kontrastmittel.

Am Vortag durfte ich einfach gehen und die Bilder wurden digital an meinen Orthopäden gesendet. Nach der zweiten MRT, der mit Kontrastmittel, rief mich allerdings der Radiologe nochmals in sein Sprechzimmer.

Was war jetzt so anders als gestern?

Warum soll ich nochmal ins Sprechzimmer?

Was war hier los?

Das waren so die ersten Fragen in meinem Kopf, während ich langsam die Türklinke zum Sprechzimmer betätigte.

Mir ist auch während meiner Wartezeiten vor den beiden Untersuchungen nicht aufgefallen, dass überhaupt ein Patient zum zuständigen Radiologen gerufen wurde.

Ein ungutes Gefühl tat sich auf.

Ich begrüßte den Arzt, nahm meinen Platz ein, mit Blick auf den Monitor, und der Doktor machte mir ohne große Umschweife und in einem vernünftigen Deutsch ohne Fachchinesisch klar, dass ich einen Tumor in meinem Fuß habe.

Genaueres konnte er mir jedoch nicht sagen. Er machte mir Mut und ging offenkundig nicht von einem bösartigen Tumor aus. Dafür hätte ich ihn schon zu lange in mir, als dass man von einem bösartigen Tumor ausgehen könne. Außerdem sei auf den Bildern eine klare Abgrenzung zum Nachbargewebe zu erkennen, was wiederum für einen gutartigen Tumor spreche. Ich müsse mich allerdings trotzdem mit meinem Orthopäden um eine Weiterbehandlung kümmern, weil er bereits einige Knochen im Fuß verschoben hat bzw. zur Seite drückt und weil er schon durch die Plantarfazie durchgewachsen war.

Die Plantarfazie ist ein Sehnenstrang, der an der Ferse beginnt, sich nach vorne auffächert und zu jedem Einzelnen der fünf Zehngrundglieder verläuft.

Auf den Bildern konnte man gut die Größe des Tumors erkennen und der Radiologe musste ihn für seinen Befund schlussendlich auch ausmessen.

12x5x6 cm.

Ja, Zentimeter. Der Tumor hatte also etwa die Größe von zwei nebeneinander liegenden Tennisbällen und befand sich in meinem Fuß, aber unterhalb der Knochen.

Durch die Worte des Arztes beruhigt, ging ich nach Hause, um einen neuen Termin beim Orthopäden zu vereinbaren.

Termine bei Fachärzten sind ja bekanntlich nicht auf die Schnelle zu bekommen, und so hatte ich einige Tage Zeit, mir diverse Szenarien auszumalen. Letztlich kam ich aber immer zum selben Ergebnis.

„Ich muss unters Messer, weil der Tumor aus mir raus muss.“

Das war unproblematisch für mich, weil ich keine besondere Angst vor Operationen hatte. Zudem war der Operationsbereich weit genug von allen inneren Organen weg.

Was konnte also schon passieren?

Auf der Arbeit erzählte ich sofort meinem Chef von der Diagnose, weil wir echt ein gutes Verhältnis haben und ich ihn schon einmal auf einen etwas längeren Ausfall meiner Arbeitskraft vorbereiten wollte. Selbst Ihm war schon aufgefallen, dass ich nicht mehr ganz rund laufe, man also an meinem Gangbild schon sehen konnte, dass ich irgendwelche Beschwerden habe.

Auch meine Frau war stark und machte mir Mut. Immer wieder redeten wir darüber und immer fand sie neue Argumente, warum das alles gar nicht so tragisch oder gefährlich sein kann.

Auch für die Zeit nach der Operation bräuchte ich mir keine Gedanken machen. Sie sei ja da und würde sich um alles kümmern. Kein Grund für mich zu irgendeiner Zeit, auch nur ansatzweise einen negativen Gedanken zu verschwenden.

Ich begab mich also guter Dinge zu meinem Termin beim Orthopäden. Dieser machte mir allerdings, nach der Inaugenscheinnahme der MRT-Bilder, schnell deutlich, dass er mir, trotz seiner Funktion als Belegarzt einer orthopädischen Klinik, nicht weiterhelfen könne bzw. diese Operation unter keinen Umständen durchführen könne.

Zu viele kleine Knochen, Sehnen, Nerven und Blutgefäße fordern hier das Wissen und die Erfahrung eines Fußchirurgen. Schließlich wolle man ja die Funktion des Fußes erhalten. Er kannte einen Fußchirurgen, welcher zudem sein uneingeschränktes Vertrauen genoss. Wenn er etwas am Fuß hätte, dürfte auch nur dieser Fußchirurg bei ihm die Operation durchführen.

Dieser vorerst letzte Besuch bei meinem Orthopäden machte uns dann doch etwas nervös. Nicht zuletzt weil er uns die Dringlichkeit des Eingriffs, wenn auch unbewusst, deutlich machte.

Er wollte, noch während wir in der Praxis waren, mit dem empfohlenen Chirurgen Kontakt aufnehmen und persönlich für einen zeitnahen Termin sorgen. Er konnte ihn allerdings telefonisch nicht erreichen und versprach uns, ihm alles vorab schon einmal per WhatsApp zukommen zu lassen, damit er sich alsbald bei uns für einen Termin melden könne. So verließen wir die Praxis mit gemischten Gefühlen und gingen nach Hause.

Wir waren nicht wirklich schlauer als vor dem Besuch. Im Gegenteil, die Worte des Arztes stimmten uns nachdenklich.

Sein ganzes Verhalten, der Versuch, die Terminvergabe zu beschleunigen, und die Tatsache, dass er selbst sich da nicht dran traute, ließen doch den Kummer in uns wachsen.

Die folgenden Stunden waren wir mit den vergeblichen Versuchen beschäftigt, den empfohlenen Fußchirurgen zu erreichen. Seine Praxis war telefonisch für uns einfach nicht erreichbar.

Wir suchten zeitgleich nach Alternativen, wo ich gegebenenfalls weiterbehandelt werden könnte. Bad Kreuznach, die Stadt, in der wir wohnten, verfügte zwar gleich über zwei Krankenhäuser, trotzdem nahmen wir lieber Kontakt mit dem nächstgelegenen Universitätsklinikum auf.

Meine Frau erklärte dem Krankenhausangestellten kurz meine Diagnose am Telefon und hoffte darauf, dass mir nun zeitnah wirklich geholfen wird.

„Bringen Sie alle Unterlagen, Befunde und MRT-Bilder mit und melden Sie sich morgen früh in Gebäude xy rechts bei der ambulanten Aufnahme“,

konnte ich neben meiner Frau sitzend aus dem Handy hören.

Zuversicht machte sich breit.