Androiden 7: Der menschliche Faktor - Marlene von Hagen - E-Book

Androiden 7: Der menschliche Faktor E-Book

Marlene von Hagen

0,0

Beschreibung

Wir schreiben das Jahr 2084 der Neuen Galaktischen Zeitrechnung, mehr als dreitausendsechshundert Jahre in der Zukunft. Seit einem Jahr herrscht in der Milchstraße Krieg gegen Roboter, die aus unbekannten Gründen Welten der Galaxis überfallen und die dortigen Einwohner vertreiben oder töten. Die Herkunft der Roboter ist menschlich, ihre Entstehung eng mit Perry Rhodans Historie verknüpft – wie es aussieht, kam es in der Vergangenheit zu einer technischen Entwicklung, die aus dem Ruder gelaufen ist. Perry Rhodan, der diese Fehlentwicklung korrigieren will, ist mit einigen Begleitern aufgebrochen, weitere Hintergründe über die Invasion zu erfahren. Sein fast ein Jahr dauernder Irrweg führte ihn schließlich auf den Kunstplaneten Wanderer, wo es ihm gelang, den Ruf zu desaktivieren, der die Roboter in die Milchstraße lockte. Nun scheint es, als sei der Frieden nahe. Allerdings wurde Rhodan von dem geheimnisvollen Homunk auf Wanderer gewarnt. Vor dem Frieden, so sagte er, stehe DER MENSCHLICHE FAKTOR ...

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 146

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Nr. 7

Der menschliche Faktor

Ein Rachefeldzug beginnt – die Föderation setzt auf Härte

Marlene von Hagen / Dietmar Schmidt

Cover

Vorspann

Die Hauptpersonen des Romans

1. Johann Aspra

2. Aurelia Bina

3. Johann Aspra

4. Marlynn Kane

5. Johann Aspra

6. Marlynn Kane

7. Aurelia Bina

8. Aurelia Bina

9. Johann Aspra

10. Perry Rhodan

11. Johann Aspra

12. Perry Rhodan

Impressum

Wir schreiben das Jahr 2084 der Neuen Galaktischen Zeitrechnung, mehr als dreitausendsechshundert Jahre in der Zukunft. Seit einem Jahr herrscht in der Milchstraße Krieg gegen Roboter, die aus unbekannten Gründen Welten der Galaxis überfallen und die dortigen Einwohner vertreiben oder töten.

Die Herkunft der Roboter ist menschlich, ihre Entstehung eng mit Perry Rhodans Historie verknüpft – wie es aussieht, kam es in der Vergangenheit zu einer technischen Entwicklung, die aus dem Ruder gelaufen ist.

Perry Rhodan, der diese Fehlentwicklung korrigieren will, ist mit einigen Begleitern aufgebrochen, weitere Hintergründe über die Invasion zu erfahren. Sein fast ein Jahr dauernder Irrweg führte ihn schließlich auf den Kunstplaneten Wanderer, wo es ihm gelang, den Ruf zu desaktivieren, der die Roboter in die Milchstraße lockte.

Nun scheint es, als sei der Frieden nahe. Allerdings wurde Rhodan von dem geheimnisvollen Homunk auf Wanderer gewarnt. Vor dem Frieden, so sagte er, stehe DER MENSCHLICHE FAKTOR ...

Die Hauptpersonen des Romans

Johann Aspra – Der Geologe gerät auf Abwege.

Aurelia Bina – Die Agentin wird misstrauisch.

Perry Rhodan – Der Liga-Kommissar wird medial überwältigt.

Marlynn Kane – Die Xenologin fremdelt mit ihrem Lebensweg.

Nagmum Kane

1.

Johann Aspra

Chentap, 26. Juni 2084 NGZ

Johann Aspra töten.

Das holografische Bedienfeld vor Aspra blinkte in einem leuchtenden Grün. Als wartete es ungeduldig auf seinen nächsten Schritt, den er tat.

Der war ein Mordauftrag in der Programmierung des TARA-Kampfroboters, den Aspra zufällig entdeckt hatte. Geplantes Opfer: Aspra selbst.

Aspra war sprachlos. Mehr noch. Er war furchtbar zornig auf Alpu Zeniq, den Auftraggeber des Programmes.

Diesem Mann ist nicht zu trauen!

Seine Umgebung passte zu der höllischen Stimmung, in der er sich befand. Der Strand war ein Schlachtfeld. Aspra schwebte über Hunderten von Chenno-Leichen. Hier hatten die Einwohner Chentaps an der Seite der MUNGO PARK-Besatzung gegen die Normoner gekämpft. Deren Streitkräfte signifikant weniger Verluste erlitten hatten. Nicht zuletzt, weil die Chenno nicht über die Waffen und Schutzmöglichkeiten moderner Raumlandesoldaten wie die Normoner verfügten.

Es war ein unnötiger Kampf gewesen, der wegen einer Fehlinformation ausgebrochen war. Wegen einer Lüge, die Aspra unwissentlich überbracht hatte.

Aspra wollte sein Möglichstes tun, um diese Schuld zu tilgen. Aurelia Bina hatte ihm diese Möglichkeit eröffnet. Seine Aufgabe war simpel im Vergleich zu dem, was andere im Moment ertragen mussten. Um die Bergung der Verletzten zu koordinieren, hatte er von ihr die Befehlsgewalt über die verbliebenen sechs TARAS erhalten. Zwei von ihnen bargen tote Chenno. Vier bargen Zeniqs verletzte Leute.

Es war das Mindeste, den Verwundeten zu helfen, nachdem er sich während der Schlacht feige in seinem Laborcontainer versteckt hatte.

Der Schrei eines Mannschaftsmitgliedes riss ihn aus seinen Gedanken.

»Helft mir, bitte! Mein Bein ... es blutet so stark«, funkte ein Mann verzweifelt.

»Ich sende dir sofort Unterstützung«, antwortete Aspra rasch, lokalisierte den Verletzten und schickte dessen Koordinaten an einen Kampfroboter in der Nähe.

Medoroboter waren ebenfalls im Einsatz, aber davon hatte die MUNGO PARK noch weniger. Also improvisierte Aspra und versuchte wie gehabt, die Kampfmaschinen zur Heilung oder wenigstens zum Verletztentransport einzusetzen.

Genau bei so einem Vorgehen war er wenige Minuten zuvor auf den Tötungsbefehl in der Programmierung des TARAS gestoßen. Fraglos dort platziert im Auftrag jenes Mannes, der nun nur einen Meter von Aspra entfernt schwer verletzt in den Armen eines TARAS hing.

Ich sollte dich fallen lassen, du Abschaum, ärgerte sich Aspra und betrachtete den schlaffen Körper von Alpu Zeniq. Der Kampfroboter hatte den Mann eben erst unter zwei Chenno-Leichen hervorgezogen.

Hätte er ihn dort lieber liegen und ersticken lassen!

Es war ein leichtes, das vorprogrammierte Einsatzprofil umzuändern ... das Ziel von Johann Aspra auf Alpu Zeniq zu ändern. Quasi ein Handgriff. Ein weiterer, um den Befehl freizugeben.

In Aspras Fingern kribbelte es. Der Hass auf Zeniq hatte sich als fester Klumpen in seinem Magen manifestiert. Dank seiner Entdeckung verstand er nun endlich, was ein Jahr zuvor geschehen war: Bei Perry Rhodans Rettungsmission damals hatte ein TARA plötzlich das Feuer eröffnet. Schnell hatte Perry Rhodan der ganzen Kampfgruppe den Beschuss untersagt, doch ein Roboter hatte unkontrolliert weiter um sich geschossen.

Zum Glück war Aspra nicht allein, sondern gemeinsam mit dem vielfach parabegabten Ilt Gucky unterwegs gewesen. Der war hin und her teleportiert – um den fehlgeschalteten Roboter vom Rest der Gruppe wegzulocken.

Alle hatten damals angenommen, dass der Mausbiber das Ziel des TARAS gewesen war und eine Fehlprogrammierung der feindlichen Androiden sich wie ein Virus in dem terranischen Roboter ausgebreitet hatte. In Wirklichkeit hatte der TARA versucht, Aspra zu töten.

Aspra verdrängte seinen Ärger vorübergehend. Eine junge Frau schleppte sich von links mit apathischem Blick voran. Das schwarze Haar klebte auf ihrer blutverschmierten Stirn. Von ihrem Helm fehlte jede Spur. Starr stolperte sie über die herumliegenden Toten. Leise stammelte sie für Aspra unverständliche Worte.

»Hey, warte! Ich helfe dir!« Der im Vergleich zur Frau winzige Aspra schwebte vor ihr Gesicht. Ein Fehler. Erschrocken stieß sie einen Schrei aus und hob schützend ihre Hände über den Kopf.

»Ich bin auf deiner Seite«, erklärte er. »Die Schlacht ist vorbei. Setz dich, du bist verletzt. Ich hole einen TARA, der dich in die Medostation bringt.«

Die Frau nickte verängstigt und sah sich um. Sie ließ sich erschöpft auf einer der wenigen unberührten Flächen des Schlachtfeldes nieder. Ihre Hände zitterten, als sie sich die Stirnfransen aus den Augen wischte und das Kinn auf einem herangezogenen Knie abstützte.

Sie steht unter Schock. Kann ich sie damit allein lassen?

Um ihn herum benötigten viele andere seine Hilfe. Aspra hatte Dutzende Verletzte mit oberster Prioritätsstufe auf seiner Liste. Alle zu retten, war unmöglich, fürchtete er. Aspra stand der Schweiß auf der Stirn.

Völlig überfordert versuchte er eine Reihung der Bergung nach eigenem Ermessen, während er zurück zu Alpu Zeniq schwebte.

Beim Anblick des Kommandanten wurde er erneut so wütend, dass er alles ausblendete und sich auf das Hologramm mit dem Tötungsprofil konzentrierte.

Aspra schuldete dem Epsaler Geld. Verdammt viel Geld. Fast ein Jahr lang hatte die Besatzung der MUNGO PARK als tot gegolten. In der Zeit hatte Aspra beinahe alles ausgegeben, was er mit Zeniq zusammen ergaunert hatte. Dass der Kommandant die Schlacht überlebt hatte, bedeutete Aspras Ruin. Es wäre so leicht, dem Impuls zu folgen. Dem TARA ein neues Ziel zu geben. Zeniq zu töten.

Nein. Aurelia Bina vertraut mir.

Die Stellvertretende Chefin des Terranischen Liga-Dienstes hatte ihm die Befehlsgewalt über die verbliebenen TARAS gegeben, um Leben zu retten!

*

Vor allem die Chenno bedurften dringender Unterstützung. Die hauptsächlich im Meer lebenden Krötenwesen mussten sich an Land auf allen vieren bewegen. Sie hatten Mühe, die vielen Verletzten zu ihren Medikern in der Unterwasserstadt zu bringen.

Unter Aspras Schwebeplattform regte sich ein Soldat der Föderation Normon, dessen Vitalzeichen bedrohliche Werte aufwiesen. Sein Einsatzanzug war auf Höhe der Brust stark beschädigt. Zwischen dem verschmorten Polymer quoll Blut hervor. Überbleibsel versengter Aggregate waren zu sehen. Der Mann schrie gedämpft um Hilfe und tippte auf seinem Komarmband einen Befehl ein.

Allerdings vergeblich. Aspras rasche Überprüfung ergab, dass die Technik durch den Schaden ausgefallen war. Er schob das unterschwellige Tötungsprofil auf seinem Hologramm in den Hintergrund und rief einen anderen TARA heran. Ehe der Roboter sein Ziel erreichte, waren jedoch bereits zwei normonische Soldaten auf ihren Kameraden aufmerksam geworden und hievten ihn auf eine Antigravtrage.

Aspras Blick fiel auf einen Chenno daneben. Das Krötenwesen starrte ihn mit seinen vier an den Seiten von Hautfalten geschützten Sehorganen an. Seine halbkreisförmigen Kieferleisten bewegten sich tonlos auf und nieder. Der graue Hautton war ein eindeutiges Indiz. Der Chenno hatte Atemprobleme und musste dringend zu einem Mediker seines Volkes gebracht werden.

Nachdem Aspra vor einem Jahr ein Chenno-Kind vor dem Ersticken gerettet hatte, indem er in dessen Luftröhre gekrochen war und eine Art Seetang herausgezogen hatte, kannte er die Symptome von Atemnot dieser Spezies.

»Bring diesen Verletzten sofort ans Meeresufer«, wies Aspra den neu ankommenden Roboter an, den er für den normonischen Soldaten gerufen hatte.

Der kegelförmige TARA barg das Krötenwesen mit seinen vier langen Armen sehr vorsichtig. Rasch brachte er den Verwundeten ans Ufer des nahegelegenen Meeres. Dort übernahmen drei Chenno ihren Artgenossen und tauchten mit ihm unter. In der submarinen Stadt würde er die Behandlung finden, die er brauchte. Immer noch gab es so viele, die gerettet werden mussten! Die brummenden Laute der leidenden Chenno dröhnten in seinen Ohren wie ein Klagelied.

Das alles hätte nicht sein müssen, dachte Aspra.

Die Chentap-Bewohner hatten trotz ihrer friedfertigen Lebenseinstellung zu den Waffen gegriffen und waren zu Tausenden gefallen. Alles aufgrund einer Lüge. Alpu Zeniq hatte behauptet, dass Kapitänleutnant Tatsuo die gesamte Chenno-Population ausrotten wollte und anschließend die von ihm festgehaltene Mannschaft der MUNGO PARK.

Aurelia Bina hatte keinen Ausrottungsauftrag im Datenarchiv des normonischen Kapitänleutnants gefunden. Nur Befragungspläne. Das hieß mit hoher Wahrscheinlichkeit, dass eine Ausrottung der Chenno nicht geplant gewesen war.

Dennoch hatten sich die Chenno verteidigt. Gegen Pläne, die nicht existierten, die Zeniq frei erfunden hatte.

Wieder fiel sein Blick auf das Tötungsprotokoll, dann auf den Mann, der es programmiert hatte. Alpu Zeniqs Vitalzeichen waren grenzwertig. Aber er atmete. Es lag in Aspras Händen, was mit ihm geschah.

Dieser Lügner! Er hat überlebt, während Tausende Unschuldige ihr Leben lassen mussten. Zu welchem Zweck?

Aspra knetete nachdenklich seine Finger. Ich habe selbst viel Schindluder getrieben ... aber das hier ging zu weit! Ich muss herausfinden, was er mit seinen Behauptungen bezweckt hat.

Der bewusstlose Zeniq würde ihm keine Antwort geben. Aspra hatte einen Verdacht, den er bestätigt wissen wollte. Er funkte Aurelia Bina mit hoher Dringlichkeitsstufe an. Es war ihm egal, ob er sie gerade bei etwas Wichtigen störte. Die Neugierde drängte ihn dazu, sofort zu handeln.

»Was gibt es, Aspra?«, fragte die Posmi.

Obwohl sie ein hoch entwickelter, gefühlsfähiger Roboter war und ungehalten auf die Störung hätte reagieren können, blieb ihre Stimme ruhig. Aspra glaubte dennoch, eine Nuance des Unmuts herauszuhören. Er wusste, dass er eine Nervensäge sein konnte. Aber aus gutem Grund! In der Vergangenheit hatte er gelernt, seine Ziele schnell und effizient zu erreichen. Dass er dabei verlernt hatte, auf gesellschaftliche Konventionen zu achten, war ein Aspekt, den er gern in Kauf nahm. Sein Interesse an Gesellschaft war außerordentlich gering.

Daher hatte er auch den Beruf des Geologen gewählt. Mit Steinen musste man weder reden noch sich mit ihnen streiten. Man konnte sie anschreien und gegen die Wand schlagen, es änderte für ihn nichts, außer, dass er sich danach besser fühlte. Den Steinen hingegen war sein Verhalten egal.

Mit Lebewesen gab es dagegen immer wieder Diskussionen, die ihm gegen den Strich gingen. Dem kam er durch schroffe Bemerkungen und verbale Attacken zuvor. Niemand wollte mit jemanden Zeit verbringen, der einem ständig mit Kritik und abfälligen Bemerkungen begegnete. Ging es um Fakten und die Wissenschaft, wählte er natürlich eine andere Gesprächsbasis. Jeder wusste, dass er kompetent war. Ein Austausch mit Kollegen auf beruflicher Ebene reichte ihm daher für gewöhnlich vollkommen, um seinen Bedarf an Sozialkontakten zu decken.

Aspra schirmte die Unterhaltung mit einem Privatsphärefeld ab, bevor er sprach. Auch Aurelia tat das, wie ihm ihr Signal verriet.

»Hast du herausgefunden, weshalb Zeniq uns angelogen hat? Wieso behauptete er, dass Kapitänleutnant Tatsuo die Chenno auslöschen wollte?«, fragte er.

»Meine bisherigen Befragungen und Datenarchivüberprüfungen kamen zu keinem eindeutigen Ergebnis.«

»Darf ich dir meine Meinung dazu sagen?«, fragte Aspra bemüht höflich.

»Mir ist selbst der kleinste Hinweis recht.«

Der kleinste? Verspottete die Posmi ihn? Aspra unterdrückte den lächerlichen Gedanken.

»Ich denke, Alpu Zeniq hat erkannt, dass er die MUNGO PARK nicht ohne Hilfe aus der Gefangenschaft durch die normonische Flotte befreien kann. Er unterstellte Kapitänleutnant Tatsuo eine Tötungsabsicht, um die Chenno als Kanonenfutter für den Kampf zu gewinnen. Niemals hätte dieses friedfertige Volk fremde Besatzer ihres Planeten ohne triftigen Grund angegriffen. Solang sie sich in ihrer Unterwasserstadt sicher gefühlt haben, mussten sie nicht handeln.«

»Das klingt plausibel und bedeutet, ich muss mit Zeniq reden. Wo befindet er sich?«

»Vor mir, aber er ist halb bewusstlos.« Aspra presste die Lippen aufeinander.

»Dann bring ihn umgehend auf die Medostation. Ich will ihn befragen, sobald die Verwundeten versorgt sind.«

»Jawohl«, murmelte Aspra und beendete den Funkverkehr.

Der Gedanke, dass der Epsaler überlebte, war ihm zuwider. Aber Aurelia Bina wollte ihn verhören. Was sollte er tun? Nachdem er vor Aurelia zugegeben hatte, dass er Zeniq gefunden hatte, konnte er dem TARA nicht mehr befehlen, den Mann wieder unter den Chenno-Leichen zu verstecken.

Mit einem Stich in der Brust erinnerte Aspra sich daran, wie die beiden Chenno Varn und Buchom unter dem Beschuss der normonischen Soldaten neben ihm gefallen waren. Die beiden Krötenwesen hatten einst alles riskiert, um Aspra und seinen Begleitern zu helfen. Sie waren wegen Zeniq gestorben! Und weil der Kommandant ihn manipuliert hatte, trug Aspra Mitschuld an ihrem Tod. Schließlich war er es gewesen, der die Chenno vor Tatsuos Mordplänen gewarnt hatte!

Die Chenno kannten Aspra, sie hatten ihm vertraut. Das hatte Zeniq gewusst und ausgenutzt. Aspra stand wie ein Idiot da. Mehr noch, wie ein Massenmörder.

In diesem Moment regte sich Zeniq in den Armen des TARAS. Er blinzelte.

Aspra tippte rasch auf das holografische Bedienfeld und änderte den Befehl: Alpu Zeniq töten.

Die Anordnung leuchtete für eine Sekunde rot auf und verschwand hinter anderen Programmen. Ein einziger Finger reichte, um über das Leben eines anderen zu entscheiden. Dieses Gefühl der Macht ließ ihn kurz Schwindel empfinden.

Der TARA tat nichts. Er stand ruhig da, als wartete er auf eine weitere Anweisung.

Aspra war verunsichert. Er hatte keine Ahnung, warum sein versteckter Auftrag nicht ausgeführt wurde. Dann schlug er sich vor die Stirn: TARAS durften laut Programmierung ihren Befehlshaber nicht angreifen, und Zeniq war Befehlshaber des Schiffes, dem sie zugeordnet waren. Hatte seine Eingabe deshalb gar keine Auswirkung? Oder gab es einen anderen Grund, der die Ausführung verzögerte und verhinderte?

So oder so ... wenn das Schicksal Zeniq lebendig sehen wollte, akzeptierte Aspra das, wenn auch widerwillig. Er beendete die Eingabe. Das hinter einem Verzerrfeld verborgenen Hologramm verschwand. Langsam schwebte Aspra auf seinen Komplizen zu.

»Wir haben gesiegt«, murmelte Zeniq schwach. Er unterdrückte ein Stöhnen. »Oder?«

»Wenn man das einen Sieg nennen kann.« Aspra betrachtete die Leichen, die ihn umgaben. Viele Chenno, wenige Normoner.

»Bring mich auf die Medostation«, sagte Zeniq zu dem TARA, der ihn festhielt. Er runzelte irritiert die Stirn, als der Roboter nicht gleich reagierte.

»Zum Zwecke der Bergung habe ich die Befehlsgewalt über die TARAS erhalten«, erklärte Aspra.

Seinen Erpresser so geschwächt zu sehen, ließ ihn sein Handeln überdenken. Dieser Tag hatte bereits zu viele Tote gefordert. Vielleicht sollte er das Programm wieder löschen? Er war doch kein Mörder!

Aspra begutachtete noch einmal die Vitalwerte des Captains. »Du benötigst eine Operation«, erklärte er ihm. »Deine Milz wurde verletzt. Sie muss entfernt werden. Ich veranlasse, dass du sofort drankommst.« Aspra holte das verborgene Tötungsprotokoll beiläufig wieder hervor. Er wollte es löschen, als Zeniq ihm mit einem Finger gegen die Schulter tippte.

»Ich danke dir«, sagte der Schwerverletzte. Seine Vitalwerte fielen rapide ab. Das war nicht gut. Gar nicht gut!

»Du wirst jetzt narkotisiert ... um dich auf die bevorstehende Operation vorzubereiten«, sagte er zu Zeniq.

In Wahrheit versuchte Aspra, damit Zeniqs Leben zu retten. Im betäubten Zustand kam der Körper mit dem hohen Blutverlust besser zurecht, so hatte Aspra es irgendwann einmal im für die Feldforschung obligatorischen Ersthelferkurs gelernt.

Aspra sah sich gehetzt um. Der nächste freie Medoroboter war zu weit entfernt. Er musste rasch handeln!

Aspra gab den Befehl direkt an den Einsatzanzug des Kommandanten weiter. Natürlich waren die Energiezellen des Anzugs beschädigt. Warum sollte in dieser Situation irgendwas glattgehen?

Aspra programmierte den TARA um, sodass dieser Zugriff auf die Positronik des Anzugs erhielt und zeitgleich durch seine eigenen Energiezellen für die nötige Starthilfe sorgte. Mechanik und Medikamentenvorräte der Medoeinheit gepaart mit der Energie und Rechenleistung des TARA sollten reichen, um die Behandlung zu beginnen.

Zeniq lächelte ihm zu, dann schloss er die Augen. Aspra überwachte den Narkotisierungsvorgang, während der TARA den regungslosen Kommandanten der MUNGO PARK wegtransportierte.

Zeniqs Vitalwerte fielen ins Bodenlose.

Was? Aspras Herzschlag beschleunigte. Wo eben noch kleine blaue Zahlen die Sauerstoffsättigung, den Puls und andere Werte angezeigt hatten, blinkte nun ein unmissverständliches Signal auf.

Alpu Zeniq verstorben, stand dort in roten Buchstaben.

»Halt!«, rief er dem TARA zu und schwebte ihm schnell hinterher. Der Epsaler rührte sich nicht. »Wiederbeleben!«, befahl Aspra, doch der Roboter reagierte nicht.

»Gehorche mir, sofort!« Verzweifelt suchte er den Tötungsauftrag in der Programmierung des TARAS, aber der war verschwunden. Zeniq hatte also bei der Codierung vorgesorgt. Sie sollte sich löschen, sobald der Auftrag erfüllt war. Doch weshalb hatte der TARA das Tötungsprofil in diesem Moment aktiviert?

Natürlich! Durch die Narkose hatte der Kommandant seine Befehlsgewalt verloren, sie war an seinen Stellvertreter übergegangen. Die Regel, die die Umsetzung des Tötungsbefehl blockiert hatte, griff nicht mehr. Durch die Vernetzung mit dem Einsatzanzug hatte der Roboter freien Zugriff auf dessen Funktionen. Eine leichte Fehlprogrammierung, eine zu stark dosierte Narkose, und das Ziel war erreicht.

Aspra versuchte, mit einer Adrenalindosis das Herz-Kreislauf-System des Ex-Kommandanten in Schwung zu bringen. Es brachte nichts. Panisch rief er einen Medoroboter herbei. Der verfügte über andere Gegenmittel zu Opioidüberdosierungen oder Wirkstoffe gegen Herzrhythmusstörungen.

Aber es war zu spät.

Alpu Zeniq war tot.

2.

Aurelia Bina

Chentap, 26. Juni 2084 NGZ