Angeleint! - Katharina von der Leyen - E-Book

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Katharina von der Leyen

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Beschreibung

Die meisten Hundebesitzer sind sich wohl einig, dass neben der Stubenreinheit die Leinenführigkeit so ziemlich das Wichtigste ist, was ein Hund lernen muss – noch vor allem anderen. In der Realität ist das Gehen an der lockeren Leine für die Hunde und die Hundehalter oft ein Problem: Viele Hunde sehen aus wie Kutschpferde auf wichtiger Mission, die ziehen, was das Geschirr und die Schulter ihres Besitzer hergeben. Die Hundehalter wiederum setzen die Leine wahlweise als Lasso, Abschleppseil, Reißleine oder Angelschnur ein. Dabei ist es gar nicht so schwer, dem Hund beizubringen, dass die Leine etwas Gutes ist – eine Verbindung zu seinem Menschen, ein An-die-Hand-genommen-werden und ein sicherer Anker. "Leinentraining" behandelt alle Verhaltensweisen, die an der Leine auftreten können und Stress für Mensch und Hund bereiten – Ziehen, Zerren, Leute anspringen, die sogenannte Leinenaggression, Spannungsaufbau – und gibt die notwendigen Werkzeuge an die Hand, diese zu ändern. Mithilfe zahlreicher Übungen und Lösungen lernen Sie, das unangenehme Verhalten Ihres Hundes rechtzeitig zu erkennen, aufzufangen und zu verändern.

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Seitenzahl: 138

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Impressum

© eBook: GRÄFE UND UNZER VERLAG GmbH, München, 2018

© Printausgabe: GRÄFE UND UNZER VERLAG GmbH, München, 2018

Alle Rechte vorbehalten. Weiterverbreitung und öffentliche Zugänglichmachung, auch auszugsweise, sowie die Verbreitung durch Film und Funk, Fernsehen und Internet, durch fotomechanische Wiedergabe, Tonträger und Datenverarbeitungssysteme jeder Art nur mit schriftlicher Zustimmung des Verlags.

Projektleitung: Nadja Harzdorf, Sylvie Hinderberger

Lektorat: Sylvie Hinderberger

Bildredaktion: Nadja Harzdorf, Sylvie Hinderberger, Matias Kovacic

Covergestaltung: independent Medien-Design, Horst Moser, München

eBook-Herstellung: Gabriel Mlesnite

ISBN 978-3-8338-6741-5

1. Auflage 2018

Bildnachweis

Illustrationen: Zita Schlegel

Fotos: Nicole Munninger, Matias Kovacic, Katharina von der Leyen

Syndication: www.seasons.agency

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Telefon: 00800 / 72 37 33 33*Telefax: 00800 / 50 12 05 44*Mo-Do: 9.00 – 17.00 UhrFr: 9.00 bis 16.00 Uhr (*gebührenfrei in D,A,CH)

VORWORT

In unserer Vorstellung vom idealen Spaziergang kommt nur selten der Hund an der Leine vor. Allerdings kommt darin auch nur in den seltensten Fällen Rehwild vor, Verkehr oder läufige Hündinnen. Will sagen: Die ideale Vorstellung deckt sich nun einmal nicht mit der Realität. In der nämlich können wir nicht mit Hund ohne Leine leben – ist leider so. Noch dazu gibt es mittlerweile mehr Städte mit Leinengesetzen als Städte, in denen man auf den gesunden Menschenverstand der Bürger setzt, die weder ihre Hunde noch ihre Mitmenschen unnötigen Gefahren oder Ängsten aussetzen möchten.

Dass Hunde lernen müssen, anständig an der Leine zu gehen, ist heutzutage keine Frage mehr. Da, wo ich wohne zum Beispiel, gibt es so viel Wild, dass selbst für meine hochwohlerzogenen, gut trainierten Superhunde (etwas anderes kann man sich als Hundebuchautor auch praktisch nicht leisten) Spaziergänge ganz ohne Leine praktisch unmöglich sind. Und wer wie ich acht bis neun Hund an der Leine führen muss, achtet sehr darauf, dass die Hunde entspannt und locker an dieser laufen. Alles andere wäre bestenfalls fahrlässig, schlimmstenfalls selbstmörderisch.

Auch wenn Gasthunde bei mir zu Besuch sind, frage ich die Besitzer immer, ob ihre Hunde leinenführig sind. Wenn sie es nicht sein sollten, muss ich mit ihnen üben, bevor ich sie zusammen mit allen anderen Hunden zum Spaziergang mitnehme. Denn wenn innerhalb meiner Kleingruppe einer zieht, bringt er den ganzen Laden durcheinander – und mich ins Wanken. Bisher haben alle Hundebesitzer, ohne rot zu werden, behauptet, ihr Hund ginge gut an der Leine. Das deckt sich zwar nicht mit meinen Erfahrungen, aber entweder sind Hundebesitzer grundsätzlich sehr leidensfähig, oder sie betrachten ihren Hund durch die rosarote Brille der Liebe und merken einfach nicht, dass ihr Hundespaziergang einer Übung mit einem Kutschpferd gleicht. Jedenfalls konnte eigentlich kein einziger meiner Besuchshunde an der lockeren Leine gehen, wenn wir erwartungsvoll unseren ersten gemeinsamen Spaziergang starteten. Das wundervollste Argument, das ich hierzu je hörte, war: »Doch, der kann an der Leine gehen. Aber eine Leine von zwei Metern ist ihm eben zu kurz.«

Ich brauche nur wenige Tage, um Hunden das höfliche Gehen an der Leine beizubringen, weil dies zu meinen absoluten Prioritäten gehört. Die Leine bleibt locker. Mir würde es gar nicht einfallen, mit einem Hund spazieren zu gehen, der mich durch die Gegend zieht, als wäre ich eine Dose an der Stoßstange von Frischverheirateten. Weil meine innere Haltung diesbezüglich so klar ist, übernehmen auch fremde Hunde das sehr schnell. Natürlich haben sie auch meine Hunde, die ihnen mit gutem Beispiel zur Seite gehen.

Alle der angewandten Übungen in diesem Buch beziehen sich auf die Erfahrungen mit meinen eigenen und fremden Hunden, die mich in den vergangenen 40 Jahren auf Spaziergängen begleitet haben. Es waren völlig unterschiedliche Hunde, vom Chihuahuamischling oder Lhasa Apso über Weimaraner, Deutsch Drahthaar, Akita, Barsoi und Pudel bis hin zu Collie oder Schäferhund. Ich habe dabei nie gebrüllt oder geschrien, nie an der Leine geruckt und dieselbige auch immer am liebsten vom Hund abgemacht. Aber ich weiß auch, dass der Freilauf nicht funktioniert, wenn der Hund nicht gelernt hat, höflich an der Leine zu gehen – und umgekehrt. Es ist immer ein Zusammenspiel von Kommunikation, Achtung und Respekt voreinander.

Es gibt immer einzelne Exemplare (Hunde wie Menschen), die noch ganz andere Trainingsideen brauchen. Kein Buch der Welt kann alle Probleme lösen, dafür sind Hunde (und die dazugehörigen Menschen) viel zu kreativ im Aufstellen neuer Verhaltensweisen, die keiner braucht und die erst noch gelöst werden wollen. Aber genau hierin liegt auch der Trick: Wenn wir aufhören, auftretende unerwünschte Verhaltensweisen bei unserem Hund als »Problem« zu empfinden, sondern als interessante Aufgabe wahrnehmen, die es zu lösen gilt, haben wir praktisch schon gewonnen. Betrachten Sie Ihren Hund als wandelndes Sudoku, das macht Ihr Leben leichter und spannender. Hundeprobleme haben gegenüber Problemen mit Menschen einige Vorteile: Die Verhaltensauffälligkeiten unserer Vierbeiner lassen sich gewöhnlich leichter und besser lösen, denn sie sind meistens verhältnismäßig leicht nachzuvollziehen. Außerdem werden Hunde nicht alkohol- oder drogensüchtig, und sie müssen Ihren Hund auch nicht von seinen Freunden fernhalten, weil die einen schlechten Einfluss auf ihn ausüben. Die Antwort auf alle vermeintlichen und richtigen Probleme Ihres Hundes sind in den meisten Fällen Missverständnisse zwischen Ihnen und ihm – das hört man zwar nicht gerne, aber das dürfte meistens kein Problem sein.

Bleiben Sie positiv und gut gelaunt. Es sind nur einige wenige Dinge, die Ihr Hund von Ihnen braucht und erwartet. Sie müssen keine neuen Theorien und Methoden erfinden, sonder nur alles, was Sie mit ihm anfangen, auch zu Ende führen. Bleiben Sie in Kommunikation mit Ihrem Hund, machen Sie ein »Miteinander« aus Ihren Spaziergängen mit ihm und werden Sie aufmerksamer für die kleinen Kommunikationsprobleme, die auftreten, bevor sie zu großen Problemen werden. Das ist auch nicht anders als in allen anderen Beziehungen auch. Und nicht zuletzt deshalb sind Hundebesitzer häufig beziehungsfähiger als »normale« Menschen: Sie haben reflexhaft gelernt, auftretende Probleme genau anzusehen, einen Schritt zurück zu machen und zu überprüfen, an welcher Stelle sie losgingen – und was daraufhin schieflief.

Schauen Sie sich an, mit wem Sie es bei Ihrem Hund zu tun haben, und richten Sie sich danach. Ein verträumter, trödeliger Hund mit Konzentrationsschwierigkeiten muss anders geführt werden als eine hoch motivierte Sportskanone mit der Aufmerksamkeitsspanne einer Ameise. Achten Sie auf Ihre eigene Stimmung: Macht es für Ihren Hund Sinn, sich in Ihrer Nähe aufzuhalten? Oder sind Sie angespannt und gereizt, sodass es eigentlich besser für ihn wäre, Ihnen aus dem Weg zu gehen? Das ist übrigens noch so etwas , was Hunde einem so großartig und ganz frei von Bewertung beibringen: im Umgang mit ihnen (und anderen) mehr Selbstreflektion einzubringen. Näher als durch unseren Hund werden wir der Erleuchtung nicht kommen.

MENSCH, HUND UND LEINE

Bevor es losgeht

DIE LEINE IST BESSER ALS IHR RUF

Die Leine ist weder Foltergerät noch Freiheitsberaubung, kein Lasso und kein Abschleppseil. Stattdessen ist »Ungebundensein« für Hunde in unserer heutigen Welt an vielen Stellen mit großen Risiken verbunden. Doch um dem Hund vermitteln zu können, dass die Leine völlig okay ist, muss auch der Mensch sie erst einmal als Hilfe und Segen akzeptieren.

Für uns Menschen ist die Vorstellung, »angeleint« zu sein, gleichzusetzen mit dem Gegenteil von Freiheit und Selbstbestimmung. Für Hunde ist das anders: Freiheit und »Ungebundensein« sind für sie mit sehr großen Risiken verbunden. Hunde bevorzugen deshalb (trotz aller Regeln) die Sicherheit. Für Ihren Hund bedeutet Freiheit, sich um nichts kümmern zu müssen – und das geht nur, wenn Sie die Führung und damit die Verantwortung übernehmen.

Das Problem ist: Wenn Sie die Leine nicht mögen, kann Ihr Hund sie auch nicht mögen. Sie müssen sich also als Allererstes selbst überzeugen, dass die Leine etwas Gutes ist – und das wird sie auch spürbar, wenn Ihr Hund erst gelernt hat, »anständig« an ihr zu laufen. Schließlich ist (wenn wir sie richtig einsetzen) gerade die Leine das Werkzeug für Sicherheit. Vor allem ein Hund, der noch nicht 100-prozentig erzogen ist (und wann ist ein Hund das überhaupt?), der noch nicht gelernt hat, dass Autos gefährlich und manche Wasser sehr tief sind, der pubertiert oder läufig ist, sich gerade nicht konzentrieren kann oder sich leicht mal erschreckt, muss nun mal zwischendurch an die Leine. Noch dazu herrschen mittlerweile in den meisten Städten Leinengesetze.

Die Leine ist buchstäblich das Band zwischen Ihnen und Ihrem Hund. Sie gibt Sicherheit – und ohne ein Gefühl von Sicherheit kann Ihr Hund keine Bindung zu Ihnen entwickeln.

Und nein: Ein Hund, der an der Leine zieht, versucht keineswegs, Sie zu »kontrollieren«: Er ist aufgeregt, er will dringend irgendwohin oder irgendwas beschnüffeln – aber nicht Sie »kontrollieren«. Das ist eine menschliche Interpretation. Machtfantasie. Hunde sind an der Weltherrschaft nicht interessiert (sonst hätten sie sie längst erreicht). Hunde haben kein Interesse am »Dominieren« – sie wollen einfach raus und hierhin und dorthin. Dementsprechend nützt es auch wenig, wenn Sie Ihrem Hund nicht erlauben, jemals an Ihrer Seite oder vor Ihnen zu laufen, auch wenn das manchmal als Erfolgsmethode angepriesen wird. Ein Jahr oder ein Leben lang hinter dem Menschen laufen zu müssen, ist für einen Hund kein Erziehungsmittel, sondern reiner Psychoterror. In wild lebenden Hundegruppen läuft der Gruppenchef keineswegs immer vorneweg. Ganz im Gegenteil: Meistens läuft er irgendwo in der Mitte oder sogar hintendrein. Hunde haben keine preußischen Militärambitionen.

Trotz aller guten Gründe für die Leine muss der Hund natürlich erst einmal lernen, daran zu gehen. Hunde verstehen nichts von Physik, von Druck und Gegendruck. Wenn Ihr Hund im Gegensatz zu allen Erwartungen nicht herumtobt wie ein wilder Elch, dem man zum ersten Mal ein Seil um den Hals gelegt hat, ist ihm das hoch anzurechnen und zeugt von seiner hohen Kooperationsbereitschaft. Er muss jetzt noch lernen, dass die Leine etwas Gutes ist und er sich auf dem Spaziergang entspannen kann. Und damit Ihr Hund das lernen kann, müssen zuerst Sie sich das selbst verinnerlichen.

Die Leine ist keine Strafe, sondern ein wunderbares Werkzeug, das gleichermaßen ein Mittel für Abenteuer und mehr Sicherheit ist.

DIE LEINE IST KEINE STRAFE

Wenn man Menschen mit Hund an der Leine beobachtet, fällt auf, dass die meisten von ihnen Strafmaßnahmen wie Rucken, Reißen und Rückwärtszerren anwenden, um dem Hund klarzumachen, dass er nicht an der Leine ziehen darf. Kaum einer dagegen macht sich die Mühe, dem Hund zu erklären, was er stattdessen machen soll: nämlich entspannt an der lockeren Leine gehen.

Was ein Hund nicht tun soll, ist ein Plan, aber kein Ziel. Ein Ziel ist, was der Hund machen soll: höflich an der lockeren Leine gehen zum Beispiel. Und um das zu erreichen, müssen Sie dem Hund erst einmal zeigen, wie Sie es gerne hätten.

Die Leine ist etwas Großartiges. Ihr Hund zeigt Ihnen das doch immer wieder deutlich mit dem Freudentanz, den er aufführt, wenn Sie die Leine in die Hand nehmen: Sie verheißt Abenteuer und interessante Erlebnisse, einen Ausflug, Neuigkeiten und Gesellschaft. Wenn allerdings Sie selbst die Leine doof finden, kann Ihr Hund nicht lernen, dass die Leine das magische Band zwischen Ihnen beiden ist, Ihr verlängerter Arm, mit dem Sie ihn »an die Hand« nehmen. Mit der Leine können Sie besser und schneller mit Ihrem Hund in Kontakt treten und seine Aufmerksamkeit gewinnen – auch wenn am Horizont etwas Interessantes auftaucht. An der Leine muss Ihr Hund keine eigenen Entscheidungen treffen, was ihn entstresst und entlastet. An der Leine können Sie Ihrem Hund besser zeigen, dass es lustig und nützlich ist, mit Ihnen zusammenzuarbeiten, anstatt sich Ihnen (im Freilauf) zu entziehen.

Wenn Sie die Leine akzeptieren, wird Ihr Hund lernen, dass er daran bei Ihnen in Sicherheit ist, dass er sich um nichts kümmern muss. An der Leine (an der Hand) führen Sie ihn sicher an Gefahren vorbei (zum Beispiel an kreischenden Kindern, komisch guckenden anderen Hunden, Fahrrädern, Skateboards …). Dann wird Ihr Hund das magische Band zu schätzen lernen. Versprochen.

Die Leine ist weder Ihre Telefonleitung zum Hund noch ein Lasso oder Abschleppseil. Sie ist auch kein Erziehungsmittel. Sie ist nichts weiter als eine Begrenzung, damit der Hund Ihnen im Zweifelsfall nicht durchgeht, wenn er auf der anderen Straßenseite einen Hund, eine Katze oder einen Vogel auf der Fahrbahn sitzen sieht. Trotz Leine müssen Sie Ihren Hund ansprechen, wenn Sie etwas von ihm wollen, als wäre er nicht angeleint. Ihn einfach weiterzuzerren, wie man das häufig bei angeleinten Hunden beobachten kann, ist unhöflich und nicht freundlich. Sie wissen schon: Der Hund schnüffelt irgendwo, und der Mensch lässt ihn auch, bis er plötzlich keine Lust mehr hat und den Hund einfach weiterzerrt. Oder der Mensch ändert plötzlich die Richtung und schleift den Hund einfach in die andere Richtung, ohne ihn anzusprechen.

DIE WAHRNEHMUNG DES HUNDES AN DER LEINE

Ich habe schon häufig den Stoßseufzer gehört: »Ich möchte doch einfach nur entspannt an der lockeren Leine spazieren gehen.« Tatsache ist: Für den Hund ist das Höflich-an-einer-lockeren-Leine-Gehen wahrscheinlich eine der schwierigsten Übungen, die wir ihm abverlangen. Würde man unsere Hunde fragen, würden sie den Vorgang wahrscheinlich folgendermaßen beschreiben: »Langsam vor sich hin schlurfen und alles, was interessant ist, ignorieren müssen.« Wir Menschen wünschen uns, dass unsere Hunde Seite an Seite mit uns spazieren gehen. Dabei ist das etwas, was Hunde von Natur aus nicht tun. Hunde gehen nicht Seite an Seite, Schulter an Schulter, spazieren nicht wie befreundete Menschen. Nebeneinander in den Sonnenuntergang zu spazieren, mag unsere Vorstellung von Freundschaft sein, aber für Hunde hat das keine Bedeutung. Selbst eng befreundete Hunde laufen mal hier lang, mal da lang und mal dort, und zwar mal hintereinander, mal nebeneinander und – vor allem – auch ganz für sich. Hunde möchten herumrennen und überall herumschnüffeln. Sie wollen buddeln, Mäuse jagen, Hasenköttel fressen und all den irrsinnigen Gerüchen und spannenden Geräuschen folgen, die wir Menschen nicht einmal erahnen. Wir dagegen stapfen langsam den Gehsteig entlang und erwarten, dass unsere vierbeinigen Begleiter genauso langsam neben uns herwackeln und alle Verheißungen um sie herum links liegen lassen. Doch ruhig und langsam neben einem Menschen herzugehen, widerspricht dem natürlichen Gang des Hundes – dem Trab – und verlangt ein hohes Maß an Selbstkontrolle, das für manche Hunde nur schwer aufzubringen ist.

Dazu kommt, dass unser eigenes Verhalten an der Leine häufig sehr unüberlegt oder gedankenlos ist – schon weil wir Menschen oft nicht gelernt haben, wie wir es denn sonst machen sollen. (»Das hat mein Vater schon so gemacht, das kann ja nicht falsch sein.« Doch! Wie wir in vielerlei Hinsicht wissen, haben unsere Väter eine ganze Menge Dinge gemacht, die aus heutiger Sicht komplett verkehrt waren.)

Eine lockere Leine ist immer auch ein Hinweis auf die momentane Ansprechbarkeit des Hundes.

STRESS DURCH ZIEHEN ODER ZIEHEN DURCH STRESS?

Dass der Hund lernt, höflich an der Leine zu gehen, ist nicht nur deshalb wichtig, weil niemand die Zeit hat, 15 Jahre lang regelmäßig zum Chiropraktiker zu marschieren. Das Ziehen an der Leine ist nicht nur lästig und – je nach Größe des Hundes – schmerzhaft für Ihre Schulter: Es ist tatsächlich auch richtig ungesund für Ihren Hund. Nicht nur, dass seine Wirbelsäule beim Ziehen an Halsband oder Geschirr ständig falsch belastet wird und ein dauerhafter Zug zu Muskelverspannungen und -verhärtungen führen kann. Die meisten Hunde, die man beim Ziehen an der Leine beobachtet, haben auch massiven Stress – was man deutlich an ihrem Keuchen und den oft hervortretenden Augen feststellen kann.