Dogs in the City - Katharina von der Leyen - E-Book

Dogs in the City E-Book

Katharina von der Leyen

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  • Herausgeber: Kosmos
  • Kategorie: Lebensstil
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2010
Beschreibung

Die Lifstyle-Journalistin und DOGS-Kolumnistin Katharina von der Leyen schildert in ihrem neuen Buch den ganz normalen Wahnsinn ihres turbulenten Alltags mit vier Hunden. Frech, augenzwinkernd und mit einem guten Schuss Selbstironie charakterisiert sie ihre vierbeinigen Mitbewohner: Harry, das schüchterne Windspiel, eine hochbeine Mischung aus Vogel und Gazelle. Theo, der Mops mit ausgesprochenem Hang zum Größenwahn, der glaubt, er sei mindestens so groß wie eine Bordeaux-Dogge. Ganz anders Großpudelin Ida, sie ist Starlet durch und durch, allerdings mit leichtem Hang zum Ordinären. Luise hingegen gibt die formvollendete Dame - wenn man von ihrer kleinen Neigung zu Mobbing absieht. Höchster Lesegenuß nicht nur für Hundefreunde.

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EPUB

Seitenzahl: 210

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Katharina von der Leyen

Umschlag: Büro Jorge Schmidt, München Cover: Chica von Walderdorff unter Verwendung einer Collage von Maren Esdar/2 agenten.

Unser gesamtes lieferbares Programm und viele

weitere Informationen zu unseren Büchern,

Spielen, Experimentierkästen, DVDs, Autoren und

Aktivitäten finden Sie unter www.kosmos.de

© 2010, Franckh-Kosmos Verlags-GmbH & Co.KG, Stuttgart

ISBN 978-3-440-12729-2

eBook-Konvertierung: le-tex publishing services GmbH, Leipzig

Ein gut erzogener Hund wird keinen Versuch machen, etwas von Ihrem Mittagessen abzubekommen. Er wird Ihnen nur solche Schuldgefühle vermitteln, dass Sie Ihr Essen nicht genießen werden.

Doris Day

Das Leben von Hunden ist zu kurz. Das ist eigentlich ihr einziger Fehler.

Agnes Sligh Turnbull

Jeder Hund sollte einen eigenen Menschen haben. Es geht doch nichts über eine wohlerzogene Person im Haus, die für den Hund das Bett aufschüttelt oder ihm sein Abendessen bringt, wenn er Abends todmüde nach Haus kommt.

Corey Ford

1

Theo, dem Mops, schwante Übles. Er verfolgte mich hartnäckig rund um die Uhr, indem er sich auf Schritt und Tritt an meine Fersen dockte, um auf keinen Fall irgendetwas Unvorhergesehenes zu verpassen. Sobald ich irgendwo stehen blieb, setzte er sich auf meinen rechten Fuß als personifizierte Fußfessel. Gewöhnlich äußerst komfortorientiert, schoss er hoch, sobald ich irgendeinen Raum verließ. Ich hatte einen beigefarbenen Acht-Kilo-Stalker. Er versuchte sogar, in meinem Schlafzimmer zu übernachten. Das habe ich vor langer Zeit abgeschafft, Begleithund hin- oder her. Hunde, egal, wie kleinwüchsig sie sind, werden im Bett zu riesigen, platzbedürftigen Dinosauriern, und im Laufe der Nacht endet der Mensch schließlich bescheiden zusammengerollt in der rechten Ecke des Bettes am Fußende und sieht bald seinen Chiropraktiker häufiger als seine besten Freunde. Abgesehen davon schnarcht Theo so laut, dass in seiner Gegenwart an Schlaf nicht zu denken ist: als führe ein Trecker durchs Bett. An massivem Schnarchen sind schon die besten Ehen gescheitert – in Theos Fall möchte ich es nicht so weit kommen lassen.

„Aber er macht einen etwas bekümmerten Eindruck“, sagte der Mann in meinem Leben, der übrigens durchaus mein Bett teilt.

Als hätte er das Recht, mir Schuldgefühle einzureden: Er wird nur am Wochenende und nach Ende der allgemeinen Geschäftszeiten von Theo verfolgt, während ich rund um die Uhr beschattet werde.

„Er ahnt, dass sich etwas verändert“, meinte der Mann. „Er will dich wahrscheinlich unterstützen.“

Unterstützen? Mich? Theo? Meine Pudel Luise und Ida sind offen und gutherzig und ziehen mich tatsächlich anderen Menschen vor. Theo dagegen entspricht absolut seiner Rasse: Das Markenzeichen der Mops-Persönlichkeit ist deren völlige Gleichgültigkeit gegenüber den Wünschen und Bedürfnissen ihrer Besitzer. Manche Hunde geben sich wirklich Mühe, es ihrem Herrn recht zu machen – Möpsen dagegen geht es ausschließlich um sie selbst.

Weshalb mich Theos Persönlichkeitsveränderung zutiefst irritierte. Unter normalen Umständen verlässt er das Haus nur, wenn ich ihn wortreich darum bitte. Seine Vorstellung von einem gelungenen Spaziergang ist ein kleiner Ausflug zum Bioladen, der 50 Meter von unserer Haustür entfernt liegt, wo er sich ein paar Kekse oder ein Stück Biokäse reichen lässt, um dann auf dem Absatz umzukehren und erstaunlich flink wieder nach Hause zu traben. Die Tatsache, dass ich ihn täglich nötige, etwa drei Stunden spazieren zu gehen, hilft seiner Laune grundsätzlich nicht weiter. Er teilt mir mehrfach am Tag missmutig schnorchelnd mit, er sei zum Salonhund geboren – von langen Spaziergängen durch Wald und Wiesen sei in seinem Kaufvertrag keine Rede gewesen.

Wenn ich nun allerdings mit den Autoschlüsseln klapperte, raste Theo hinter mir her, galoppierte die Treppen hinunter und warf sich trotzig auf den Beifahrersitz. Ich kam mir vor wie Miss Daisys Chauffeur. Er benahm sich, als nahe das Ende unseres bisherigen Lebens.

Mit dieser Vermutung lag Theo allerdings phänomenal richtig: Ich sollte zu ihm und den beiden Großpudeln Luise und Ida einen weiteren Hund dazu bekommen, ein kleines Italienisches Windspiel. Bevor ich Theo allerdings bei einem Hellseher-Portal anmelde, muss ich zugeben, dass er nach zwölfjähriger Beziehung mit mir die Zeichen erkennt: Er weiß, wie es aussieht, wenn ich mich für einen Neuzugang bereit mache. Ich kaufe niedliche dünne Leinen, krame sehr kleine Futternäpfe heraus, plane meine Abwesenheitszeiten der nächsten fünf Monate sehr genau und bin generell etwas nervöser.

„Vielleicht mache ich einen großen Fehler?“, fragte ich den Mann. „Was ist, wenn Theo den neuen Hund hasst?“

„Er hat auch die Pudel akzeptiert“, beruhigte der Mann mich. „Die immerhin viermal so groß sind wie er.“

„Das ist länger her. Jetzt ist er ein alter Hund, der viel mit mir durchgemacht hat. Vielleicht ruiniere ich die wenigen glücklichen Jahre, die er noch hat?“

Natürlich war das nur eine Ersatz-Panikattacke. Kurz vorher bekommt man immer Angst vor der neuen Aufgabe, die ein junger Hund bedeutet. Man fragt sich, ob man wirklich vier Hunde braucht – zumindest ich frage mich das, andere Menschen haben im Gegensatz zu mir nicht mehr Haustiere als Möbel –, ob man sein Leben mit vier Hunden in den Griff bekommt und ob man überhaupt jemals wieder verreisen kann. Oder ob man irgendwann komisch wird, sich überhaupt nur noch mit seinen Tieren unterhält und eines Tages mit siebenundzwanzig Hunden in einer vollständig gekachelten Behausung auf Gartenmöbeln lebt, weil sowieso alles andere egal ist. Ich meine: Hundebesitzer sind nachweislich seltsam, das müssen Sie zugeben. Sie empfinden keinerlei Würgereiz, wenn sie Hundehaufen aufsammeln und in kleinen bunten Plastiktüten verstauen, sie können sich stundenlang über die richtige Ernährung ihrer Vierbeiner Gedanken machen, streuen gemahlene Algen über Frischfleisch und pürieren Salat, Bananen, Zucchini und Karotten, während sie sich selber hauptsächlich von Keksen und Ben & Jerry’s-Eiscreme ernähren, fahren praktisch nie in die Ferien und kaufen sich stattdessen lieber gewaltige Autos, damit die Hunde es bequemer haben.

„Du redest nicht von Hundehaltern im Allgemeinen, sondern von dir“, sagt der Mann dazu.

Hm. Ohne rechthaberisch wirken zu wollen: Welcher normale Mensch hält es denn für einen Liebesbeweis, wenn ihm ein Hund mit der Zunge einmal zärtlich übers Ohr fährt, nachdem er gerade einen grün schillernden, sieben Wochen alten Fischkadaver untersucht hat? Und ich bin mit dieser Haltung nicht allein. Wir Hundebesitzer sind viele.

„Ich glaube, wir sollten dein Verhältnis zu Hunden untersuchen“, sagte der Mann einmal.

„So viel Zeit hat doch kein Mensch“, gab ich zurück. „Das kann Jahre dauern.“

2

Ich habe einen Hundetick. Das ist unbestritten. Manche Leute haben einen Schuh- oder Handtaschenfimmel, ich habe einen Hundefimmel. Was bedeutend aufwändiger ist, aber auch lustiger. Schuhe bringen einen eher nicht zum Lachen (und wenn doch, ist das kein gutes Zeichen), aber dafür manchmal zum Weinen. Handtaschen sind in der Anschaffung fast genauso teuer wie Hunde und riechen auch besser, wenn sie nass sind, aber dafür springen sie nicht durch Reifen und holen mir kein Taschentuch, wenn ich niese.

Natürlich sind meine Eltern schuld. Die haben in meiner Prägephase eindeutig Fehler gemacht. Schon als Kind konnte man mich am besten beschäftigen, wenn man mich einfach in irgendeinen Stall, einen Käfig oder vor ein Aquarium setzte. Von Tigern bis hin zu Hakenwürmern begeisterten mich alle Tiere. Als ich drei Jahre alt war, schenkte mir meine Mutter ein Buch namens Mrs. Beastons Tierklinik, die Geschichte einer sehr großen, dünnen Dame mit etwas wirren Haaren, die in einem riesigen Haus mit furchtbar vielen Tieren lebt. Dieses Buch halte ich für den Auslöser meiner Fixierung: Kinder, die mit Rotkäppchen aufgewachsen sind, haben zweifellos ein distanzierteres Verhältnis zu Haustieren. Keine Puppe interessierte mich, solange ich sie nicht auf eines meiner Spielzeugpferde setzen konnte. Wenn andere Mädchen „Vater, Mutter, Kind“ spielten, spielte ich „Bauernhof“. Mit fünf Jahren kaufte ich mir von meinem selbst ersparten Geld ein schwarz-weißes Meerschweinchen in einem Hamburger Zoogeschäft, das an der Stelle war, an dem heute ein überflüssiges Mini-Kaufhaus namens „Kaufrausch“ steht. Es folgten Kaninchen, Streifenhörnchen, Kanarienvögel, Wellensittiche, Katzen, Mäuse, Salamander, Eidechsen, Schildkröten, Pferde und Hamster, und irgendwann betrat meine Familie mein Zimmer nicht mehr. Meine Mutter zeigte schon damals, dass sie eine Heilige war, indem sie mir eine Leidenschaft erlaubte, die sie selber kein bisschen nachvollziehen konnte.

Einen Hund bekam ich leider nie, obwohl ich mir verzweifelt einen wünschte, und da liegt wahrscheinlich der tiefenpsychologische Grund (oder Hund, haha) begraben, weshalb ich heute eigentlich nie weniger als drei Hunde um mich herum habe. Wie die meisten Leute habe ich Hunde, weil sie so aufrichtig und begeisterungsfähig sind. Man kann zu seinem Hund völlig blödsinnige Dinge sagen, und er wird einen mit einem Gesichtsausdruck ansehen, der sagt: „Mein Gott, du hast so RECHT! Wie KLUG du bist!“ Schon deshalb halten wir unsere Hunde für intelligent und übersehen ganz, dass sie den Großteil ihrer Freizeit damit verbringen, einander mit der Nase am Hinterteil des andern zu umkreisen. Hinter ihrem seelenvollen Blick vermuten wir tiefe Gedanken – und weil der Durchschnittshund recht wortkarg ist, hat er nur wenige Möglichkeiten, uns eines Besseren zu belehren. Hunde haben Kindern gegenüber einige Vorteile: Sie widersprechen nicht, müssen nicht jahrelang Französischvokabeln abgefragt werden und nehmen auch keine Drogen. Dafür wälzen sie sich in unaussprechlichen Dingen.

Hunde machen das Leben wirklich angenehm. Man beginnt den Tag mit Enthusiasten: „Schon wieder ein neuer Tag! Ist das nicht großartig?“, fragen sie bei meinem Anblick begeistert jeden Morgen. Ich kenne sonst niemanden, der diese Einstellung Tag für Tag durchhalten kann. Sie sind grundsätzlich sehr entspannt und haben einen wundervollen, albernen Sinn für Humor. Es mangelt ihnen zwar an Weltklugheit, dafür sind sie nicht affektiert und außerdem unglaublich großzügig. Wir beanspruchen täglich und ständig ihre totale Hingabe, und sie lassen uns diesbezüglich nie hängen. Ein Hund kann sich nie damit herausreden, dass er gerade keine Zeit hat. „Heute nicht, Schatz, ich habe Kopfschmerzen“ ist keine Entschuldigung für einen Hund. Er lebt rund um die Uhr auf zwei Ebenen gleichzeitig, der menschlichen und der der Hundwelt. So ein schizophrenes Leben muss auf Dauer anstrengend sein, was ein weiterer Grund ist, warum ich mehrere Hunde habe: Ich hoffe, dass es ausgleichend auf sie wirkt, wenn sie sich nicht nur mit meinen missverständlichen Forderungen auseinandersetzen müssen, sondern auch immer in ihrer eigenen Sprache kommunizieren können.

„Quatsch“, sagt der Mann wenig einfühlsam. „Du hast mehrere Hunde, weil du es einfach schön findest und nicht genug haben kannst. Dir wäre jeder Grund recht, auch sieben oder acht zu halten.“

3

Mir sind alle Hunde recht. Ich hatte Mischlinge, Rassehunde, Begleit- und Jagdhunde, gerettete und gefundene Hunde und Hunde vom Züchter. Einer meiner Hunde wurde mit seinen fünf Geschwistern auf meinem Bett geboren: Bella, eine Mischung aus Lhasa-Apso und Jack-Russel-Terrier, kam in Los Angeles zur Welt. Ihre Mutter Luna, eine kleine, graue Lhasa-Hündin, wartete mit der Geburt so lange, bis ich endlich zermürbt das Haus verließ, um essen zu gehen. Als ich zurückkam, empfing mich mein Kater im Hof mit empörtem Gemaunze. Ihm war der Geburtsvorgang, der in der Zwischenzeit stattgefunden hatte, offenbar zu aufregend verlaufen. Luna hatte die Welpenkiste, die ich für sie gebaut hatte, ignoriert und alle Welpen auf meinem Bett bekommen, bis auf einen kleinen Rüden, den sie sorgfältig in eine auf dem Fußboden liegende Valentino-Strickjacke gewickelt hatte. Die Welpen sahen aus wie Babyhamster, die genau in meinen Handteller passten, und Luna war unglaublich stolz.

Ihre Tochter Bella tat sich von Anfang an durch eisernen Willen hervor. Sogar als ihre Augen noch geschlossen waren, schien sie ihre Geschwister lästig zu finden. Sie öffnete als erster der Welpen die Augen, konnte am ehesten laufen und war sofort entschlossen, den Schlafkorb zu verlassen, egal wohin. Man hört ja immer, dass Einzelkinder zu bedauern seien: keine Geschwister zum Spielen, zu viel Aufmerksamkeit von den Eltern, stille, einsame Mahlzeiten. In Bellas Ohren klang das himmlisch. Sie fand ihre fünf Geschwister total überflüssig. Sie war der festen Überzeugung, dass große Familien Karnickeln vorbehalten bleiben sollten. Die im Übrigen zu ihrer großen Leidenschaft wurden. Sie war ein Jahr alt, als ich von Los Angeles nach Hamburg zog, mit zwei Siamkatern, zwei Hunden und einem Pferd im Gepäck. Bella ging praktisch direkt nach der Landung auf Kaninchenjagd. Die Nächte, die ich in Anorak über dem Schlafanzug, Gummistiefeln und mit Taschenlampe bewaffnet nach diesem Hund suchte, kann ich nicht mehr zählen. Ich habe Bella bei minus 14 Grad aus einem Fuchsbau ausgegraben, in den sie zwar mit Leichtigkeit hinein-, aber dummerweise nicht mehr herauskam, sie mit einem Frontlader aus einer Kaninchenhochburg gebuddelt und stundenlang in Pferdeställen gesucht, in denen sie, zur Statue erstarrt, schweigend vor einem Rattenbau verharrte.

Dabei sah Bella aus wie ein personifizierter blonder Hundeengel – eine Mischung aus Tatzelwurm und explodiertem Handfeger, der rein gar nichts von der buddhistischen Lebenshaltung seiner tibetischen Vorfahrenhälfte geerbt hatte. Bella war durch und durch Terrier, hart im Nehmen und unglaublich schlau mit einem sehr ausgeprägten Sinn für Humor. Ihre mittelbraunen Augen waren schwarz umrandet, ihr Gesichtsausdruck vermittelte reine Unschuld. „Wenn du nur sprechen könntest“, seufzte meine ältliche Nachbarin manchmal, wenn sie Bella sah.

Ich persönlich bin gerade darüber sehr froh, dass meine Hunde nicht sprechen können. Sie brauchen es überhaupt nicht: Sie können ihre Gefühle und Wünsche selbst denen sehr deutlich machen, die nur über die rudimentärste Beobachtungsgabe verfügen. Bella war ein großartiger Kommunikator. Sie verfügte über ein ausdrucksstarkes Kläffen, ein eloquentes Schnüffelgeräusch und einen markanten Angstschrei, der alle Versuche von Unwissenden, sie zu bürsten, sofort unterbrach. Ihr Knurren klang geradezu vorbildlich bedrohlich: ein tiefes Grollen, das in den Herzen von Kleinvieh und zögerlichen Postboten tiefe Furcht auslöste. Allerdings bekam sie davon Halsweh, weshalb sie es nur sehr selten einsetzte.

Bella wäre eine großartige Politikerin geworden. Statt auf Geräusch und Lautstärke setzte sie auf gezielte Schmeicheleien, eine unschuldige Miene und die Verbreitung bester Laune. Dort, wo man mit Gebell nicht weiterkommt, muss man eben Charme einsetzen. Fragen Sie meine Hunde. Der Schlüssel zu besserem Verständnis ist das, was Soziologen Körpersprache nennen. Die zart bittende Pfote, die bebende Schwanzspitze, der hypnotische Blick, die Schauer der Verzückung – das alles spricht lauter als tausend Worte, wenn ein Experte es einsetzt. Und Bella war ein Experte par excellence.

Weil sie so schlau war, langweilte sie sich leicht. Ihre Mutter war da ganz anders, ihr fehlte gewissermaßen der Pioniergeist. Sie ließ sich nur selten überreden, sich Bellas Erkundungstouren anzuschließen. Sich selbst überlassen, machte Bella einen kleinen Rundgang durch die Wohnung, scannte die Küche nach irgendwelchen essbaren Beweisen für nachlässige Haushaltsführung, untersuchte Türen und elektrische Kabel, die sie vorsorglich zerbiss, um möglichen Schaden vorausschauend zu verhindern, räumte Teppiche um und machte sich grundsätzlich nützlich.

Eines Tages hatte sie entdeckt, dass die Tür zum Gästezimmer offen war. Das Gästezimmer ist absolut hundefreie Zone, was die Hunde partout nicht einsehen wollen. Sie finden, je ungestörter Gäste sein dürfen, desto mehr werden sie dazu verleitet, länger zu bleiben, was die tägliche Routine nur unnötig durcheinanderbringt. Hunde besitzen nämlich die Lebenseinstellung von Beamten: Sie mögen ihr Leben übersichtlich und geordnet, Ausnahmen schätzen sie nicht. Also lassen sie keine Gelegenheit aus, eventuellen Gästen deutlich zu machen, dass ihr Aufenthalt nur begrenzt erwünscht ist. Beispielsweise bekommen sie jedes Mal, wenn der Gast nach längerer Zeit aus dem Bad kommt, einen hysterischen Anfall, als hätten sie ihn in der Zwischenzeit völlig vergessen. Theo neigt dazu, das Gepäck nachhaltig zu markieren, während meine braune Pudelin Ida den Dingen gerne auf den Grund geht, indem sie fremdes Gepäck untersucht und dabei vollständig auspackt. Der Zutritt zum Gästezimmer ist meinen Hunden also aus gutem Grund verboten.

Bella wollte das Übel offenbar schon verhindern, bevor es eintreffen konnte, und entschied sich für ein paar Änderungen. Sie hopste auf das weiche Bett mit der antiken Tagesdecke und sprang ein paar Runden darauf herum. Die Anordnung der Kissen am Kopfende missfiel ihr offensichtlich. Sie waren in einer Reihe angeordnet, was für einen menschlichen Körper, der der Anlehnung bedarf, durchaus bequem ist, aber kein geeignetes Arrangement für einen Hund zu sein scheint. Hunde mögen es, wenn sie in einer Art Nest schlafen. Vielleicht fühlen sie sich dann wieder wie in Mutters Bauch, obwohl ich sicher bin, dass Bella nicht an einer Widerholung dieser Lebensphase interessiert war: Sie musste den wenigen Platz mit fünf anderen teilen und fand es eher eng. Nichtsdestotrotz begab sie sich an die Arbeit, um die Kissen in die Mitte des Bettes zu zerren, bis sie in etwa ein rundes Nest bildeten. Sie kratzte, riss und ruckte, legte sich schließlich in die Mitte und schlief zufrieden ein.

Dort fand ich sie ein paar Stunden später. Sie lag gemütlich ausgestreckt auf dem Rücken zwischen zerfetzten Kissen, die wundervolle alte Tagesdecke hatte lange Risse, und bei jeder Bewegung flogen Federn wie Schneeflocken durchs Zimmer. Unsanft durch meine Entsetzensschreie geweckt, öffnete Bella die Augen, sprang vom Bett und raste in ihren Korb, wo sie sich neben ihrer Mutter zusammenrollte. Sie hoffte offensichtlich, ich würde Luna für die Schuldige halten, und ignorierte gänzlich, dass ich sie gerade erwischt hatte. Während ich ihr mit erhobener Stimme ihre Vergehen und ein zerrissenes Kissen vorhielt, betrachtete sie mich die ganze Zeit mit interessiertem, nonchalantem Gesichtsaudruck, als habe sie mit der ganzen Sache nichts zu tun. Tatsächlich versuchte sie rechtzeitig herauszufinden, wie hart der Richtspruch ausfallen würde. Das Rechtssystem ist eine komplizierte Angelegenheit, die schwer einzuschätzen ist, auch in unserem Haus. Für manche Delikte gibt es physische Strafen wie Schnauzengriff und/oder zeitweiliges Exil, für andere nur eine mündliche Verwarnung und eine halbe Stunde auf Bewährung mit Straferlass bei guter Führung.

Bella merkte sehr wohl, dass es in diesem Fall zu einer Höchststrafe kommen würde, also gab sie alles, ihr komplettes Pardon-Repertoire. Dafür ist fortgeschrittene Körperdynamik notwendig. Als Erstes rollte sie sich auf den Rücken und wackelte hilflos mit ihren Beinen. Diese Geste löst beim Menschen gewöhnlich ein schlechtes Gewissen aus und besänftigt die Laune beträchtlich. Anschließend wedelte Bella, immer noch auf dem Rücken liegend, so ausdrucksvoll, wie das in dieser Position möglich war. Sobald sie spürte, dass der Moment sich etwas entspannt hatte, setzte sie sich auf und berührte die nächste erreichbare Wade mit ihrer sehr kleinen Pfote – eine Geste, die Menschen gewöhnlich ganz reizend finden. Falls man sich nun aufs Sofa oder einen Sessel setzte, sprang sie anmutig neben einen und legte einem mit dem vollen Gewicht von etwa 600 Gramm ihren niedlichen Kopf auf den Schoß. Normalerweise löste dies einen Kraul-Automatismus aus, und dann wusste sie, dass alles vergeben und vergessen war. Meine Pudelhündin Luise hatte eine Zeit lang ein weiteres Element in ihr Programm aufgenommen, indem sie ihren Kopf von unten in die nächste zur Verfügung stehende Hand stieß. Das machte sie so lange, bis sie eine Hand erwischte, die ein Glas Rotwein hielt, was den Zauber des Moments empfindlich störte.

Bella dagegen war nach jahrelanger Übung ein Vollprofi im Erringen von Verzeihung. So auch diesmal. Wenn es darum ging, mein verhärtetes Herz zu erweichen: Bella schaffte es immer.

4

Zu Bella gesellte sich irgendwann Emily, eine schwarze Mopshündin, und schließlich der beigefarbene Theo. Das war Zufall und keine ästhetische Entscheidung, obwohl ich insgesamt Mopsbesitzern raten würde: Wer bevorzugt Schwarz trägt, ist mit einem schwarzen Mops gut beraten; wer mehr helle Brauntöne trägt, sollte sich unbedingt für einen beigefarbenen Mops entscheiden. Wenn sie auf dem Schoß haaren, was Möpse andauernd tun, sieht man die Haare weniger. Ich trage beides, deshalb bin ich eigentlich ständig von Mopshaaren sichtbar übersät.

Möpse leben am liebsten paarweise und schlafen auch vorzugsweise auf einem Haufen. Ein weiterer Punkt auf meiner Rechtfertigungsliste, warum ich möglichst immer mehrere Hunde halte, ist, dass sie sich so gut miteinander amüsieren. Es ist ein bisschen so, als hätte man den „Ruf der Wildnis“ im Wohnzimmer, nur ohne sterbende Antilopen.

Theo war von Welpenbeinen an anders als die anderen Hunde. Wenn es kalt ist, weigert er sich, das Haus zu verlassen. Wenn ich ihn trotzdem zwinge – irgendwann muss schließlich jeder aufs Klo –, bleibt er zitternd stehen und hebt jammervoll die kalten Pfoten. Wenn er sich im Freien hinsetzen soll, sucht er sich zuerst einen fremden Fuß, auf dem er sich gemütlich niederlässt, damit er trocken sitzt. Die jeweiligen Angehörigen der Füße bleiben mit entzückter Verwirrung über die den kleinen blonden Anker so lange stehen, bis Theo irgendwann beschließt weiterzugehen. Ich kann mich nicht erinnern, dass ihm jemals jemand den Schuh unterm Hintern weggezogen hätte. Es gab allerdings einmal einen Herrn in München, der Theo unbedingt fotografieren wollte, und als der immer wieder hinterherkam, um sich auf dessen weiche Turnschuhe zu setzen, zog der Mann irgendwann einen davon aus, damit Theo in Position blieb, und fotografierte ihn strumpffüßig.

Das Zusammenleben mit Theo war so, als teile man das Haus mit einer Acht-Kilo-Version von Mussolini. Früher weckte Theolini mich jeden Morgen um sechs Uhr wie der Reisewecker des Satans. Sein kleiner Käuzchenkopf erschien über dem Rand meines Bettes, während er unter Grunzen herauszuhören versuchte, auf welche Schlafphase die Regelmäßigkeit meiner Atmung hinwies. Wenn er feststellte, dass ich noch im Tiefschlaf lag, hopste er aufs Bett und fuhr mir mit seiner kurzen Nase so lange im Gesicht herum, bis ich ihn nach draußen brachte. Es ging ihm nie darum, sich zu erleichtern – was soll er so früh im kalten Garten? Mich zu nachtschlafender Zeit zu wecken, gehörte einfach zu seinen Lieblingsritualen.

Größenwahn ist eine der hervorstechendsten Eigenschaften von Möpsen. Sie haben keinerlei Verhältnis zu ihrer Körpergröße. Irgendwann haben sie einmal gehört, sie seien mit Mastiffs verwandt – ein Irrtum, der längst aufgeklärt wurde, aber sie halten eisern an dieser Legende fest. Theo ist der festen Überzeugung, er sehe mindestens aus wie eine Bordeaux-Dogge. Er ist nicht nur ein echter Kerl, sondern ein Hund mit einem ungeheuren Gerechtigkeitssinn: Sobald zwei Hunde miteinander in Konflikt geraten – sei es, dass sie lautstark spielen, sei es, dass sie sich wirklich in die Haare bekommen –, geht Theo mit aufgerissenen Bette-Davis-Augen dazwischen und verteilt gut sitzende Kinnhaken. Würde er beißen, käme er mit seinem absurd geformten Kiefer nicht weit, aber im Boxen ist er Weltmeister und weithin gefürchtet. Unglücklicherweise geht er auch dazwischen, wenn völlig fremde Hunde sich streiten. Neulich nachts in unserer Nachbarschaft waren es ein Rhodesian Ridgeback und ein grimmig aussehender Pitbull, dessen Besitzer immer mit einem elektrischen Schock-Stock unterm Arm spazieren geht, und die beiden Hunde machten tiefe grollende Geräusche, die mir das Blut in den Adern gefrieren ließen. Theo schoss plötzlich los und donnerte wie eine blonde Kanonenkugel erst dem einen, Sekundenbruchteile später dem anderen Hund von unten krachend gegen den Kiefer – woraufhin beide Hunde völlig konsterniert voneinander abließen und ihrer Wege zogen. Ich bin ja der festen Überzeugung, dass der liebe Gott Dummheit beschützt, wenn sie nur groß genug ist.

Emily liebte Theo und bewunderte jeden seiner Schritte. Sie war Theos Schatten und sein siamesischer Zwilling, die beiden machten nichts ohne den anderen. Wären glückliche Ehen unter Menschen nicht so selten, würde ich ihre Freundschaft als Ehe bezeichnen. Leider litt Emily an ungefähr jeder Krankheit, die man überhaupt nur haben kann, vom Herzfehler über Lungenödem bis hin zu Arthrose. Wohl aufgrund ihrer Arthrose bestand sie in ihrem letzten halben Jahr immer häufiger darauf, alleine zu schlafen – was Theo überhaupt nicht begreifen wollte. Dabei kommt das Phänomen der getrennten Schlafzimmer offenbar früher oder später in den meisten Ehen vor, auch ganz ohne körperliche Schmerzen.

Schließlich halfen alle Tabletten, alles Tragen bei den Spaziergängen nichts mehr, und ich musste Emily einschläfern lassen. Wir gruben ein tiefes Loch im Garten, während sie in der kleinen Tasche lag, in der ich sie zuletzt auf den Spaziergängen getragen hatte. Theo saß die ganze Zeit wie festgewachsen neben der Tasche.

Es dauerte drei Monate, bis er wirklich begriffen hatte, dass Emily nicht einfach nur verreist war, sondern nicht wiederkommen würde, und er wurde richtig krank. Er bekam eine furchtbare Nebenhöhlenentzündung, die wir über lange Zeit nicht in den Griff bekamen, ihm lief die Soße nur so aus der Nase, er bekam keine Luft, hatte offensichtlich Kopfweh und litt wirklich sehr. Es gab kein Medikament, keine alternative Behandlung, die wir nicht ausprobierten, und nichts, worauf er angesprochen hätte. Ich versuchte, ihm eine schwarze Ersatz-Möpsin zu schenken: Er lehnte sie so scharf ab, wie er noch nie auf irgendeinen Hund reagiert hatte, also gab ich die kleine Hündin zurück. Über Theos Haupt schwebte hartnäckig eine kleine schwarze Wolke, sein Gesicht wurde ganz weiß vor Gram. Er brauchte zwei Jahre, um über Emilys Tod hinwegzukommen.

5

Nachdem Theo einen Ersatz-Mops abgelehnt hatte, beschloss ich, mich nach einem Hund für mich selbst umzusehen. Königspudel – oder Großpudel, wie man sie seit der Einführung der Demokratie nennt – haben mir schon immer gut gefallen: Ich habe gerne klassische, altmodische Rassen. Dass der Pudel so verkannt ist – als Omahund verschrien, dabei doch eigentlich ein Jagdhund –, dass er aus der Mode gekommen ist und sich dementsprechend Degenerationserscheinungen in Grenzen halten, dass er sportlich und gutgelaunt ist – all diese Attribute gefielen mir. Und wenn ich ehrlich bin, sorgt in einem Mehrhundehaushalt die Tatsache, dass Pudel nicht haaren und so gut wie nicht „nach Hund“ riechen, für zusätzliche Attraktivität.

Ich machte mich auf Pudel-Shoppingtour quer durch Deutschland. Ich wollte keinen Welpen, weil ich damals in einem sehr hohen vierten Stock ohne Aufzug wohnte und nicht viermal am Tag im gestreckten Schweinsgalopp mit einem 15-Kilo-Hündchen mit gefüllter Blase auf dem Arm die Treppen hinauf- und hinunterrennen wollte – obwohl ich dadurch nach kürzester Zeit sicher einen Hintern aus Stahl und Bauchmuskeln aus Eisen bekommen hätte. Ich suchte eine schwarze Hündin, etwa sieben, acht, neun Monate alt, aus dem Allergröbsten raus, aber noch albern genug.