Angstfrei im Alter - Sigrun Schmidt-Traub - E-Book

Angstfrei im Alter E-Book

Sigrun Schmidt-Traub

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Beschreibung

Angststörungen sind neben Depressionen und Demenzen die häufigsten psychischen Störungen im Alter. Obwohl wirksame Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen, scheuen sich viele ältere Menschen vor einer Psychotherapie und quälen sich unnötig lange mit ihren Ängsten. Aus diesem Grund wurde das vorliegende Selbsthilfebuch geschrieben. Es klärt ängstliche ältere Menschen und ihre besorgten Angehörigen und Freunde über Angststörungen und Möglichkeiten der Behandlung auf, gibt zahlreiche Hinweise zur Selbsthilfe und macht Mut zur Psychotherapie. Angststörungen im Alter treten häufig gemeinsam mit unterschiedlichen körperlichen Erkrankungen und auch mit anderen psychischen Problemen auf. Das Erkennen von Ängsten im Alter bereitet daher oft erhebliche Schwierigkeiten. Der Ratgeber stellt verschiedene Angststörungen ausführlich dar und geht insbesondere auf die generalisierte Angststörung ein, da diese im Alter am häufigsten auftritt. Die Besonderheiten von Ängsten bei älteren und hochbetagten Menschen werden anhand zahlreicher Beispiele veranschaulicht. Im Anschluss werden wissenschaftlich fundierte Behandlungs- und Selbsthilfemöglichkeiten vorgestellt. Mit ihrer Hilfe lassen sich Ängste ebenso bewältigen wie depressive Verstimmungen oder unerfreuliche Begleiterscheinungen wie Schlafstörungen, Schmerzen und Harndrang.

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[2]Angstfrei im Alter

[4]Angstfrei

im Alter

Ein Selbsthilfebuch für ältere Menschen

und ihre Angehörigen

von

Sigrun Schmidt-Traub

[5]Dr. rer. pol., Dipl.-Psych., Dipl.-Soz. Sigrun Schmidt-Traub, geb. 1942. Studium der Psychologie und Soziologie in Tübingen, Hamburg, Berlin, Frankfurt a. M. und an der Yale University in New Haven (USA). 1974 Promotion. Ausbildung in Verhaltens-, Gesprächspsycho- und Hypnotherapie. Seit 1974 eigene psychotherapeutische Praxis und Lehrtätigkeit an Universitäten. Seit 1989 Dozentin und Supervisorin an verschiedenen Ausbildungsinstituten für Klinische Verhaltenstherapie.

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EPUB-ISBN: 978-3-8444-2404-1

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[5][6][7]Vorwort

Zu den häufigsten psychischen Störungen im Alter gehören Angststörungen, Depressionen und Demenzen. Sind ängstliche Senioren behandlungswillig, sprechen sie gut auf Psychotherapie an. Vorbehalte gegenüber Psychotherapie sind jedoch noch weit verbreitet, sodass sich nur wenige in eine psychotherapeutische Behandlung begeben.

Aus diesem Grund habe ich dieses Selbsthilfebuch geschrieben. Es soll ängstliche ältere Menschen über Angststörungen und wirkungsvolle Behandlungsmöglichkeiten aufklären und Mut zur Psychotherapie machen. Diejenigen, die keine Therapie wünschen, können ihre Angst nach dem vorliegenden Leitfaden in Selbsthilfe angehen. Auch besorgte Angehörige und Freunde können sich mit dem Buch ein Bild von den im Alter verbreiteten Angststörungen und ihrer Behandlung machen.

Zu den Inhalten des Buches: Nach Hinweisen auf Möglichkeiten zur Gefühlskontrolle und auf die Schwierigkeiten bei der Erkennung von Ängsten im Alter wird ausführlich auf die einzelnen Angststörungen eingegangen. Die Reihenfolge der Angststörungen orientiert sich an der Häufigkeit ihres Auftretens im Alter. Die verschiedenen Angststörungen werden unter Berücksichtigung der Besonderheiten von Senioren beschrieben und anhand zahlreicher Beispiele veranschaulicht. Im Alter treten Angststörungen fast immer mit anderen psychischen Problemen, z. B. mit Depressionen, und den unterschiedlichsten körperlichen Erkrankungen auf.

Im Anschluss werden (kognitiv-verhaltens-)therapeutische Behandlungs- und Selbsthilfemöglichkeiten vorgestellt. Mit deren Hilfe lassen sich Ängste, depressive Verstimmungen und unangenehme körperliche Begleiterscheinungen, wie Schlafstörungen, Schmerzen oder Harndrang, bewältigen.

Eine abwechslungsreiche und gesunde Lebensführung erhält einen Großteil der Plastizität des Gehirns bis ins hohe Alter. Aus diesem Grund werden abschließend noch soziale, körperliche und kognitive Aktivitäten zur Tagesablaufgestaltung empfohlen. Sie tragen zur Stärkung der psychischen und körperlichen Gesundheit und des allgemeinen Wohlbefindens im Alter bei.

Falls Sie unter Ängsten leiden, dann werfen Sie doch einen Blick in dieses Buch, um zu sehen, ob es Ihnen eine Hilfe sein kann.

Berlin, im Januar 2011 Sigrun Schmidt-Traub

[7]Inhaltsverzeichnis

1 Gefühlskontrolle

2 Schwierigkeiten beim Erkennen von Angststörungen im Alter

3 Angststörungen bei älteren Personen

3.1 Panikanfall als Grundform der Angst

3.2 Generalisierte Angststörung

3.3 Panikstörung und Phobien

3.4 Posttraumatische Belastungsstörung

3.5 Zwangsstörung

3.6 Vorkommen von Angststörungen

3.7 Entstehung und Verlauf von Angststörungen

4 Depressionen

5 Demenz

6 Selbsthilfe bei Angst

6.1 Rahmenmodell für die Behandlung von älteren Menschen

6.2 Hinweise zur Vorbereitung einer Angstbehandlung im Alter

6.3 Selbstbeobachtung der Angst als Wahrnehmungstraining

6.4 Entwicklung eines Störungsmodells an einem Beispiel

6.5 Zielvorstellungen

6.6 Kognitive Bewertung und Neubewertung

6.7 Konfrontation: Sich der Angst stellen

6.8 Entspannung: Muskelübungen und ruhige Atmung

6.9 Selbstständige Bewältigung von Alltagsbelastungen

6.10 Tagesstruktur und Aktivitätenaufbau

6.11 Gesundheitsverhalten

6.12 Medikamentenwirkungen im Alter

6.13 Unterstützung von Angehörigen

6.14 Lebensrückblick und Selbstbehauptung

6.15 Auseinandersetzung mit Sterben und Tod

6.16 Zukunftsplanung

[8]6.17 Worauf ist bei der Behandlung der einzelnen Angststörungen besonders zu achten?

6.18 Was tun bei einer Rückkehr der Angst?

6.19 Psychotherapeutische Behandlung oder Selbsthilfe?

Anhang

Literatur

Literaturempfehlungen

Wichtige Adressen

Angst- und Sorgentagebuch

Blasentraining und Beckenbodenübungen

Sachregister

[9]1 Gefühlskontrolle

Menschen greifen auf ganz unterschiedliche Bewältigungsmöglichkeiten zurück, wenn sie negativen Situationen ausgeliefert sind, um ihre Gefühle zu beherrschen. Nicht alle Gefühle sind förderlich. Manche haben eher negative Auswirkungen. Überlegen Sie, mit welchen Strategien Sie in der Regel Ihre unangenehmen Gefühle kontrollieren:

• Mit Vermeiden wird unangenehmen Situationen, Erlebnissen und Gefühlen ausgewichen.

• Mit Unterdrücken wird weder das Erleben von Gefühlen noch der Ausdruck von Gefühlen erlaubt.

• Mit Grübeln werden negative Gedanken und Erlebnisse, ihre Ursachen und Folgen gedanklich hin- und hergewälzt, ohne dass es zu Lösungen kommt.

• Mit Neubewerten wird das Unbehagen in einer unangenehmen Situation durch wohlwollende, positive Interpretation abgeschwächt.

• Mit Problemlösen wird bewusst daran gearbeitet, belastende Situationen zu verändern oder deren negative Folgen einzugrenzen.

• Mit Akzeptieren werden unangenehme Gefühle oder körperliche Empfindungen, sobald sie aufkommen, von den Betreffenden hingenommen, ohne sie zu bewerten oder verändern zu wollen.

Menschen, die Schwierigkeiten mit der Bewältigung von Alltagsproblemen haben und ihre Gefühle nicht so recht beherrschen können, sind anfälliger für Ängste und Depressionen. In jedem Alter kann der Mensch noch lernen, seine Gefühle besser unter Kontrolle zu bringen. Älteren Menschen gelingt das meist recht gut, weil sie über reichlich Lebenserfahrung verfügen.

Die Bewältigung von Ängsten ist das wichtigste Thema des vorliegenden Buches. Bevor darauf eingegangen wird, werden die einzelnen Angststörungen vorgestellt.

[10]2 Schwierigkeiten beim Erkennen von Angststörungen im Alter

Angst ist ein lebenswichtiges Alarmsystem. Jeder kennt Angst. Sie schärft die Sinne bei Gefahr, beschleunigt das Reaktionstempo und ermöglicht erstaunliche Leistungen. Menschen, die das Risiko lieben, suchen den Angstkitzel beim Glücksspiel, Bungeespringen oder Extremsport. Angst steigert zudem die Anstrengungsbereitschaft und Leistungsfähigkeit, insbesondere in existenziell gefährlichen Situationen.

Einige Menschen erleben zu viel Angst vor Situationen, die sie für übertrieben gefährlich halten, obwohl sie in Wirklichkeit gar nicht gefährlich sind. In einer derartigen „subjektiv“ als beängstigend erlebten Situation werden sie von ängstlicher Erregung überwältigt. Solche unbegründeten Ängste sind Thema des vorliegenden Buches.

Vom Erleben her gleicht unbegründete Angst der Angst bei echter Gefahr (Kriegsfront, Terroranschlag, Raubüberfall): Das Herz rast, es kommt zu Atemnot, Schwindel, Benommenheit und starker Erregung. Da Angst sich vor allem in körperlichen Reaktionen äußert (vgl. Panikattacke, S. 14), glauben viele überängstliche Menschen, sie wären körperlich krank und gehen zum Arzt. Unbegründete Angst in ungefährlichen Situationen kann extreme Ausmaße annehmen und handlungsunfähig machen.

Die Unterscheidung zwischen körperlichen Angstsymptomen und körperlichen Störungen ist sehr wichtig. Ängste treten häufig bei älteren Menschen mit chronischen Krankheiten auf, werden aber oft von körperlichen Beschwerden, Ausfällen oder Medikamentennebenwirkungen überlagert und verdeckt. Im Alter treten folgende Krankheiten am häufigsten auf:

1. Herz-Kreislauf-Erkrankungen (Herzinsuffizienz, Angina pectoris, Hirnschlag),

2. Erkrankungen des Bewegungsapparates (Osteoporose, Gelenkverschleiß an Knien oder Hüfte, Rückenprobleme) und

3. Krebserkrankungen.

Zwei Drittel der auftretenden Fälle in der Allgemeinbevölkerung betreffen die Gruppe der über 65-Jährigen. Folgende Wechselwirkungen lassen sich beobachten:

[11]Eine psychische Störung, wie z. B. Angst oder Depression, kann

• durch das Auftreten einer körperlichen Erkrankung ausgelöst werden (wie Schmerzen bei Osteoporose),

• Teil einer körperlichen Erkrankung (wie vermehrte Unruhe und Angst bei Schilddrüsenüberfunktion) oder

• eine Nebenwirkung von Medikamenten (wie Kortison oder Antidepressiva) sein.

Umgekehrt kann eine körperliche Erkrankung

• die Folge einer psychischen Störung (wie Herz-Kreislauf-Erkrankung nach langer Depression) oder

• Teil einer Angststörung (wie Schilddrüsenüberfunktion bei Panikstörung) sein.

Die meisten körperlichen Erkrankungen und Angststörungen treten bei älteren Menschen jedoch unabhängig voneinander auf.

Mehr als jeder Vierte über 75-Jährige ist körperlich krank oder gerade verletzt (z. B. nach einem Sturz). Etwa ein Viertel der Rentner leiden unter einer psychischen Störung. Dieser Anteil ist zwar gleich groß wie bei jüngeren Erwachsenen. Nur sind viele ältere psychisch Kranke, insbesondere Hochbetagte, dement. Demenzen werden zu den psychischen Störungen gerechnet. Proportional gesehen kommen Ängste und Depressionen demnach häufiger im mittleren Lebensalter vor als bei älteren Menschen. Suchterkrankungen sind ebenfalls seltener im Alter; allerdings sterben auch viele Drogen- und Alkoholabhängige früher.

Hat eine alternde Person mehrere körperliche Erkrankungen – und das wird mit zunehmendem Alter immer wahrscheinlicher – dann nehmen körperliche Funktionsstörungen und psychische Probleme, wie Ängste und Depressionen, zu. Außerdem wird der alternde Mensch in seiner Selbstständigkeit eingeengt: Infolge körperlicher und kognitiver Funktionsschwäche oder -ausfälle stellen sich Probleme in der Körperpflege, beim Einkaufen, Kochen, Putzen und bei anderen alltäglichen Verrichtungen ein.

Viele betagte Menschen sind zu erstaunlichen Bewältigungs- und Anpassungsleistungen fähig und arrangieren sich mit ihrer zunehmenden körperlichen Schwäche. Die subjektive Gesundheit spielt dabei eine wichtige Rolle. Darunter wird die persönliche Bewertung des eigenen Gesundheitszustandes verstanden. Im Alter deckt sich die subjektive Gesundheit in den wenigsten Fällen [12]mit dem tatsächlichen Gesundheitszustand. Studien haben ergeben, dass alte und sehr alte Menschen, die mehrere chronische Erkrankungen und somit eine objektiv schlechte Gesundheit haben, sich dennoch für gesünder halten als die meisten ihrer Altersgenossen. Die Mehrzahl älterer Menschen ist schon dankbar, wenn sie keine quälenden Beschwerden haben.

Nicht nur die positive Sicht der eigenen Gesundheit und eine optimistische Lebenseinstellung sind Schutzfaktoren für Gesundheit und Langlebigkeit. Es gibt noch weitere Einflussgrößen: Genetische Veranlagung, Lebensstil, Gesundheitsverhalten, soziales Netz, medizinische Versorgung und Lebenslage (Bildung, Wohnverhältnisse, Vermögen). Nicht zuletzt ist die Überzeugung, schwierige Anforderungen aus eigener Kraft bewältigen zu können, ein besonders wichtiger Schutzfaktor: Sie wird Selbstwirksamkeitserwartung genannt.

Der Einfluss von sozialer Ungleichheit (Lebenslage) lässt sich im Alter zwar kaum mehr verändern, der Lebensstil hingegen sehr wohl. Den Lebensstil machen das eigene Verhalten und das Ausleben von persönlichen Begabungen und Stärken (Ressourcen) aus und die lassen sich fördern.

Kehren wir zurück zu den Angststörungen: Schätzungen zufolge werden etwa 50 % der Angststörungen im Alter übersehen. Die geringere Beweglichkeit und Unternehmungslust von älteren Menschen wird beispielsweise häufig von ihnen selbst, den Angehörigen und Ärzten als Alterserscheinung abgetan. Sie könnten aber auch Folge einer Agoraphobie (vgl. S. 23) oder einer anderen Angststörung sein.