Kinder liebevoll und konsequent erziehen - Sigrun Schmidt-Traub - E-Book

Kinder liebevoll und konsequent erziehen E-Book

Sigrun Schmidt-Traub

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Beschreibung

Es gibt nicht nur einen Weg, Kinder zu erziehen. Eltern machen auch immer wieder einmal Fehler bei der Erziehung ihrer Kinder. Erziehungsziele festzulegen fällt häufig leichter als diese dann erzieherisch konkret umzusetzen. In diesem Ratgeber wurde daher der Schwerpunkt auf wirkungsvolle, lernpsychologisch untermauerte Erziehungsmethoden gelegt, die für Kinder aller Altersgruppen gelten. Die Autorin geht zunächst darauf ein, welche gesellschaftlichen und individuellen Bedingungen sowohl das Erziehungsverhalten der Eltern als auch das Verhalten von Kindern beeinflussen. Eltern leben ihren Kindern bestimmte Wertvorstellungen, soziale Fähigkeiten und Bewältigungsmöglichkeiten in Krisen und bei Alltagsproblemen vor. Durch einen liebevollen Umgang und verlässlichen Austausch mit ihren Eltern können Kinder emotionale Sicherheit und Stärke entwickeln. Anhand zahlreicher Beispiele werden verschiedene effektive Erziehungsmethoden dargestellt. Eltern und Erzieher erhalten eine detaillierte Anleitung, wie sie diese im Alltag umsetzen können. Zudem wird auf besondere pädagogische Problembereiche, wie z.B. Geschwisterrivalität, Ordnung und Medienkonsum, eingegangen und erläutert, wie diese Erziehungsprobleme bewältigt werden können. Ziel ist es, Eltern und Erziehern pädagogisch-psychologische Anstöße zu geben, ihnen das Erziehen zu erleichtern, das Familienleben freundlicher zu gestalten und ihr Selbstvertrauen in die eigene Erziehungsfähigkeit zu stärken.

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Kinder liebevoll und konsequent erziehen

Ein Ratgeber für Eltern und Erzieher

von

Sigrun Schmidt-Traub

Dr. rer. pol., Dipl.-Psych., Dipl.-Soz. Sigrun Schmidt-Traub,geb. 1942. Studium der Psychologie und Soziologie in Tübingen, Hamburg, Berlin, Frankfurt und an der Yale University in New Haven (USA). 1974 Promotion. Ausbildung in Verhaltens-, Gesprächspsycho- und Hypnotherapie. Seit 1974 eigene psychotherapeutische Praxis und Lehrtätigkeit an Universitäten. Seit 1989 Dozentin und Supervisorin an verschiedenen Ausbildungsinstituten für Klinische Verhaltenstherapie.

© 2015 Hogrefe Verlag GmbH & Co. KG

Göttingen · Bern · Wien · Paris · Oxford · Prag · Toronto · Boston · Amsterdam · Kopenhagen · Stockholm · Florenz · Helsinki · São Paulo

Merkelstraße 3, 37085 Göttingen

http://www.hogrefe.de

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Umschlagabbildung: © Father and daughter hugging – getty images

Illustrationen: Klaus Gehrmann, Freiburg; www.klausgehrmann.net

Satz: ARThür Grafik-Design & Kunst, Weimar

Format: EPUB

Print: ISBN 978-3-8017-2663-1

E-Book-Formate: ISBN 978-3-8409-2663-1 (PDF), ISBN 978-3-8444-2663-2 (EPUB)

http://doi.org/10.1026/02663-000

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Anmerkung:

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Für Henner

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

1 Einführung

1.1 Optimismus und Selbstfürsorge

1.2 Autonomie und Verantwortung

1.3 Gefühlskontrolle

2 Was beeinflusst Erziehungsverhalten?

2.1 Eigenschaften von Eltern und Erziehungserfahrungen in der eigenen Kindheit

2.2 Eigenschaften von Kindern

2.3 Gesellschaftliche Einflüsse wie Erziehungsstile und Erziehungstrends

2.4 Erziehungsziele

3 Erziehungsmethoden

3.1 Zuwendung

3.1.1 Schädliche Zuwendung

3.1.2 Loben und positives Feedback

3.1.3 Anreize zur Stärkung von erwünschtem Verhalten

3.1.4 Gemeinsame Zeit mit dem Kind stärkt die Eltern-Kind-Beziehung

3.1.5 Vorausschauen und Vorbeugen gegen problematisches Verhalten

3.2 Forderungen stellen

3.3 Grenzen setzen

3.3.1 Nein sagen und Kritik üben

3.3.2 Unerwünschtes Verhalten unbeachtet lassen

3.3.3 Negative Folgen und Bestrafung

3.3.4 Auszeit

3.3.5 Familienregeln und Familiengespräche

3.4 Probleme erkennen und lösen

3.4.1 Verhaltensbeobachtung

3.4.2 Probleme lösen

3.5 Gesundheitsverhalten

3.6 Bleiben erzieherische Wirkungen aus

3.7 Vorsicht vor Rückfall in alte Erziehungsgewohnheiten

4 Besondere Probleme im Erziehungsalltag

4.1 Tagesbeginn und Tagesende

4.2 Geschwisterrivalität

4.3 Ordnung

4.4 Schule – Hausaufgaben, Schulnoten und Schulverweigerung

4.5 Medienkonsum

4.6 Unaufmerksames, hyperaktives, impulsives und oppositionelles Verhalten

4.7 Scheu, Ängstlichkeit, vermeidender Bewältigungsstil

4.8 Depressionen, Ritzen und Selbstmordneigung

Selbstmordneigung

4.9 Umgang mit pubertierenden Jugendlichen

4.10 Die Jugendlichen-Clique und falsche Freunde

4.11 Alkohol und Drogen

4.12 Sexualität

4.13 Doppelbelastung berufstätiger Mütter

4.14 Trennung durch Scheidung oder Tod

Anhang

Literatur

Im Text zitierte Literatur

Literatur über Erziehung

Literatur und Links zur Sexualaufklärung

Literatur zu Sterben und Tod

Hilfe bei Übergewicht

Progressive Muskelentspannung (PME)

|9|Vorwort

Von Eltern und Lehrern wird erwartet, dass sie aus Schülern mündige Bürger machen. Der Weg dorthin verläuft nicht immer ebenmäßig und außerdem gibt es nicht nur den einen Weg, Kinder zu erziehen. Jeder Elternteil muss Wege finden, die er gehen kann und die ihm erzieherische Erfolge bringen.

Mit Partner, Freunden und Kollegen habe ich viel über kindliche Bedürfnisse und Erziehungswerte diskutiert. Beim Umgang mit unseren Kindern orientierten wir uns an einer Art demokratischem Menschenbild und sprachen schon früh Freiräume und Grenzen mit ihnen ab. Wir wollten verlässliche Eltern sein und die Kinder freundlich-respektvoll behandeln, in der stillen Hoffnung, dass sie uns darin nacheifern. Von klein auf sollten sie lernen, selbstständig zu handeln, vertretbare Risiken einzugehen und Grenzen zu akzeptieren. Wir bemühten uns, auf ihre Bedürfnisse zu achten, ihre Interessen zu fördern und sie beim Umgang mit Gleichaltrigen und anderen Erwachsenen zu unterstützen, um sie fit fürs Leben zu machen.

Natürlich haben wir immer wieder Fehler gemacht. In jedem Entwicklungsalter nehmen Kinder die Erziehungsangebote ihrer Eltern zudem unterschiedlich an. Schwierigkeiten gab es weniger bei der Festlegung der pädagogischen Ziele als vielmehr bei der Umsetzung dieser Ziele. Angesichts der verschiedenartigen Entwicklungsverläufe von Kindern habe ich mich deshalb entschieden, den Schwerpunkt in diesem Buch auf lernpsychologisch untermauerte Erziehungsmethoden zu legen. Dabei gehe ich vor allem der Frage nach, wie Erziehungsziele erreicht werden können.

Häufiger fragen mich angehende Kinder- und Jugendpsychotherapeuten (in verhaltenstherapeutischer Ausbildung), ob ich ihnen ein Buch über Erziehung für die Eltern ihrer Patienten empfehlen könnte. Obwohl es ungeheuer viele Bücher über Erziehung gibt, reagiere ich dennoch verhalten, weil ich nur vereinzelt Titel kenne, die für die lernpsychologisch und verhaltenstherapeutisch ausgerichtete Elternarbeit in Frage kommen. In der Regel handelt es sich um Ratgeber für Eltern |10|von hyperaktiven und impulsiven Kindern. Ich möchte aber gerne alle Eltern ansprechen.

Nach einer kurzen Einführung in eine Auswahl von erzieherischen Aspekten und Wertvorstellungen (Kapitel 1) werden verschiedene Einflussgrößen auf das Erziehungsverhalten vorgestellt (Kapitel 2). Im Hauptteil (Kapitel 3) werden wirkungsvolle Erziehungsmethoden, die für Kinder aller Altersgruppen gelten, aufgezeigt und erläutert. Im abschließenden Kapitel 4 werden pädagogische Problembereiche, die häufig von Eltern angesprochen werden, ausführlicher behandelt und Hinweise zum Umgang mit diesen Problemen gegeben.

Mir ist es ein Anliegen, Eltern darauf hinzuweisen, dass sie ihren Kindern bestimmte Wertvorstellungen, soziale Fähigkeiten und Bewältigungsmöglichkeiten für Alltagsprobleme vorleben. Durch einen liebevollen Umgang und verlässlichen Austausch mit ihren Eltern entwickeln Kinder emotionale Sicherheit und Stärke. Es bekommt Kindern nicht gut, wenn sie immerzu im Mittelpunkt des Interesses stehen. Sie entwickeln sich zudem besser, wenn es ihren Eltern ebenfalls gut geht. Deshalb sollten Eltern auch liebevoll mit sich selbst umgehen und sich Zeit für Geselligkeit und Intimität nehmen.

Vielleicht tragen die Erziehungshinweise in diesem Buch dazu bei, dem Leser die Last der Erziehung zu erleichtern und das Familienleben freundlicher zu gestalten. Angesprochen werden (angehende) Eltern, die sich für Erziehungsfragen interessieren, und Eltern, die es schwer haben, mit dem problematischen Verhalten eines Kindes umzugehen.

Beim Schreiben habe ich mich sowohl auf die persönliche Erfahrung als Mutter als auch auf die berufliche Erfahrung als Psychologin und Verhaltenstherapeutin besonnen. Außerdem habe ich mich bemüht, die wesentlichen Aussagen auf Erkenntnisse der wissenschaftlichen Fachliteratur zu stützen. Ich hoffe, Eltern erhalten bei der Lektüre des Buches viele pädagogische Anstöße und entwickeln mehr Vertrauen in die eigene Erziehungsfähigkeit.

Berlin, März 2015

Sigrun Schmidt-Traub

|11|1 Einführung

Das Neugeborene ist kein unbeschriebenes Blatt. Vielmehr wird es mit einer genetischen Ausstattung geboren, zu der bestimmte körperliche Eigenschaften, Intelligenz und Temperament gehören. Diese Eigenschaften treten in Wechselwirkung mit der Umwelt und es kommt zu einer Art Programmierung von Bewusstsein und Verhalten durch Umwelteinflüsse. Gesellschaft und Familie legen die Lebensbedingungen von Kindern fest und beeinflussen ihre Entwicklung. Mit dem ersten Kind lernen Mütter und Väter, Eltern zu sein, und bemühen sich, die Bedürfnisse des Kindes zu befriedigen. Zu den wichtigsten kindlichen Bedürfnissen gehören Ernährung und Fürsorge, Nähe und Geborgenheit sowie Zuwendung und Anerkennung. Grundlage jeder Erziehung ist eine liebevolle, feste Bindung, in der sich das Kind als soziales Wesen erlebt. Kinder sind glücklich, wenn sie die uneingeschränkte Liebe und Wertschätzung ihrer Eltern erfahren.

Erziehung legt entscheidend fest, was aus Kindern wird. Sie ist immer wechselhaften Einflüssen und dem „Zeitgeist“ ausgesetzt. „Wie der Zweig gebogen wird, so neigt sich der Baum“, hieß es schon in der frühen Aufklärung (Alexander Pope). Trotz aufklärerischer Visionen war in jener Zeit schwarze Pädagogik noch üblich: Selbst Jean Jacques Rousseau, der große Pädagoge der Aufklärung, und seine Lebensgefährtin Thérèse gaben ihre Kinder in ein Pariser „Findelheim“. Vollends umgesetzt wurden die damals aufgekommenen humanistischen Ideen zum pädagogischen Umgang mit Kindern eigentlich erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts.

Durch die rasante Veränderung von pädagogischen Wertvorstellungen und Erziehungspraktiken ist in den 1960er und 1970er Jahren des vergangenen Jahrhunderts viel Irritation entstanden. Nach der 1968er Studentenrevolte, in der autoritäre Strukturen der Gesellschaft und somit auch vorherrschende Erziehungswerte und -methoden infrage gestellt wurden, bemühten sich viele Eltern um eine (oft falsch verstandene) anti-autoritäre Erziehung und gewährten ihren Kindern maximale Freiheiten, anstatt mit ihnen im Sinne einer begründeten Autorität gemeinsam Regeln zu vereinbaren, die alle einzuhalten hätten. Das führte kei|12|neswegs zu den erwünschten Erfolgen und einige Kinder verwilderten regelrecht. Auseinandersetzungen zwischen Müttern und Vätern und erst recht zwischen den Generationen nahmen zu. Opas und Omas schüttelten nur so den Kopf und meinten, ihre Erziehungsmethoden wären strenger gewesen und deshalb auch wirkungsvoller.

In allen Epochen ist die Rede von Elternliebe. Aber der Ausdruck von Liebe erweist sich auch als wandelbar. Autoritäre Erziehung ebenso wie Erziehung aus dem Bauchgefühl heraus ist heute eher verpönt. Gegenwärtig wollen die meisten Eltern ihren Kindern Wärme, Zuwendung und Sicherheit bieten. Nicht wenige übertreiben es damit und lassen ihre Kinder nicht mehr aus den Augen, überwachen jeden ihrer Schritte (per Handy) und fahren sie überall hin. So gut es überbesorgte Eltern meinen, sie schränken die Erfahrungsmöglichkeiten ihrer Kinder ein und erschweren es ihnen, sich autonom und couragiert zu verhalten und selbstbewusst zu werden.

Experten empfehlen heute, behutsam und gewaltfrei mit Kindern umzugehen, sie jedoch auch zu begrenzen. Das ist aber noch lange nicht gängige Praxis. Zahllose pädagogische und psychologische Ratgeber sowie Experten in den Medien bieten Erziehungshilfen an. Die Informationsflut über richtiges Erziehungsverhalten verunsichert etliche Eltern, die daraufhin befürchten, folgenschwere Fehler zu begehen.

Die Mehrzahl der Eltern ist zu nachgiebig in der Erziehung. Der kleinere Teil misshandelt Kinder, obgleich „das Züchtigungsrecht“ für Eltern und Erzieher seit 2001 gesetzlich verboten ist: „Körperliche Bestrafungen, seelische Verletzungen und entwürdigende Maßnahmen sind unzulässig … Kinder haben ein Recht auf gewaltfreie Erziehung“ (§ 1631 Bürgerliches Gesetzbuch). Dieses Gesetz gilt als eine Art Gesellschaftsvertrag und signalisiert Eltern, dass sie gegen die Menschenrechte verstoßen, wenn sie ihre Kinder gewalttätig behandeln. Eine neuere Studie an 6- bis 16-Jährigen zeigt, dass etwa 22 % der Kinder und Jugendlichen von ihren Eltern manchmal bis oft geschlagen werden. Dieser Befund belegt eine erschreckend hohe Gewaltbereitschaft bei Eltern. Werden Kinder mit physischer oder psychischer Gewalt erzo|13|gen, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass sie sich ihrerseits beim Umgang mit anderen aggressiv verhalten.

Fazit: Insgesamt gesehen hat sich jedoch das Leben der meisten Kinder hierzulande in den letzten Jahrzehnten erheblich verbessert.

1.1 Optimismus und Selbstfürsorge

In Europa wird viel zurückgeblickt und die Gegenwart als Endpunkt einer langen Geschichte von Katastrophen und Entbehrungen gesehen. In anderen Kulturkreisen sind die Menschen zuversichtlicher und blicken mit mehr Optimismus in die Zukunft. In den angelsächsischen Ländern ist diese Grundhaltung beispielsweise besonders verbreitet und die Menschen dort haben einen etwas sonnigeren Ausblick aufs Leben. Sie erkunden auch gerne, was im Alltag besonders gut funktioniert. Eine derartige Haltung, meinen Erziehungsexperten, werde von einem wissenschaftlichen Zukunftsglauben getragen, der „Selbstoptimierung“ fördert. Dieser Glaube ist auch ein wesentlicher Motor der Verhaltenstherapie.

Der Optimist glaubt, dass er sein Leben im Griff hat und das meiste von dem, was er anpackt, auch erfolgreich bewerkstelligen kann. Er ist hoffnungsvoll, hat Zutrauen in seine Mitmenschen und fühlt sich überwiegend gut. Der Pessimist hingegen meint, er bringe prinzipiell kaum etwas zustande, denn er glaubt nicht an eine rosige Zukunft und beruft sich gerne auf seine schlechten Erfahrungen. Dadurch ist sein Blick aber für vieles verstellt, das unkompliziert und reibungslos verläuft.

Optimismus und Pessimismus sind nicht angeboren, sondern werden von nahestehenden Personen übernommen. Eltern und Erzieher haben großen Einfluss darauf, wie Kinder ihre Welt sehen. Aber nicht nur Erziehung, sondern auch gesellschaftliche Rahmenbedingungen (wie Armut), persönliche Erfahrungen (z. B. Pech in der Schule) und indi|14|viduelle Persönlichkeitseigenschaften (vgl. Kapitel 2.1) bestimmen, ob Kinder eher optimistisch oder pessimistisch werden.

Solche weitgehend gelernten Erwartungshaltungen nehmen großen Einfluss auf unser Leben und unser Erfolgsstreben. Pessimistische und optimistische Gedanken haben eine starke Suggestivkraft und beeinflussen das Verhalten. Studien belegen eindrucksvoll, wie verhängnisvoll sich eine pessimistische Grundhaltung auswirkt, weil sie mit negativer Selbsteinschätzung („Ich schaffe das nicht“) einhergeht. Bei Herausforderungen begünstigt dies tendenziell ein Scheitern.

Glücklicherweise lassen sich negative Gedanken und Fantasien (in der Fachsprache Kognitionen genannt) verändern. Sie müssen nicht ein für alle Male bestehen bleiben. Weil der Blick auf förderliche Aspekte so wichtig ist, trainieren viele Sportler, Musiker, Manager, ja sogar Wöchnerinnen entsprechend optimistische, erfolgsorientierte Kognitionen.

Machen Sie bei sich die Probe und schauen Sie, worauf Sie bei Ihrem Kind stärker achten, mehr auf das von Ihnen erwünschte Verhalten, über das Sie sich freuen, oder doch eher auf das unerwünschte Verhalten, das Sie nicht so gut finden. Beeinflussen Sie die Entwicklung einer optimistischen Grundhaltung bei Ihrem Kind, indem Sie viel loben und wenig kritisieren (vgl. Kapitel 3.1.2), und fördern Sie auch seine Neigungen und Begabungen. Das stärkt seinen Glauben an sich und sein Selbstwertgefühl.

Eltern, die in ihrem Elternhaus überwiegend positive Erfahrungen gemacht haben, fällt es häufig leichter, Kinder wohlwollend und respektvoll zu behandeln. Wenn sie zusätzlich auf ihre eigenen Bedürfnisse achten und gut für sich sorgen, sind sie auch eher in der Lage, die Bedürfnisse ihrer Kinder stärker zu beachten. Zu einer guten Selbstfürsorge für Eltern gehört:

Freundlich mit sich umgehen,

sich weniger Selbstvorwürfe machen, wenn in der Erziehung einmal etwas schief läuft,

sich zugestehen, dass Unvollkommenheit und Fehler normale menschliche Erfahrungen sind,

unerfreuliche Erlebnisse hinnehmen und verdauen, ohne übermäßig emotional zu reagieren.

|15|1.2 Autonomie und Verantwortung

Im Hinblick auf die Äußerung von Bedürfnissen und Wünschen sind Kinder offener und autonomer geworden als noch vor ein bis zwei Generationen. Eltern sollten jedoch nicht alles für ihre Kinder regeln, sie verwöhnen und abhängig halten. Kinder brauchen Handlungsfreiräume. Aber selbst wenn sie sich freier fühlen, müssen sie noch lernen, Alltagskonflikte selbstständig zu lösen. Dafür brauchen sie Eltern im Hintergrund, die es ihnen vorleben und in Notfällen einspringen und ihnen beistehen.

Hat ein Kind zu viele Freiheiten und darf es machen, was es will, bekommt es immer wieder Probleme, weil es sich nichts sagen lässt. Folglich müssen Kinder auch lernen, auf Forderungen zu reagieren und Verantwortung zu übernehmen. Verantwortungsübernahme bedeutet, sich über die Konsequenzen des eigenen Verhaltens im Klaren zu sein, sich an vereinbarte Regeln zu halten und die Folgen des eigenen Tuns auch selber zu tragen.

Bei der Übernahme von Verantwortung sollten Kinder weder überfordert noch unterfordert werden. Kinder, die ein bis zwei Jahre älter aussehen, als sie sind, werden z. B. gerne überfordert, weil man ihnen aufgrund ihres äußeren Erscheinungsbildes höhere Entwicklungsaufgaben zutraut. Sehen Kinder sehr viel jünger aus, werden sie oft zu wenig gefordert. Das ist aber nicht so folgenschwer wie die Überforderung von reifer wirkenden Kindern. Eltern sollten sich bemühen, verantwortliches Handeln dem Entwicklungsstand ihres Kindes anzupassen. Schließlich müssen Kinder wissen, was sie erwartet, wenn sie ihre Freiräume überschritten oder verantwortungslos gehandelt haben (vgl. Kapitel 3.2 und 3.3).

1.3 Gefühlskontrolle

Zu einer gesunden sozial-emotionalen Entwicklung gehört, Kontrolle über seine negativen Gefühle zu erlangen. Gefühlsregulation bedeutet, innere Erregung so beeinflussen zu können, dass es bei starken unan|16|genehmen Gefühlen wie Wut, Traurigkeit, Angst oder Ekel nicht zu Gefühlsausbrüchen kommt. Zu einer guten Gefühlskontrolle gehört die Fähigkeit,

sozial angemessen auf emotionale Reize zu reagieren,

sich nach einer starken emotionalen Reaktion wieder rasch beruhigen zu können

und handlungsfähig zu sein.

Steht ein Kind beispielsweise vor der verschlossenen Wohnungstür und stellt mit Erschrecken fest, dass es seinen Schlüssel vergessen hat, muss es nicht verzweifelt hilflos weinend in sich zusammenbrechen, sondern nimmt sich, nachdem der Schreck etwas abgeflaut ist, vor, zur Nachbarin zu gehen, um von dort aus die Mutter anzurufen.

Eltern können auf ganz unterschiedliche Art und Weise Gefühlskontrolle oder Selbstbeherrschung bei ihrem Nachwuchs aufbauen, indem sie als Vorbilder handeln und überwiegend positive Gefühle zeigen, das Kind trösten, seine Gefühle akzeptieren, es zu entspannenden Beschäftigungen anregen oder mit ihm durchsprechen, wie es auf die knifflige, erregende Situation reagieren könnte. Kritik und Vorwürfe verunsichern und verärgern das Kind nur.

Das Erziehungsverhalten von Eltern unterscheidet sich auch deshalb erheblich, weil sie ihre Gefühle unterschiedlich zeigen und beherrschen. Da Kinder weitgehend die Gefühlsregulation ihrer Eltern übernehmen, bestimmt das Vorbildverhalten der Eltern im Wesentlichen, welchen emotionalen Bewältigungsstil Kinder bei Herausforderungen entwickeln: Einen eher vermeidenden Bewältigungsstil (Rückzug und |17|Sicherheitsverhalten), einen impulsiv gesteuerten (Ausagieren und Wutanfälle) oder einen lösungsorientierten Bewältigungsstil (Tatkraft und Mut).

Gefühle werden nicht befriedigend kontrolliert und neuartige Situationen schlechter bewältigt, wenn das Kind

sich viele Sorgen macht und grübelt,

Gefühle abwehrt, verschweigt oder unterdrückt

und unbekannte Situationen und Herausforderungen meidet.

Weicht das Kind unangenehmen Dingen gerne aus, entwickelt es wenig selbstständiges Verhalten. Kinder mit einem vermeidenden Bewältigungsstil sind eher unsicher, beeinflussbar und nicht immer glücklich.

Gefühle lassen sich hingegen gut kontrollieren und Herausforderungen auch besser bewältigen, wenn das Kind

seine pessimistischen Kognitionen überprüft und neu bewertet,

seine Gefühle stärker akzeptiert

und nach konkreten Lösungen für Probleme sucht.

Eltern sollten ihren Kinder Mut machen, (in vertretbarem Ausmaß) mehr zu riskieren und Probleme zu lösen. Die Fähigkeit, Probleme zu lösen, erleichtert soziales Handeln, verbessert das Leistungsverhalten und macht das Kind selbstbewusst und psychisch gesund (vgl. Kapitel 3.4).