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Brasilien, 1839: Die unkonventionelle Ana Maria de Jesus Ribeiro da Silva ist gerade achtzehn Jahre alt, als sie in ihrer Heimatstadt Laguna dem berühmten italienischen Freiheitskämpfer Giuseppe Garibaldi begegnet. Es ist Liebe auf den ersten Blick, und Garibaldi, der die brasilianische Guerilla unterstützt, hätte sich keine mutigere oder fähigere Partnerin aussuchen können.
Ana Maria, die er zärtlich Anita nennt, kämpft fortan an seiner Seite und wird zur Heldin des brasilianischen Freiheitskampfes: die Geschichte einer großen Liebe in turbulenten Zeiten und das Porträt einer ungewöhnlichen Frau.
Die mitreißende Geschichte der leidenschaftlichen Rebellin Anita Garibaldi und ihrer Liebe zu dem Freiheitskämpfer Giuseppe.
Der Titel erschien vormals unter "Tage des Aufbruchs".
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Seitenzahl: 558
Brasilien, 1839: Die unkonventionelle Ana Maria de Jesus Ribeiro da Silva ist gerade achtzehn Jahre alt, als sie in ihrer Heimatstadt Laguna dem berühmten italienischen Freiheitskämpfer Giuseppe Garibaldi begegnet. Es ist Liebe auf den ersten Blick, und Garibaldi, der die brasilianische Guerilla unterstützt, hätte sich keine mutigere oder fähigere Partnerin aussuchen können.
Ana Maria, die er zärtlich Anita nennt, kämpft fortan an seiner Seite und wird zur Heldin des brasilianischen Freiheitskampfes: die Geschichte einer großen Liebe in turbulenten Zeiten und das Porträt einer ungewöhnlichen Frau.
Die mitreißende Geschichte der leidenschaftlichen Rebellin Anita Garibaldi und ihrer Liebe zu dem Freiheitskämpfer Giuseppe.
Der Titel erschien vormals unter »Tage des Aufbruchs«.
Über Karin Seemayer
Karin Seemayer, geboren 1959, machte eine Ausbildung zur Reiseverkehrskauffrau und war beruflich und privat viel unterwegs. Die meisten ihrer Romanideen sind auf diesen Reisen entstanden. Allerdings musste die Umsetzung warten, bis ihre drei Kinder erwachsen waren. Heute lebt sie im Taunus.
Im Aufbau Taschenbuch sind ihre Romane »Die Tochter der Toskana«, »Das Gutshaus in der Toskana«, »Sterne über der Toskana«, »Die Sehnsucht der Albatrosse« und »Das Geheimnis des Nordsterns« sowie die ersten beiden Bände der Amisch-Saga »Der Himmel über Amerika. Rebekkas Weg« und »Der Himmel über Amerika. Esthers Entscheidung« lieferbar.
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Karin Seemayer
Anita Garibaldi – Ein Leben für die Freiheit
Habe keine Angst, zu leben, deinen Träumen nachzujagen.
Habe Angst, still zu stehen.
Anita Garibaldi
Inhaltsübersicht
Informationen zum Buch
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Historische Personen im Roman
Brasilien 1839
1. Kapitel
2. Kapitel
3. Kapitel
4. Kapitel
5. Kapitel
6. Kapitel
7. Kapitel
8. Kapitel
9. Kapitel
10. Kapitel
11. Kapitel
12. Kapitel
13. Kapitel
14. Kapitel
15. Kapitel
16. Kapitel
17. Kapitel
18. Kapitel
19. Kapitel
20. Kapitel
21. Kapitel
22. Kapitel
23. Kapitel
24. Kapitel
25. Kapitel
Uruguay 1841
26. Kapitel
27. Kapitel
28. Kapitel
29. Kapitel
30. Kapitel
31. Kapitel
Italien 1848
32. Kapitel
33. Kapitel
34. Kapitel
35. Kapitel
36. Kapitel
37. Kapitel
38. Kapitel
Nachwort
Fakten und Fiktion
Danksagung
Impressum
Brasilien
Ana Maria de Jesus Ribeiro da Silva, genannt Aninha: Anita Garibaldi
Giuseppe Garibaldi: italienischer Widerstandskämpfer, Freibeuter, Abenteurer
Manoel Duarte: Anitas Ehemann
Antonio Ribeiro: Anitas Onkel
Maria Antonia de Jesus: Anitas Mutter
Luigi Rosetti: italienischer Journalist, Widerstandskämpfer, erster Staatssekretär der Republik Juliana (Santa Catarina)
John Griggs: Amerikaner, Seemann, kämpft für die Farrapos
Davi Canabarro: General der Farrapo-Truppen in Laguna
Bento Gonçalves: Präsident der Republik Piratini (Rio Grande do Sul)
João Teixeira Nunes: Oberst der Farrapo-Armee
Antonio Mello de Albuquerque: Oberst der kaiserlichen Armee
Juan Pedro de Abreu, genannt »Moringue«: Oberst der kaiserlichen Armee
Manuela Ferreira: Bento Gonçalves’ Nichte, bekannt als »Garibaldis Braut«
Maria Costa: Freundin von Giuseppe
Uruguay
Giovanni Battista Cuneo: alter Freund von Giuseppe und Mitglied von Giovine Italia
Francesco Anzani: dito
Bartolomé Mitre: dito
Napoleone Castellini: dito, Reeder
Paolo Semedei: dito, Leiter einer Privatschule
Fructuoso Rivera: Präsident von Uruguay
Bernadina Rivera: seine Frau, Anitas Freundin
Andrea Aguya: befreiter Sklave afrikanischer Abstammung aus Montevideo, begleitete ihn 1848 nach Italien
Lucia Esteche: Tochter eines Estancieros
Menotti, Rosita, Teresita, Ricciotti: Kinder von Anita und Giuseppe
Italien
Stefano Castellini: Freund von Giuseppe in Genua
Rosa Raimondi Garibaldi: Giuseppes Mutter
Giuseppe und Estanza Deideiri: Freunde von Giuseppe
Cristina Trivulzio di Belgiojoso: Widerstandskämpferin
Giuseppe Mazzini: Freiheitskämpfer, Politiker
Goffredo Mameli: Freiheitskämpfer und Dichter
Carlo Alberto von Savoyen: 1831–49 König von Sardinien-Piemont
LagunaProvinz Santa Catarina
Mit dem Korb am Arm ging sie zügig über den Markt. Ein kalter Wind wehte vom Meer her, die Händler hatten sich in ihre Ponchos gehüllt. Es war Juli, der Winter war dieses Jahr früh nach Laguna gekommen.
»Aninha!« Pedro, einer der Fischhändler, winkte ihr zu. »Ich habe hier schöne Doraden. Dir gebe ich sie billiger.«
Lächelnd schüttelte sie den Kopf. »Danke, heute nicht. Heute brauche ich nur Maniok und Fleisch.«
Sie hastete weiter. Pedros Worte hatten die Aufmerksamkeit der anderen Frauen auf dem Markt auf sie gelenkt. Ihre Blicke schienen sie zu durchbohren, ihre Stimmen, als sie die Köpfe zusammen steckten, glichen dem Gesumm der Stechmücken im Hochsommer.
»Da geht sie, die Kinderlose. Kein Wunder, dass ihr Mann sie verlassen hat und jetzt in der Armee dient.«
Aninha presste die Lippen aufeinander und versuchte, den Zorn, der in ihr aufstieg, zu bekämpfen. Mit einer heftigen Bewegung zog sie ihren Poncho enger um sich.
Fast vier Jahre war sie verheiratet, und ihr Schoß war unfruchtbar. Eine Frau ohne Kinder sei wie ein Gaucho ohne Pferd und Lasso, waren Manoels Worte gewesen, bevor er sie verlassen hatte, um sich der Armee des Kaisers von Brasilien anzuschließen und gegen die Farrapos zu kämpfen. Vor fast zwei Jahren war das gewesen. Seitdem lebte sie alleine in dem kleinen Haus ihres Mannes. Seine Schusterei war geschlossen.
»Was ist mit deinem Laden?«, hatte sie gefragt, doch er hatte nur die Schultern gezuckt. »Als Soldat verdiene ich mehr. Und da ich keinen Erben bekomme – warum sollte ich das Geschäft weiterführen?«
»Ich bin erst sechzehn Jahre alt«, hatte sie ihn angeschrien. »Ich kann noch Kinder bekommen.« Vielleicht liegt es gar nicht an mir, sondern an dir, hatte sie noch schreien wollen, doch das wagte sie nicht. Manoels Hand saß locker und er mochte es nicht, wenn sie ihm widersprach.
Jetzt brachten die Menschen von Laguna ihre Schuhe zum Schuster des Nachbarortes und tuschelten darüber, dass es kein Wunder sei, wenn Dona Ana Maria de Jesus Ribeiro da Silva, von ihren Freunden Aninha genannt, keine Kinder bekommen könne. Schließlich habe ihr Vater sie immer behandelt wie einen Sohn.
Es stimmte. Sechs Kinder hatte ihre Mutter geboren, drei Söhne und drei Töchter. Doch die Söhne waren alle früh gestorben. Aninha war die jüngste Tochter und der Liebling ihres Vaters. Er war Viehtreiber gewesen, ein Gaucho. Nach dem Tod der Brüder hatte er sie mit hinaus in die Pampa zu den Rinderherden genommen. Auch ihre Schwestern konnten reiten. Das war nicht ungewöhnlich, nahezu alle Frauen der Gauchos saßen sicher im Sattel. Doch ihr Vater brachte ihr auch bei, mit dem Lasso und der Bola, einem Wurfgeschoß, das aus drei Blei- oder Eisenkugeln bestand, die mit Riemen zusammengebunden waren, Rinder und Pferde einzufangen. Es erforderte viel Geschick, mit der Bola umzugehen. Man griff den Knoten, der die Riemen miteinander verband, schwang die Kugeln über dem Kopf und schleuderte sie auf das Tier, das man zu Fall bringen wollte. Bei einem guten Wurf wickelten sich die Schnüre um die Beine des Tieres und brachten es zu Fall. Ihr Vater nahm sie auch mit, wenn die Treiber tagelang unterwegs waren. Dann lebte sie in den Lagern, schlief neben ihm in Decken gehüllt am Feuer. Sie fing Pferde mit dem Lasso und als sie zehn Jahre alt war, ritt sie ihr erstes eigenes Pferd zu, eine junge Stute, die sie Zurita nannte. Die Gauchos behandelten sie freundlich und mit Respekt, denn ihr Vater war der Vorarbeiter.
Doch sie lernte auch vieles über das Leben der Gauchos, was ihrer Mutter nicht gefiel. An den Feuern gab es keine Rückzugsmöglichkeiten und so bekam sie mit, dass die Frauen, welche die Gauchos begleiteten, nicht nur kochten, sondern nachts unter die Decken der Männer krochen. Deshalb gab es so manchen Streit zwischen ihren Eltern. Mit zwölf Jahren wurde sie zur Frau, und nun nahm der Vater sie nicht mehr mit in die Pampa. Die Mutter schaffte es, ihn zu überzeugen, dass Aninha niemals einen Ehemann finden würde, wenn sie sich benahm wie ein Mann, und er stimmte zu, dass sie im Kloster von Morrinhos erzogen wurde.
Die Nonnen waren entsetzt über das halbwilde Mädchen, wie sie Aninha nannten. Ihr Eigensinn, ihr Stolz und ihre Freiheitsliebe waren in den Augen der Nonnen keine erstrebenswerten Eigenschaften für eine Frau. Die Mutter Oberin ließ sie die Böden scheuern, um ihr »Demut beizubringen«.
Aninha vermisste das Leben mit den Gauchos, nachts lag sie in ihrem Bett im Schlafraum der Mädchen und weinte bei den Gedanken an den offenen Himmel, die Weite der Pampa und ihre Stute. Doch im Kloster eröffnete sich ihr auch eine neue Welt. Sie lernte lesen und schreiben, und sie tat sich leicht damit. Schwester Corbinia entdeckte außerdem, dass Aninha ein Talent für Handarbeiten besaß, und bald musste sie keine Böden mehr scheuern, sondern durfte Altardecken besticken, und kurz darauf nähte sie die Messgewänder für Pater Sebastiao. Tatsächlich machte es ihr Freude, mit feinen Stoffen und den edlen Garnen zu arbeiten.
Nachdem Manoel sie vor zwei Jahren verlassen hatte, hatte sie ihre Dienste den feinen Damen von Laguna angeboten. Im ersten Jahr war sie hauptsächlich mit Stopfarbeiten beauftragt worden, doch dann hatte Dona Lucia, die Frau eines reichen Schiffseigners, ihr erstes Kind bekommen und Aninha das Taufkleid nähen lassen. Die feine Gesellschaft von Laguna war begeistert gewesen von der Lochstickerei, den feinen Nähten. Seitdem bekam sie regelmäßig Aufträge, die ihren Lebensunterhalt sicherten.
Ihr Onkel Antonio hatte sie gebeten, ihm eine Kalebasse, einen Flaschenkürbis, mitzubringen. Er brauchte ein neues Gefäß für den Mate, die Kalebasse, die er bisher benutzt hatte, würde nicht mehr lange halten.
Beim Gemüsehändler kaufte sie einen mittelgroßen Kürbis und auch gleich Mateblätter für ihn und schwarze Bohnen und Kartoffeln für sich.
Sie warf einen Blick in den Himmel, dichte Wolken zogen vom Meer her, wahrscheinlich würde es heute noch regnen.
Rasch ging sie durch die Straßen zum Haus ihres Onkels.
Es war aus Lehmziegeln gebaut und hatte ein Schilfdach, wie viele der älteren Häuser am Rande von Laguna bestand es nur aus zwei Räumen. Er hatte es vor drei Jahren für wenig Geld von einem Fischer gekauft, der zu seinen Kindern gezogen war.
Der Onkel Antonio war ein älterer Bruder ihres Vaters. Bis vor drei Jahren hatte er in Lajes, einem Ort in der Nachbarprovinz Rio Grande do Sul, gelebt und als Maultiertreiber gearbeitet. Nach dem Tod ihres Vaters hatte er ab und zu ihre Mutter in Laguna besucht und die Familie mit Geld unterstützt. Seit Aninha sich erinnern konnte, predigte ihr Onkel Veränderung durch Revolution. Er glaubte an die Ideale der Französischen Revolution, an die Gleichheit aller Menschen, an Freiheit als höchstes Gut. Für den gerade dreizehn Jahre alten Kaiser Pedro II. hatte er keine Sympathien und für den Rat der Männer, die bis zu dessen Volljährigkeit das Land regierten, noch weniger. Für seine Ideen war er verfolgt worden, vor drei Jahren hatten kaiserliche Soldaten sein Haus in Lajes niedergebrannt und ihm ins Bein geschossen, als er sie daran hindern wollte. Seitdem hinkte er. Er hatte Zuflucht in Laguna gesucht, wo er seinen Lebensunterhalt als Fischer verdiente und seine Ideen weiterverfolgte. Zu jeder Gelegenheit, ob am Tage oder in der Nacht, auf der Straße, wo ihn jeder hören konnte, oder in seinem Haus, bei heimlichen Treffen mit anderen Verschwörern, trat er für die Verwirklichung einer liberalen, republikanischen Regierung ein, wetterte gegen die Sklaverei – und Aninha war immer eine aufmerksame Zuhörerin.
»Wer ist da?«, fragte er, als sie an seine Tür klopfte.
»Ich bin es, Aninha. Ich bringe dir eine Kalebasse und Mate.«
Lächelnd öffnete er die Tür. »Aninha. Komm doch rein. Ich habe gerade Kaffee gekocht. Trink eine Tasse mit mir, oder hast du es eilig?«
»Nein. Ich muss nachher noch ein Hemd für den Mann von Dona Lucia fertignähen, aber ein bisschen Zeit habe ich.«
Aninha folgte ihm nach drinnen und legte den Kürbis und das Säckchen mit dem Mate auf den Tisch.
»Danke sehr«, sagte Onkel Antonio. »Setz dich doch.«
Er ging in die Küche, wobei er stärker als sonst hinkte, brachte dann eine Kanne und zwei kleine Becher. Kaffeeduft breitete sich aus.
»Was macht dein Bein?«, fragte sie. »Hast du Schmerzen?«
»Ach, ein bisschen, wie immer wenn es kalt und feucht ist. Ich achte einfach nicht darauf.«
Während sie an ihrem Kaffee nippte, holte er ein Messer und schnitt das obere Drittel der Kalebasse ab. Dann schabte er mit einem Löffel das Fruchtfleisch aus. Es war nicht essbar, dazu war der Kürbis zu alt. Er stellte die Kalebasse auf einen Teller, füllte sie zu zwei Dritteln mit Mateblättern und goss heißes Wasser auf.
»Mal sehen, ob sie dicht ist.«
Dieser Aufguss wurde nicht getrunken, er diente dazu, dem Kürbis die Gerbsäure zu entziehen und die Poren zu schließen. Nach ein paar Stunden würde ihr Onkel die Flüssigkeit wegschütten, die Kalebasse noch mal auskratzen, um restliches Fruchtfleisch zu entfernen, erst dann konnte man sie als Trinkgefäß nutzen.
Er nahm seinen Kaffeebecher und lehnte sich zurück. »Hast du etwas von deiner Mutter gehört?«
»Nein. Aber ich bin sicher, es geht ihr gut, sonst würde sie sich bei mir melden.«
Nachdem sie ihre drei Töchter unter die Haube gebracht hatte, war ihre Mutter aus Laguna in ein kleines Haus im nahe gelegenen Barranceira gezogen und lebte dort alleine. Aninha hatte sie das letzte Mal vor vier Monaten gesehen, bei der Taufe des Sohnes ihrer Schwester Manuela, die mit ihrem Mann in Desterro lebte. Das Verhältnis zu ihrer Mutter war nie sehr innig gewesen, Aninha hatte immer das Gefühl gehabt, ihr nie etwas recht machen zu können.
»Vielleicht solltest du ihrer Bitte folgen und zu ihr ziehen. Es stehen unruhige Zeiten bevor und Laguna ist vielleicht nicht sicher.«
Aninha hob die Brauen. Ihre Mutter sorgte sich nicht um ihre Sicherheit, es gefiel ihr nicht, dass sie alleine lebte. Sie sorgte sich um ihren Ruf, darum, was die Leute redeten. Das hatte sie natürlich nicht gesagt.
»Wenn du zu mir zieht, bist du nicht so alleine – wo doch dein Mann in der Armee dient«, war ihre Begründung gewesen.
Nicht so alleine. Bei der Erinnerung an diese Worte schüttelte Aninha den Kopf. Glaubte ihre Mutter wirklich, sie trauerte Manoel nach oder wünschte ihn zurück? Sie war gern alleine. Manoel fehlte ihr nicht, weder in ihrem Leben, noch in ihrem Bett. Dass die Weiber in Laguna sich das Maul über sie zerrissen, was scherte es sie? Nach fast zwei Jahren, die sie alleine lebte, alle Entscheidungen alleine traf, warum sich wieder unter die Herrschaft ihrer Mutter begeben, der Frau, die sie zu dieser Ehe gezwungen hatte?
»Ich möchte nicht zu ihr ziehen.«
»Ich verstehe«, sagte Onkel Antonio.
Sie lächelte. »Ich weiß.«
Er gehörte zu den wenigen Menschen, die sie verstanden. Vor vier Jahren war er nicht zu ihrer Hochzeit gekommen. Ihre Mutter hatte behauptet, er sei krank, aber Aninha hatte gewusst, dass ihm diese erzwungene Ehe nicht gefiel. Er war immer für Freiheit und Gerechtigkeit eingetreten und dafür, die Wünsche der Menschen zu respektieren.
Er wechselte das Thema. »Heute Abend treffen sich ein paar Freunde in Marios Taverne«, sagte er. »Vielleicht möchtest du mitkommen. Das bringt dich auf andere Gedanken.«
Die besondere Betonung, mit der ihr Onkel das Wort ausgesprochen hatte, war ihr nicht entgangen.
»Freunde?«, fragte sie. »Du meinst …?«
Antonio nickte und legte den Finger auf die Lippen.
Also würden die Leute, die zusammenkamen, Farrapos sein. Rebellen gegen das kaiserliche Regime in Rio de Janeiro und gegen den Kindkaiser Pedro II. Sie wollten die Provinz Santa Catarina unabhängig sehen. Die Widerstandsbewegung der Farrapos war ursprünglich aus Zorn über die ungerechte Besteuerung des Kaisers von Kaffee und Charque – Rindfleisch, das in Streifen geschnitten, gesalzen und dann getrocknet wurde – entstanden. Doch mittlerweile kämpften die Farrapos für eine unabhängige Republik und die Abschaffung der Sklaverei. In der Nachbarprovinz Rio Grand do Sul hatten sie Erfolge erzielt und die unabhängige Republik Piratini gegründet. Jetzt planten sie die Eroberung von Santa Catarina. Viele Menschen ins Laguna unterstützten die Farrapos oder sympathisierten zumindest heimlich mit ihnen.
»Maria da Silvas Verlobter João ist heute aus Piratini gekommen, und er bringt Neuigkeiten vom Präsidenten«, erklärte Onkel Antonio mit gesenkter Stimme.
Aninha lächelte. Zwei Freundinnen hatte sie in Laguna. Eine war Isabella Perreira, ihre Nachbarin. Sie und ihr Mann Mauricio führten einen kleinen Laden in der Nähe des Hafens, in dem sie Haushaltswaren verkauften. Töpfe, Pfannen, Messer, Seife und Nähzeug, aber auch Kaffee, Kakao und Gewürze. Ihre andere Freundin war Maria da Silva, eine Mulattin. In Rio de Janeiro war sie eine Sklavin gewesen, doch sie hatte fliehen können. Hier in Laguna interessierte sich im Grunde niemand für entflohene Sklaven. Trotzdem könnte sie jederzeit verhaftet und zu ihrem Besitzer zurückgebracht werden. In der neuen Republik Piratini dagegen war die Sklaverei abgeschafft worden, und erst wenn auch Santa Catarina eine unabhängige Republik würde, wäre Maria wirklich frei.
Marias Verlobter João kämpfte in der Armee von Piratini und gehörte zum engeren Kreis um den Präsidenten Bento Gonçalves da Silva.
»Ich werde da sein«, sagte Aninha.
Gemeinsam mit ihrem Onkel betrat sie am Abend Mario Sousas Taverne. Mario unterstützte schon länger die Rebellion, im Hinterzimmer der Taverne fanden regelmäßig geheime Zusammenkünfte statt.
Der Schankraum war kaum besucht, nur ein paar Fischer saßen an den Tischen. Mario nickte ihnen zu und führte sie ins Hinterzimmer.
Hier zog João gerade die Vorhänge zu und Maria zündete die Kerzen an. Kurz danach kamen Isabella und ihr Mann Mauricio. Nach und nach schlichen mehr Männer in den Raum und setzten sich an den großen Tisch. Aninha kannte nicht alle, es mussten Spione und Kämpfer aus dem Süden sein. Mario stellte Kalebassen mit Mate bereit und öffnete einen Krug Cachaça, dann holte er ein Tablett mit gegrillten Hühnerbeinen und einen Topf mit Feijoada, einem Eintopf aus schwarzen Bohnen, Charque und Würstchen, aus der Küche.
Anschließend verriegelte Onkel Antonio die Tür. Die Männer tranken Mate und füllten sich die Teller. Einige Zeit herrschte Schweigen, dann erhob sich einer der Runde.
»Das ist Fabio«, stellte João ihn vor. »Er gehört zu General Canabarros Leuten und bringt Neuigkeiten.«
Fabio trug keine Uniform, sondern die Kleidung der Gauchos. Er war noch jung, Aninha schätzte ihn auf Anfang zwanzig.
»General Canabarro und Colonel Teixeira Nunes sind mit ihren Soldaten auf dem Weg nach Laguna«, eröffnete er das Gespräch. »Sie planen eine Land-See-Operation. Kapitän Garibaldi soll von der See aus angreifen.«
Aninha tauschte Blicke mit Maria und Isabella. Also war es bald so weit. Sie kannte die Namen. General Canabarro galt als tapferer Soldat und geschickter Stratege. Garibaldi war ein Italiener, ein Seemann, der sich mit seinen Landsleuten an dem Kampf der Farrapos beteiligte.
»Wie will Garibaldi das schaffen?«, warf einer der Männer ein. Aninha kannte ihn nicht, er musste zu den Soldaten aus den Bergen gehören.
»Seine Schiffe liegen in der Werft am Camaquã. Der einzige Zugang zum Atlantik führt über die Lagoa dos Patos und dort lauert General Greenfell mit den Schiffen der kaiserlichen Marine auf ihn.«
»Er hat es schon geschafft«, antwortete Fabio lachend. »Statt zur Lagune zu fahren, ist er zur Mündung des Capivari gesegelt, hat dort für seine beiden Schiffe spezielle Wagen gebaut und sie mit Hilfe von zweihundert Ochsen fünfzig Meilen über das Land zum Tramandai-See transportiert. Dort ist der Zugang zum Meer unbewacht. Er wird bald hier sein. Und Greenfell kreuzt noch immer vor der Lagoa dos Patos und wundert sich, wo Garibaldi mit seinen Schiffen bleibt.«
»Was für ein Streich!« Die Bewunderung in Mauricios Stimme war nicht zu überhören.
João ergriff wieder das Wort. »In den nächsten Tagen werden wir Flinten und Munition nach Laguna schmuggeln. Eure Aufgabe ist es, sie zu verstecken und zu laden, damit sie einsatzbereit sind. Wenn es zum Kampf kommt, verteilt ihr sie an die Rebellen von Laguna. Die Kaiserlichen rechnen nicht mit Widerstand aus der Bevölkerung, sie werden sich auf Canabarros Truppen im Hinterland konzentrieren.«
Die Männer murmelten zustimmen.
»Und was können wir tun?«, fragte Aninha.
Die Männer wandten überrascht die Köpfe und Onkel Antonio warf ihr einen tadelnden Blick zu.
»Wir …?«, fragte einer der Männer gedehnt.
»Wir Frauen«, erwiderte Aninha ungeduldig. »Maria, Isabella und ich. Bestimmt gibt es noch mehr Frauen in Laguna, die auf der Seite der Farrapos stehen und gegen die Soldaten des Kaisers kämpfen möchten.«
»Kämpfen!« Der Mann lachte. »Ich denke, es reicht, wenn ihr Essen kocht und euren Männern das Bett wärmt, wenn sie siegreich zurückkehren. Falls du keinen Mann hast, meine Schöne, kannst du in mein Bett kommen. Aber kämpfen? Frauen? Nein.«
Seine gönnerhaften Worte, das süffisante, wissende Grinsen in seinem Gesicht ließ die Wut wie einen Steppenbrand in Aninha auflodern. Sie sprang auf, stürmte um den Tisch, packte den Mann am Hemd und starrte ihm aus nächster Nähe in die Augen. »Ich bin nicht deine Schöne«, zischte sie. »Schon einmal hat ein Soldat von mir verlangt, ihm das Bett zu wärmen. Manche hier erinnern sich noch daran, wie sein Gesicht aussah, als er in die Stadt kam.«
Das Grinsen verschwand aus seinem Gesicht, er blinzelte.
»Sie hat ihm eins mit seiner eigenen Peitsche übergezogen«, sagte Maria und in ihrer tiefen Stimme klang Spott. »Du solltest vorsichtiger sein, mit dem, was du sagst.«
Aus dem Augenwinkel sah Aninha, dass João zu ihnen trat. »Wir planen, die Waffen hier im Keller zu verstecken. Ihr könntet sie laden, damit sie einsatzbereit sind, wenn wir sie brauchen. Das spart uns Zeit. Wollt ihr?«
Aninha ließ den Mann los, drehte sich um und wechselte Blicke mit Isabella und Maria. Beide Frauen nickten.
Die Gerüchte über den bevorstehenden Angriff mussten auch den kaiserlichen Truppen zu Ohren gekommen sein. In den nächsten Tagen patrouillierten sie verstärkt bewaffnet durch die Straßen und verhafteten wahllos Leute. Dafür, ihnen verdächtig zu erscheinen, reichte es bereits, ihnen einen längeren Blick zuzuwerfen.
Mauricio und die anderen Männer gingen ihren Tagesgeschäften nach, versuchten, harmlos zur wirken. Maria, Isabella und Aninha trafen sich wie verabredet im Keller von Mario Sousas Taverne. Dort lagerten Gewehre und Munition, die João und seine Leute in die Stadt geschmuggelt hatten. João zeigte den Frauen, wie man die Waffen lud. Wenn die Kämpfe ausbrachen, würden die geladenen Gewehre für die Rebellen bereit stehen.
Zwei Wochen später kehrte Fabio zurück nach Laguna und berichtete bei einer abendlichen Versammlung, dass Canabarro und Teixeira Nunes ihre Truppen in den Bergen versammelt hatten. Sie warteten nur noch auf Garibaldi und seine Schiffe. Während er sprach, sah er immer wieder zu ihr herüber und seine dunklen Augen funkelten. Er war ein schöner junger Mann. Mittelgroß, mit breiten Schultern und schmal um die Hüften. Sein Haar war schwarz wie ihres, aber nicht so glatt, sondern lockig. Wahrscheinlich wusste er nicht, dass sie verheiratet war, sonst hätte er sie nicht so angesehen. Und sie musste zugeben, dass es ihr seine Blicke gefielen. Fast wünschte sie, es würde noch lange dauern, bis Garibaldi kam, denn dann würde Fabio nicht gleich wieder in den Kampf ziehen.
In diesen Tagen lag eine merkwürdige Stimmung über der Stadt. Die Menschen mieden die Straßen und Tavernen, sie blieben lieber zu Hause. Frauen hasteten über den Markt, statt wie sonst drüberzuschlendern und hier und dort stehen zu bleiben, um zu reden und sich den neuesten Klatsch zu erzählen. Alle schienen auf den Sturm zu warten.
Ein Sturm kam, aber es war nicht der erwartete. Der Minuano, der Nordwind, wehte, peitschte den Atlantik zu meterhohen Wellen auf und zwang die Bewohner von Laguna, in ihren Häusern Schutz zu suchen.
* * *
Drei Tage später wurde Aninha von Donner geweckt. Verwundert stand sie auf und sah aus dem Fenster. Manchmal gewitterte es, wenn der Minuano zu wehen begann, aber nicht, wenn er vorbei war.
Es war kein Gewitter. Der Himmel war morgendlich blaugrau, ohne Wolken. Wieder donnerte es. Es kam vom Meer her. Kein Gewitter, Kanonen!
Sie schlüpfte in ihre Kleider und rannte hinüber zum Haus der Perreiras. Isabella empfing sie an der Tür. »Es geht los! Mauricio ist zum Hafen gelaufen. Er hat gesagt, wir sollen uns hier einschließen.«
»Einschließen?«
»Was willst du tun? In die Stadt gehen und kämpfen?«
Genau das würde sie am liebsten tun.
Wieder tönte Kanonendonner, dann das Geräusch von Schüssen.
Isabella schüttelte denn Kopf. »Du kannst jetzt nicht helfen. Garibaldi ist mit Verspätung eingetroffen. Zusammen mit Canabarros Soldaten werden sie mit den Caramurus schon fertig. Komm rein.« Isabella packte sie am Arm und zog sie ins Haus.
Sie setzten sich in die Küche, tranken Mate und lauschten auf das dumpfe Donnern der Kanonen vom Meer her und die peitschenden Schüsse aus der Stadt. Isabella bewegte stumm die Lippen. Sie war sehr blass.
»Kämpft Mauricio mit?«
»Ja. Und auch João und alle anderen. Ich bete, dass ihnen nichts geschieht.«
Auch Fabio. Natürlich. Aninha schloss die Augen. Seit ihrer Hochzeit war sie nicht mehr in der Kirche gewesen und gebetet hatte sie nur noch sehr selten. Doch jetzt betete sie stumm für Fabio, Mauricio, João und die vielen anderen, die in den Straßen von Laguna kämpften.
Isabella rang die Hände, Aninha lief auf und ab. Was taten ihre Freunde? Kämpften sie noch, waren sie verwundet, vielleicht tot? Immer wieder warf sie einen Blick auf Isabella. Wie furchtbar musste es sein, nicht zu wissen, wie es dem Mann, den man liebte, erging. Wenn einem nichts blieb, als ergeben abzuwarten, bis es vorbei war. Sie beneidete die Männer, die kämpften. Sie konnten wenigstens etwas tun.
Irgendwann verstummten die Kanonen. Und dann endlich auch die Schüsse.
Die beiden Frauen sahen sich an, Angst stand in Isabellas Augen. Wer hatte den Kampf gewonnen?
Schließlich öffnete Aninha ein Fenster, Isabella trat neben sie. Angestrengt lauschten sie. Rufe ertönten. »Viva a República! Viva Canabarro, viva Garibaldi!«
Tränen liefen über Isabellas Wangen, sie fiel Aninha um den Hals. »Wir haben gewonnen!«
»Komm«, sagte Aninha. »Es wird Verwundete geben. Jetzt können wir etwas tun.«
Sie hasteten die Straße entlang in Richtung Hafen. Dort hielt Isabella inne. »Sieh, sie haben kaiserliche Schiffe erobert.«
Drei Schiffe lagen in der Lagune, auf einem wehte die grün-rot-goldene Flagge der Republik, auf den beiden anderen holten Matrosen gerade die Flagge des Kaiserreiches ein. Anscheinend waren sie von den Farrapos erobert worden.
»Isabella, Aninha!« Maria da Gloria winkte ihnen zu. »Sie bringen die Verwundeten in die Kirche. Wenn ihr helfen wollt, dann kommt.«
Man hatte die Bänke beiseitegeräumt, um Platz für die Verletzten zu schaffen. Viele waren es nicht, Aninha hatte es sich viel schlimmer vorgestellt.
Isabella stieß einen Schrei aus, als sie Mauricio entdeckte, der in der Nähe des Altars lag, und stürzte zu ihm. Er richtete sich auf und streckte die linke Hand nach ihr aus. »Nur ein Streifschuss«, sagte er und deutete auf seinen rechten Oberarm.
Aninha holte von einer der Frauen am Eingang der Kirche Verbandszeug und half Isabella, die Wunde zu reinigen und zu verbinden. Danach sah sie sich um. Neben Mauricio lag ein junger Mann mit einer Verletzung am Bein. Mit einer Schere schnitt sie das Hosenbein auf. Die Wunde blutete stark. »Was ist passiert?«, fragte sie.
»Ein Bajonett«, flüsterte der Mann.
Plötzlich kniete Maria neben ihr. »Brauchst du Hilfe?«
»Ja. Die Wunde muss gereinigt werden und wenn möglich, genäht.«
»Warte, ich hole den Doktor.«
Während Maria zu Doktor Almeida lief, setzte sich Aninha zu dem Mann und hielt seine Hand. Er war wirklich sehr jung, kaum älter als sie. Angst stand in seinem Gesicht. »Werden sie mir das Bein abnehmen?«
»Aber nein.« Sie schüttelte den Kopf. »Wie kommst du darauf? Es ist nur eine Stichwunde. Wir machen sie gründlich sauber und Doktor Almeida wird sie nähen. Mach dir keine Sorgen.«
Es dauerte, bis der Arzt kam. Aninha holte einen Becher Wasser und hielt ihn dem Jungen an den Mund. Er trank, dann lächelte er sie an. »Bist du von hier?«
»Ja.« Sie erwiderte sein Lächeln.
»Wir haben die Caramurus vertrieben«, sagte er stolz. »Sie sind gerannt wie die Nandus, wenn der Silberlöwe hinter ihnen her ist.«
»Du kommst aus der Pampa?« Niemand aus Laguna kannte die Nandus, die großen Laufvögel der Pampa.
»Ja, aus der Nähe von Lajes. Eigentlich bin ich Gaucho.«
»Mein Vater kam aus Lajes und er war auch Gaucho.«
Während sie sprach, ließ sie ihren Blick über die anderen Verwundeten gleiten. Mittlerweile lagen etwa dreißig Männer hier. Es waren ausschließlich Farrapos, offenbar hatten die Kaiserlichen ihre verletzten Soldaten mitgenommen.
In der Nähe des Altars entdeckte sie Fabio. Ihr Herz schlug ein wenig rascher. Er saß an die Wand gelehnt und hielt sich die Schulter. Ein Mädchen aus der Stadt, Aninha kannte sie vom Sehen, beugte sich über ihn und half ihm, die Jacke und das Hemd auszuziehen.
Fabio blickte zu Aninha hinüber und lächelte. Das Mädchen sah ebenfalls in ihre Richtung. Sie zog die Augenbrauen zusammen und schüttelte den Kopf.
Schließlich kam Doktor Almeida, in Begleitung einer Frau, die seine Tasche trug.
»Danke, Dona Ana. Ich versorge ihn. Helfen Sie bitte Senhorita Maria, die Verwundeten mit Wasser zu versorgen.«
Aninha drückt noch einmal die Hand des Jungen. »Alles wird gut.«
Sein Lächeln geriet schief. »Wie ist dein Name?«
»Aninha.«
»Danke, Aninha.«
Sie stand auf und ging zum Eingang, wo Maria Wasser in Krüge goss und Becher austeilte.
»Es war ein leichter Sieg«, sagte Maria. »Nur ein Toter auf unserer Seite, und siebzehn bei den Kaiserlichen. Und kaum Schwerverletzte unter unseren Verwundeten.«
Mit Krug und Becher ging Aninha von Mann zu Mann und gab ihnen zu trinken.
»Wie geht es dir?«, fragte sie, als sie sich neben Fabio kniete.
»Gut.« Er lächelte nicht. »Ein Schuss in die Schulter, aber der Doktor konnte die Kugel entfernen.«
»Dann bist du sicher bald wieder auf den Beinen.«
Er nickte, immer noch ernst. »Dieses Mädchen, Leticia, sagte, du bist verheiratet und dein Mann kämpft auf der Seite der Kaiserlichen. Ist das wahr?«
Nun wusste er es also. Sie biss sich auf die Lippe, bevor sie ihm schließlich antwortete. »Ja, es ist wahr.«
»Warum hast du mir das nicht gesagt?«
»Du hast mich nicht gefragt.«
Er hatte ihr schöne Augen gemacht und sie hatte seine Aufmerksamkeit genossen. Was hätte sie ihm sagen sollen? Sieh mich nicht so an, ich bin verheiratet? Sie hatte niemals daran gedacht, mit ihm etwas anzufangen. Doch in seiner Gegenwart war sie wieder zu dem Mädchen geworden, das sie eigentlich war. Sie hatte es genossen, sich jung zu fühlen, schön und begehrt.
»Mein Mann hat sich vor fast zwei Jahren der kaiserlichen Armee angeschlossen. Seitdem habe ich nichts mehr von ihm gehört. Ich bin keine Spionin, falls du das denkst.«
»Nein, das dachte ich nicht. Aber …« Er schüttelte den Kopf. »Schade.«
Aninha nahm Krug und Becher und ging weiter zu dem nächsten Verletzten.
Einige Zeit später sah sie Leticia bei Fabio sitzen. Er scherzte und lachte mit ihr.
Ja, dachte sie, schade.
Am Abend schlenderten sie zum Hafen. Die Menschen feierten auf dem Marktplatz. Gauchos spielten auf den Gitarren und sangen Lieder, immer wieder erklangen die Rufe: »Viva Santa Catarina! Viva General Canabarro! Viva Garibaldi!«
»Da, das sind die Seeleute«, sagte Maria und deutete auf eine Gruppe Männer. Wilde Kerle waren es, braungebrannt, mit verwegenen Gesichtern und struppigen Bärten.
Einer fiel Aninha auf. Er schien ein Anführer zu sein, die Seeleute umringten ihn. Er war mittelgroß, sein Haar hatte die Farbe von Sand. Dunkelgolden fiel es bis auf seine Schultern und veranlasste die Frauen von Laguna zu bewundernden Bemerkungen. Die eine oder andere ging sogar zu ihm und berührte sein Haar. Er lächelte sie an und scherzte mit ihnen, nahm Becher mit Zuckerrohrschnaps entgegen und prostete den Leuten zu, ohne zu trinken. Das an sich war schon ungewöhnlich, doch was ihr noch mehr auffiel, war die Traurigkeit, die ihn umgab. Inmitten der feiernden Menschen schien er alleine zu sein. Ja, er lachte und sprach mit den Leuten, doch sein Lächeln erreichte seine Augen nicht. Immer wieder hob er den Kopf und ließ den Blick über die Menschen am Hafen schweifen, als suchte er jemanden.
Am späten Nachmittag des nächsten Tages stand sie in Isabellas Küche und schälte Maniokwurzeln und Süßkartoffeln. Einige der Seeleute würden am Abend Mauricios Gäste sein und sie half Isabella bei den Vorbereitungen.
Onkel Antonio und Mauricios Vater Sebastião saßen im Innenhof und rauchten selbstgedrehte Zigaretten, während Mauricio das Feuer für das Churrasco anzündete.
»Es werden zwei Italiener und ein Amerikaner kommen«, sagte Mauricio lachend. »Und sie haben gesagt, sie hätten keinen Hunger auf Fisch.«
Onkel Antonio grinste. »Das wundert mich nicht, sie haben wohl länger nichts anderes bekommen.«
Isabella legte Hühnerbeine in Marinade ein, Mauricio schnitt Rindfleisch in große Stücke und steckte sie auf die Espetos, die Eisenspieße, auf denen sie gegrillt werden würden.
Schließlich deckten Aninha und Isabella den Tisch und stellten Kalebassen mit Mate für die Gäste bereit.
Kurze Zeit später klopfte es an die Tür. Mauricio öffnete. »Willkommen in unserem Haus. Kommt herein.«
Die drei Männer traten ein. Der Erste war mittelgroß und, obwohl er noch jung aussah, waren seine Haare und sein Schnurrbart grau meliert. Ihm folgte ein großer dunkelhaariger Mann, der etwas gebeugt ging.
Der Dritte war der Mann mit dem sandfarbenen Haar, der Aninha am Hafen aufgefallen war.
Mauricio begrüßte sie und stellte dann vor: »Meine Frau, Dona Isabella, mein Vater Bento Perreira. Und das sind Antonio Ribeiro und seine Nichte Dona Ana Maria.«
Der kleinere der Männer trat vor und neigte den Kopf. »Wir freuen uns, hier zu sein. Mein Name ist Luigi Rossetti, das«, er deutete auf den anderen dunkelhaarigen Mann, »ist Kapitän John Griggs – und dies ist Kapitän-Leutnant José Garibaldi.«
Während John Griggs sich verbeugte und die Begrüßung erwiderte, schien der Mann mit dem sandfarbenen Haar weder Mauricio noch Rossetti gehört zu haben. Er reagierte nicht auf Rossettis Worte, stattdessen starrte er Aninha an. Jedoch nicht, als wäre sie eine Fremde, sondern jemand, den er nach langer Zeit wiedererkannte. Eine Mischung aus Freude und Erstaunen lag in seiner Miene. Ihre Blicke trafen sich und der Raum zwischen ihnen schien zu schrumpfen. Sie sah nur noch seine Augen. Die Stimmen der Menschen um sie verklangen zu einem Summen, alle Farben schienen zu verblassen, bis auf die dieser Augen. Sie hatten die Farbe des Himmels in der Morgendämmerung, wenn der Tag die Nacht verdrängt. Nicht das strahlende Blau des Mittagshimmels, sondern ein gedämpftes Blaugrau. Sie sprachen vom Meer, von Sehnsucht, von Trauer.
Dann stand er plötzlich vor ihr, griff nach ihren Händen und sagte: »Devi essere mia.« Seine Stimme war leise und schmeichelnd wie der Frühlingswind.
Jemand verschluckte sich und hustete.
Aninha kehrte in die Wirklichkeit zurück und bemerkte, dass die beiden fremden Männer, ihre Freunde, überhaupt jeder im Raum, sie entgeistert anstarrte. Der Mann musste etwas Ungeheuerliches gesagt haben.
Immer noch hielt er ihre Hände, immer noch sah er sie an, als gäbe es keinen anderen Menschen auf der Welt.
»Verzeihung«, sagte er nun auf Portugiesisch. Dieses Mal erreichte sein Lächeln auch seine Augen. »Sie sind – wunderschön.«
»Aber das haben Sie nicht gesagt.«
Solche Bemerkungen war nichts Ungewöhnliches. Die Männer riefen sie den Mädchen auf der Straße hinterher und niemand fand es schockierend. Es war ein Kompliment unter vielen.
»No. Habe ich nicht. Ich sagte: Du musst mein sein.«
Seine Augen strahlten, sein Gesicht wirkte völlig ehrlich und offen. Fassungslos sah sie zu ihm auf. Was dachte er sich?
Der Mann mit dem Schnurrbart, Luigi Rossetti, trat zu ihm und legte ihm die Hand auf die Schulter. »Peppino!«, sagte er warnend.
Der andere Mann winkte ab, ohne den Blick von ihr zu wenden. »Obsidian.«
Sie riss die Augen auf. »Wie bitte?«
»Deine Augen, sie haben die Farbe von Obsidian. Schwarz, mit einem – wie sagt man – luccichio dorato …« Er wandte sich an den Mann neben ihm. »Luigi?«
Der seufzte. »Einem goldenen Glanz.«
»Schwarz, mit einem goldenen Glanz, wo das Licht sie trifft«, beendete der Mann seinen Satz. »Ich bin Giuseppe Garibaldi. Wie ist dein Name?«
Sie war viel zu verwirrt, um ihn wegen seiner Dreistigkeit zurechtzuweisen. »Aninha.«
»Das ist Dona Ana Maria de Jesus Ribeiro da Silva, die Frau des Schusters«, schaltete sich ihr Onkel mit strenger Stimme ein und trat neben sie.
Das Lächeln verschwand aus dem Gesicht des Fremden, doch das Leuchten in seinen Augen blieb.
»Aninha. Ein schöner Name. In Italien würden sie dich Anita nennen.«
Seit dem Tod ihres Vaters hatte niemand mehr ihren Namen mit so viel Wärme ausgesprochen. Ihre Wangen glühten. Wortlos wandte sie sich ab.
Mauricio lud die drei Männer mit einer Handbewegung ein, sich zu setzen. Isabella und sie stellten die Schüsseln mit gebackenem Maniok und Süßkartoffeln auf den Tisch und setzten sich dazu. Mauricio nahm dem ersten Spieß vom Feuer und säbelte mit einem Messer Scheiben vom Rindfleisch direkt auf die Teller.
Garibaldi richtete nicht noch mal das Wort an sie, er redete mit Sebastião und Mauricio darüber, wie lange es dauern würde, die eroberten Schiffe zu reparieren. Aber immer wieder begegnete sie seinem Blick, neugierig, forschend. Antonio ließ die Cachaça-Flasche herumgehen. Zu ihrer Überraschung schenkte Garibaldi sich nicht ein, er trank nur Wasser und Mate.
Sie musterte die beiden anderen Männer. Derjenige, der sich als Luigi Rossetti vorgestellt hatte, war mittelgroß und schlank. Er trug einen Schnurrbart und in seinem dunklen Haar zeigten sich silberne Strähnen, obwohl er nicht sehr alt aussah. Er hatte dunkelbraune Augen, mit denen er sie sichtlich misstrauisch beobachtete. Der andere, John Griggs, überragte alle Männer im Haus um gut einen Kopf, obwohl er etwas gekrümmt auf seinem Stuhl saß. Als er ihren Blick bemerkte, lächelte er ihr zu. Seine gekrümmte Haltung kam von einem leichten Buckel, erkannte sie, als er sich Antonio zuwandte.
Mauricio holte den nächsten Spieß, auf dem die eingelegten Hühnerbeine steckten, und verteilte sie auf den Tellern. Wieder kreiste die Cachaça-Flasche, und wieder gab Garibaldi sie weiter, ohne sich einzuschenken.
»Sie mögen keinen Cachaça?«, fragte Sebastião.
»Ich trinke meistens nur Wasser und ab und zu Wein«, gab Garibaldi lächelnd zurück.
Aninha dachte an die Siegesfeier am Hafen. Auch da hatte er den Cachaça nicht getrunken. Ein Seemann, der keinen Schnaps trank. Wie ungewöhnlich.
Der letzte Gang bestand aus gegrillter Ananas, danach brachte Isabella das Geschirr in die Küche und Aninha ging hinaus zum Brunnen, um Wasser zu holen.
Als sie den Eimer heraufzog, stand er neben ihr. »Hier habe ich dich zum ersten Mal gesehen.« Seine Stimme war wie Samt.
Sie drehte sich zu ihm um. »Ich erinnere mich nicht.«
»Du hast mich nicht gesehen, ich stand auf dem Deck meines Schiffs.« Er zeigte auf die Lagune.
Sie konnte die Schiffe dort liegen sehen.
»Ich war sehr unglücklich. Auf dem Weg von Rio Grande nach Laguna sind wir in einen Sturm gekommen.« Er sprach langsam, aber fließend Portugiesisch, wenn auch mit deutlichem Akzent. »Unser Schiff ist gesunken. Meine Brüder, sie sind beim Untergang gestorben.«
»Ihre Brüder? Wie viele hatten Sie?«
»Nicht leibliche Brüder. Brüder im Geiste, Kämpfer für dieselbe Idee. Sechzehn meiner Leute sind ertrunken, darunter meine besten Freunde. Ich konnte sie nicht retten.«
»Das wusste ich nicht. Es tut mir sehr leid.«
Deshalb hatte er auf der Siegesfeier so traurig, so verloren gewirkt.
»Ich war verzweifelt. Ich richtete mein Fernrohr auf das Land, für dessen Ideen wir kämpfen – und sah eine Frau. Sie ging zum Brunnen. Sie ging mit geradem Rücken, mit stolz erhobenem Kopf, wie eine Königin, wie eine Kämpferin. Ich ruderte an Land und lief zum Brunnen, doch sie war fort. Aber ich wusste, sie ist die Frau, die ich an meiner Seite haben will. Sie und keine andere.«
Er streckte die Hand aus und strich mit den Fingerspitzen über ihre Wange. »Ich habe dich gesehen.«
Stumm stand sie da und starrte ihn an. Sie wusste, sie sollte ihn in die Schranken weisen, ihm sagen, dass sie eine verheiratete Frau war und keinesfalls bereit, sich mit ihm einzulassen. Doch das stimmte nicht. Seine Stimme, seine Augen, die Art, wie er sie berührte, hatte in ihr eine Sehnsucht geweckt, die sie so noch nie empfunden hatte.
Noela, Isabellas kleiner Hund, war ihr nachgelaufen und kläffte den Mann an. Aninha erwachte aus ihrer Starre. Sie standen hier in der Öffentlichkeit, jeder konnte sehen, dass dieser Garibaldi ihr Avancen machte. Hastig griff sie nach dem Eimer, doch er kam ihr zuvor.
»Ich trage ihn für dich.«
Sie senkte den Kopf und machte sich wortlos auf den Weg zum Haus der Perreiras. Er schritt an ihrer Seite, den Eimer in der Hand.
»Wo kann ich dich alleine treffen?«, fragte er leise.
Endlich fand sie ihre Stimme wieder. »Gar nicht. Sie haben es gehört, ich bin verheiratet.«
»Die Frau des Schusters, ja. Aber dein Mann hat dich verlassen.«
Erstaunt wandte sie den Kopf. Woher wusste er das?
»Deine Freundin, Isabella, hat es mir gesagt«, beantwortete er ihre stumme Frage. »Es ist doch wahr?«
»Es ist wahr. Aber ich werde mich trotzdem nicht mit Ihnen treffen.«
»Warum nicht?«
»Warum nicht!« Dieser Mann konnte Fragen stellen. »Sie sind Seemann, Sie werden nicht hierbleiben. Aber ich muss weiterhin hier leben, wenn Sie schon lange fort sind. Und jeder wird wissen, dass ich die Hure eines Seemanns war.«
Was redete sie da? Es klang, als wollte sie sich mit ihm treffen und täte es nur wegen ihres Rufs nicht. Statt ihm klar und deutlich zu sagen, er solle sich zum Teufel scheren.
»Ich würde dich mit mir nehmen.«
Sie blieb stehen und starrte ihn an. »Und wie kommen Sie auf die hirnverbrannte Idee, ich würde das wollen?«, fuhr sie ihn an.
Seine Sicherheit und Ruhe schienen unerschütterlich. »Weil wir zusammengehören, du und ich.«
Sie kniff die Augen zusammen. Ein Weiberheld. Einer, der sich für unwiderstehlich hielt. Wahrscheinlich hatte er auf diese Weise schon zahllose Herzen gebrochen. Schöne Worte, ein treuer Blick aus graublauen Augen.
»Scher dich zum Teufel!«, sprach sie ihren Gedanken von vorher aus.
»Ich verstehe«, sagte er mit seiner Samtstimme. »Du brauchst Zeit. Schau, dort drüben liegen unsere Schiffe. Wir bleiben hier in Laguna, bis sie repariert sind. Ich warte auf dich.«
»Da kannst du lange warten.«
Sie beschleunigte ihren Schritt und überließ es ihm, ihr mit dem Wassereimer zu folgen.
»Was hast du diesem Garibaldi über mich erzählt?«, fragte sie Isabella, als sie in der Küche allein waren. Isabella spülte, Aninha trocknete ab. Die Männer saßen im Innenhof, rauchten, tranken Mate und Cachaça und redeten über die Revolution.
»Er hat mich ausgefragt«, sagte Isabella und hob entschuldigend die Schultern. »Kaum warst du aus der Tür, kam er und wollte alles über dich wissen. Wie alt du bist, wie lange verheiratet, wo dein Mann ist.« Sie warf einen Blick in den Hof. »Er ist ein schöner Mann.«
»Ein Weiberheld. Wahrscheinlich hat er in jedem Hafen eine, die auf seine schönen Worte hereingefallen ist.«
»Kann sein, kann auch nicht sein.«
Aninha sah ebenfalls zu den Männern. Garibaldis Haar leuchtete rötlich in der Sonne. Er schien ihren Blick zu bemerken, denn er wandte den Kopf und lächelte. Hastig drehte sie sich um und griff nach dem nächsten Teller. Am Ende dachte er noch – ja, was? Dass sie Gefallen an ihm fand und seiner unverschämten Frage nach einem Treffen nachkam?
Sie spürte seinen Blick in ihrem Rücken. Unwillig warf sie den Kopf zurück und straffte die Schultern.
Wie eine Königin habe sie auf ihn gewirkt, hatte er gesagt. Lachhaft. Wahrscheinlich hatte sie auf dem Weg zum Brunnen den Kopf nur hoch getragen, weil die Weiber wieder über sie getratscht hatten. Wenn er erst die Geschichten hörte, die in Laguna über sie erzählt wurden, würde er genauso schnell das Interesse an ihr verlieren wie Fabio.
An diesem Abend kontrollierte Aninha, ob ihre Tür wirklich verriegelt und die Fensterläden geschlossen waren. Wer wusste, was diesem Italiener, diesem Garibaldi, noch einfiel.
Schlaflos lag sie im Bett und dachte an die Begegnung mit ihm. Wie er sie angesehen hatte, an seine Augen, seine samtene Stimme. Er hatte keinen weiteren Versuch unternommen, mit ihr zu reden. Vielleicht probierte er sein Glück gerade bei einer anderen. Sie dachte an die Frauen im Hafen, die ihm zugejubelt und sein Haar berührt hatten. Wie es sich wohl anfühlte?
»Wir gehören zusammen, du und ich«, hörte sie seine Worte in ihrem Kopf. Was dachte er sich nur, er hatte sie doch erst einmal gesehen? Und doch, hatte nicht auch sie dieses seltsame Gefühl von Vertrautheit gehabt, als sich ihre Blicke das erste Mal begegnet waren? Als würde sie ihn schon lange kennen.
Unwillig warf sie sich herum. Dieser verdammte Italiener, hatte er sie verhext?
Endlich schlief sie ein.
Als sie am nächsten Morgen am Hafen vorbei zu Mauricios Laden ging, warf sie unwillkürlich einen Blick auf die Schiffe, die im Hafen lagen. Welches dort war sein Schiff? Sie entdeckte es schnell, denn der Italiener stand an Deck. Er trug einen grau-rot gemusterten Poncho und eine blaue Hose. Um den Hals hatte er einen schwarzen Schal geschlungen, den er bis an die Ohren gezogen hatte, wohl zum Schutz gegen den kalten Wind. Vielleicht hatte er nach ihr Ausschau gehalten, vielleicht war es nur Zufall, jedenfalls sah er sie und winkte ihr zu. Ohne weiter nachzudenken, hob sie die Hand und winkte zurück. Selbst auf die Entfernung konnte sie sein Lächeln erkennen.
Ja, ermutige ihn noch, schimpfte sie innerlich und eilte weiter. Doch andererseits, nicht zurückzuwinken wäre unhöflich gewesen.
Sie betrat Mauricios Laden. Ab und zu half sie dort, machte sauber, arbeitete im Lager und besserte damit den Lohn auf, den sie mit dem Nähen verdiente. Heute stand Isabella alleine drinnen, Mauricio war unterwegs, neue Ware kaufen.
»Guten Morgen, Aninha. Hast du gut geschlafen?«
»Es geht.«
Isabella lachte. »Hat dich der Gedanke an den schönen Italiener um den Schlaf gebracht? Im Ernst, was ist gegen ein Abenteuer mit ihm einzuwenden? Seit fast zwei Jahren schläfst du allein. War Manoel wirklich so ein guter Liebhaber, dass du auf ihn warten willst?«
Schaudernd zog Aninha die Schultern hoch. Isabella und Mauricio waren nach Laguna gezogen, kurz bevor Manoel sich den Soldaten angeschlossen hatte, sie kannten ihn kaum.
Ein guter Liebhaber? Das war Manoel bestimmt nicht. In ihrer Hochzeitsnacht war er so betrunken gewesen, dass er neben ihr eingeschlafen war. Erst in den Morgenstunden war er aufgewacht. Er hatte ihr das Nachthemd über den Kopf geschoben und ihre Brüste umfasst, sie erst betastet und dann geknetet. Sie erinnerte sich an seinen keuchenden Atem, der nach Alkohol roch. An seine nassen Küsse. Sie hatte sich geekelt und gezwungen ruhig zu liegen, während er sein Hand zwischen ihre Beine schob, doch als er seine Finger in sie gebohrt hatte, war sie zurückgezuckt. »Du tust mir weh.«
»Das erste Mal tut es immer weh«, hatte er geantwortet und sich dann mit einem unwilligen »Mach die Beine breit und halt still« auf sie gewälzt.
Nach den ersten Malen hatte es nicht mehr sehr wehgetan, doch gefallen hatte es ihr nie. Wenn sie wenigstens ein Kind bekommen hätte, das wäre eine Entschädigung für diese widerliche Sache zwischen Mann und Frau gewesen, doch das blieb ihr versagt.
»Wenn ich deinen Gesichtsausdruck richtig deute, war er ein miserabler Liebhaber«, erklärte Isabella trocken und holte sie damit in die Gegenwart zurück. »Du solltest es wirklich mit einem anderen Mann probieren. Den Italienern sagt man nach, dass sie eine Frau glücklich machen können.«
»Ich will verdammt sein, wenn es mich jemals glücklich macht, dass einer sein Ding in mich steckt und keucht und grunzt wie ein Schwein«, entfuhr es ihr. »Wenn ich etwas nicht vermisse, dann ist es das.«
»Ach herrje. Da haben sie dir so viel beigebracht, reiten, Lasso werfen, lesen und schreiben, nähen und sticken, aber nichts über die Liebe. Glaube mir, Liebes, mit dem richtigen Mann ist es ein Vergnügen, und ich habe so eine Ahnung, dass dieser José Garibaldi der Richtige sein könnte.«
»Selbst wenn du recht hättest, wäre es eine Sünde. Vor Gott bin ich immer noch verheiratet.«
Lässig zuckte Isabella die Schultern. »Seit wann glaubst du an das, was die Pfaffen erzählen? Wenn es nach denen geht, darfst du selbst mit deinem Ehemann keine Freude daran haben.«
Das Klingeln des Glöckchens an der Tür unterbrach ihr Gespräch. Senhor Gomez betrat den Laden und fragte nach Espetos, den Fleischspießen für Churrasco.
Isabella bediente ihn. Aninha wartete und dachte nach.
Seit ihrer Hochzeit war sie nicht mehr in der Kirche gewesen. Sie glaubte an Gott, aber sie glaubte nicht an alles, was seine angeblichen Diener predigten. Im Kloster hatte sie erlebt, dass es mit der Nächstenliebe der Kirchenleute nicht weit her war. Natürlich gab es Ausnahmen.
»Was weißt du über José Garibaldi?«, fragte sie Isabella, als der Kunde gegangen war.
»Nur das, was João über ihn erzählt.« Sie lachte. »Allerdings erzählt er eine Menge, er verehrt ihn geradezu. Und nicht nur er. Alle seine Leute würden für ihn durchs Feuer gehen.«
»Warum? Ich habe gesehen, wie die Frauen ihn anhimmeln, aber warum verehren ihn die Männer?«
Isabella hob die Hände. »João sagt, weil er einer von ihnen ist. Er ist der Kommandant, doch er lebt mit seinen Leuten. Er isst das Gleiche, trinkt das Gleiche und schläft im selben Lager wie sie. Er kämpft in vorderster Reihe, statt von hinten zu befehlen – und er muss ein sehr guter Redner sein. Ich habe noch keine seiner Reden gehört, aber João sagt, er hätte die Gabe, die Menschen zu begeistern und mitzureißen.«
Dass er eine Gabe für schöne Worte besaß, hatte sie auch schon gemerkt.
»Aber er ist Italiener. Was treibt er hier in Brasilien?«
»Er musste sein Land verlassen. Er kommt irgendwo aus Norditalien und hat dort an einem Aufstand teilgenommen. Sie haben ihn zum Tode verurteilt, doch er konnte fliehen. Seit vier Jahren ist er in Südamerika. Mehr weiß ich auch nicht.«
Wieder klingelte das Glöckchen an der Ladentür, Dona Lucia betrat den Laden. »Guten Tag. Haben Sie noch Kaffee? Dieser Canabarro und seine Soldaten trinken Unmengen davon.« Seufzend schüttelte sie den Kopf. »Er hat sich in der Villa von Senhor Martinez einquartiert und will heute Abend ein Fest feiern. Natürlich bezahlen wir das alles.«
»Viel haben wir auch nicht mehr«, antwortete Isabella. »Aber mein Mann ist unterwegs, um neuen zu kaufen.«
Sie griff nach einer Dose, wog die Bohnen ab und packte sie ein. Währenddessen lächelte Dona Lucia Aninha zu. »Schön, dass ich dich hier treffe. Hast du Zeit für ein paar Flickarbeiten? Mein Mann hat sich das Hemd beim Kampf zerissen und bei zwei von meinen Unterröcken ist der Saum lose.«
Isabella hob die Brauen und sah Aninha an. Senhor Rodrigues hat gekämpft?, bedeutete dieser Blick.
Aninha unterdrückte ein Lächeln. Dass der dicke Senhor Rodrigues sich am Kampf um Laguna beteiligt hatte, hielt sie für unwahrscheinlich.
»Sehr gern, Dona Lucia. Ich hole die Sachen nachher auf dem Heimweg ab.«
Mit etwas Mateblättern in ihrem Bündel ging Aninha am späten Nachmittag zu Dona Lucias Haus und holte die Sachen zum Flicken. Auf dem Rückweg hielt sie am Hafen kurz inne. Es war windig, Wellen klatschten leise an den Strand, die Schiffe schaukelten leicht in der Dünung. An Deck des einen Schiffes von Garibaldi stand ein Mann, doch es war nicht der Italiener.
Sie spürte einen Stich in der Herzgegend und ärgerte sich darüber. Begann sie wirklich, nach ihm Ausschau zu halten – und erwartete sie tatsächlich, dass er nach ihr Ausschau hielt? Warum sollte er das tun, sie hatte ihm deutlich gesagt, er solle sie in Frieden lassen. Trotzdem drehte sie sich noch zweimal zu den Schiffen um, bevor sie um in die Straße zu ihrem Haus einbog. Das Deck war inzwischen leer.
Auch in den nächsten Tagen half sie Isabella im Laden.
Auf den Schiffen im Hafen wurde gearbeitet, immer wenn sie daran vorbeikam, hörte sie, dass gehämmert und gesägt wurde. Männer standen an Deck und flickten Segel.
Den Italiener sah sie nicht, dafür hörte sie ständig von ihm. José Garibaldi und seine Heldentaten waren das Gesprächsthema in Laguna. In Mauricios Laden unterhielten sich die Kunden darüber, dass er in Camaquã, wo er Schiffe für die Farrapos gebaut hatte, von Kaiserlichen unter dem Kommando des gefürchteten Oberst Francisco Pedro de Abreu – wegen seiner Schlauheit Moringue, Marder, genannt – angegriffen worden war. Mit nur dreizehn Mann hatte er den Angriff von hundertfünfzig Soldaten zurückgeschlagen.
Beim Wasserholen erzählte eine ältere Frau mit hörbarer Bewunderung die Geschichte, wie er seine beiden Schiffe mit Ochsen über Land zum Tramandaisee transportiert hatte, um von dort in den Atlantik zu segeln, während die Caramurus ihm in Rio Grande auflauerten. »Ein kluger Mann, dieser Italiener.«
»Und schön dazu«, sagte eine andere, die hinter Aninha wartete.
Unwillkürlich sah Aninha zur Lagune. Von seinem Schiff aus hatte er sie zum Brunnen gehen sehen, hatte er gesagt. Ob er wohl ab und zu noch hierher sah? Sie dachte an seine Bemerkung, dass sie zusammengehörten, er und sie. Dann zuckte sie mit den Schultern. Gerede. Sicher hatte er das Gleiche inzwischen einer anderen erzählt.
Plötzlich hob auf dem Deck eines Schiffes ein Mann sein Fernglas und richtete es auf den Brunnen. Er trug einen grau-rot gemusterten Poncho und einen schwarzen Schal. Sein Haar leuchtete in den Strahlen der untergehenden Sonne. Er war es und sie hatte das Gefühl, dass er sie beobachtete, obwohl sie auf diese Entfernung nicht sehen konnte, worauf genau er das Fernrohr gerichtet hielt. Doch dann hob er die Hand und winkte und sie konnte ein Lächeln nicht unterdrücken.
Als sie ein paar Tage später die geflickten Kleider zu Dona Lucia zurückbrachte, zog sie eine junge Magd am Arm in die Küche. »Komm, setz dich, trink einen Kaffee mit uns.«
Verwundert folgte Aninha ihr. Sonst waren die Mägde eher zurückhaltend ihr gegenüber.
»Hier ist der Kaffee. Elvira sagt, du hättest diesen José Garibaldi bei den Perreiras getroffen.«
Das Mädchen, das sie in die Küche geholt hatte, deutete auf eine junge Frau, die am Herd stand und sie neugierig ansah.
»Ja, er und seine Freunde waren letzte Woche bei den Perreiras zu Gast, warum?«
»Stimmt es, dass er blaue Augen hat?«, fragte die andere.
»Ja.«
»Hast du seine Haare angefasst? Ich habe noch nie einen Mann mit goldenen Haaren gesehen.«
»Also golden sind seine Haare wirklich nicht«, entfuhr es ihr.
»Aber sie schimmern so«, schwärmte die Magd mit einem verzückten Lächeln. »Ich habe ihn von Weitem gesehen. So ein schöner Mann. Und so mutig. Diese Geschichten, die man sich über ihn erzählt.«
Also deshalb die plötzliche Freundlichkeit. Die Mädchen wollten sie über den Italiener aushorchen.
Elvira senkte die Stimme. »Wird er denn die Perreiras noch öfter besuchen? Im Moment ist er wohl nur auf seinem Schiff, man sieht ihn gar nicht an Land.«
»Das weiß ich doch nicht.« Lieber Himmel, was hatte dieser Mann nur an sich, dass offenbar jede Frau, selbst die gestandenen Matronen, von ihm schwärmten?
Sie bedankte sich für den Kaffee und verabschiedete sich. Auf dem Heimweg kaufte sie Maniokmehl und Papaya.
Ihr Haus lag direkt neben dem größeren der Perreiras.
Aninha öffnete die Tür zu ihrem Häuschen und verstaute die Einkäufe. Ein bisschen Wasser hatte sie noch, also feuerte sie den Herd an, stellte den Kessel auf und gab Mateblätter in die Kalebasse. Anschließend fegte sie das Haus aus. Währenddessen kehrten ihre Gedanken immer wieder zu dem zurück, was über Garibaldi erzählt wurde. Selbst wenn vieles übertrieben war, schien er ein tapferer und mutiger Mann zu sein. Warum kämpfte er in einem Krieg, mit dem er als Europäer eigentlich gar nichts zu tun hatte?
Hufeklappern und das Geräusch von Rädern unterbrachen ihre Gedanken. Sie trat aus der Tür. Mauricio kam mit seinem Wagen den Weg entlang. Er war am Tag zuvor nach Desterro gefahren, um einzukaufen.
»Oi, Aninha!«, begrüßte er sie. »Wie waren die Geschäfte heute?«
»Nicht besonders. Die Leute haben wenig Geld und Angst, es auszugeben.«
Er nickte. »Das wird bald besser. Jetzt, wo wir eine Republik sind und dem Kaiser keine Steuern mehr bezahlen müssen.«
»Glaubst du? Warte, ich helfe dir.«
Sie öffnete das Tor zum Innenhof und Mauricio lenkte sein Pferd hinein. Noela lief kläffend herbei. Als sie sah, wer gekommen war, wedelte sie mit dem Schwanz und hüpfte um den Wagen herum.
»Was hast du gekauft?«
»Tabak, Kaffeebohnen und Charque.« Langsam kletterte er vom Kutschbock. Offensichtlich schmerzte seine Schulterwunde, er presste die rechte Hand darauf und verzog das Gesicht.
»Ich kann dir beim Entladen helfen«, bot Aninha an.
»Nein, das ist zu schwer, ich rufe meinen Vater, er packt bestimmt mit an. Aber wenn du Noiva versorgen könntest?«
»Gern.« Sie schirrte die braune Stute ab und führte sie in den Stall. Isabella und Mauricio besaßen zwei Pferde, die Stute Noiva und Moreno, einen fuchsfarbenen Wallach. Ab und zu, wenn die Sehnsucht nach der Weite der Pampa sie packte, lieh sich Aninha eines der Pferde und ritt hinauf in Richtung der Berge oder am Strand entlang, ohne Ziel, einfach zum Vergnügen.
»Hast du noch Wasser für die Pferde«, rief sie zu Mauricio hinaus.
»Für die Pferde kannst du das aus dem großen Eimer nehmen. Für uns haben wir keines mehr. Ich muss frisches holen.«
»Ich brauche auch Wasser. Ich bringe euch welches mit.«
Sie gab der Stute einen Klaps und schickte sie in die kleine Koppel, in der Moreno stand und ihr entgegenwieherte. Dann lief sie in ihr Haus, holte zwei Eimer und ging zum Brunnen. Dort war gerade die alte Maria damit beschäftigt, ihren Eimer zu füllen.
Aninha sah hinunter zur Lagune. Auf den Schiffen schien es ruhig zu sein, vielleicht waren die Männer fertig mit der Reparatur. Sie ärgerte sich über sich selbst, dass sie jedes Mal, wenn sie am Brunnen stand, nach den Schiffen sah. Der Italiener hatte bestimmt schon längst die Nächste, der er den Hof machte. Andere Frauen machten es ihm sicher leichter als sie. Warum also dachte sie trotzdem so oft an ihn?
Warum konnte sie nicht vergessen, wie er sie angesehen hatte, was er über ihr Augen gesagt und wie er ihren Namen ausgesprochen hatte?
Als sie mit den gefüllten Eimern zum Haus der Perreiras zurückkehrte, traten Garibaldi und der Amerikaner aus der Tür. Ihr Herz setzte einen Schlag aus. Beinahe hätte sie die Eimer fallen lassen. Die ganze letzte Woche hatte er ihre Gedanken beschäftigt, nun stand er plötzlich vor ihr. Wieder trafen sich ihre Blicke. Stumm standen sie einander gegenüber, doch seine Augen waren umso beredter.
Es war John Griggs, der sie begrüßte. »Boa noite, Dona Ana.« Er zog seinen Hut und verbeugte sich vor ihr.
Sie musste sich zwingen, den Blick von Garibaldi zu lösen und Griggs anzusehen. »Boa noite, Senhores.«
»Ich habe Mauricio und ein paar Freunde eingeladen, das eroberte Kriegsschiff, die Itaparica, zu besichtigen«, sagte Garibaldi. »Wir sind fast fertig mit den Reparaturen.«
»So?« Etwas anderes fiel ihr nicht ein.
»Dona Isabella und Senhorita Maria da Gloria und einige andere werden auch dabei sein.«
»So.« Madonna, hatte sie das Reden verlernt? Hier stand sie und brachte nur noch dieses eine Wort heraus.
Er lächelte. »Vielleicht willst du dich anschließen?«
»Ich?«
»Natürlich kommst du mit. Und stell endlich die Eimer ab«, ertönte Isabellas Stimme hinter ihr. Wie lange stand sie schon dort?
Aninha stellte einen Eimer ab, den anderen umklammerte sie so fest, als wäre er ein Schatz, den ihr jemand entreißen wollte.
Der Italiener nickte ihr zu. »Morgen Vormittag. Bis dann.« Mit wiegenden Schritten ging er an ihr vorbei zum Tor hinaus.
Griggs strahlte sie an und setzte seinen Hut wieder auf. »Bis morgen.« Er eilte dem Italiener nach.
Wortlos drehte sie sich um und sah den Männern hinterher.
»Hat es dir die Sprache verschlagen?«, fragte Isabella.
Endlich stellte sie auch den anderen Eimer ab. »Ich kann doch nicht auf dieses Schiff gehen.«
»Warum nicht? Maria und ich gehen auch, und João, Mauricio, Albenzio und Paulo.«
»Aber …«
Isabella winkte ab. »Kein aber. Du kommst mit. Er wird dich schon nicht in seine Koje zerren.«
»Das ist es nicht …« Sie fürchtete nicht, dass er sie in seine Koje zerrte, sie fürchtete die Wirkung, die er auf sie hatte. Der Gedanke, dass sie vielleicht nur allzu gern mit ihm in die Koje steigen würde, erschreckte sie.
Isabella hatte sie nicht aus den Augen gelassen. »He, du wirst ja ganz rot. Du kommst morgen zum Frühstück zu uns, danach gehen wir gemeinsam zum Hafen.«
Aninha gab ihren Widerstand auf.
Isabella nickte anerkennend, als Aninha am nächsten Morgen ihr Haus betrat. »Gut siehst du aus.«
Aninha trug ihre weiße Bluse und einen dunkelgrünen Rock und um die Schultern ein rotes Tuch. Ihr Haar hatte sie zu einem Zopf geflochten.
In Isabellas Küche duftete es nach frisch gebrühtem Kaffee. Mauricio saß am Tisch und schnitt eine Papaya in Stücke. »Nimm dir«, sagte er und schob einen Teller mit Maiskuchen zu ihr. Aninha aß ein Stück Kuchen und dazu Papaya. Isabella schenkte Kaffee ein und setzte sich ebenfalls.