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Italien, 1832: Antonella lebt in einem kleinen Dorf in der Toskana. Ihr Traum ist es, zu kochen und Wein anzubauen. Doch das Schicksal hat etwas anderes für sie im Sinn. Michele wurde gegen seinen Willen zum Studium nach Pisa geschickt. Dann aber erkennt er seine wahre Berufung und setzt alles aufs Spiel, sogar sein Leben. Die Geschichte einer starken Frau zur Zeit der italienischen Freiheitskämpfe - lesen Sie in diesem kostenlosen E-Book, wie alles begann.
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Seitenzahl: 56
Karin Seemayer
Die Tochter der Toskana – wie alles begann
Die Vorgeschichte zu „Die Tochter der Toskana“
Über die Autorin
Karin Seemayer wurde am 1959 in Reutlingen geboren, lebte von 1960 bis1993 in Frankfurt und seitdem in Eppstein im Taunus. Anfang zwanzig packte sie das Fernweh. Sie machte eine Ausbildung zur Reiseverkehrskauffrau und war die nächsten Jahre beruflich und privat viel unterwegs. Viele ihrer Romanideen sind auf diesen Reisen entstanden. Die Umsetzung der Ideen musste jedoch warten, bis ihre drei Kinder erwachsen waren.
Wie alles begann
Antonella
Cerreto, Apuanische Alpen – Ende April 1830
Am Lavatoio, dem Waschplatz am Fluss unterhalb der Mühle, drängten sich die Frauen. Antonella stellte den Korb mit der Wäsche ab und blickte sich um. Es würde einige Zeit dauern, bis sie einen Platz zum Waschen ergattern könnte. Von der anderen Seite des Baches winkte Maria ihr zu. Antonella rief einen Gruß zurück.
Neben ihr ließ ihre ältere Schwester Teresa ihren Korb auf den Weg plumpsen. „Merda, ich wusste, wir sind zu spät.“ Sie warf Antonella einen vorwurfsvollen Blick zu. „Jetzt müssen wir warten, bis wir an der Reihe sind. Nur, weil du heute Morgen so getrödelt hast.“
„Und?“, gab Antonella zurück. „Dafür haben wir jetzt Zeit für ein Schwätzchen. Wenn du keine Lust dazu hast, kannst du ja heimgehen und den Hühnerstall sauber machen. Giovanna freut sich bestimmt über deine Hilfe.“
Sie selbst freute sich über die Gelegenheit, sich mit ihren Freundinnen auszutauschen und der gereizten Stimmung, die seit ein paar Tagen zu Hause herrschte, zu entkommen.
Die Aprilsonne hatte in den vergangenen Wochen die letzten Reste des Schnees auf den Bergen getaut, nur auf den Gipfeln des Monte Cusna und des Monte Cimone leuchtete es noch weiß. Nächste Woche war der erste Mai und die Männer von Cerreto würden mit ihren Schafen aus der Toskana zurückkehren. Da es in den Bergen nicht genug Futter gab, um die Herden über den Winter zu bringen, wanderten die Männer aus den hochgelegenen Dörfern jedes Jahr im Spätherbst mit ihren Herden in die Maremma, wo sie überwinterten. Anfang Mai kehrten sie zurück. Welcher Tag es genau sein würde, wusste niemand.
Das war auch der Grund für den Andrang am Lavatoio. Das ganze Dorf bereitete sich auf das Fest zur Ankunft der Schäfer und des Viehs vor. Die Häuser wurden geputzt, die gesamte Wäsche gewaschen und ein Festessen vorbereitet. Die alten Männer, die in Cerreto geblieben waren, reparierten Zäune und Pferche und kontrollierten die Trockenmauern auf Lücken.
„Ciao, ihr beiden!“ Pia stellte ihren Wäschekorb neben Antonellas ab und seufzte. „Was für ein Gedränge. Jedes Jahr das Gleiche. Ich habe Mutter vorletzte Woche gesagt, wir sollten früher waschen, aber sie wollte nicht. Wenn ich mal verheiratet bin, werde ich bestimmt nicht erst eine Woche vorher mit den Vorbereitungen anfangen.“
Antonella lachte. „Dann ist die Bettwäsche aber nicht mehr ganz frisch.“
„Na und? Glaubt irgendjemand, dass die Männer darauf achten, ob die Betten vor einer oder vor drei Wochen frisch bezogen wurden? Die haben ganz andere Dinge im Kopf.“
„Pia!“ Antonella schwankte zwischen Lachen und Empörung.
„Was denn?“, gab Pia zurück. „Sie waren sechs Monate fort.“
„Was wisst ihr schon?“, mischte sich Onelia, eine der verheirateten Frauen, ein. „Wartet erst einmal ab, bis ihr verheiratet seid und euren Liebsten in den langen Winternächten nicht bei euch habt.“
Nachdenklich blickte Antonella sie an. „Du hast recht, es ist bestimmt nicht schön, so lange allein zu sein. Sicher fehlt dir Matteo.“
„Ich vermisse ihn sehr. Aber nächste Woche ist er ja wieder hier.“ Onelia lächelte Antonella zu. „Ich bin fertig, du kannst meinen Platz haben.“ Sie packte ihre Wäsche in den Korb, nahm ihn auf und ging den Weg hinunter zu ihrem Haus.
Grinsend sah ihr die alte Gemma hinterher. „Na, vielleicht schafft er es dieses Jahr, ihr ein Kind zu machen“, frotzelte sie. „Immerhin sind sie schon seit drei Jahren verheiratet. Dann ist sie im Winter auch nicht mehr so einsam.“
Unwillig schüttelte Antonella den Kopf. So eine Klatschbase. Gemma wusste über jeden im Dorf irgendetwas, und meistens war es nichts Gutes. Sie war schon lange Witwe, ihr Mann war am Wechselfieber gestorben. Diese Krankheit grassierte in den Sümpfen der Maremma. Ausgelöst wurde sie durch Mücken, sagte Aminta, die Hebamme und Heilerin des Dorfes. Allerdings behaupteten böse Zungen, der wahre Grund für Luigis frühen Tod wären seine allabendlichen Besuche in der Osteria Sala und der damit verbundene übermäßige Genuss von Wein und Grappa.
Antonella stellte ihr Waschbrett auf und holte die Seife aus dem Wäschekorb. Neben ihr packte Pia ihren Korb aus. „Was glaubst du, wie viele Verlobungen es diesen Sommer geben wird?“
„Zu wenige“, mischte Gemma sich ein. „Es gibt weniger heiratsfähige Jünglinge als Mädchen. Kein Wunder, dass die jungen Frauen zu dieser Hex‘ am Ortsrand laufen und sich Liebestränke geben lassen. Oder sie gehen auf den verfluchten Berg und beten zu den heidnischen Göttern, statt in der Kirche.“
Sie kniff die Augen zusammen und sah hinüber zu Antonella. „Dich habe ich letzte Woche auch zu der Hex‘ laufen sehen. Hat sie dir auch einen Trank gebraut, damit du einen Bräutigam findest? Deine Schwester hätte ihn allerdings nötiger als du. Immerhin ist sie schon achtzehn und immer noch unverheiratet.“
Teresas Gesicht färbte sich dunkelrot, sichtlich beschämt senkte sie den Kopf. Antonella knirschte vor Zorn mit den Zähnen. Diese Tratschtante! „Aminta ist keine Hexe“, fuhr sie Gemma an. „Sie ist Hebamme und Heilerin. Ich habe eine Wundsalbe für meine Mutter geholt. Sie hat sich beim Kochen die Hand verbrannt.“
„Hebamme! Pah! Eine Hex‘ ist die, sag ich. Sie pfuscht Gott ins Handwerk. Das sagt auch Don Vincenzo.“
Antonella gab keine Antwort, sondern griff nach einem Betttuch und warf es ins Wasser. Anschließend schrubbte sie es so heftig auf dem Waschbrett, dass Pia ihr die Hand auf den Arm legte. „Ärgere dich nicht. Dass Gemma dummes Zeug schwätzt, weiß doch jeder.“
Dankbar lächelte Antonella ihrer Freundin zu. „Ich weiß gar nicht, ob ich überhaupt heiraten möchte. Was ist das für eine Ehe, in der man nur fünf oder sechs Monate im Jahr zusammen ist?“
„So ist es eben.“ Pia schwenkte ein Laken im Wasser. „Wenn dir das nicht passt, hast du nur die Wahl zwischen dem Bruder des Köhlers oder dem Sohn des Müllers.“
Auf der gegenüberliegenden Seite des Lavatoios warf Fiametta den Kopf in den Nacken. „Dann muss sie den Köhler nehmen“, rief sie Pia zu. „Mit Paolo bin ich so gut wie verlobt.“ Sie bedachte Antonella mit einem verächtlichen Blick.
„Keine Sorge, ich mache dir deinen Paolo nicht streitig“, versetzte Antonella. „Wer will schon dieses verwöhnte, dicke Bürschchen haben?“, fügte sie so leise hinzu, dass es nur Pia hören konnte.