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Anita Miller ist traurig. Kein anderes Kind kann sie leiden. Egal, wieviel Mühe sie sich gibt. Doch das ändert sich schlagartig als sie zufällig in eine geheime Zauberwelt stolpert. Sullivan Taller verwechselt Anita und nimmt das Mädchen mit zu seiner Magie- Schule. Das bedeutet den ersten Ärger. Denn die Schulleiterin ist darüber nicht begeistert. Und dann tauchen plötzlich Drachen auf. Drachen, die seit Jahrhunderten ausgestorben sind, werden gesichtet. Das alarmiert Brendan Taller, Sullivans Vater. Einem Drachenexperten. Und dann sind die Agenten des Ministeriums hinter Anita her. Zum Glück findet Anita Freunde, die ihr helfen. Ein zauberhaftes Abenteuer
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Seitenzahl: 187
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Prolog
Kapitel
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Drei Monate später
Warum waren die anderen Kinder immer nur so gemein zu mir, dachte ich wütend und verletzt. Eben, gerade wieder, hatten sie mich ausgeschlossen. Jeder spielte jetzt Softball. Die Mannschaften waren gewählt worden. Jedes Kind, ob Junge oder Mädchen, wurde ausgesucht, um in einer der Mannschaften zu spielen. Doch mich hatte niemand haben wollen. Ganz im Gegenteil hatten sich die Kinder wieder lustig über mich gemacht. Die stolpernde Anja, so nannten sie mich. Mich, den ewigen Unglücksvogel. Jeden Tag passierte mir ein neuerliches Missgeschick. Oder es passierten merkwürdige Dinger in meinem Umkreis. Unerklärliche Dinge, die allen anderen Menschen Angst machten. Gegenstände, die sich auflösten oder schwebten. Autos, die sich von selbst starteten. Deswegen mied man mich. Keiner wollte mit mir befreundet sein. Oder mit mir spielen.
Mutter hatte mich im Ferienlager angemeldet, damit ich hier Freunde fand, dachte ich traurig. Sie hatte es gut gemeint, keine Frage. Doch es hatte nicht geholfen. Selbst hier, unter all den fremden Kinder, die mich nicht kannten, war ich eine Außenseiterin. Das hatten mich die Kinder heute wieder spüren lassen. Weinend lief ich durch den Wald. Einfach nur weg von den gemeinen Kindern, dachte ich. Nicht einmal unser Betreuer hielt es für angebracht, mir zu folgen, merkte ich als ich kurz stehenblieb, um zu Atem zu kommen. Verwundert sah ich mich um. Wo war ich? War ich so weit gelaufen, dass ich mich verwirrt hatte? War das möglich? Dann war ich aber schnell gelaufen, ging es mir durch den Kopf. Besser, ich lief wieder zum Ferienlager zurück. Bestimmt würde man schon nach mir suchen. Doch wo war ich hergekommen, überlegte ich leicht nervös. War ich von rechts oder links auf diese Lichtung gekommen? Ich wusste es nicht mehr. Die Gegend schien verändert auszusehen. Das war doch nicht der mir bekannte Wald, dachte ich verzweifelt.
Weinend setzte ich mich auf einen großen Stein und überlegte, was ich tun sollte.
„Hallo, kleine Schwester. Hast du keine Lust auf die Schule? Kann ich verstehen, das geht mir ebenso. Jedes Jahr muss ich mich aufs Neue überwinden.“ Hörte ich eine lustige, freundliche Jungenstimme sagen. Verwundert hob ich meinen Kopf. Ich war es nicht gewohnt, dass ein anderes Kind so freundlich mit mir sprach. „Ich, ich habe mich verlaufen.“ Gestand ich und wartete darauf, ausgelacht zu werden. Das war ich mittlerweile gewohnt. Doch der zweiköpfe größere Junge lachte nicht. Er reichte mir seine Hand. „Ich verstehe, du bist das erste Mal auf dem Weg zur Schule. Na, dann komm. Ich werde dir den Weg zeigen.“ Erklärte mir der Junge freundlich. Verwundert folgte ich dem Jungen zu einer Baumreihe. Was wollten wir hier? Das fragte ich mich still. Das waren doch nur sechs Bäume, die etwas merkwürdig in einer Reihe standen. Doch der Junge hob jetzt einen Stab und murmelte leise. Ich verstand es trotzdem. „Sechs Bäume, ich stehe davor. Öffne es, das magische Tor.“ Sagte der Junge leise. Erstaunt sah ich zu, wie sich zwei der Bäume beiseiteschoben und einen großen Torbogen freigaben. „Du, du hast gezaubert.“ Flüsterte er geschockt. Der große Junge lachte leise. „Natürlich habe ich gezaubert. Wie sollten wir denn sonst in die Schule gelangen, kleine Hexe.“ Erklärte mir der Junge, als sei es das natürlichste der Welt, was er soeben getan hatte. Doch ich schwieg erschüttert. Wir waren nicht mehr im Wald, nahe des Feriencamps. Wir beide, der Junge und ich, standen inmitten eines altmodischen Schlosses, mit vier dicken, großen Türmen. Überall standen oder liefen Kinder jedes Alters herum. Keines davon würdigte uns einen Blick. Und noch etwas fiel mir auf. Alle diese Kinder trugen dieselbe Uniform, wie der Junge, der mich hergebracht hatte. Panisch sah hinter mich. Das große Tor, der Durchgang zurück zum Wald, war verschwunden.
„Guten Tag, Master Sullivan. Schön, dass sie es noch rechtzeitig zum neuen Schuljahr geschafft haben. Wir haben schon Wetten abgeschlossen, was dieses Mal ihre Ausrede sein würde.“ Sagte hinter mir eine strenge Frauenstimme. Ich schrak zusammen als sich mir eine Hand auf die Schulter legte. „Und sie haben uns Besuch mitgebracht. Wer ist die junge Dame, Master Sullivan?“ Fragte die Frauenstimme jetzt etwas freundlicher. „Ich bin Sybille Winkler, die Vertrauenslehrerin. Und wer bist du, Kind?“ fragte sie jetzt. Unsicher hob ich meinen Kopf, um die Frau genauer anzusehen. Ihr Gesicht sah streng aus, doch der lächelnde Mund machte mir Mut. „Mein Name ist Anita Miller. Ich komme aus dem Feriencamp am Fluss. Und ich habe mich verirrt.“ Sagte ich tapfer. Niemand sollte meine Angst spüren. Sullivan sah mich panisch an. „Du bist gar keine Schülerin? Scheisse, ich stecke wieder in Schwierigkeiten.“ Fluchte der Junge leise.
„Das kannst du ruhig laut fluchen. Nicht nur du steckst drin.“ Sagte ich trocken.
Brendan Taller war wütend. Wütend wie selten in seinem Leben. Warum war er, der Oberzauberer der Gemeinschaft nur so geschlagen. Geschlagen mit einem Sohn wie Sullivan. Nicht ein Schuljahr, indem es keinen Ärger mit seinen Sohn gab. Sullivan hatte nichts als Flausen im Kopf, dachte der Oberzauberer grimmig. Vielleicht war es die Strafe, dass er den Jungen allein aufziehen musste, überlegte er bitter. Jetzt hatte der Junge es bereits zu Beginn des neuen Schuljahres geschafft. Brendan hatte Nachricht erhalten, dass er sich umgehend in der Schule einfinden sollte. Sullivan war doch erst heute Morgen losgeflogen. Etwas spät, das stimmte. Doch das konnte nicht der Grund sein. Dazu kannte man doch Sullivans Charakter. Der Junge trödelte gerne, wenn er keine Lust hatte, dachte Brendan leicht lächelnd. Dass hatte sein Sohn von ihm geerbt. Leider, so musste er einräumen. Deswegen konnte er Sullivan nicht böse sein. Nein, dass hier musste einen anderen, schwereren Grund haben, überlegte Brendan und landete sicher auf dem weitläufigen Schulgelände. Tausend Erinnerungen kamen in ihm hoch. Hier war er bereits zur Schule gegangen. Und vor ihm sein Vater und Großvater. Niemand wusste, wie alt diese Schule eigentlich wirklich war. Wirklich niemand. Brendan wurde von allen Seiten begrüßt. Immer wieder musste er stehenbleiben, um mit einen der Lehrer oder anderen Eltern zu sprechen. Jeder wollte wissen, was den großen Zauberer diesmal herführte. Doch das nervte, denn er wollte endlich erfahren, was sein einziges Kind diesmal ausgefressen hatte. Kurz entschlossen, machte Brendan sich unsichtbar und ging weiter über den großen Schulhof.
„Hast du von der Kleinen gehört? Das ist bislang das Stärkste, was sich der Taller- Junge rausgenommen hat. Und der hat sich doch schon einiges geleistet.“ Unterhielten sich jetzt zwei Junge Aufsichtsschüler lachend. Sie konnten Brendan nicht sehen und unterhielten sich ungeniert. Kleine? Wovon sprachen die beiden Jugendlichen, fragte sich Brendan. Vor der Schule wurde er wieder sichtbar. Innerhalb des Gebäudes, funktionierte der Zauber nicht, das wusste Brendan. Er trat in den offenen, großzügigen Eingang und ging zielsicher zur Treppe. Der speziellen Treppe. Der Weg, der zum Büro der Schulleiterin führte. Leise lachend erinnerte Brendan sich, dass er während seiner Schulzeit auch einige Male hier her musste. Doch seit sein Sohn diese Schule besuchte, kannte er den Weg im Schlaf, dachte er grimmig.
Sullivan saß auf einem Stuhl vor dem Büro der Schulleiterin als Brendan die Treppe hochkam. Der Junge sprang sofort auf, als er seinen Vater auf sich zukommen sah. „Diesmal habe ich nichts getan, Vater. Es war ein schreckliches Missverständnis.“ Sagte Sullivan. Nervös und aufgeregt. Zum ersten Mal glaubte Brendan seinem Sohn. Denn so aufgelöst kannte er Sullivan nicht. Der sonst so selbstbewusste Junge kämpfte mit den Tränen. Das rührte Brendan und erinnerte ihn an seine leider so früh verstorbene Frau. Er fuhr sich kurz über die Augen, um die finsteren, traurigen Gedanken zu verscheuchen. „Ich wusste nicht, dass das Mädchen keine Hexe ist. Sie stand auf der Lichtung und suchte das Portal. Da war ich mir sicher.“ Erklärte Sullivan, sich beim Sprechen überschlagend. Endlich bekam Brendan etwas Klarheit, was passiert war. Auch, wenn er nicht jedes Wort seines Sohnes verstanden hatte. „Was für ein Mädchen?“ fragte er nach. Sein Sohn war fünfzehn Jahre alt. War das ein Alter, um sich für Mädchen zu interessieren? Brendan versuchte sich an seine Jugend zu erinnern. Wann hatte er damit begonnen? „Diese Anita, Anja, wie sie jeder nennt. Sie stand ganz verloren auf der geheimen Lichtung. Ich meine, sie hat die geheime Lichtung gefunden. Da dachte ich, sie will auch zur Schule und habe sie mitgenommen.“ Erklärte Sullivan hastig. Bevor die Schulleiterin seinen Vater in ihr Büro rief und ihre Version der Geschichte berichtete. Brendan schluckte schwer. Denn einen Nicht-Magischen Menschen hierher, in die Schule zu bringen, war der größte aller Verstöße, dass wusste jeder Zauberer und jede Hexe. Diesmal hatte sein Sohn wirklich großen Mist gebaut, dachte er schwer. Manchmal, und damit meinte er jeden Tag, hasste er es, ein alleinerziehender Vater zu sein. Andere Zauberer überließen solche Probleme ihren Frauen und kümmerten sich ausschließlich nur um ihren Job. Doch für Brendan bedeutete es jeden Tag einen Spagat zwischen Kind und Karriere. Er war es müde. Wer immer sagte, je älter die Kinder wurde, desto leichter würde es, der log wie gedruckt. „Sieh mir in die Augen, Sullivan! Schwör mir, dass du das Kind auf der geheimen Lichtung getroffen hast.“ Sagte Brendan jetzt streng. Sullivan hob seinen Kopf und nickte. Beschwörend legte er seinen Zauberstab an seine Brust. Das ultimative Zeichen, dass er die Wahrheit sagte.
„Oberzauberer Taller, bitte in mein Büro.“ War jetzt die harte Stimme der Schulleiterin zu vernehmen. Brendan erhob sich. „Na, dann mal auf in den Kampf.“ Sagte er schief grinsend. Beruhigend klopfte er seinem Sohn, der mit seinen fünfzehn Jahren nur einen Kopf kleiner war als er selbst, auf die Schulter. Dann schob er Sullivan durch die Tür. Er hielt die Luft an als ihn das penetrante Veilchenparfüm der Schulleiterin entgegenkam. Das hatte er fast vergessen. Am liebsten hätte er ein Fenster geöffnet, beherrschte sich aber. Jetzt brauchte er Diplomatie.
„Guten Tag, Oberzauberer Brendan. Dein Sohn hat dich also bereits in Kenntnis gesetzt? Du weißt, was er Unglaubliches getan hat?“ fragte Frederike Davis streng. Ihr Blick durchbohrte Brendan geradezu. Mit ihrer harten, zugebundenen, zu einem Knoten gebundenen Haaren, wirkte die Frau älter als sie eigentlich war. Dabei war die Frau kaum drei Jahre älter als er selbst. Und auch ihr zugekniffener Mund machte die Frau nicht gerade attraktiv, dachte Brendan. Er erinnerte sich, dass die Frau damals einmal verliebt in ihm gewesen war. Das schien in diesem Moment Jahrhunderte zurückzuliegen. Auch, wenn die Frau vor ihm das anders sah, das merkte jeder. Brendan zauberte sich einen Stuhl herbei, da die Schulleiterin dies ja nicht für nötig hielt. Er setzte sich und zog Sullivan an seine Seite. „Soweit ich das verstehe, hat Sullivan nichts verbotenes getan. Ein Mädchen stand auf der geheimen Lichtung. Das sagt doch schon alles, oder? Wie konnte das Kind die Lichtung finden, wenn sie keine magischen Kräfte besitzt? Mein Sohn nicht wissen, dass das Mädchen keine Hexe ist. Er wollte nur nett sein.“ Verteidigte Brendan seinen Sohn. Liebevoll drückte er Sullivans Hand und richtete seinen Blick wieder auf Frederike Davis. Die Frau hatte ihm nicht verziehen, dass er sich damals für Sullivans Mutter entschieden hatte, dachte er verärgert. Frederike hatte sich damals in den Kopf gesetzt, Brendans Frau zu werden, dass er das ablehnte, hatte die Frau sehr gekränkt. Und das würde sie jetzt Sullivan büßen lassen.
Und richtig. „Dein Sohn lügt, Brendan. Und dass nicht das erste Mal, wie du weißt. Sullivan ist unbelehrbar. Er hat dieses nicht magisches Kind absichtlich hergebracht. Um die Schule, meine Schule, in Schwierigkeiten zu bringen. Es war einer seiner dämlichen Scherze!“ schnauzte Frederike los. Ihr langer Finger wies auf Sullivan. „Ich lüge nicht. Ich habe die Wahrheit gesagt.“ Verteidigte sich Sullivan sofort. „Ruhe, du redest, wenn du gefragt wirst. Deine Zeit an meiner Schule ist abgelaufen. Das hier bedeutet einen Rauswurf.“ Sagte die Schulleiterin hart.
„Und wunderst dich, dass ich mich damals für Regina entschieden habe. Du bist die mieseste Pädagogin, die kennenlernen durfte. Keine Spur Herz, meine Liebe. Wie immer du Schulleiterin wurdest. Mit rechen Dingen ging das nicht vor sich.“ Murmelte Brendan erschüttert. Er sah Frederike zusammenzucken. Er hatte also einen wunden Punkt getroffen, dachte er zufrieden. Auch, wenn sein Sohn mehr gehört hatte, als Brendan lieb war. Sullivan musste nichts von den alten Geschichten erfahren.
„Sullivan lügt nicht! Er wollte wirklich nur nett sein!“ war jetzt die verärgerte Stimme eines Mädchens zu hören. Verwundert schwiegen Brendan und die Schulleiterin. „Das ist Anita. Wie macht sie das? Sie ist doch im anderen Flügel des Schlosses eingeschlossen worden.“ Sagte Sullivan überrascht.
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Ich war gefangen, eingeschlossen in einem eleganten Zimmer. Sehr hübsch, trotzdem war ich eine Gefangene. Eingeschlossen, weil ich mich hier widerrechtlich aufhielt. Weil mich der Junge irrtümlich hergebracht hatte. Jetzt saß ich bereits zwei Stunden hier fest, überlegte ich. Wenn die Uhr an der Wand richtig ging. Man hatte mir Kekse und Kakao gebracht. Doch ich war nicht hungrig. Mir war langweilig. Was der fremde Junge wohl jetzt tat? Ob er großen Ärger bekam? Er hatte es doch nur gut gemeint, dachte ich wütend. Wütend auf die sturen Erwachsenen, die auf uns Kinder nie hörten. Ich hatte versucht, es zu erklären. Doch hatte man mir zugehört? Fehlanzeige. Da liebte ich meine Mama. Sie hörte mir immer zu. Und versuchte zu verstehen, was ich erklären wollte. Doch Mama war weit weg. Weiter als ich es ahnen konnte. Denn eins war mir bewusst geworden. Ich war nicht mehr im Ferienlager. Mutig setzte ich mich und konzentrierte mich auf den Jungen. Diesen Sullivan. Das gelang mir sehr gut. Jetzt konnte ich hören, was in dem Raum, indem er sich befand, gesprochen wurde. So etwas machte ich nicht das erste Mal. Meistens belauschte ich so meine Mutter, wenn sie arbeiten war. Oft, weil mir langweilig war. Doch diesmal tat ich es, um rauszufinden, ob Sullivan wegen mir in Schwierigkeiten war. Und er hatte großen Ärger, wie ich feststellen musste. Diese strenge Schulleiterin hatte sogar seinen Vater kommen lassen. Ich wusste, was das bedeutete. Mir passierten auch immer merkwürdige Dinge. Meine Mama musste auch oft in meiner Schule auftauchen, dachte ich besorgt. „Sullivan lügt nicht! Er wollte nur nett sein.“ Sagte ich wütend. Wütend auf alle Erwachsenen dieser Welt. Sogar auf meine Mama, die auf das dumme Ferienlager bestanden hatte. Ich wollte nicht in das Lager, doch Mama meinte, es würde mir guttun, mal andere Kinder zu treffen. Doch die sind ebenso gemein, wie die Kinder zuhause. Da bin ich weggelaufen und habe mich verlaufen. Sullivan wollte nur nett sein.“ Sagte ich wieder. Keine Ahnung, ob die Erwachsenen mich hören würden. Doch ich wollte Sullivan in Schutz nehmen.
„Du hörst das Mädchen auch, oder? Bist du immer noch, dass mein Sohn einen Fehler gemacht hat? Das Kind ist eindeutig magisch. Oder kennst du normale Kinder, die ihre Stimme durch das ganze Schloss in bestimmte Räume senden können.“ Fragte Brendan, nachdem er sich von seinem Schock, das Mädchen zu hören, erholt hatte. „Du weißt selbst, dass das, was das Mädchen hier zeigt, normalerweise jahrelange Übung voraussetzt. Wie alt ist das Kind?“ fragte er weiter als die Schulleiterin betroffen schwieg. „Ich denke, zehn oder maximal elf, Dad.“ Sagte Sullivan, als keine Antwort von der Schulleiterin kam. Endlich nickte die Frau. „Dein Sohn hat recht. Älter auf keinen Fall, Brendan.“ Sagte sie zögernd. Brendan grunzte zufrieden. Das hier änderte alles, dachte er. Sein Sohn war nicht länger in Schwierigkeiten. Ganz im Gegenteil war Sullivan auf ein Geheimnis gestoßen. Und Brendan liebte Geheimnisse.
Es klopfte. Fast hätte ich gelacht. Denn ich war doch eine Gefangene, warum klopfte man dann an. Wie sollte ich reagieren? „Herein, wenn es kein Henker ist!“ rief ich und erhob mich. Ein Scherz war immer gut, überlegte ich still. Die Tür öffnete sich und ein großer, gutaussehender Mann betrat den Raum. Interessiert betrachtete ich das Gesicht des Mannes. „Sie sind Sullivans Vater, oder? Ich erkenne Ähnlichkeiten in den Gesichtszügen.“ Sagte ich als der Mann lange schwieg. Sein Blick hielt mich gefangen. „Wie heißt du, Mädchen?“ fragte er mich endlich heiser. Ich hörte ein Kratzen in seiner Stimme. Der Mann kam langsam näher. „Ich heiße Anita Miller und bin elf Jahre alt. Ihr Sohn hat keinen Bockmist gebaut, Sir.“ Sagte ich ernst. „Bockmist?“ fragte der Mann erstaunt ein Lachen unterdrückend. Er setzte sich jetzt auf einen der zierlichen Stühle. Ich befürchtete, dass dies das Ende des Stuhles sein würde. Gleich würde der Stuhl unter dem Gewicht nachgeben. Doch den Gedanken behielt ich für mich. „Bockmist bedeutet, Ärger oder Unsinn anstellen, Sir.“ Erklärte ich das Wort. Das ließ den Mann lächeln. Ich mochte sein Lächeln, dachte ich etwas mutiger. Er winkte mich zu sich. „Du scheinst so klug zu sein. Und doch redest du, als wärst du es nicht.“ Sagte er nachdenklich. Beschämt senkte ich meinen Kopf. Wie sollte ich das dem wirklich netten Mann erklären, überlegte ich. „Meine Mutter riet mir, meine Intelligenz zu verstecken, wenn ich mich mit fremden Menschen unterhalte. Die meisten Menschen fürchten sich vor zu viel Intelligenz.“ Sagte ich dann leise, fast traurig. Jetzt würde der Mann auch distanzierter werden, dachte ich. „Deine Mutter scheint auch sehr intelligent zu sein, wenn sie dir solche Ratschläge gibt. Und dein Vater?“ fragte der Mann und lächelte sanft. Er schien sich wirklich für mich zu interessieren. Das machte mir Mut. „Den gibt es nicht, Sir. Ich meine, es ist mir klar, dass es ihm irgendwann vor meiner Geburt gegeben hat. Sonst gäbe es mich nicht. Aber ich habe den Mann nie kennengelernt. Es gibt nur Mama und mich. Die zwei Millers.“ Sagte ich und erwiderte das Lächeln. Der Mann, Sullivans Vater, war ebenso nett, wie sein Sohn, dachte ich. „Angenehm, ihre Bekanntschaft zu machen, Miss Miller. Ich bin Brendan Taller. Und wo findet man Mama Miller? Ich meine, wo wohnt ihr?“ Fragte mich Brendan Taller jetzt neugierig. Das machte mich argwöhnisch. Denn solche Frage bedeutete, dass man meine Mutter informieren wollte. „Jedenfalls nicht ihrer Welt, Mister Taller. Wir wohnen in der normalen Welt. Zusammen mit normalen Menschen. Bei uns reist niemand auf dem Besen an. Wir fegen damit die Fußböden.“ Sagte ich vorsichtig. Ich wies aus dem Fenster. Dort sah man vereinzelt Menschen auf Besen fliegen. Über meine Antwort überrascht, schwieg Mister Taller. Ich nutzte die kurze Pause. „Wenn sie mich zu dem dämlichen Ferienlager zurückbringen, verspreche ich zu schweigen. Es würde mir eh niemand glauben. Oder zuhören.“ Sagte ich wieder wütend. Wütend auf die widerlichen Kinder im Ferienlager. Mister Taller spürte meine Wut. „Du scheinst dort aber nicht glücklich zu sein, kleine Lady. Verzeihung, Miss Miller.“ Sagte er charmant. Ich schüttelte entschieden meinen Kopf. „Es war nicht meine Idee, das Ferienlager, Sir. Meine Mutter wollte, dass ich versuche, mal Freund zu finden. Sie meint, ich sei zu einsam.“ Ich seufzte übertrieben laut. „Es ist schwer, jemanden zu finden, wenn man immer wieder in Missgeschicke verstrickt wird. Die merkwürdigsten Dinge passieren in meiner Gegenwart. Auch, wenn ich bislang immer Glück hatte. Doch trotzdem schreckt es andere Kinder ab. In der Tat war ihr Sohn der erste freundliche Junge, den ich traf.“ Erklärte ich so ernst, dass Mister Taller ein Lachen unterdrücken musste. Doch glücklicherweise fragte er nicht nach. Nachdenklich verschränkte er seine Arme. Du bist nicht normal, Kind. In dir steckt eine Menge Zauberkraft. Was mich nur wundert, dass niemand aus dem Ministerium von dir weiß. Und warum du in der normalen Welt aufwächst. Das müssen wir klären. Und deswegen muss ich mit deiner Mutter reden. Verstehst du das?“ fragte er mich dann leicht streng. Er seufzte als ich nur schwieg. „Deine sogenannten Missgeschicke, die dir immer passieren sind die Auswirkungen deiner Zauberkraft in der normalen Welt, Kind. Du zauberst unbewusst und dann passieren die merkwürdigsten Dinge.“ Er schien zu überlegen. „Stell dir vor, du wünscht dir ein Eis. Und plötzlich beginnt es zu schneien. Oder du wünscht dir, in einem Wettlauf zu gewinnen, und alle anderen Teilnehmer erkranken.“ Sagte er dann dunkel lachend. Ich wurde feuerrot, denn beides war mir schon einmal passiert, erinnerte ich mich. Woher konnte Mister Taller dies alles wissen. Das fragte ich mich. „Sie haben sich bereits nach mir erkundigt, Mister Taller. Haben sie sich meine Daten aus dem Ferienlager besorgt?“ fragte ich leicht verärgert. Doch warum hatte er mir dann diese ganzen Fragen gestellt, überlegte ich.
„Du hast recht, kleine Lady. Ich habe dich ausgefragt, um dich besser kennenzulernen. Du bist sehr klug und verfügst über ein gesundes Selbstbewusstsein. Das ist gut. Auf jeden Fall gehörst du nicht in eine normale Schule. Deine Zauberkraft muss trainiert werden. Du musst lernen, damit umzugehen. Sonst kann es zu verheerenden Unglücken kommen. Ich werde also deine Mutter aufsuchen und mit ihr reden müssen. Am besten ist es, wenn du mich dabei begleitest.“ Erklärte Mister Taller mir ehrlich. Das gefiel mir und zustimmend nickte ich. „Darf Sullivan auch mitkommen?“ fragte ich sofort. Ich hatte merkwürdigerweise starkes Zutrauen zu dem Jungen. Auch, wenn ich kaum mit ihm gesprochen hatte. Und doch hatte sich zwischen uns beiden ein Band geknüpft, dachte ich still. „Gut, ich werde das mit Sullivans Lehrer besprechen, Miss Miller. Wenn es ihnen so wichtig ist, darf mein Sohn uns begleiten.“ Sagte Mister Taller ernst. Doch ich sah den Schalk in seinen Augen. „Sie dürfen mich Anita nennen. Oder Anja, das ist die Abkürzung.“ Bot ich Mister Taller freundlich an. Lächelnd reichte mir der Mann seine Hand. „Dann lass uns die Schulleiterin aufsuchen. Es gibt eine Menge Dinge zu klären.“ Mister Taller führte mich wieder durch die riesige Schule. Immer wieder wurden wir beobachtet. Man tuschelte oder redete ganz offen über mein Hiersein. Ein jeder der vielen Schüler und Lehrer, wie ich annahm, rätselte, was nun mit mir passieren würde. Ich war versucht, ihnen allen die Zunge