5,49 €
Anne Wilson erbt von ihrer Tante Hilda, von der sie seit Jahren nichts mehr gehört hat, ein Haus in Fayland. Ihre Freude über diese unerwartete Erbschaft wird dadurch getrübt, dass sie in ihrem neuen Zuhause jeweils in der Nacht seltsame Geräusche vom Dachboden hört. Auch die Dorfbewohner benehmen sich eigenartig, wenn sie auf ihre Tante zu sprechen kommt. Also macht sich Anne daran, nach und nach das schreckliche Geheimnis um ihre Tante und die seltsamen Geräusche zu lüften.
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Inhaltsverzeichnis
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Kapitel 29
Kapitel 30
Impressum
Langsam stand Anne Wilson auf und drückte vorsichtig den Rücken durch, was zu einem unangenehmen Knacksen führte. Zufrieden blickte sie sich in ihrem grossen Schlafzimmer um. Die letzte Kiste war nun fertig gepackt und somit alles bereit für den Umzug. Bald würde ihr langersehnter neuer Lebensabschnitt beginnen. Schon lange hatte sie gehofft, dass eines Tages ihr Leben eine interessante Wendung nehmen würde, sie herauskäme aus der Grossstadt Monsend, doch nie hatte Anne sich erträumt, dass es so kommen würde, wie es nun gekommen war.
Alles begann mit der Trennung von ihrem langjährigen Freund. Das heisst, eigentlich hatte es schon früher begonnen. Viel früher. Es war damals, in der zweiten Klasse, als sie eine grosse Leidenschaft entdeckte, die sie ihr Leben lang nicht mehr loslassen würde. Auf ihrem Unterrichtsplan stand neu die Handarbeit. Von zu Hause aus hatte Anne nie etwas mit Handarbeit zu tun gehabt. Ihre Mutter hatte mit nähen und stricken nichts am Hut. Lieber kaufte sie die fertigen Kleider im Ausverkauf in einem der grossen Warenhäuser. Als Anne im Unterricht jedoch lernte, was man mit dieser Handwerkskunst alles machen konnte, wollte sie nichts anderes mehr tun. Anfänglich waren ihre Strick- und Nähversuche noch unbeholfen, doch schon bald verbesserte sie sich zusehends und konnte ihre Kreativität voll ausleben. Ein Jahr später wünschte sie sich von ihren Eltern zum Geburtstag eine Nähmaschine. Da ihre Eltern finanziell nicht auf Rosen gebettet waren, wurde es auch gleichzeitig noch das diesjährige Weihnachtsgeschenk. Doch dies machte ihr nichts aus. Sie hätte sofort auf alle Geschenke bis ans Ende ihrer Tage verzichtet, nur damit sie diese Nähmaschine bekam. Von nun an verbrachte sie ihre ganze Freizeit mit nähen. Den Stoff bekam sie gratis in einem kleinen Stoffgeschäft in der Stadt. Sie durfte jeweils die Restabschnitte abholen, die nicht mehr verkauft werden konnten. Der Inhaber des Geschäftes freute sich so über die Begeisterung der jungen Anne, dass er ihr jeweils extra die schönsten Reststücke auf die Seite legte und wenn sie dann vorbeikam, konnte sie meistens einen ganzen Sack voller Stoffe mit nach Hause nehmen. Zudem legte er ihr oft noch ein Nähgarn oder ein paar Knöpfe dazu. Als sie eines Tages eine betagte Nachbarin sah und ihr erzählte, wie gerne sie stricken und nähen würde, vermachte diese ihr ihre Stricknadeln, sowie jede Menge Wolle, da sie durch die von der Arthrose verkrümmten Finger nicht mehr stricken konnte.
Anne entwarf nun ihre eigenen Kleider, nähte diese, strickte sich Mützen, Schals, Socken und vieles mehr. Ihr grösster Traum war, eines Tages eine Ausbildung als Modeschneiderin zu machen. Doch ihre Eltern hatten andere Pläne mit ihr. Sie wollten, dass sie eine ‚solide‘ Ausbildung machen würde, damit Anne es später einfacher haben würde als sie selber. Da sie ihre Eltern nicht enttäuschen wollte, machte sie eine Ausbildung im kaufmännischen Bereich. Nach der erfolgreich bestandenen Ausbildung wechselte sie in eine grosse Firma und stieg dort stetig auf. Sie war eine fleissige und kluge Angestellte und legte jeweils viel Wert darauf, niemanden zu enttäuschen. Sie war immer bereit, Überstunden zu leisten, übernahm Aufgaben, vor denen sich alle drückten und war am Morgen immer die Erste und am Abend die Letzte. Jede zusätzliche Aufgabe nahm sie ohne Murren an. Bei jedem Mitarbeitergespräch, bei dem sie über allen Klee gelobt wurde und bei jeder Lohnerhöhung dachte sie, wie stolz nun ihre Eltern auf sie sein konnten. Doch immer öfter wurde ihr bewusst, dass es der Traum ihrer Eltern war, den sie lebte und nicht ihren eigenen. Eigentlich hätte sie nichts lieber getan, als Mode zu entwerfen, zu nähen und zu stricken. Dabei ging es ihr nicht um Berühmtheit, sondern darum, Menschen mit ihren Kleidern glücklich zu machen. Aber mit ihrem strengen Job musste sie das Nähen auf ihre Freizeit beschränken. Manchmal stellte sie sich am Morgen beim Aufwachen vor, wie es wohl wäre, wenn sie jetzt, anstatt in das Büro zu fahren, sich an die Nähmaschine setzen könnte. Es wäre das schönste Geschenk für sie gewesen. Doch ihre Eltern hatten ihr immer wieder eingeimpft, dass man froh sein könne, einen sicheren, gut bezahlten Arbeitsplatz zu haben. Anne wäre deshalb nie in den Sinn gekommen, ihre Eltern zu enttäuschen. Doch dann starb zuerst ihr Vater und drei Jahre später ihre Mutter. Beide hatten sich zu Tode geschuftet und waren am Ende ihres Lebens, trotz ihres noch nicht sehr hohen Alters, verbraucht gewesen. Nach einer Zeit des Trauerns wurde Anne plötzlich bewusst, dass sie etwas in ihrem Leben ändern wollte und musste. Sie musste nun ihren Eltern nichts mehr beweisen. Als sie ihrem Freund Peter eines Abends erzählte, dass sie sich wünschte ihren Job zu kündigen und mit dem Nähen und Stricken ihren Lebensunterhalt zu verdienen, riet er ihr sofort davon ab. Er redete ihr zu, dass sie ihren Job als Bereichsleiterin unter keinen Umständen kündigen durfte. Dass sie sich in den Ruin treiben würde mit ihrer Näherei. Also hörte sie auf ihn, so wie sie immer auf andere gehört hatte, und arbeitete weiter in einem Job, der ihr nichts bedeutete und ihr im Grunde ihres Herzens keine Freude bereitete. Doch täglich träumte sie von ihrem Leben als freie Frau, die ein kleines Atelier hatte und jeden Tag ihrer grossen Leidenschaft nachgehen konnte. Manchmal redete sie sich ein, dass ein Traum besser sei, als ein gelebter Traum, der dann platzte. Doch natürlich wusste sie auch, dass ein gelebter Traum, sie glücklich machen würde. Vielleicht würde ihr Traum sie wirklich in den Ruin treiben. Doch immerhin konnte sie sich dann sagen, dass sie es wenigstens versucht hatte. Sie hoffte auf ein Wunder. Doch Anne war auch realistisch genug um zu wissen, dass Wunder nicht in ihr Leben passten. Wunder waren etwas für Menschen, die sowieso schon alles hatten. Wunder waren etwas für Menschen, die sie gar nicht schätzen würden. Doch für sie würde es kein Wunder geben. Sie würde ihr Glück selber herbeizwingen müssen. Doch dazu fehlte ihr der Mut.
Doch dann schlich sich das Wunder langsam in Annes Leben, ohne dass sie es zuerst als solches bemerkt hätte. Alles fing mit der Trennung von ihrem Freund Peter an. Eines schönes Frühlingtages kam er nach der Arbeit nach Hause und erklärte ihr nonchalant, „wir müssen reden. Ich habe eine andere Frau kennengelernt. Ich liebe sie schon so lange und will nicht mehr länger ein doppeltes Spiel spielen. Ich weiss wir waren lange zusammen, aber meine Liebe für dich hat sich verflüchtigt, auch wenn du mir eine gute Freundin warst. Aber diese Frau, ja diese Frau liebe ich.“ Dass diese neue Frau eine erfolglose Schriftstellerin war, und in Peters Augen eigentlich einer brotlosen Kunst nachging, war irgendwie ein Scherz des Schicksals. Anne fand diesen Scherz jedoch nicht lustig und verfluchte Peter, dass er sie nie unterstütz hatte, ihren Traum zu leben. Als Peter nach ein paar Tagen endgültig auszog, fiel Annes Welt auseinander. Zuerst war sie froh, dass ihre Eltern diese Trennung nicht mehr miterleben mussten. Dann fragte sie sich, was sie falsch gemacht hatte. Natürlich war sie jeden Abend spät von der Arbeit nach Hause gekommen und hatte oft auch an den Wochenenden gearbeitet. Aber er hatte ja immer darauf gepocht, dass sie diese Stelle unter allen Umständen behalten sollte. Zudem hatte auch er es streng in seinem Job gehabt und war nicht viel zu Hause gewesen. Nun wurde Anne bewusst, dass Peter wahrscheinlich nur halb so viel Zeit bei der Arbeit verbracht hatte, wie sie immer geglaubt hatte. Anne hätte darauf gewettet, dass er während all seiner Überstunden bei seiner neuen Freundin gewesen war. Und sie Naivchen hatte es ihm auch immer abgekauft, wenn er ihr erklärt hatte, dass er noch ein Wochenendmeeting in einer anderen Stadt hatte. Nie hatte sie an seinen Gefühlen für sie gezweifelt. Nach der ersten schwierigen Zeit voller Selbstzweifel, Trauer, Wut und Einsamkeit, begann sie ihr Leben endlich aus einer neuen Sicht zu sehen. Sie sah plötzlich Perspektiven für ihre Zukunft, die ihr bis anhin verwehrt geblieben waren. Zum ersten Mal in ihrem Leben konnte sie tun und lassen was sie wollte. Doch da sie ihr Leben lang das getan hatte, was andere von ihr erwartet hatten, lähmte dieser Gedanke sie anfänglich. Deshalb arbeitete sie noch mehr als sonst und war nur noch zum Schlafen zu Hause. Bei einer Nacht und Nebel Aktion räumte Peter die meisten Möbel aus der Wohnung und plünderte das gemeinsame Konto, auf welchem zum Glück nie sehr viel Geld war. Sie hatten es nur für laufende Rechnungen, Einkäufe und Ferien geführt. Da sie aber infolge ihres hohen Arbeitspensums selten Ferien machten, zahlten sie auch nie sehr viel darauf ein. Finanziell war sie sowieso nie auf ihn angewiesen gewesen, hatte ihre eigenen Konten, die gut gefüllt waren. Das Einzige was sie belastete, war der Gedanke, dass er sie nach über zehn gemeinsamen Jahren, derart hinterging. Hätte er sie um die Möbel gefragt, sie hätte sie sofort herausgerückt. Zum Glück hatte er ihre Näh- und Stricksachen dagelassen, über die er sich sowieso immer nur lustig gemacht hatte. Über etwas, was er ihr aber ohne Murren überliess, und worüber sie überglücklich war, war der gemeinsamen Cockerspaniel Max. Sie hatten ihn vor zwei Jahren als kleinen Welpen aus einem Tierheim geholt. Anfänglich verbrachten sie gemeinsam viel Zeit mit ihm. Sie besuchten Hundekurse und machten am Abend und den Wochenende lange Spaziergänge. Doch Peters Begeisterung für Max liess bald nach und Anne baute dadurch eine enge Beziehung zu Max auf. Als Peter nun ausgezogen war, tröstete er sie über die einsamen Stunden hinweg, und da sie ihn mit zur Arbeit nehmen durfte, verbrachte sie weiterhin viel Zeit mit ihm. Er war ihr steter, treuer Begleiter in ihrem Leben. Nun sass sie also in dieser viel zu grossen und viel zu teuren Stadtwohnung fest und wusste nicht, was sie mit ihrem Leben anfangen sollte. Nur eines wusste sie, unter den jetzigen Umständen würde sie nie wirklich glücklich werden. Und dann kam das eigentlich Wunder.
Eines Abends, es war schon spät und Anne hatte einen anstrengenden Arbeitstag hinter sich, fand sie eine Abholungseinladung für einen eingeschriebenen Brief in ihrem Briefkasten. Sie wusste, eingeschriebene Briefe bedeuteten nie etwas Gutes. Sie ging alle Möglichkeiten durch, was sie in dem Brief erwarten könnte. Hatte man ihr die Wohnung gekündigt, da man nun wusste, dass sie alleine darin leben würde und sie für sie alleine viel zu gross war? Eigentlich war sie auch für zwei Personen viel zu gross. Doch das konnte sie sich nicht vorstellen. Das wäre kein Kündigungsgrund, da sie die Miete weiterhin pünktlich bezahlte. Vielleicht war es aber auch ein Brief von der Bank. Das wäre natürlich möglich, doch sie wusste nicht, weshalb sie einen erhalten sollte. Sie war mit Peter nicht verheiratet gewesen, die Trennung war still und leise über die Bühne gegangen und das gemeinsame Konto hatten sie gekündigt, nachdem kein Geld mehr drauf war. In dieser Nacht schlief sie schlecht und sie machte sich viele Gedanken. Obwohl sie wusste, dass sie nichts zu verlieren hatte, hatte sie Verlustängste. Wieder einmal musste sie an ihre Eltern denken, und was sie wohl davon halten würden, würde der Brief tatsächlich eine schlechte Nachricht, welcher Art auch immer, überbringen. Am nächsten Tag ging sie ausnahmsweise später ins Büro, um zuerst den Brief auf der Post abzuholen. Als sie den Brief endlich in den Händen hielt, er war von einer Anwaltskanzlei, getraute sie ihn jedoch nicht zu öffnen. Was wollte eine Anwaltskanzlei von ihr? Sie hatte noch nie etwas mit einer Anwaltskanzlei zu tun gehabt. Ob wohl Peter etwas damit zu tun hatte? Vielleicht hatte er sie für irgendetwas verklagt? Sie wüsste nicht wofür, aber sie hatte diesen Mann, mit dem sie über zehn Jahre Bett und Stuhl geteilt hatte, scheinbar nie richtig gekannt. Sie stopfte den Brief in ihre Handtasche und machte sich auf den Weg ins Büro. Ihr späteres Eintreffen schien einige Aufregung ausgelöst zu haben, denn alle behandelten sie, als hätte sie ein Kapitalverbrechen begangen. Und einmal mehr wurde ihr bewusst, dass sie dieses Leben so nicht mehr führen wollte. Sie war eine Sklavin ihrer selbst geworden. Am Abend getraute sie sich erst das Büro zu verlassen, als alle anderen Feierabend gemacht hatten. Doch als sie endlich das Gebäude verliess, konnte sie es kaum erwarten, nach Hause zu kommen und den Brief zu öffnen. Natürlich hätte sie es schon längst tun können, doch sie wollte, sollte es etwas Schlimmes sein, alleine sein mit ihren Gefühlen. Zu Hause nahm sie mit zitternden Fingern den Brief aus der Tasche und bevor sie Jacke und Schuhe auszog, öffnete sie ihn sorgfältig mit einem Brieföffner. Sie getraute sich fast nicht den Brief auseinanderzufalten. Doch als sie es dann wagte, konnte sie nicht glauben, was sie las. Sie hatte von ihrer Tante Hilda, der einzigen Schwester ihres Vaters, das Haus geerbt. Zu ihrer Tante hatte sie nie ein enges Verhältnis gehabt, da sich ihr Vater mit ihr zerstritten hatte. Den Grund für den Streit hatte sie nie erfahren und wahrscheinlich hatten ihn mit der Zeit nicht einmal mehr die zwei Geschwister gewusst. Trotzdem durfte sie Tante Hilda einmal in ihrer Kindheit besuchen. Es war, als ihr Vater wegen eines offenen Magengeschwürs im Krankenhaus war. Damals zehnjährig, wäre sie für ihre Mutter nur eine Last gewesen, die neben der Arbeit täglich ihren Vater besuchte. Da gerade Sommerferien waren, wurde mit Tante Hilda vereinbart, dass Anne sie für zwei Wochen besuchen durfte und die Tante willigte unter den gegebenen Umständen ein. Also setzte ihre Mutter sie in den Zug und alleine machte sie die Fahrt nach Fayland. Sie erinnerte sich jetzt an diese Fahrt, als wäre sie gestern gewesen. Der Zug fuhr aus der grauen Masse der Stadt hinaus, durch grüne saftige Wiesen, dunkle Wälder, vorbei an Moore und wunderschönen Seen. Es wurde immer ländlicher, bis es hiess, umsteigen. Dann gab es noch eine viertelstündige Fahrt mit einer kleinen Bahn ab Hollup, dem letzten Städtchen vor Fayland. Als sie in Fayland ausstieg, kam es Anne vor, als wäre sie in einem ihrer geliebten Märchen gelandet. Ab dem Bahnhof führte ein Kopfsteinpflasterweg auf den Dorfplatz, auf welchem ein grosser Brunnen stand, der mit wunderschönen, blühenden Geranien geschmückt war. Durch das ganze Dorf floss ein kleiner Bach. Vom Dorfplatz zweigten verschiedene Wege ab. Einer war eine Allee mit grossen alten Pappeln. Die anderen zwei waren mit schönen Steinhäuschen mit grünen Fensterläden gesäumt die alle kleine, sauber gepflegte Vorgärten hatten. Am Ende dieser einen Strasse lag das Haus von Tante Hilda. Eigentlich war es eher ein Häuschen, klein und verhutzelt, aber gut erhalten mit einem Dach, das bis fast auf den Boden reichte. Im Vorgarten blühten Rosen in allen Farben und im Garten hinter dem Häuschen waren Beete, welche mit verschiedenen Gemüsen bepflanzt waren, jede Menge Himbeer- und Brombeersträucher, sowie ein kleiner Birnenbaum, dessen Zweige von den reifen Birnen heruntergezogen wurden. Neben dem hinteren Garten stand ein kleiner Schuppen, in dem die Gartenwerkzeuge aufbewahrt wurden. Daneben war ein Unterstand, in dem ein braunes Auto stand. Das Haus selber war im Innern genauso gemütlich wie von aussen. Wenn man durch die Türe trat, ging rechts davon eine Türe ab, die zur Wohnküche führte, geradeaus nach hinten war ein erstaunlich grosszügiges Wohnzimmer mit einer kleinen Terrasse in den hinteren Garten. Vom Eingangsbereich führte eine Treppe in den zweiten Stock, in dem sich zwei Zimmer sowie das Bad befanden. Eine weitere Treppe führte in den Dachstock, in dem es links ein Mansardenzimmer, wie auch ein ganz kleines Bad gab und rechts eine Türe in einen grossen Abstellraum führte. Zudem verfügte das Häuschen über einen Keller, der zwar gross, dafür aber umso unheimlicher war. Die sanitären Anlagen, wie auch die Küche, waren sehr modern. Dafür war der Rest der Zimmer gemütlich altmodisch. Im Wohnzimmer wie auch in den Schlafzimmern befand sich jeweils einen Kachelofen. Im Haus roch es leicht schimmlig und Anne schien es die ganze Zeit feuchtkalt, trotzdem wurden diese zwei Wochen bei ihrer Tante die schönsten ihres bisherigen Lebens. Ihre Tante teilte ihr zum Schlafen das Mansardenzimmer zu. Zuerst fand sie es unheimlich, so ganz alleine unter dem Dach zu schlafen, doch als sie am ersten Abend im Bett lag und durch die Dachluke die Sterne, sowie den Mond vorbeiziehen sah, wurde ihr ganz ruhig ums Herzen. Noch nie war sie an einem Ort gewesen, an dem es so still war. In Monsend hatte sie einen nie enden wollenden Strom von Autos der vor dem Fenster vorbeizog, doch hier hörte man in der Nacht nur die Grillen zirpen, das Plätschern des Dorfbaches und manchmal ein Bellen, ob von einem Fuchs oder einem Hund, das wusste sie nicht. Am Morgen jedoch war an Ausschlafen nicht zu denken. Zuerst begannen die Vögel in aller Frühe zu zwitschern. Etwas später hörte sie die Traktore vorbeifahren und Menschenstimmen, die sich einen Morgengruss zuriefen. Doch Anne wollte in dieser Zeit gar nicht ausschlafen. War sie sonst eine Schlafmütze, die man fast nicht aus dem Bett brachte, rannte sie schon vor sieben Uhr die Treppe hinunter und ging in die Küche, um zu sehen, was ihre Tante zum Frühstück vorbereitete. Nach dem Frühstück machte sie mit ihrer Tante lange Spaziergänge, schwamm im nahegelegenen See oder erledigte mit ihr die Einkäufe im Dorf. Hier schien jeder jeden zu kennen, was sie am Anfang befremdete. Doch schon bald gewöhnte sie sich daran. Am Mittag assen sie manchmal in einem der zwei Restaurants Mittag. Entweder im Cherrytree oder im Rosegarden. Meistens gab es nur ein einfaches Menü, doch es schmeckte Anne besser als alles, was sie je zuvor gegessen hatte. Doch das Schönste an diesen Ferien waren die Abende. Neben dem Wohnzimmer befand sich noch eine kleine Stube. Die Nähstube ihrer Tante. Diese war bestückt mit einer modernen Nähmaschine und allem, was das Näherherz begehrte. Dort sassen sie jeweils Abend für Abend, nähten und strickten, während sie Radio hörten und ihre Tante ihr manchmal eine Geschichte erzählte. Manchmal arbeiteten sie aber auch nur schweigend, jede in ihre Gedanken versunken. Diese Stube hatte ein kleines Schaufenster und einen Nebenausgang, der auf die Strasse führte. An diesen Abenden träumte Anne oft davon, wie sie in diesem kleinen Schaufenster an einer Schaufensterpuppe ihre Kleider ausstellen würde und die Leute vom Dorf bei ihr die Kleider nähen lassen würden. Irgendwie wünschte sie sich während den ganzen Ferien, dass Tante Hilda sie nun bei sich behalten würde. Doch das war natürlich nicht der Fall und nach zwei Wochen musste sie wieder nach Monsend zurück. Es fiel ihr sehr schwer, sich zu Hause wieder einzuleben. Alles schien ihr zu laut, zu hektisch und zu falsch. Einmal überlegte sie sich ernsthaft, ob sie von zu Hause abhauen und nach Fayland zu Tante Hilda fahren sollte. Doch was hätte es gebracht? Wahrscheinlich hätte sie sofort wieder in die Stadt zurück gemusst. Also harrte sie aus und mit der Zeit ging es ihr wieder besser. Vor allem die Hoffnung, dass sie ihre Tante Hilda sicher bald wieder in den Ferien besuchen dürfte, liess sie alles erträglicher erscheinen. Doch dies geschah nie mehr.
Nun also hatte Anne dieses Haus geerbt. Anne konnte es nicht glauben. Natürlich hatte sie gewusst, dass Tante Hilda nicht verheiratet war und auch keine Kinder hatte, trotzdem wäre ihr nie in den Sinn gekommen, dass sie die nächste Erbin war. War sie bei ihren Eltern bei der Erbschaft praktisch leer ausgegangen, erbte sie nun von ihrer Tante neben dem Häuschen auch noch einen ziemlich hohen Geldbetrag. Bereits am nächsten Tag nahm sie Kontakt mit der Anwaltskanzlei auf und klärte die Details ab. Dann nahm sie kurzfristig ein paar Tage frei, was ihr wieder schräge Blicke ihrer Arbeitskollegen einbrachte, was sie wiederum ärgerte. Immer mehr fühlte sie sich eingeengt und der Entschluss, würde das Haus nicht total verlottert oder eine Ruine sein, würde sie nach Fayland ziehen, stand schon so gut wie fest. An einem klaren und kalten Januartag, machte sie sich mit Max auf den Weg nach Fayland. Sie hatte eine kleine Tasche gepackt, um ein paar Tage dazubleiben und abzuklären, was am Haus zu machen sei, und wie sie in der Dorfgemeinschaft aufgenommen würde. Am Abend vor der Fahrt nach Fayland war sie aufgeregt und redete sich immer wieder ein, dass es sicher nicht mehr so wie früher sein würde und sie nicht enttäuscht sein dürfte, immerhin war es fast dreissig Jahre her, seit sie das letzte Mal dort gewesen war. Sowieso nahm man als Kind alles anders wahr als Erwachsene. Doch als sie an diesem Morgen in den Zug stieg und die Stadt verliess, war es sogar noch schöner als sie es sich vorgestellt hatte. Schon bald war die Landschaft mit Raureif überzogen und etwas später lag sogar Schnee auf den Feldern. Die Sonne schien von einem wolkenlosen hellblauen Himmel, wie er nur im Winter sein konnte. Einmal sah sie sogar vier Rehe an einem Waldrand und sie kam sich wieder vor als wäre sie wieder zehnjährig. Keinen Augenblick konnte sie ihren Blick vom Fenster wenden, während Max friedlich zu ihren Füssen schlief. Nun kam das Umsteigen in Hollup. Und dann kam sie in Fayland an. Es war erstaunlich. Alles war noch genauso wie damals. Nur dass diesmal alles mit Schnee bedeckt war. Das Kopfsteinpflaster war rutschig und ihre Schuhe nicht geeignet für den Schnee. Da sie keine anderen dabei hatte, würde sie wohl oder übel die nächsten Tage mit diesen zurechtkommen müssen. Den einzigen Unterschied, den sie ausmachen konnte war, dass ihr diesmal die Distanzen kürzer vorkamen als damals. Doch alles andere schien unverändert. Das Hotel Cherrytree auf dem Dorfplatz. Das Restaurant Rosegarden in einer Nebengasse. Der Dorfladen, die Metzgerei und die Molkerei, ebenfalls auf dem Dorfplatz. Das Antiquitätengeschäft neben dem Rosegarden. Das Schuh- und Kleidergeschäft, wie auch das Blumengeschäft in einer anderen Nebengasse. Dann waren noch die Schule und daneben eine altmodische Bibliothek, die sich am Ende der Pappelallee befanden. Bevor sie zu ihrem Häuschen ging, spazierte sie alles ab. Es kam ihr unwirklich vor, dass alles noch so war wie in ihren Erinnerungen. Begegnete sie jemandem, wurde sie jeweils freundlich gegrüsst. Auch daran würde sie sich gewöhnen müssen. In Monsend war alles so anonym und die Menschen oft unfreundlich und abweisend. Max hatte sie die ganze Zeit an der Leine gehabt. Obwohl er sehr gut gehorchte, wollte sie nicht, dass er jemanden verärgerte. Aufgeregt schnüffelte er an jeder Ecke und jedem Baum. Als er ein Häufchen machte, las sie es pflichtbewusst auf und entsorgte dann das Säckchen in einem Abfalleimer. Doch ihr fiel auf, dass es hier nirgends Kästen mit den üblichen Hundekotsäckchen gab. Wahrscheinlich wurde hier das Aufnehmen der Häufchen nicht so gross geschrieben. Als sie sich ihrem vielleicht zukünftigen Zuhause näherte, wurde sie immer aufgeregter. Sie hatte Angst, dass genau das nicht mehr ihrer Vorstellung entsprechen würde. Doch als sie davor stand, wurde sie nicht enttäuscht. Die Rosen waren zurückgeschnitten und lagen nun unter einer dicken Schneedecke. Als sie zuerst um das Haus herumging um nach dem hinteren Garten zu sehen, schien dieser ebenfalls noch genauso zu sein wie damals. Nur der Birnenbaum war um einiges gewachsen. Der Anwalt hatte ihr erklärt, dass der Schlüssel auf der Lampe neben der Eingangstüre liegen würde. Als sie danach tastete war er jedoch nicht da. Kurz ergriff sie Panik. Doch dann sah sie, dass er heruntergefallen war und sie hob ihn erleichtert auf. Nachdem sie ihn ins Schloss gesteckt und umgedreht hatte, holte sie noch einmal tief Luft, und öffnete dann langsam die Türe. Bevor sie in das Haus trat, klopfte sie sich gewissenhaft den Schnee von den Schuhen. Es roch zwar abgestanden, aber nicht mehr schimmlig. Zudem war es angenehm warm. Als sie den Lichtschalter betätigte und das Haus in hellem Licht erstrahlte, fühlte sie sich wieder in ihre Kindheit versetzt. Nichts schien sich verändert zu haben. Im Eingangsbereich war immer noch die Garderobe mit einigen Kleiderbügeln, darunter die Ablage für die Schuhe. An einem Kleiderbügel hing noch ein brauner Wintermantel ihrer Tante und darunter schwarze schwere Winterstiefel. Einen Augenblick fühlte sie sich wie einen Eindringling und hatte Angst, ihre Tante könnte jeden Moment erscheinen und sie fragen, was sie hier zu suchen hätte. Doch es blieb ruhig im Haus und so zog sie den Mantel sowie die Schuhe aus, hängte den Mantel neben der ihrer Tante auf einen Kleiderbügel und stellte die Schuhe darunter. Dann stellte sie ihre Tasche ab, band Max los und machte sich auf Socken auf Erkundigungstour durch das Haus. Zuerst blickte sie in die Küche, die tadellos aufgeräumt war und scheinbar erst kürzlich modernisiert worden war. Das Wohnzimmer sah noch aus wie früher. Mit klopfendem Herzen öffnete sie die Tür zum Nähzimmer und auch hier war alles noch so, wie sie es in Erinnerung hatte. Kurz stand sie da, und sah sich bereits hier arbeiten. Dann begab sie sich in das obere Stockwerk, wo ebenfalls alles beim Alten war, bis auf das Badezimmer. Das schien ebenfalls renoviert worden zu sein. Als Letztes besah sie den Dachstock. Im Mansardenzimmer standen ein Bett, ein alter zweitüriger Schrank, ein kleines Pult und ein Holzstuhl. Das kleine Badezimmer schien nicht renoviert worden zu sein. Der Abstellraum im Dachstock war überstellt mit allerlei altem Gerümpel und Möbeln, die ihre Dienste schon lange getan hatten. Wieder im ersten Stock, warf sie einen Blick in die Schränke und musste feststellen, dass alle Kleider und Schuhe ihrer Tante noch darin waren. Bei ihrem Rundgang war ihr zudem aufgefallen, dass ausser im Wohnzimmer die Kachelöfen entfernt worden waren, dafür gab es neu eine Zentralheizung. Deshalb roch es auch nicht mehr schimmlig und war so schön trocken und warm. Annes Fazit war schlussendlich, dass alles in einem guten Zustand war, nur eben von einer dicken Staubschicht bedeckt. Wie sie von ihrem Anwalt erfahren hatte, war Tante Hilda vor ihrem Tode kurz im Krankenhaus gewesen und auch dort gestorben. Eine Lungenentzündung hatte zu ihrem Tode geführt, doch scheinbar war sie schon länger vorher krank gewesen. Natürlich hatte sie es deshalb mit dem Putzen in den letzten Tagen ihres Lebens nicht mehr so genau genommen. Doch das war für Anne kein Problem. Sofort machte sie eine Bestandsaufnahme, zupackend wie ihre Art war. Zuerst musste sie entscheiden, was sie behalten wollte und was nicht. Dann würde sie vielleicht kleinere Reparaturen oder Renovationen vornehmen müssen. Schlussendlich würde sie dann entscheiden, was sie neu anschaffen musste. Während sie durch das Haus lief und in Gedanken Möbel, Kleider und Gebrauchsgegenstände aussortierte, schlief Max friedlich auf dem Teppich im Wohnzimmer. Ganz in ihre Arbeit vertieft, bemerkte sie nicht, wie das Wetter umschlug. Plötzlich hörte sie den Wind um das Haus pfeifen und als sie aus dem Fenster in der Küche blickte, sah sie grosse Schneeflocke, die in wildem Treiben durch die Luft gewirbelt wurden. Nun stellte sie fest, dass sie den ganzen Tag noch nichts gegessen hatte und nichts Essbares im Haus hatte. Als Stadtmensch getraute sie sich nun nicht mehr in das Schneetreiben hinaus. Auch für Max hatte sie nichts im Hause und nahm deshalb einen Suppenteller, um ihm wenigstens Wasser hinzustellen. Zufrieden mit der erledigten Arbeit schaute sie auf ihre Liste. Die meisten Möbel würde sie entsorgen und durch neue, modernere ersetzen. Auch die Küche würde sie neu einrichten. Die Bilder an den Wänden würde sie behalten. Es waren Gemälde mit schönen Landschaften, und soweit sie feststellen konnte, Originale. Den Abstellraum im Dachstock würde sie ebenfalls räumen lassen. Zuerst musste sie sich nun informieren, wer so etwas in der Gegend machte. Dann würde sie neue Möbel in Monsend kaufen und diese liefern lassen. Den Rest würde sie selber besorgen und mit einem Umzugswagen herbringen lassen. Nun, da sie hungrig und müde war, setzte sie sich aufs Sofa und stellte fest, dass es keinen Fernseher gab. Den würde sie aus ihrer Wohnung mitnehmen müssen. Als sie auf dem Sofa sass, fielen ihr langsam die Augen zu und schlief schlussendlich ein. Geweckt wurde sie vom aufgeregten Bellen von Max. Dies war untypisch für ihn und sie fuhr erschrocken hoch. Der Nacken und die Schultern taten ihr weh, von der unbequemen Haltung, die sie im Schlafen eingenommen hatte. Verwirrt blickte sie sich um. Im ersten Moment hatte sie keine Ahnung wo sie sich überhaupt befand. Doch dann kam ihr alles wieder in den Sinn und eine tiefe Zufriedenheit erfasste sie. Doch dann rumorte ihr Magen und mit einem Blick auf die grosse Standuhr im Wohnzimmer, stellte sie fest, dass es erst vier Uhr am Morgen war. Da Max immer noch ganz unruhig war und immer wieder bellte und aufgeregt hin und her lief, stand sie auf und schaute aus dem Fenster. Das Schneetreiben hatte aufgehört, doch die Welt vor dem Fenster lag unter einer dicken Schneedecke ruhig und friedlich da. Trotz der frühen Morgenstunde hielt sie nichts mehr zurück. Da ihre Schuhe für dieses Wetter nicht viel taugten, probierte sie die Winterstiefel ihrer Tante. Sie waren ihr zwar ein bisschen zu klein, doch sie behielt sie an, zog sich ihren Mantel über, nahm die Leine, pfiff Max zu sich und verliess mit ihm das Haus. Anne wollte einen Spaziergang zum nahegelegenen See machen. Die Natur war zu dieser Zeit noch so ruhig und der Schnee tauchte die Landschaft in einen silbrigen Schein. Der See war zugefroren und die Welt sah wie verzaubert aus. Ihre Schritte waren die ersten durch den frisch gefallenen Schnee und glücklich sah Anne, wie sie die ersten Spuren in ihrem neuen Leben hinterliess. Nach einem zweistündigen Spaziergang machte sie sich durchfroren auf den Weg zurück ins Dorf. In einer Nebengasse entdeckte sie ein Café das scheinbar bereits geöffnet hatte. Das Café hiess Sarvela und schien neuer zu sein, denn sie konnte sich nicht erinnern, dass es das damals schon gegeben hatte. Sie klopfte sich den Schnee vor der Türe von den Schuhen und trat dann schnell ein. Eine angenehme Wärme empfing sie und liess sie noch intensiver die Kälte spüren, die ihr in den Knochen steckte. Das Café gefiel ihr. Es war gemütlich mit Polstermöbel eingerichtet. Die Tische waren aus Holz und an den Wänden hingen Bilder mit Landschaften. Ähnlich denjenigen, die sie zu Hause hängen hatte. Sie ging vorbei an einer leckeren Auslage von verschiedenen Patisserien, Sandwiches und Broten und setzte sich an einen Tisch am Fenster. Eine Bedienung war nicht zu sehen. Wartend hoffte sie, dass bald jemand kommen würde. Sie war am Verhungern. Nach einer kurzen Weile erschien eine rundliche ältere Frau mit kurzem graumeliertem Haar, welche sich atemlos entschuldigte, dass sie hatte warten müssen. „Sie sind aber ein früher Gast“, meinte sie dann freundlich und blickte auf Max, der sie erwartungsvoll anschaute. Wahrscheinlich erhoffte er sich ein Leckerli von der netten Frau. „Ja, tut mir leid“, entschuldigte sich Anne, obwohl sie nicht so recht wusste, wofür sie sich entschuldigte. „Kann man bei ihnen auch frühstücken?“ „Aber natürlich“, meinte die Bedienung und verschwand hinter der Verkaufstheke, um gleich darauf mit einer Speisekarte zurückzukehren. Sie schlug sie fachmännisch auf der richtigen Seite auf und zeigte Anne das Angebot. Sie wählte ein grosses Frühstück mit Brot, Käse und Fleisch, dazu gab es eine Kanne Kaffee. Das alles würde ihre Lebensgeister wieder wecken. Nachdem das Frühstück gebracht worden war, gab sie verstohlen Max etwas davon ab. Dieser machte sich gierig darüber her. Während sie noch frühstückte trafen nach und nach Dorfbewohner ein, kauften zum Teil nur Brot und Sandwiches an der Verkaufstheke oder kamen ins Café, um ihren Morgenkaffee zu trinken. Alle begrüssten Anne freundliche, schauten sie jedoch auch neugierig an. Es war ungewohnt, dass im Winter Fremde ins Dorf kamen. Die waren zudem auch nie so früh am Morgen unterwegs. Nachdem Anne sich gestärkt und wieder aufgewärmt hatte, sass sie noch eine Weile zufrieden da und sah aus dem Fenster dem Treiben im Dorf zu. Die ersten Schüler spazierten am Café vorbei. Alle mit grossen Schulranzen. Einige hüpfend und plaudernd in Gruppen, andere noch mit Schlaf in den Augen und alleine. Nach einer Weile bezahlte sie die Rechnung und machte sich dann auf, um im Dorf einige Einkäufe zu erledigen. Doch zuvor erkundigte sie sich noch bei der Bedienung, wo sie ihre Möbel entsorgen könnte und welche Handwerker sie ihr empfehlen würde. Als diese erfuhr, dass Anne die neue Besitzerin des Hauses von Hilda Wilson war, wurde ihr Gesichtsausdruck neugierig, aber noch etwas anderes spiegelte sich auf ihrem Gesicht wider, das Anne nicht einordnen konnte. War es Angst? Da die Frau sich sofort vorstellte, machte sie sich weiter kein Gedanken darüber. „Es freut mich sehr, sie kennenzulernen. Mein Name ist Holly Klippwood.