Apokalyptika – Erster Akt: Böse Geister - Tom K. Williams - E-Book

Apokalyptika – Erster Akt: Böse Geister E-Book

Tom K. Williams

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Beschreibung

In einer von nuklearem Feuer verbrannten Welt leben die Menschen wie einst in primitiven Stammesgesellschaften, während das Wissen der Vorzeit im Überlebenskampf verloren ging. Die allgegenwärtige Strahlung – bekannt als böse Geister – fordert unzählige Leben. Auch der junge Stammesmann Tyr fällt ihr zum Opfer und muss um sein Leben und seinen Platz in der Sippe fürchten. Sollte er verbannt werden, droht ihm ein Leben in der verstrahlten Ödnis.

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Kurzbeschreibung:

In einer von nuklearem Feuer verbrannten Welt leben die Menschen wie einst in primitiven Stammesgesellschaften, während das Wissen der Vorzeit im Überlebenskampf verloren ging. Die allgegenwärtige Strahlung – bekannt als böse Geister – fordert unzählige Leben. Auch der junge Stammesmann Tyr fällt ihr zum Opfer und muss um sein Leben und seinen Platz in der Sippe fürchten. Sollte er verbannt werden, droht ihm ein Leben in der verstrahlten Ödnis.

Tom K. Williams

Apokalyptika 

Erster Akt: Böse Geister

Edel Elements

Edel Elements

Ein Verlag der Edel Germany GmbH

© 2017 Edel Germany GmbH Neumühlen 17, 22763 Hamburg

www.edel.com

Copyright © 2017 by Tom K. Williams

Dieses Werk wurde vermittelt durch die Verlagsagentur Lianne Kolf

Lektorat: Raiko Oldenettel

Korrektorat: Lennart Petersen

Covergestaltung: Marie Wölk, Wolkenart

Konvertierung: Datagrafix

Alle Rechte vorbehalten. All rights reserved. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des jeweiligen Rechteinhabers wiedergegeben werden.

ISBN: 978-3-95530-918-3

www.facebook.com/EdelElements/

www.edelelements.de/

Inhalt

Prolog

Erster Akt

I. Böse Geister

II. Die Jagd

III. Fremde im Land

Prolog

Unscheinbar schob sich die Sonne über den grauen Horizont, dessen Anblick durch Häuserruinen wie von Lanzen gespickt war. Vielleicht war einst eine römische Legionskohorte durch eben diese Gegend gezogen, präzise wie ein Uhrwerk in Reih und Glied marschierend. Wie eine Schlange aus Stahl und Fleisch, mit vielen schlagenden Herzen, doch mit nur einem Willen. Das Ziel vor Augen und den Takt in den Ohren.

Doch diese Zeiten waren längst vergangen und die Erde, die damals die Schritte hunderter marschierender Füße erduldet hatte, lag nun unter Metern von Asphalt und Schutt begraben. Sie erinnerte sich nicht mehr ihrer Last.

Auch die Luft, die fortwährend von schwerem Staub getränkt war, hatte spätere Zeiten vergessen, wo Tausende von hektischen Menschen durch die Straßen zogen, gehetzt von Terminen und den Plackereien des Alltags. In ständiger Alarmbereitschaft, überwacht von ihren Kommunikationsmitteln, die sie wie geliebte Wesen an ihre Köpfe schmiegten, selbst wenn der Ausdruck ihrer Gesichter diese Haltung oft Lügen schalt. Die Heere der verzweifelten Individuen, die das Leben einer wohlbehüteten Konsumgesellschaft genossen wie ertrugen, waren verschwunden. Die Verlorenen, die Ausgegrenzten, die in dunklen Gassen ihr Dasein fristen mussten und auf die Güte der Anderen angewiesen waren – verschwunden wie die reichen Herren, deren Schuhe mehr Wert besaßen als der gesamte Besitz eines Niederen. Die Werte und Kultur dieser Menschen waren nahezu ausgelöscht. Wie vom harten Untergrund verschluckt, den sie selbst so erschaffen hatten. Tatsächlich war dies keine irrige Annahme, denn ihre alten Knochen durchzogen die Untiefen des Ortes wie Insekten einen Bernstein. Wenn man den Blick schweifen ließ, konnte man vereinzelt menschliche Schädel oder Ellenknochen aus den ergrauten Trümmern ragen sehen, blankgeschliffen von Stürmen und der Zeit.

Doch war nicht alles Leben erloschen. Obgleich der von Menschenhand gezündete Funke gewütet hatte wie es die Offenbarung im großen Buch der Christenheit beschrieb, noch Tage danach weiße Asche vom Himmel fiel und die Sonne verdunkelte als gäbe es keinen Morgen mehr, klammerte es sich an diese Welt wie ein Ertrinkender an ein Stück Treibholz.

„Wenn das Licht von tausend Sonnen mit einem Mal den Himmel flutet, das wäre gleich dem Glanze des Herrlichen – und ich wurde der Tod, Zerschmetterer der Welten.“ J. Robert Oppenheimer

Erster Akt

I. Böse Geister

Durch die moosbewachsenen Häuserschluchten fegte ein kalter Hauch, der Tyr die Tränen in die Augen trieb und sein Gesicht wie Leder verhärtete. Der kleine Junge wickelte sich fester in seinen staubigen Mantel, der einst ein wertvoller Perserteppich gewesen sein mochte. Doch er war nur noch ein Schatten seiner verblichenen Schönheit, denn weder Farbe noch Muster ließen sich mit Bestimmtheit erkennen. Der Junge selbst schien nicht in der Blüte seiner Gesundheit zu stehen. Er wirkte abgewetzt wie der wärmende Stoff, den er um die Schultern trug. Nur in seinen Augen spielte jener kindliche Glanz, der einen Erwachsenen kurz die Last des Lebens vergessen macht. Flink folgten sie etwas, das dem Kleinen nicht vertraut war. Schon seit einiger Zeit verfolgte er dieses Ding, das ihn magisch in seinen Bann zog.

Eben in diesem Moment entdeckte er es erneut. Auf die Knie sinkend, ließ er nicht jene merkwürdige Kreatur aus den Augen, die vor ihm über die schroffen Felsen balancierte. Eine Eidechse mit merkwürdiger Färbung. Rot und schwarz, ähnlich den ausgebrannten Autowracks am Straßenrand, aber lange nicht so abgenagt und starr.

Tyrs kleine Hände näherten sich dem unbekannten Geschöpf. Da keckerte es wild auf und verkroch sich blitzschnell unter dem Geröll. Der Junge fiel nach hinten und landete auf einer rostigen Parkbank, die auf der Lehne liegend ihren alten Dienst nicht mehr erfüllte.

Da saß er nun, umgeben von dem, was einst Madrid gewesen war. Er war sich dessen nicht bewusst. Seine Eltern nannten diesen Ort Madras.

Plötzlich erklangen hinter ihm Rufe. Eine Stimme verlangte nach ihm, sie war ihm vertraut wie keine andere. Es war die seiner Mutter. Normalerweise wohlklingend, doch in diesem Augenblick von Wut oder Angst verstümmelt, was Tyr kein bisschen behagte. Er ahnte, was ihn erwartete. Denn er wusste, dass er nicht fortlaufen durfte, ins Tal hinab. In die Trümmerfelder, in die Häuserschluchten der Calle de Alcalá. Denn dort wohnten die bösen Geister.

Tyr sprang über die Felsen auf den rissigen Asphalt und rannte los. Über eine Kreuzung, an einem ausgetrockneten Brunnen vorbei. Die Kälte kroch ihm zwar tief in die Glieder, doch die Furcht trieb ihn weiter. Man würde nicht nett mit ihm umgehen, denn man hatte Angst um ihn, mehr als er selbst. Er wusste aus Erfahrung: Ihre Angst konnte sich schnell in Zorn verwandeln. Er hatte keine Lust, das abermals erfahren zu müssen. Also presste er seinen schmalen Leib durch ein Kellerfenster und verschwand im Dunkeln, das ihn ganz in sich aufnahm. Er wurde eins mit den Schatten, unsichtbar für jedermann. Dort fühlte er sich sicher, zumindest vor den Blicken der Alten. Und die Geister kümmerten ihn nur wenig.

Die Stimme seiner Mutter kam immer näher.

„Tyr!“, rief sie seinen Namen. Dann etwas, das er nicht verstand, nicht verstehen wollte. Sein Innerstes schottete sich nach außen ab. Er schloss die Augen, unterdrückte seine Atmung und hielt sich die Ohren zu.

Er liebte seine Mutter und wäre gerne zu ihr gegangen, wäre da nicht Vergil gewesen. Der große, grimmige Vergil. Er machte Tyr Angst. Und er hatte das Sagen, egal worum es ging. Er würde ihn für den Ungehorsam bestrafen. Dabei fühlte Tyr sich unschuldig. Er war nur diesem interessanten Geschöpf gefolgt und hatte darüber hinaus Zeit und Ort vergessen. Konnte man ihm das zum Vorwurf machen?

Ob man es konnte oder nicht, war unbedeutend. Vergil würde es mit Sicherheit tun. Er würde laut brüllen, ihn schlagen oder sonst eine Scheußlichkeit mit ihm anstellen. Seine Mutter würde weinend danebenstehen, denn sie musste dem Häuptling der Sippe Folge leisten. Wäre nur sein Vater noch am Leben gewesen, er hätte es nicht geduldet. Aber er war fort, länger schon als Tyr zurückdenken konnte. In der Ferne hörte er ein Tier aufbellen. Nach einer Weile reckte Tyr seinen Hals aus dem Loch und blickte verstohlen auf die staubige Straße hinaus. Der Wind pfiff eine schaurige Melodie, seine Instrumente waren die brüchigen Ruinen ringsumher. Niemand war zu sehen. Keine Bewegung, nur eine vergilbte Plastiktüte, die vom eisigen Wind durch die Straßen getragen wurde.

Plötzlich packte ihn eine Hand am Kragen und zog ihn empor. Als er seinen Blick nach oben richtete, sah er in die stahlblaue Iris des einäugigen Vergils. Diese zeigte keinen Ausdruck von Freude, auch nicht von Zorn. Vergil blickte durch ihn hindurch, wie es die Frauen in Tyrs Sippe mit einem erlegten Vogel taten, wenn sie diesem die Federn rupften. Er war nicht viel mehr als ein Gegenstand in seinen Augen.

Tyr fühlte sein Herz im Halse hämmern, die Angst seinen Rücken herunterkriechen. Der Mann packte ihn fester und drückte ihm damit fast die Luft ab. Endlich kam die Mutter heran und schlug Vergil gegen die Schulter. Sie zeterte und forderte, er möge aufhören. Aber er reagierte nicht. Dann wurde die Welt um Tyr herum schwarz und klanglos.

Als Tyr wieder erwachte, lag er auf einer alten Matratze, umgeben vom bekannten Zwielicht seines unterirdischen Zuhauses. Die wohlschmeckende, heimatliche Luft beruhigte ihn mit ihrer erdigen Schwere. In diesem künstlich angelegten Höhlensystem hatte er sein ganzes bisheriges Leben verbracht, hier wohnte er mit seiner Mutter und den anderen Alten sowie deren Kindern. Er wusste nicht, warum sie unter der Erde wohnten wie die Hasen. Sie taten es einfach.

Als er diesen Vergleich einmal laut geäußert hatte, war ihm dies mit vielen bösen Blicken und einer Tracht Prügel vergolten worden. Nur sein Onkel Donar hatte laut gelacht. Die Alten mochten es nicht, wenn man sie als Tiere bezeichnete, sie mit ihnen verglich. Vor allem Vergil. Bei Wotans leerer Augenhöhle, wie sein Onkel gern fluchte, Tyr hasste den Häuptling seiner Sippe wie die bösen Geister das Leben.

Ein jäh aufflammender Schmerz riss ihn aus seinen Gedanken. Eine metallene Feder in der Matratze drückte sich ihm in den Rücken und zwang ihn, sich umzudrehen. Da schoss ihm urplötzlich eine noch furchtbarere Pein in die Seite. Er biss die Zähne aufeinander, dass sein Kiefer steif wurde. Der unterdrückte Schrei schnürte ihm den Hals zu. Panisch riss er sich die Decke vom Körper und sah an sich herab. Auf seinem nackten, schmächtigen Oberkörper prangten schwarze, wässrige Flecken. Ihr Anblick war abscheulich und als er sie berührte, brannten sie wie Benzin.

Tyr begann zu schluchzen, zu schreien, er rief nach seiner Mutter. Sie stand bereits in der Pforte und kam zu ihm geeilt. In ihren Augen lag ein mitleidsvoller, besorgter Ausdruck. Sie legte sich den Zeigefinger auf den Mund und zischte: „Sei still, Tyr, sei still!“ Doch es half nichts. Er war zu jung und aufgeregt, um sich zu beruhigen. Erst als er schwere Stiefelschritte vernahm, verstummte er wider seine Natur. Tyr presste die Lider zusammen, denn er wusste, wer kommen würde. Er biss sich auf die Lippen, um jedem Geräusch, das seinen Rachen verlassen wollte, sofort Einhalt zu gebieten. Zu spät. Vergil war bereits herangekommen.

Sein Gesicht sprach Bände über das, was in seinem Kopf vorging und bewies erneut, wieso er Tyrs persönlicher Schrecken war. Vergil hasste den Jungen, das hatte er schon immer getan. „Sag deinem Bengel, dass er selbst schuld ist! Los, sag es ihm!“

„Aber er ist doch noch ein Kind!“ In den Augen der Mutter standen Tränen.

„Niemand darf in die Verbotene Zone! Dort lauern die bösen Geister. Sie durchdringen die Haut und verbrennen sie. Hast du ihm das nicht gesagt?“

Die Frau schlug die Hände vor dem Gesicht zusammen und schluchzte bitterlich. Die Miene des Mannes hätte anklagender nicht sein können. Tyr wäre seiner Mutter gerne zur Hilfe gekommen, aber er fürchtete Vergil. Als Häuptling ihrer Sippe durfte man ihm nicht widersprechen, nicht einmal die anderen Erwachsenen taten es.

Der große, breitschultrige Mann mit dem eingefallenen Gesicht beugte sich nun zu ihm herunter und sah ihm stechend in die vom Schmerz wässrigen Augen.

„Du darfst niemals wieder da hinaus! Verstehst du mich? Niemals wieder!“

Das Brüllen dröhnte Tyr in den Ohren. Er ekelte sich vor den Speichelfäden, die sich in Vergils Mundwinkeln sammelten, wenn er schrie. Und er beobachtete wachsam die breiten Hände, die ihn schon so manches Mal gestraft hatten. Diesmal schienen sie seine Wangen nicht streifen zu wollen.

Die Mutter legte ihre Hand auf Tyrs Kopf und kraulte ihn. Aber es tat ihm nicht gut. Seine Haut fühlte sich dünn und gespannt an, als könnte sie jeden Augenblick einreißen.

Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, sprang Vergil wieder auf und stürmte davon. Die Mutter sah ihm lange nach, selbst dann noch, als der Vorhang wieder zugefallen war und die Schritte an den lehmigen Wänden verhallt waren. Dann wandte sie ihr faltiges Gesicht Tyr zu. Ihre Hand wanderte über seine Augen und die Wangen.

„Geht es dir gut?“, fragte sie mit brüchiger Stimme, obgleich sie die Antwort in den Augen des Jungen lesen konnte. Er schüttelte leicht den Kopf.

Sie wusste, was mit ihrem Sohn passieren würde. Tyr konnte es ihr ansehen. Wenn die unsichtbaren Geister in den Körper fuhren und das Fleisch schwarz färbten, starb man früher oder später einen langsamen, von schrecklichen Schmerzen begleiteten Tod. Die Mutter selbst konnte, den Schmerz ihrer eigenen Geisterwunden nur mit Mühe unterdrückend, ein Lächeln für ihren Jungen aufrechterhalten. Doch anders als ihr Sohn war sie nur kurz den Geistern ausgesetzt gewesen. An Tyr hatten sie vielleicht für Stunden genagt. Sie zerstörten seinen Körper, ohne Rettung, ohne Hoffnung auf Heilung.

„Wieso bist du in die Verbotene Zone gegangen? Du weißt, was mit deinem Vater passiert ist?“

Ja, Tyr kannte die Geschichte seines Vaters. Die anderen Alten behaupteten, dass er verrückt geworden wäre. Dass er sich eingebildet hätte, die bösen Geister mit einem Speer töten zu können. Und dass er nie wieder zurückgekehrt sei.

Ein tiefer Seufzer entfuhr der Brust seiner Mutter. Sie küsste seine Stirn. Dann löste sie sich von ihm. Seine Augen folgten ihrem Schatten, der an der Wand kleiner und kleiner wurde, durch einen Spalt im Vorhang.

Mit sich allein gelassen, sah er wieder auf seine Brust. Das verkrustete Schwarz war mit einer schleimigen Schicht bedeckt, die das Licht schimmernd zurückwarf. Wie die Haut des seltsamen Tieres in der Calle de Alcalá. Tyr krümmte sich und gurgelte die wüstesten Flüche, die ihm die älteren Kinder gelehrt hatten. Er konnte noch nicht einmal mehr schreien, so sehr brannten seine Eingeweide.