Arbeit -  - E-Book

Arbeit E-Book

0,0

Beschreibung

Heft 3/24 geht den Bedeutungen von Arbeit, der Balance von Arbeitszeit und arbeitsfreier Zeit, von Familienzeit und Sorgearbeit, von Muße und Aktivität nach und stellt deren Neuverhandlung stets unter den hohen, in der Enzyklika Laborem exercens formulierten Anspruch, dass der Mensch sich in der Arbeit "selbst als Mensch verwirklicht" und "gewissermaßen mehr Mensch" wird.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern

Seitenzahl: 250

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhalt

Schwerpunktthema Arbeit

Editorial

Christian Spieß

Theologien der Arbeit. Über die Vielfalt theologischer und theologisch-ethischer Zugänge zum menschlichen Tätigsein

Katja Winkler

Jenseits der Entfremdung. Kritisch-zeitgenössische Theologie der Arbeit

Ansgar Kreutzer

Wie verändert sich Erwerbsarbeit in der spätkapitalistischen Gesellschaft? Bleibende und neue sozialethische Herausforderungen

Michael Schäfers

Erwerbsarbeit als Herausforderung für die Kirche. Auftrag und Praxis der Katholischen Arbeitnehmer:innen Bewegung Österreich

Anna Wall-Strasser

Mensch und Arbeit. Betriebsseelsorge und Katholische Arbeitnehmer:innen Bewegung als kirchliches Praxisfeld

Michaela Pröstler-Zopf

„Gesegnet, wer seine Arbeit gefunden hat!“ Historische und systematische Anmerkungen zum beruflichen Selbstverständnis Sozialer Arbeit

Axel Bohmeyer

Abhandlungen

Die Signation. Im Pascha-Mysterium errettet

Martin Kammerer

Was ich in Rom sah und hörte – und was ich davon lern(t)e

Klara-Antonia Csiszar

Literatur

Das aktuelle theologische Buch

Martina Resch

Besprechungen

Ausgewählte Neuerscheinungen

Impressum

Liebe Leserin, lieber Leser!

Erwerbsarbeit gehört zu den konstitutiven Themen der Soziallehre der Kirche. Ohne Arbeit ist die katholische Soziallehre nicht denkbar. Die erste Sozialenzyklika „Rerum novarum“ (1891) wurde stets auch als „Arbeiterenzyklika“ bezeichnet, wenngleich sie aus heutiger Sicht ideengeschichtlich eher wirtschaftsliberale Akzente setzte. Aber ihr Ausgangspunkt war das Elend der Masse der Arbeiter – der abhängig Beschäftigten –, das „zum Himmel schreit“. Dieses Elend war die Soziale Frage, die für die Kirche überhaupt erst Anlass war, eine systematische Soziallehre zu entwickeln. Auf ein sozialwissenschaftlich und normativ neues Niveau stellten dann Jesuiten um Oswald von Nell-Breuning SJ die katholische Reflexion über Erwerbsarbeit in der Enzyklika „Quadragesimo anno“ (1931). Aus der französischen Soziologie wurde die Idee der Beschreibung moderner Gesellschaften als Arbeitsteilung übernommen; Begriffe wie Solidarität und soziale Gerechtigkeit konnten entwickelt und mit der rechtlichen Gestaltung der Erwerbsarbeit verbunden werden. Das bedeutete ein Bekenntnis zur Koalitionsfreiheit (also dem Recht, sich zu Gewerkschaften zusammenzuschließen) und letztlich bereits den „Vorrang der Arbeit vor dem Kapital“. Dieses Motiv, das darauf hinausläuft, dass die Interessen und die Würde des Menschen im ökonomischen Prozess immer im Mittelpunkt stehen müssen, wurde später variiert. Und mit „Laborem exercens“ (1981) bekam die Erwerbsarbeit auch ihre eigene große Enzyklika – mit so überaus starken Formulierungen, wie jener, nach der der Mensch durch die Arbeit „gewissermaßen mehr Mensch“ werde.

Auch wenn mehrere Autor:innen dieses Heftes die zentralen Motive einer katholischen Sozialethik der Erwerbsarbeit aufgreifen, stellt sich natürlich die Frage, über welche Schlagkraft diese Motive in säkularisierten Gesellschaften noch verfügen. Manches wird seine Zeit gehabt haben, anderes besitzt nach wie vor große Aktualität.

Katja Winkler, Sozialethikerin in Linz, skizziert mit Theologien der Arbeit unterschiedliche theologische Zugänge zur Arbeit, die in der christlichen Tradition nebeneinander bestehen. Ansgar Kreutzer, Systematischer Theologe in Gießen, lotet Arbeit und Muße im Spannungsfeld von gesellschaftlichen Erwartungen und theologischen Reflexionen aus. Mit einem geschulten Blick auf die Praxis einerseits und arbeitsethischer Expertise andererseits setzt sich Michael Schäfers, Referent für Politik und Strategie bei der Katholischen Arbeitnehmer-Bewegung Deutschlands, mit Phänomenen der sich verändernden Arbeitswelt auseinander. Anna Wall-Strasser wiederum, Bundesvorsitzende der Katholischen Arbeitnehmer:innen Bewegung Österreich, fragt noch einmal in besonderer Weise nach der Herausforderung von Erwerbsarbeit für die Kirche. Unmittelbar in die Praxis geht Michael Pröstler-Zopf, Abteilungsleiterin der Betriebsseelsorge und Leiterin des Teams mensch & arbeit, mit ihrem Erfahrungsbericht aus der Diözese Linz. Das Feld der Sozialen Arbeit als (Erwerbs-)Arbeit erörtert Axel Bohmeyer, Sozialethiker und Erziehungswissenschaftler in Berlin – ein Arbeitsbereich, der, wie Bohmeyer zeigt, unter anderem starke Bezüge zur christlichen Tradition aufweist.

Welche Szenarien der Arbeit erwarten uns? Wird es zunehmend Arbeitszeitverkürzungen geben – oder werden wegen des Fachkräftemangels eher neue Forderungen nach einer Ausweitung der Arbeitszeit auf uns zukommen? Wird der Druck auf Teilzeitbeschäftigte steigen, ganze Stellen anzunehmen, oder wird Jobsharing zu einem Normalarbeitsmodell neben der Vollzeitbeschäftigung? Wird die räumliche Entgrenzung der Arbeit, die mit der Corona-Pandemie einen Schub erhalten hat, weitergehen, oder werden die Vor-Ort-Arbeitsplätze wieder ganz zum Normalfall? Und nicht zuletzt: Wie werden wir Care-Arbeit organisieren? Wird sie weiterhin – bezahlt oder unbezahlt – vor allem von Frauen geleistet werden, oder werden wir neue, faire Formen der Verteilung von Pflege und Erziehung finden? Und wie wird sich das auf die Erwerbsarbeit insgesamt auswirken?

Zwei freie Beiträge runden das Heft ab. Martin Kammerer, Benediktinermönch am Wiener Schottenstift, setzt sich in einem liturgie- und sakramententheologischen Beitrag mit der Signation auseinander. Und Klara-Antonia Csiszar, Pastoraltheologin an der Katholischen Privat-Universität Linz, teilt unter dem Titel „Was ich in Rom sah und hörte – und was ich davon lern(t)e“ ihre Erfahrungen auf der Weltsynode in Rom.

Am 21. Februar 2024 ist der langjährige Mitherausgeber der Theologisch-praktischen Quartalschrift Ferdinand Reisinger, Augustiner-Chorherr von St. Florian und emeritierter Professor für Gesellschaftslehre an der KU Linz, verstorben. Die Auseinandersetzung mit Arbeit und Erwerbsarbeit war ihm immer ein großes Anliegen. Das vorliegende Heft der ThPQ, in dem wichtige Motive der katholischen Soziallehre zur Arbeit eine so zentrale Rolle spielen und Akteur:innen der kirchlichen Praxis mit ihrer Expertise und ihren Erfahrungen präsent sind, hätte ihm bestimmt große Freude bereitet. So bewahren wir ihm mit dem Heft „Arbeit“ ein ehrendes Andenken.

Liebe Leserinnen und Leser der ThPQ,

wir wünschen Ihnen eine anregende Lektüre, vielleicht mit der Wiederentdeckung bereits bekannter Motive, vielleicht mit der Entdeckung neuer Ideen und Zusammenhänge. Da das Thema Arbeit bei den meisten von uns einen großen Stellenwert im eigenen Leben einnimmt (oder eingenommen hat), werden alle ihren je eigenen Zugang zum Thema finden. Und Sie selbst werden auch am besten entscheiden können, ob Sie durch Ihre Arbeit „gewissermaßen mehr Mensch“ geworden sind – oder ob sie Ihre persönliche Erfahrung mit der Erwerbsarbeit nicht doch in prosaischeren Worten beschreiben würden …

Ihr Christian Spieß

Im Namen der Redaktion

Katja Winkler

Theologien der Arbeit

Über die Vielfalt theologischer und theologisch-ethischer Zugänge zum menschlichen Tätigsein

Der Beitrag zeigt, wie sich die im christlichen Kontext des 20. Jahrhunderts elaborierten Funktionen von Arbeit – Selbsterhaltung, Selbstgestaltung und Selbstverwirklichung – in drei Modellen theologischer Reflexion widerspiegeln. Diese Modelle bieten tiefgehende Einblicke in die Bedeutung und das Wesen der Arbeit, indem sie ihre vielschichtigen Aspekte aus theologischer Perspektive beleuchten; verdeutlicht wird das in der Fokussierung auf das Problemfeld Care-Arbeit. Hierbei zeigt sich nicht nur die Relevanz dieser theologischen Ansätze für aktuelle Herausforderungen, sondern auch die Notwendigkeit eines komplementären Zugangs, der Einseitigkeiten überwindet und umfassendere Lösungsansätze ermöglicht. (Redaktion)

„Theologien der Arbeit“ sind im christlichen Kontext ein Phänomen des 20. Jahrhunderts. In den 1950er und 1960er Jahren kam es zur Entwicklung verschiedener Entwürfe, die sich zunächst hauptsächlich auf Industriearbeit bezogen.1 Das Thema Arbeit spielte aber in der katholischen Soziallehre von Beginn an eine zentrale Rolle. Arbeit, genauer gesagt: Erwerbsarbeit, war das Thema der ersten großen Sozialenzyklika „Rerum novarum“ (1891) – und dieser Schwerpunkt wurde über die Jahre fortgeführt und modifiziert; so hält „Laborem exercens“ 1981 die Überzeugung fest, „daß die Arbeit eine fundamentale Dimension menschlicher Existenz auf Erden darstellt“.2

Im Bezugsrahmen von Mensch, Natur und Gesellschaft hat sich im katholisch-theologischen Kontext ein komplexes Verständnis von Arbeit entwickelt, in dem drei Funktionen unterschieden werden: „Selbsterhaltung“ (Naturalfunktion), „Selbstgestaltung“ bzw. „Selbstbestätigung“ (Sozialfunktion) und „Selbstverwirklichung“ beziehungsweise „Selbstdarstellung“ (Personalfunktion).3 In evangelischen Kontexten spricht man entsprechend von „Leben erhalten, Fähigkeiten entfalten und Gemeinschaft stiften“4. Die drei Aspekte dieses klassisch gewordenen Arbeitsverständnisses finden sich in verschiedenen Modellen einer „Theologie der Arbeit“ wieder, und zwar in Form der Zustimmung, aber auch in Form der bewussten und dezidierten Ablehnung.

Drei Modelle, in denen auf eine jeweils spezifische Art und Weise das Thema Arbeit theologisch reflektiert wird, sollen hier schematisch nebeneinandergestellt werden.

1. Theologien der Arbeit: Drei Modelle

Ihre Unterschiedlichkeit resultiert vor allem daraus, dass sie eines der oben genannten Funktionsmerkmale besonders betonen oder ablehnen. So kommen verschiedene Intentionen und Ziele von individueller menschlicher Tätigkeit, aber auch unterschiedliche Vorstellungen von Gesellschaft zum Ausdruck. Die drei Modelle (A, B, C) unterscheiden sich aber auch hinsichtlich ihres Verständnisses von Theologie. Grob gesagt, legen zwei Modelle (B und C) eher eine Theologie zugrunde, die von der pluralen Praxis der Glaubenden, in diesem Fall der Arbeitenden, ausgeht. Ein Modell (A) hingegen geht stärker von theologischen Konzepten und Glaubensinhalten aus, die traditionell vorliegen und mit dem Thema Arbeit in Verbindung gebracht werden können, wie zum Beispiel Schöpfung oder Erlösung. Insofern werden auch verschiedene Bezeichnungen für die theologische Reflexion von Arbeit und Tätigsein verwendet. Die einen würden wohl von „Theologie mit arbeitenden Menschen“5 sprechen und nicht, wie andere, von „Theologie der Arbeit“. Und wieder andere würden mit Francis Schüssler Fiorenza die (politischen) Bedingungen von Arbeit in den Mittelpunkt der theologischen Reflexion stellen: „Statt eine Theologie der Arbeit auszuarbeiten, sollten […] die verschiedenen Bedingungen hervorgehoben werden, die für die theologische Reflexion über Arbeit unerläßlich sind.“6

Die drei im Folgenden beschriebenen Modelle einer „Theologie der Arbeit“ liegen natürlich nie in Reinform vor; sie werden hier konstruiert, um bestimmte zentrale theologische und theologisch-ethische Motive zu verdeutlichen. Mit ihren jeweiligen Eigenarten und Schwerpunkten können die Konzeptionen der verschiedenen Modelle auf ihre je spezifische Weise problemlösend für unterschiedliche Fragen sein, die das Thema Arbeit betreffen. Dazu mehr im letzten Abschnitt, wo mit dem Blick auf das Thema Care-Arbeit die Perspektiven, Motive und Argumentationsweisen der Modelle konkretisiert werden.

1.1. Arbeiten als Tätig- und Schöpferischsein (Modell A)

Hier wird die Personalfunktion der Arbeit fokussiert, also die Selbstverwirklichung und Selbstdarstellung des Menschen. Arbeit wird anthropologisch reflektiert und es wird ihr ein existenzieller Sinn zugeschrieben. Das Ausleben persönlicher Talente und individueller Fähigkeiten und Begabungen im eigenen Tätigsein steht im Mittelpunkt dieser Theologie der Arbeit. Tätigsein als zentrales Mittel der Selbstverwirklichung zu verstehen, heißt annehmen, dass Arbeit dem Leben einen Sinn gibt. Diese These wird theologisch insbesondere mit dem Mitschöpfertum des Menschen als Mitarbeit am Heilsplan Gottes begründet. Als Beispiele für dieses Modell können die Entwürfe von Marie-Dominique Chenu und Dorothee Sölle gelten,7 die ihre Überlegungen zur Selbstverwirklichung durch Tätigsein allerdings durchaus in kritischer Absicht anbringen: Ein theologisch-anthropologisch fundiertes normatives Konzept der Arbeit wird entworfen, das wie eine Positivfolie an konkrete Arbeitsverhältnisse angelegt werden kann, die dadurch wiederum begründet kritisiert werden können. Der Mensch soll mit Blick auf dieses kritische Ideal der Verwirklichung der – von Gott zugesprochenen – Subjektivität durch Tätigsein von „entfremdeter Arbeit“ befreit werden.

So werden beispielsweise in Sölles von der Theologie der Befreiung inspiriertem, emanzipatorischem Ansatz gesellschaftliche Zustände kritisiert, die die Subjektwerdung der Einzelnen verhindern, und es wird nach gesellschaftlichen Kontexten gesucht, die tätige Selbstverwirklichung ermöglichen.8 Der hier verwendete allgemeine und relativ abstrakte Arbeitsbegriff stellt eine theologische Vorgabe dar, in die die gesellschaftliche Arbeitsrealität gewissermaßen eingeordnet wird. Diese Theologie der Arbeit ist also primär darauf ausgerichtet – auch angesichts „entfremdeter Arbeit“ – der Arbeit einen Sinn zu geben, und zwar durch die theologische Anwendung von Glaubensanschauungen auf das Phänomen Arbeit. Entsprechend kritisieren theologische Sozialethiken, die diesem Ansatz folgen, dass bestimmte Formen der Erwerbsarbeit den eigentlichen, nämlich aus starken, zumeist anthropologisch begründeten Idealen abgeleiteten Sinn der Arbeit verfehlen. Für Chenu geht es darum, Arbeit in ihre kosmische und menschliche Funktion und in die Ordnung des Schöpfergottes zurückzusetzen.9 In diesem Modell mit seinem weiten Begriff von Arbeit, der nicht nur Erwerbsarbeit umfasst, wird eine Grundlage gelegt, um über die „Tätigkeitsgesellschaft“ nachzudenken.10

1.2. Arbeit als Mittel zum Zweck (Modell B)

Dabei wird die Naturalfunktion der Arbeit in den Mittelpunkt gestellt, das heißt der Aspekt der Selbsterhaltung. Arbeit wird hauptsächlich als Notwendigkeit zur Sicherung des Lebensunterhalts gesehen, die zum Teil mit großen Härten verbunden ist – mit Mühen, Anstrengungen, Last und Entfremdung. Arbeit steht in diesem Fall der Freizeit diametral gegenüber. Der hier verwendete Arbeitsbegriff ist ein konkreter, der vor allem aus den vielfältigen Realitäten der abhängigen Erwerbsarbeit entwickelt worden ist, und zwar insbesondere im industriellen Kontext der Fabrikarbeit. Dieses Modell findet man in Texten von Friedhelm Hengsbach, wenn er zum Beispiel schreibt, „Selbsterhaltung in Übereinstimmung mit der Natur ist das erste Funktionsmerkmal menschlicher Arbeit“11, oder etwa im Sammelband „Am Ort der Arbeit“12. Letzterer versammelte Anfang der 1980er Jahre Beiträge, die – ausgehend von Aussagen und Beschreibungen von Arbeiter:innen – theologische, insbesondere sozialethische Reflexionen entfalten. Ausgangspunkt sind also Erfahrungen von Arbeitenden, die meistens auch Glaubende sind. Aus diesen Schilderungen, die zum Teil bereits selbst Theologien enthalten, insofern die eigene Praxis der Lohnarbeit als Zentrum des Glaubens interpretiert und reflektiert wird, werden Theologien der Arbeit beziehungsweise Theologien mit arbeitenden Personen entwickelt. Wichtig ist den Vertreter:innen dieses Modells die Wahrnehmung der Pluralität: Wie erleben verschiedene Menschen ihre Arbeit und in welch unterschiedlichen Arbeitsverhältnissen stehen sie?13 Die je spezifischen Erfahrungen und die Vielfalt der Tätigkeiten und Arbeitsbedingungen führt dann auch zu unterschiedlichen theologischen Überlegungen.

Es kristallisiert sich jedoch heraus, dass in den Aussagen der Arbeitenden die Belastung durch Arbeit ein ganz zentraler Punkt ist. Arbeit wird in Kontrast zur Freizeit, die positiv konnotiert ist, gesetzt, obwohl diese Trennlinie sofort wieder brüchig erscheint: Denn die Auswirkungen der Erwerbsarbeit bestimmen die vermeintlich freie Zeit maßgeblich mit, wenn diese zum Beispiel wegen Erschöpfungszuständen oder niedrigem Verdienst gar nicht frei gelebt werden kann. Insofern wird in diesem Modell nicht nur auf den „Segen“, sondern auch auf den „Unsegen der Arbeit“ hingewiesen – und dass Segen und Unsegen durchaus ungleich verteilt sind. Insbesondere richtet sich dieses Modell gegen eine Theologie, die ‚von oben herab‘ Arbeit positiv konstruiert, indem sie die persönlichen Neigungen und Talente und die beruflichen Möglichkeiten miteinander in Verbindung bringt (siehe Modell A). Eine solche theologische Konstruktion könne angesichts von stark belastenden Tätigkeiten in prekären Arbeitsverhältnissen von den Arbeitenden im Grunde nur als zynisch empfunden werden. Um abstrakte Theologien, die zu wissen glauben, was die Arbeit für den Menschen bedeutet, zu überwinden, wird in diesem Modell auf qualitative empirische Forschung gesetzt, mit der die Stimmen der Arbeiter:innen eingefangen und gehört werden sollen.14

1.3. Arbeit als Vertragsverhältnis (Modell C)

Hier wird die Sozialfunktion der Arbeit betont – also ihr gesellschaftlicher Aspekt. Dabei wird Arbeit als Erwerbsarbeit in den Mittelpunkt gestellt, weil, so die Ausgangsthese, Erwerbsarbeitsverhältnisse die sozial-strukturellen Bedingungen sind, die über individuelle Lebenschancen und soziale Inklusion entscheiden. Wenn sich der Blick in diesem Modell auf Erwerbsarbeit richtet, heißt das aber nicht, dass es um die Art und Weise der beruflichen Ausübung von Arbeit geht. Mit Arbeit wird vielmehr ein gesellschaftlich geordnetes Vertragsverhältnis bezeichnet, das unsere sozialen Verhältnisse entscheidend prägt und so für die gesamte Gesellschaftsorganisation wesentlich ist.15 Dieses Modell kann mit Beiträgen aus dem Band „Gesellschaftliche Integration durch Arbeit“ in Verbindung gebracht werden, in dem Nicolai Egloff und Heiner Ludwig etwa angesichts der Diskussionen um Tätigkeits- und Erwerbsarbeitsgesellschaft schreiben, es sei „angemessener […], von einem Formwandel innerhalb der Arbeitsgesellschaft zu sprechen, anstatt deren Grundprinzipien generell für obsolet zu erklären“.16 Entsprechend ist die Frage, welche Tätigkeit Arbeitende faktisch ausüben, in der Logik dieses Modells zunächst einmal gar nicht relevant. Es geht vielmehr um gesellschaftliche Strukturen, die sich durch Vertragsverhältnisse im Bereich der Erwerbsarbeit herausbilden. Arbeitende Menschen gehören zur Gesellschaft entweder über Einschluss – volle Zugehörigkeit läuft in der Regel über Normalarbeitsverhältnisse, das heißt unbefristete Vollzeitbeschäftigungen mit Sicherheitsgarantien und Rechtsansprüchen – in diese Vertragsverhältnissen oder über Ausschluss von diesen – zum Beispiel durch Arbeitslosigkeit, aber auch durch unbezahlte Sorgearbeit, Teilzeit oder irreguläre Arbeitsverhältnisse, in denen Sicherheiten und Rechtsansprüche fehlen. Alle Erwerbsarbeitsverhältnisse werden als gesellschaftliche Verhältnisse politisch ausgehandelt. Das heißt zum einen, sie sind einem permanenten Wandel unterworfen, und zum anderen, sie können gestaltet werden. Erwerbsarbeit in ihrer Vielfalt ist, im Gegensatz zur Sorgearbeit, somit für soziale Verbünde und deren Reproduktion im Grunde nicht zwingend notwendig. Aber sie ist zentral für die soziale Inklusion, denn Anerkennung und gesellschaftliche Resonanz werden – zumindest hierzulande – über Erwerbsarbeit vermittelt.

Dieses Modell einer „Theologie der Arbeit“ artikuliert mit seiner Konzentration auf soziale Strukturen eine sozialethisch argumentierende politische Kritik und legt konstruktive Vorschläge zum Wandel der (Erwerbsarbeits-)Gesellschaft vor. Hierbei werden vor allem Exklusions- und Inklusionsmechanismen zum Thema, denn obgleich „Erwerbsarbeit eine Bedingung voller gesellschaftlicher Integration ist, ist sie selbst zu einer Ursache der gesellschaftlichen Ausgrenzung geworden“17. Die Beschreibung von Arbeit als Vertragsverhältnis ermöglicht zu erklären, warum mit der Fokussierung auf Erwerbsarbeit eine gewisse Vereinseitigung einhergeht und diese gegenüber anderen menschlichen Tätigkeiten – mit Matthias Möhring-Hesse gesprochen – „überbewertet“ wird.

2. Theologien der Arbeit im Test: das Beispiel Care-Arbeit

Die gesellschaftliche Organisation von Care-Arbeit ist beispielsweise im österreichischen Kontext dadurch gekennzeichnet, dass sie im Wesentlichen im Privaten – und das heißt unbezahlt – und von Frauen geleistet wird. Diese Merkmale werfen Gerechtigkeitsprobleme auf, die in ihrer Verflechtung dazu führen, dass die Debatte um Sorgearbeit zurzeit eine der wichtigsten im politischen und ethischen Bereich ist. Im Folgenden sollen mit Blick auf die Problemlagen im Bereich der Care-Arbeit in aller Kürze die unterschiedlichen Motive, Methoden und Argumentationsmuster, die im Bereich der Theologie der Arbeit ausgearbeitet worden sind, veranschaulicht werden: Welchen Fokus setzen sie und welche Lösungsmöglichkeiten bieten sie an?

2.1. Care-Arbeit im Modell A

Der in diesem Modell entwickelte weite Tätigkeitsbegriff erlaubt es, Sorgearbeit in unterschiedlicher Form als sinnvolle Tätigkeit und als Praxis zur Selbstverwirklichung zu fassen und zu beschreiben. Verwiesen werden kann dabei vor allem darauf, dass Erwerbsarbeit, gemeinwesenbezogene Arbeit sowie Privatarbeit – und dazu zählt ja insbesondere Care-Arbeit – im Sinne der „Triade der Arbeit“ gleichwertig zu behandeln sind. Mit ihrer jeweils spezifischen Eigenart tragen alle zur Selbstentfaltung und Selbstverwirklichung des Menschen bei. Als „Dienst an den Nächsten“ haben sorgende Tätigkeiten im Kontext der Glaubenspraxis sogar einen besonders hohen Stellenwert. Anhand des Motivs der Selbstverwirklichung des Menschen durch Tätigsein kann diese Theologie der Arbeit kritisieren, wenn Personen – zum Beispiel aufgrund ihres Geschlechts – der Zugang zu Tätigkeitsfeldern der Care-Arbeit verwehrt wird. Sie kann aber auch monieren, dass etwa durch prekäre Bedingungen in der Sorgearbeit nicht mehr die Interaktion mit den „nächsten Menschen“ im Mittelpunkt steht.

2.2. Care-Arbeit im Modell B

Weil der Schwerpunkt dieses Modells auf Selbsterhalt beziehungsweise Sicherung des Lebensunterhalts liegt, wird ein entscheidendes Spannungsfeld der Care-Arbeit in den Blick genommen: Einerseits ist Sorgetätigkeit zur Selbsterhaltung jeder Gemeinschaft unabdingbar, andererseits beeinflusst sie die Möglichkeiten von Personen, durch Erwerbsarbeit in angemessener Weise für ihren eigenen Lebensunterhalt zu sorgen. Empirische Studien belegen, dass sich die Geburt von Kindern negativ auf das Einkommen von Frauen auswirkt oder dass diejenigen, die Sorgearbeit übernehmen, häufig einer Doppelbelastung ausgesetzt sind.18 Das Modell kennzeichnet zudem, dass Arbeit immer auch als Last und Mühe verstanden wird. Die ganze Härte der Sorgearbeit zeigt sich besonders deutlich im alien carer model. Dieses bezeichnet den Modus, ja die (bewusste) Strategie, „der Verkopplung von formeller Erwerbstätigkeit und informeller, nicht selten auch ‚illegaler‘ bzw. illegalisierter Sorgetätigkeit. […] Re-Produktionsarbeit wird nun immer häufiger an arbeits- und sozialrechtlich ungeschützte, privaten Herrschaftsverhältnissen unterworfene und staatsbürgerrechtlich handlungsunfähige Arbeitskräfte delegiert, die als billige und willige care-industrielle Reservearmee fungieren.“19 So wird ein System etabliert, in dem Pflegekräfte in prekären und zum Teil ausbeuterischen Verhältnissen arbeiten und extrem belastet sind: „Das zentrale Problem der Live-In-Branche sind die überlangen Arbeitszeiten.“20 Zu problematisieren ist zudem, „dass Live-Ins in der Wohnung einer anderen Person arbeiten und leben. Da sie vom Wohlwollen der Pflegebedürftigen und ihrer Angehörigen abhängig sind, leben sie in einer besonderen Situation der Verletzbarkeit.“21 Dass die Arbeitsumstände „in der Pflege“ von den Arbeitenden als Belastung und Ausbeutung erfahren werden, ist bei Modell B der Ausgangspunkt, um eine notwendige politische Umgestaltung von Care-Arbeit theologisch-sozialethisch zu reflektieren und einzufordern.

2.3. Care-Arbeit im Modell C

Diese Konzeption legt das Augenmerk darauf, dass Care-Arbeit häufig nicht in regulären Erwerbsarbeitsverhältnissen geleistet wird: „Wo und von wem wird nun das re-produziert, was die Produktionstätigkeit der vielen [Erwerbs arbeits-] Marktinkludierten erst am Laufen hält?“22 Die Inklusionsmechanismen einer Gesellschaft sind durch den unterschiedlichen Stellenwert von Erwerbs- und Sorgearbeit bestimmt. So wird zum Beispiel durch die rechtliche Nichtanerkennung bestimmter Tätigkeiten im Care-Bereich systematisch verhindert, dass Personen soziale Anerkennung erlangen, wenn sie beispielsweise in prekären Beschäftigungsverhältnissen stehen – obwohl sie ein großes Maß an Sorgearbeit leisten und damit auch die „Produktionstätigkeit der vielen“ substanziell ermöglichen. Befragungen im Rahmen von Studien zeigen, dass Personen, deren Tätigkeit größtenteils aus Sorgearbeit besteht, sogar selbst an der Erwartung festhalten, aus der Sphäre der Erwerbsarbeit positive Selbstbezüge schöpfen zu können – und eben nicht aus ihren eigenen Care-Tätigkeiten.23

Aus der sozialstrukturellen Bedeutung der Erwerbsarbeit, die in dieser „Theologie der Arbeit“ vorausgesetzt wird, folgen inklusionsethische Überlegungen, die vor allem die Gendergerechtigkeit in den Mittelpunkt stellen. Politische Gestaltung muss Wege suchen, wie die verschiedenen Geschlechter gleichen Zugang zur Erwerbsarbeit haben können. Zugleich sind aber mit Blick auf die „Überbewertung von Erwerbsarbeit“ gesellschaftliche Verhältnisse so zu gestalten, dass Partner:innen ihre Erwerbspartizipation und ihre Beteiligung an der unbezahlten Sorgearbeit egalitär aufteilen können und Alleinerziehenden entsprechend höhere Transferleistungen zukommen.

Gerade mit Blick auf ein Problemfeld wie die Care-Arbeit wird deutlich, dass sich verschiedene Modelle der „Theologie der Arbeit“ zwar auseinanderhalten lassen, sich aber in ihren Problemlösungspotenzialen überlappen – und daher ergänzen können und müssen. Je nach Fragestellung bieten theologische Ansätze in ihrer Pluralität unterschiedliche Argumente, die sich auf Arbeit als gesellschaftliches Thema beziehen. Erst in konkreten Kontexten wird sich zeigen, ob Motive aus den Theologien der Arbeit zur Lösung von Problemen etwas beitragen können, mit denen Akteur:innen im weiten Feld des Arbeitens und Tätigseins konfrontiert sind.

Die Autorin

Katja Winkler, geboren 1975, ist seit 2019 Assistenzprofessorin am Institut für Christliche Sozialwissenschaften der Katholischen Privat-Universität Linz (KU Linz). Studium der Germanistik und katholischen Theologie in Mainz und Innsbruck, 2015 Promotion aus dem Fach Theologische Sozialethik an der Universität Tübingen, 2022 Habilitation an der KU Linz für das Fach Christliche Sozialwissenschaften.

Jüngste Publikationen (Auswahl): Selektive Kontextualisierung als Wirklichkeitskonstruktion. Das Beispiel des postkolonialen Antisemitismus, in: Ethik und Gesellschaft 1 (2024), Thema: „Ge|teilte Wirklichkeiten“, online unter https://doi.org/10.18156/eug-1-2024-art-2 [Abruf: 10.03.2024]; Welche Ethik des Sozialstaates? Der Capabilities Approach und die Suche nach einer Legitimationstheorie des Wohlfahrtsstaates, in: Hermann-Josef Große Kracht / Christian Spieß (Hg.), Wohlfahrtspolitik in Zeiten der Säkularisierung. Analysen und Reflexionen [Karl Gabriel zum 80. Geburtstag], Frankfurt a. M.–New York 2023, 149–169.

Weiterführende Literatur

Elizabeth Anderson, Private Regierung. Wie Arbeitgeber über unser Leben herrschen (und warum wir nicht darüber reden), übers. v. Karin Wördemann, Berlin 2019.

Zurzeit wohl eines der einflussreichsten Bücher, in dem es um die Freiheit und die Rechte von Arbeitnehmer:innen geht. Am US-amerikanischen Beispiel wird deutlich gemacht, dass Arbeitsbedingungen keineswegs Privatsache (der Privatwirtschaft) sein sollten.

Hannah Damm, Steuerung globaler Arbeitsmigration von Gesundheitskräften. Eine christlich-sozialethische Analyse des WHO-Verhaltenskodex (Young Academics: Philosophie 5), Baden-Baden 2023.

Aus Perspektive der theologischen Sozialethik werden zwei höchst aktuelle Themen in ihrer Verknüpfung aufgegriffen: Care-Arbeit und Arbeitsmigration. Im Mittelpunkt steht die Frage, wie eine faire, transparente und nachhaltige internationale Rekrutierung von Fachkräften aussehen kann.

Hans-Jürgen Bieling / Daniel Buhr (Hg.), Europäische Welten in der Krise. Arbeitsbeziehungen und Wohlfahrtsstaaten im Vergleich (International Labour Studies – Internationale Arbeitsstudien 11), Frankfurt a. M.–New York 2015.

Dieser etwas ältere politikwissenschaftliche Sammelband bietet anhand von Länderstudien immer noch einen soliden grundlegenden Überblick über Transformationsprozesse der europäischen Arbeitsmärkte und macht sichtbar, wie sie mit sozialpolitischen Arrangements korrespondieren.

Lukas Lienhart

Leadership aus christlicher Perspektive

Grundlagen – Trennlinien – Mehrwert

288 S., kart., ISBN 978-3-7917-3492-7 · auch als eBook

Der Autor untersucht das Phänomen Leadership aus sozialethischer Sicht. Auf die Grundlagen, welche die humanwissenschaftlichen Zugänge und das Verhältnis zum Management thematisieren, folgen im zweiten Teil Trennlinien. Diese identifizieren »dunkle Seiten«, Prinzipien und Praktiken, die Leadership innerhalb einer Religionsgemeinschaft fördern, ebenso wie den Status quo im katholischen Kontext.

Schließlich werden die Bedeutung für die katholische Soziallehre sowie Elemente eines personenbezogenen Leadership-Modells herausgearbeitet. Ein interessantes Buch zu wertegeleiteter Führungskompetenz!

VERLAG FRIEDRICH PUSTET

www.verlag-pustet.de

1Der einflussreichste Entwurf stammt wohl von Marie-Dominique Chenu, Die Arbeit und der göttliche Kosmos. Versuch einer Theologie der Arbeit, übers. u. eingel. v. Karl Schmitt, Mainz 1956; aus dem politisch-theologischen Spektrum ist der Ansatz von Dorothee Sölle, lieben und arbeiten. Eine Theologie der Schöpfung, Stuttgart 1985 besonders prominent geworden. Sonja Sailer-Pfister, Theologie der Arbeit vor neuen Herausforderungen. Sozialethische Untersuchungen im Anschluß an Marie-Dominique Chenu und Dorothee Sölle (Ethik im theologischen Diskurs 12), Münster 2006 und Ansgar Kreutzer, Politische Theologie für heute. Aktualisierungen und Konkretionen eines theologischen Programms, Freiburg i. Br.–Basel–Wien 2017 (hier bes. 242–283) im katholischen sowie im evangelischen Kontext Torsten Meireis, Tätigkeit und Erfüllung. Protestantische Ethik im Umbruch der Arbeitsgesellschaft, Tübingen 2008 haben das Thema in den 2000er Jahren aufgegriffen und ausführlich in ihren Büchern besprochen und in eigenen Ansätzen aktualisiert.

2Papst Johannes Paul II., Enzyklika Laborem exercens […] über die menschliche Arbeit zum neunzigsten Jahrestag der Enzyklika „Rerum novarum“, Rom 1981, online unter https://www.vatican.va/content/john-paul-ii/de/encyclicals/documents/hf_jp-ii_enc_14091981_laborem-exercens.html [Abruf: 10.03.2024], Nr. 8. Vgl. dazu Bernhard Emunds, Arbeit, IV. Sozialethisch (Version 08.06.2022), in: Staatslexikon (82022), online unter https://www.staatslexikon-online.de/Lexikon/Arbeit [Abruf: 10.03.2024], hier Abschnitt 3 „Arbeit in der römischen Sozialverkündigung“.

3Vgl. Friedhelm Hengsbach, Die Arbeit hat Vorrang. Eine Option Katholischer Soziallehre (Arbeiterbewegung und Kirche 5), Mainz 1982, 40–43.

4Evangelische Kirche in Hessen-Nassau, Arbeitslosigkeit. Eine Herausforderung, in: Christian Gremmels / Franz Segbers (Hg.), Arbeitslosigkeit – Herausforderung der Kirchen. Dokumente, Projekte, Analysen (Gesellschaft und Theologie. Abteilung Sozialethik 11), München–Mainz 1979, 52–66, hier 57.

5Vgl. hierzu Michael Brugger, Der Engel des Herrn auf dem Claas Xerion 5000? Die Theologie der Arbeit nachjustiert zu einer Theologie mit arbeitenden Menschen, online unter https://projekt-arbeitsleben.de/a-blog/Wenn-wir-vom-Glaubenausgehen-reden-wir-besser-ueber-eine-Theologie-mit-arbeitenden-Menschen [Abruf: 10.03.2024].

6Francis Schüssler Fiorenza, Glaube und Praxis. Überlegungen zu katholischen theologischen Auffassungen über die Arbeit, in: Concilium 16 (1980), Heft 1, 51–57, hier 54.

7Vgl. Sonja Sailer-Pfister, Theologie der Arbeit vor neuen Herausforderungen (s. Anm. 1).

8Vgl. Ansgar Kreutzer, Mystik als Widerstand. Das Emanzipationspotenzial von Dorothee Sölles politisch-mystischer Theologie unter den Bedingungen „entgrenzter“ Arbeit, in: Claudia Gärtner / Jan-Hendrik Herbst (Hg.), Kritisch-emanzipatorische Religionspädagogik. Diskurse zwischen Theologie, Pädagogik und Politischer Bildung, Wiesbaden 2020, 273–290.

9Vgl. Karl Schmitt, Einleitung, in: Marie-Dominique Chenu, Die Arbeit und der göttliche Kosmos (s. Anm. 1), 7–40, hier 27–28.

10Vgl. Michael Schäfers, Von der Arbeit zur Tätigkeit. Zeitdiagnosen und Wege wider die Resignation (Zeitdiagnosen 4), Münster–Hamburg–London 2001.

11Friedhelm Hengsbach, Die Arbeit hat Vorrang (s. Anm. 3), 42.

12Vgl. Christian Gremmels / Franz Segbers (Hg.), Am Ort der Arbeit. Berichte und Kommentare. Überlegungen zu einer Theologie der Arbeit (Gesellschaft und Theologie. Abteilung Sozialethik 13), München–Mainz 1981.

13„Es bedarf daher einer genauen Prüfung, von welcher Arbeit Theologen reden, wenn unter ihnen von Arbeit die Rede ist: Handarbeit, Kopfarbeit, Nachtarbeit, Schichtarbeit, Kurzarbeit, Teilzeitarbeit, Fließbandarbeit, Akkordarbeit, Zwangsarbeit, produktive und unproduktive Arbeit, gelernte und ungelernte Arbeit, Erwerbsarbeit und Eigenarbeit […].“ Ebd., 156.

14Dabei wird von verschiedenen Arten von Empirie ausgegangen: klassischerweise von „Arbeiter(auto)biografien“ – ein frühes Beispiel ist Carl Fischer, Denkwürdigkeiten und Erinnerungen eines Arbeiters (Leben und Wissen 2), hg. v. Paul Göhre, Leipzig 1903 (eine Fortsetzung erschien 1904) –, von industriesoziologischen Studien wie z. B. Stéphane Beaud / Michel Pialoux, Die verlorene Zukunft der Arbeiter. Die Peugeot-Werke von Socheaux-Montbéliard (Édition discours 33), übers. v. Martina Wörner u. Axel Eberhardt, Konstanz 2004 oder auch von Untersuchungen, die Erfahrungen und Lebenswirklichkeiten von Arbeitssuchenden offenlegen, etwa schon Marie Jahoda / Paul F. Lazarsfeld / Hans Zeisel, Die Arbeitslosen von Marienthal. Ein soziographischer Versuch über die Wirkungen langdauernder Arbeitslosigkeit. Mit einem Anhang zur Geschichte der Soziographie [1933], Frankfurt a. M. 1975 und als aktuelles Beispiel Hannah Quinz / Jörg Flecker, „Marienthal.reversed“: Wie wirkt eine Arbeitsplatzgarantie für langzeitarbeitslose Menschen im österreichischen Kontext?, in: Wirtschaft und Gesellschaft 49 (2023), Heft 3, 79–104.

15Vgl. Matthias Möhring-Hesse, Erwerbsarbeit überbewertet, in: Ethik und Gesellschaft 2 (2008), Thema: „Rückkehr der Vollbeschäftigung oder Einzug des Grundeinkommens?“, online unter https://doi.org/10.18156/eug-2-2008-art-6 [Abruf: 10.03.2024].

16Nicolai Egloff / Heiner Ludwig, Die Debatte über das Ende der Industriegesellschaft, in: Heiner Ludwig / Karl Gabriel (Hg.), Gesellschaftliche Integration durch Arbeit. Über die Zukunftsfähigkeit sozialkatholischer Traditionen von Arbeit und Demokratie am Ende der Industriegesellschaft (Studien zur christlichen Gesellschaftsethik 2), Münster–Hamburg–London 2000, 15–40, hier 32.

17Matthias Möhring-Hesse, Erwerbsarbeit überbewertet (s. Anm. 15), [18].

18Vgl. Diana Auth / Simone Leiber / Sigrid Leitner, Contestations in coping with elderly care: an intersectional analysis addressing family caregivers in Germany, in: European Journal of Politics and Gender 6 (2023), Heft 2, 222–239.

19Stephan Lessenich, Die Externalisierungsgesellschaft. Ein Internalisierungsversuch, in: Soziologie. Forum der Deutschen Gesellschaft für Soziologie 44 (2015), Heft 1, 22–32, hier 27–28 (Hervorhebung im Original).

20Bernhard Emunds u. a., Gute Arbeit für Live-In-Care. Gestaltungsoptionen für Praxis und Politik (NBI-Positionen 2021/2), hg. v. Oswald von Nell-Breuning Institut, Frankfurt a. M. 2021, online unter https://nbi.sankt-georgen.de/assets/documents/cillas--und_nbi-position-2021_2-live-in-care.pdf [Abruf: 10.03.2024], 1 (Hervorhebung im Original).

21Ebd., 4.

22Stephan Lessenich, Die Externalisierungsgesellschaft (s. Anm. 19), 27.

23Vgl. hierzu Christine Wimbauer / Mona Motakef, Prekäre Arbeit, prekäre Liebe. Über Anerkennung und unsichere Lebensverhältnisse, Frankfurt a. M.–New York 2020, bes. 140–142.

Ansgar Kreutzer

Jenseits der Entfremdung

Kritisch-zeitgenössische Theologie der Arbeit

„Arbeit“ galt in der Theologie lange als Thema der Sozialethik und Soziallehre der Kirche. Mit der Politischen Theologie der 1960er und 1970er Jahre rückte sie in den Fokus der Systematischen Theologie. Der Gießener Systematische Theologe Ansgar Kreutzer zeigt in seinem Beitrag, wie das Thema Arbeit den einschlägigen Deutungen bei Dorothee Sölle und Johann Baptist Metz neue Aktualität verleiht. Mit den Stichworten Muße und Mystik des Soziologen Hartmut Rosa und mit dem Begriff von Zärtlichkeit in der Theologie von Papst Franziskus zeichnet der Autor eine überzeugende Skizze einer zeitgenössischen Theologie der Arbeit. (Redaktion)

1. Einleitung: Politische Theologie der Arbeit für heute

Nachdem es lange Zeit ruhig um sie geworden schien, sind inzwischen Ansatz und Herangehensweisen einer politischen Theologie in den akademischen Betrieb zurückgekehrt.1 Diese Entwicklung sollte nicht überraschen, sind doch die entscheidenden Argumente, Theologie politisch sensibel zu betreiben, gültig geblieben. Auf eher fundamentaltheologischer Ebene hat etwa Johann Baptist Metz zurecht darauf hingewiesen, dass es zur reflexiven Selbstvergewisserung von Theologie und Glaube gehört, sich über ihre immer schon gegebene Verstrickung in gesellschaftliche und politische Zusammenhänge aufzuklären. Insofern muss Theologie ihren „Abschied von gesellschaftlicher und politischer Unschuld“2 nehmen. Zurecht fordert Metz eine „Entprivatisierung der theologischen Begriffswelt, der Verkündigungssprache und der Spiritualität“3. Dieses Programm einer notwendigen Entprivatisierung christlichen Glaubens lässt sich ebenso in dogmatischer Perspektive, mit Blick auf die zentralen Glaubensinhalte, begründen. So „betont Politische Theologie, dass sich die zentralen Verheißungen der neutestamentlichen Reich-Gottes-Botschaft (Freiheit, Friede, Gerechtigkeit, Versöhnung) nicht radikal privatisieren lassen“4. Aus diesem Begründungsprogramm einer politischen Theologie lässt sich eine bestimmte theologische Methode ableiten, die für diesen Beitrag leitend ist: die (gesellschafts)kritische Korrelation von elementaren christlichen Glaubensinhalten mit den jeweils gegenwärtigen sozial und politisch geprägten