Arbeitskommando Sonderbau. Über die Häftlingsbordelle in den nationalsozialistischen Konzentrationslagern - Anne S. Respondek - E-Book

Arbeitskommando Sonderbau. Über die Häftlingsbordelle in den nationalsozialistischen Konzentrationslagern E-Book

Anne S. Respondek

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Beschreibung

Prostitution war im Dritten Reich streng sanktioniert. Ein Blick auf die Konzentrationslager zeigt jedoch die ganze Bigotterie des Hitlerstaats. Denn in seinen Konzentrationslagern wurde er selbst zum Bordellbetreiber. In ihrem Buch setzt Anne Respondek sich mit der Frage auseinander, welche Ziele der Hitlerstaat mit der Einrichtung von Bordellen in Konzentrationslagern verfolgte. Neben einer Untersuchung der historischen Hintergründe stehen bei Respondek aber vor allem die betroffenen Frauen im Mittelpunkt. Für viele von ihnen hatte die Zwangsprostitution auch nach dem Dritten Reich noch Ausgrenzung und Demütigungen zur Folge. Respondek ordnet die Zwangsprostitution im Konzentrationslager in die nationalsozialistische Weltanschauung ein und erläutert die Funktionsweise des Gewaltsystems. Sie erschließt damit eines der dunkelsten Kapitel in der deutschen Geschichte. Aus dem Buch: - Drittes Reich; - Nationalsozialismus; - Konzentrationslager; - Prostitution; - Zwangsprostitution; - Bordell

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Inhaltsverzeichnis

Was

1 Vorwort, Fragestellung und Begrifflichkeiten

2 Verortung der Sonderbauten im nationalsozialistischen Weltbild

2.1 Das NS-Frauenbild und die nationalsozialistische Sexual- und Körperpolitik

2.2 Prostitutionspolitik im Nationalsozialismus

2.3 Sexualität im Gewaltkosmos Konzentrationslager

3 Der Sonderbau

3.1 Prämienverordnung und Motivation der SS

3.2 Bildung und Struktur der KL-Bordelle

4 Die „Bordellinsassinnen“

4.1 Herkunft und soziale Verortung der Frauen: Was ist „asozial“?

4.2 Hierarchie der Lagergesellschaft

4.3 Selektion und Rekrutierung der Frauen und der Mythos der „freiwilligen Meldung“

5 Leben im Sonderbau

5.1 Alltag im Bordell und Bordellbetrieb

5.2 Der Bordellbesuch

5.3 Bewältigungsstrategien und Lebensbedingungen im Sonderbau

5.4 Menschenversuche

6 Die Freier

6.1 Motivation der Häftlingsfreier

6.2 Sichtweisen der Häftlingsfreier auf die Zwangsprostituierten und das Lagerbordell

7 Der Umgang mit den Frauen und dem Thema nach 1945

8 Resümee

Literaturverzeichnis

Was

Was

Soll ich euch schenken

Außer den Lichtblumen

Und Trauerblättern

Meiner Worte

Ich gehöre meinen Worten

1 Vorwort, Fragestellung und Begrifflichkeiten

Die Existenz der Bordelle für die männlichen Häftlinge in den nationalsozialistischen Konzentrationslagern nimmt zeitlich wie räumlich gesehen nur einen kleinen Bereich der Geschichte ein: von Mitte 1942 bis Mai 1945 erbaut, existierten diese Bordelle in insgesamt zehn Konzentrationslagern.[2]

Auf den ersten Blick scheint es ein Gegensatz zu sein, dass im Dritten Reich die („wilde“, d.h. nicht staatlich gelenkte) Prostitution sanktioniert und bestraft wurde, während zugleich gerade in den KL, und nicht nur an diesen Orten, der Staat selbst sich als Bordellbauer und – betreiber betätigte. Zu beleuchten ist, mit welcher Motivation und zu welchem Ziele jene KL-Bordelle erbaut wurden, wie der Bordellbetrieb gestaltet wurde und warum und welche Frauen dafür in Frage kamen, in jene Bordelle überstellt und in ihnen festgehalten zu werden, ebenso, mit welchen Mechanismen der Ausgrenzung einerseits und Selektion andererseits die betroffenen Frauen konfrontiert waren. Dafür ist es nötig, jene erzwungene Prostitution in den Kontext der nationalsozialistischen Weltanschauung und des Gewaltsystems Konzentrationslager zu stellen und in diesem zu verorten. Zugleich soll hinterfragt werden, welche Motivation die Häftlingsfreier für einen Bordellbesuch gehabt haben. Weiterhin ist das Ziel, aufzuzeigen, dass und wie die Ausgrenzung und Demütigung der derart ausgebeuteten Frauen auch nach dem Dritten Reich fortgeführt wurde.

Verwendet wurden für diese Arbeit sowohl Originalquellen, vor allem aus dem Archiv der KZ-Gedenkstätte Dachau, wie auch aktuelle Forschungsliteratur.

Auffallend ist, dass die KL-Bordelle zugleich Stätten der Mystifikation als auch des gesellschaftlichen Tabus waren (und größtenteils noch sind) und dass erst die neuere Forschung sich explizit mit ihnen beschäftigt. Diese Tabuisierung unterliegt mehreren Gründen; zum einen, dass die Thematisierung von Bordellen für die Häftlinge sich nicht in den Opferdiskurs der Nachkriegsgesellschaft einfügte, der sich auf einige wenige markante Orte des Leidens reduzierte, um anschaulich und möglichst symbolisch zu bleiben. Zum zweiten setzte sich die Klassifizierung der in den KL zur Prostitution gezwungenen Frauen als „Asoziale“ auch nach Kriegsende fort; zum dritten unterliegen Menschen, die derartig traumatische Behandlungen erlebt haben, oftmals dem Gefühl der Scham, das sie am Reden zu hindern im Stande ist. Auch die Gedenkstätten der KL verschwiegen das Thema der KL-Bordelle, wie bei Führungen in Buchenwald; in Auschwitz sind Aussagen von Zeitzeugen über das Bordell sogar aus Interviews entfernt worden.[3]

Erst in den 1990iger Jahren begann die Erforschung der KL-Bordelle mit einer Pionierarbeit von Paul und Kassing, die beide über die Hefte der Häftlingsgesellschaften nach ehemaligen Zwangsprostituierten gesucht und diese befragt hatten. 1994 erschien die Monographie„ Zwangsprostitution. Staatlich errichtete Bordelle im Nationalsozialismus“ von Paul; ein Jahr später wurde in der ARD der Film „Das große Schweigen“ von Niemeyer und Tann gezeigt, der sich der Thematik annahm.

Um das Jahr 2000 herum folgte Schikorras „Kontinuitäten der Ausgrenzung“, in der sich mit der Ausgrenzung von „Asozialen“ beschäftigt wird, ebenso mit ihrer Situation im KL, die auch die erzwungene Prostitution beinhaltet.

Nach dem Kosovokrieg erfolgten weiterhin Publikationen, die sich mit sexueller Gewalt im Krieg beschäftigten; diese befassten sich u. a. mit der Frage, inwiefern die serbischen Vergewaltigungslager in Bosnien mit den nationalsozialistischen KL-Bordellen vergleichbar sind.

Ab dem Jahr 2006 erschienen mehrere wissenschaftliche Abhandlungen von Sommer, in denen er die KL-Bordelle vor allem auf ihre Einordnung in das nationalsozialistische System des Terrors hin untersucht. Vor allem die 2009 veröffentlichte Doktorarbeit „Das KZ- Bordell“ ist hier zu nennen. Anlässlich einer Ausstellung in Mauthausen zu diesem Thema erschien ebenso ein relativ umfangreicher Begleitband.

Bezüglich der Thematik der Häftlingsbordelle zeigen sich in den verschiedenen Publikationen differente Begrifflichkeiten, die für diese Arbeit auch zu klären sind. So setze ich Begriffe, die der Terminologie des Nationalsozialismus entlehnt sind, in Anführungszeichen, um Missverständnissen wie dem einer Identifikation mit jener Weltanschauung vorzubeugen. Die Abkürzung des Wortes „Konzentrationslager“ erfolgt in dieser Arbeit durchgehend als „KL“, da dieses Kürzel in der lager- wie auch in der SS- internen und auch in der „zivilen“ Sprache verwendet wurde und nicht, wie es sich allgemein durchgesetzt hat, als „KZ“.

Der Begriff „Sonderbau“ bezog sich im KL auf alle Gebäude, deren Existenz tabuisiert wurde, wie z. B. Krematorien, Gaskammern, aber auch Häftlingsbordelle. Da der offizielle Name des Bordells allerdings „Sonderbaracke“ lautete und das dazugehörige Kommando „Sonderkommando“ bzw. „Arbeitskommando Sonderbau“, bezieht sich in dieser Abhandlung der Begriff „Sonderbau“ immer nur auf die Bordelle, auch, wenn er im Plural verwendet wird. Synonym verwende ich die Begriffe „Häftlingsbordell“, „KL-Bordell“ und „Lagerbordell“, wobei mit beiden letzteren Begriffen im jeweiligen Kontext auch die Bordelle für die ukrainischen Wachmannschaften und die Bordelle für die SS gemeint sein können.

2 Verortung der Sonderbauten im nationalsozialistischen Weltbild

2.1 Das NS-Frauenbild und die nationalsozialistische Sexual- und Körperpolitik

Im patriarchalen, männlich zentrierten System des Nationalsozialismus schrieb man der Frau eine gleichwertige, nicht jedoch gleichartige oder gleichrangige Stellung im Gesellschaftssystem zu. Innerhalb der vielbeschworenen „Volksgemeinschaft“ hatte sie die Rolle der „Hüterin des reinen Blutes“ einzunehmen.

Diese zugeschriebene Funktionalität reduzierte sich jedoch nicht auf ein Mutterdasein, sie gewährte den Frauen auch Handlungs- und Aufstiegschancen innerhalb der NS- Organisationen wie dem BDM, dem Winterhilfswerk, der Nationalsozialistischen Frauenschaft und anderen Verbänden. Im Bereich der Berufstätigkeit schränkte man den weiblichen Teil der Gesellschaft jedoch stark ein und versuchte, ihn vom Arbeitsmarkt zurückzudrängen, u.a. mit dem Verbot des Doppelverdienertums und indem man ihm die Eignung für typisch „weibliche“ Berufe zuschrieb, wie etwa der Krankenschwester, Kindergärtnerin, Lehrerin etc., ihn zugleich jedoch aus anderen Aufgabenkreisen – wie z.B. dem Rechtswesen und Beamtentum – auszuklammern versuchte. Im Laufe des Krieges jedoch wurden Frauen des Arbeitskräftemangels wegen in den kriegswichtigen Fabriken massenhaft zwangsverpflichtet.[4]

Frauenpolitik im Dritten Reich war gleichzusetzen mit Geburtenpolitik, diese wiederum hatte sich dem Kampf gegen „Entartung“ und „Geburtenrückgang“ verschrieben. Die Ehe als

„Keimzelle des Staates“ stand unter besonderem Schutz, zugleich wurden die Bedingungen für ihre Auflösung erleichtert, wenn es rassebiologischen Zwecken dienlich schien. Mit der Einführung des Kindergeldes und zinsfreier Ehestandsdarlehen, deren Rückzahlungssumme pro geborenem Kind um ein Viertel reduziert wurde und welches nur gewährt wurde, wenn aus eugenischer und erbgesundheitliche Sicht der Bindung beider Eheleute nichts im Wege stand und die Frau zudem künftig Zuhause blieb, versuchte der NS-Staat, geburtenorientierte Förderungsmaßnahmen zu schaffen und gleichzeitig Arbeitsmarktpolitik zu betreiben.[5]

Mit weiteren Anordnungen suchte man, den drohenden „Volkstod“ zu verhindern: Frühehen waren erwünscht, der Stigmatisierung unehelicher Kinder wurde entgegengewirkt, Vertrieb von und Aufklärung über Verhütungsmittel wurden unter Strafe gestellt – ebenso wie Abtreibungen. Letzteres allerdings galt nur für „Arierinnen“, während Abtreibungen bei „Gemeinschafts-„ und „Artfremden“ nicht nur stillschweigend geduldet, sondern teils zwangsweise durchgeführt wurden, ebenso wie Zwangsterilisierungen „Minderwertiger“ im Rahmen der Euthanasieprogramme und der eugenischen Maßnahmen – diese bestanden im Wesentlichen aus positiver (d.h. in diesem Sinne der „Aufnordnung“ und „Höherzüchtung“ des Volkes und entsprechenden geburtenpolitischen Maßnahmen sowie des Verbots der „Rassenschande“) sowie negativer Eugenik (d.h. der „Ausmerze“ „Minderwertiger“).[6] Sexualität an sich hatte dem Volkswohl zu dienen[7] und nicht länger Privatangelegenheit zu bleiben, zur Schaffung eines homogenen, fertilen und nordischen Volkskörpers bediente man sich dazu des Zugriffs auf die Körper beider Geschlechter in bisher nicht gekanntem Ausmaß[8]: „Wir finden hier die Ausweitung des Konzepts der weiblichen Minderwertigkeit (…) auf Frauen und Männer mit gesellschaftlichen und sexuellen ´Devianzen´, mit Körper- und Geisteskrankheiten (…). Die Pathologisierung geschlechtlicher und sozialer Abweichungen und deren behauptete Vererblichkeit waren es, was die ´Degeneration des Volkskörpers´ befürchten ließ und Abhilfemaßnahmen an den individuellen Körpern beschwor.“[9]

2.2 Prostitutionspolitik im Nationalsozialismus

Als charakteristisch für patriarchale Systeme kann gelten, dass Frauen der Zugriff und das Selbstbestimmungsrecht auf ihre eigenen Körper verwehrt werden; im Nationalsozialismus vermischte sich dieses Merkmal mit rassistischen Ressentiments. Deutlich wird dies u. a. an einer Prostitutionspolitik, wie sie etwa im Dritten Reich angewandt wurde. In der Tradition frauendiskriminierender Denkarten manifestierte sich dies im bipolaren Frauenbild der entsexualisierten, „reinen“ Mutter einerseits und der „liederlichen“, „triebhaften“ Hure andererseits, wobei beide Imagines ein Zerrbild der Perspektiven männlicher Beobachtungen und Zuschreibungen sind.[10]

Bereits in „Mein Kampf“ widmete Adolf Hitler der Prostitution ein ganzes Kapitel, er bezeichnet diese darin als eine „ Schmach der Menschheit, allein kann man sie nicht beseitigen durch moralische Vorlesungen, frommes Wollen usw., sondern ihre Einschränkung und ihr endlicher Abbau setzen eine Unzahl von Bedingungen voraus. Die erste aber ist und bleibt die Schaffung der Möglichkeit einer der menschlichen Natur entsprechenden frühzeitigen Heirat vor allem des Mannes, denn die Frau ist ja ohnehin nur der passive Teil.“[11]