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Argula von Grumbach, née von Stauff, was Europe's first woman reformer. Like other members of her aristocratic family she was drawn at an early stage into the evangelical movement. Her outrage at the persecution of a young student by the Ingolstadt theologians led her to challenge them to a disputation. The pamphlet embodying this unprecedented intervention went into 16 editions and was followed by seven other pamphlets. She was personally known to Luther, and actively engaged in the Reichstag of Augsburg (1530). She created a network of supporters and founded Lutheran congregations in Franconia. This, the first scholarly biography of this theologically and socially fascinating woman, is based on previously unknown sources.
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Seitenzahl: 385
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Peter Matheson
Argula von Grumbach
Eine Biographie
Vandenhoeck & Ruprecht
Überarbeitete und erweiterte Übersetzung von „Argula von Grumbach (1492–1554/7). A Woman before Her Time.“ Cascade Books, 2013. Mit freundlicher Genehmigung von Wipf & Stock, Eugene, OR, USA.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.
ISBN 978-3-647-99500-7 (EPUB) Weitere Ausgaben und Online-Angebote sind erhältlich unter: www.v-r.de
© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen/Vandenhoeck & Ruprecht LLC, Bristol, CT, U.S.A.www.v-r.de
Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Satz: Konrad Triltsch GmbH, Ochsenfurt
Vorwort
Wie kommt ein Neuseeländer dazu, über eine bayerische Reformatorin zu schreiben? Zufall oder Fügung des Schicksals? Vor einigen Jahren suchte ich in meiner neuseeländischen Bibliothek nach einer Schrift von Luthers radikalem Kollegen Andreas Karlstadt, als ich auf ein aufregendes Gedicht mit diesen Zeilen stieß: „Will ich es gar nit underlassen / Zureden im hauß und auff der strassen.“
Obwohl ich mich schon lange mit Reformationsgeschichte beschäftigt hatte, war mir die Autorin mit dem ungewöhnlichen Namen Argula von Grumbach damals unbekannt. Es stellte sich heraus, dass sie in den frühen 1520er Jahren eine führende Gestalt war, als die Wellen reformatorischer Agitation Bayern erfassten. Ihre Energie, Sprachgewalt und Zivilcourage faszinierten mich, denn mit ihren Schriften überwand sie Hürden, die Frauen jahrhundertelang abgehalten hatten, über Religion, Politik und Erziehung zu reden.
Die stürmischen Jahre der frühen Reformation hatten ihr ein „window of opportunity“ geboten. In dieser Phase konnte sie ihre Stimme erheben, und ihre Überzeugungen veröffentlichen. Ihr Beispiel, das dauerhafte Folgen haben sollte, zeigt, wie viel eine einzelne Person erreichen kann. Die Bedeutung ihres Beitrags zu Kirche und Gesellschaft wird in der letzten Zeit immer deutlicher erkannt.
Forschung ist hauptsächlich Fleißarbeit, aber am allerletzten Tag eines Studienaufenthalts in München, der alten, eleganten Hauptstadt Bayerns, hatte ich erstaunliches Glück. Im Katalog der Staatsbibliothek fand ich einen Hinweis auf eine Sammlung von Dokumenten. Als ich den Codex in Händen hielt, fand ich zu meinem Erstaunen die der Forschung bisher unbekannten handschriftlichen Kopien der ersten zwei Schriften Argula von Grumbachs.
Und noch ein Glücksfall darf erwähnt werden: Viele wertvolle Bücher und Dokumente sind während des Zweiten Weltkrieges verloren gegangen; auch das Exemplar von Luthers bet buchlin (1522), das er eigenhändig „der edlen frawen Hargula von Stauffen tzu Grumpach“ gewidmet hatte, sollte ein „Kriegsverlust“ sein; „auf Hoffnung da nichts zu hoffen war“, wanderte ich in Berlin von Bibliothek zu Bibliothek, bis ich schließlich in einem veralteten Kartenkatalog einen Hinweis fand. Ohne große Erwartungen füllte ich den Bestellschein der Kunstabteilung der Berliner Staatsbibliothek aus. Am nächsten Tag wartete auf mich ein kleines Büchlein im Oktav-Format. Bald hielt ich das Büchlein in den Händen – wie vor fünfhundert Jahren Argula von Grumbach!
Argula von Grumbach kam aus dem bayerischen Hochadel. Diese Ehefrau, Mutter von vier Kindern und eine demütige Christin, fand sich getrungen, sich gegen die Universität, die Kirche, den bayerischen Herzog und sogar gegen ihren eigenen Mann zu stellen. Ihr Schreiben und Handeln inspirierten viele; viele fanden sie aber unsinnig, lächerlich und unverschämt.
Verglichen mit den meisten Frauen ihrer Zeit ist ihr Leben erstaunlich gut dokumentiert, nur stellt die Asymmetrie der Überlieferung ein großes Problem dar. Ihre „innere Welt“ ist für die frühen Jahre gut nachvollziehbar; wie sie später über Religion und Frömmigkeit dachte, ist weniger bekannt. Wir erfahren dafür mehr über ihr tägliches Leben. Ihre Welt war viel härter als die unsere, ohne Anästhesie und Antibiotika.
Diese bayerische Aristokratin kann uns verwirren, befremden, vielleicht auch beängstigen. Aber ihre Integrität, ihr Mut, ihre Vorstellungskraft und Zähigkeit sprechen uns immer noch an, während ihr Widerstand gegen kulturelle und gesellschaftliche Zwänge uns bisweilen den Atem nimmt.
Sie war ein Kind ihrer Zeit, geprägt von den ritterlichen Werten ihrer Familie, von der religiösen Polemik und den gesellschaftlichen Konflikten der frühen Reformation. Sie lebte im 16. Jahrhundert, sah aber die hebräischen Propheten und die neutestamentlichen Apostel als Zeitgenossen an. Bei ihnen fühlte sie sich zu Hause und verband ihre „gefährlichen Erinnerungen“ mit einem visionären Vertrauen auf eine bessere Zukunft für Kirche und Gesellschaft. Ihr Plädoyer für Toleranz und Dialog nimmt viel von dem vorweg, was für uns heute selbstverständlich ist. Fünfhundert Jahre liegen zwischen ihr und uns, doch spricht sie oft unsere Sprache.1
Eine Biographie dreht sich um eine Person, wird aber nie von einer einzigen Person verfasst. Ein Heer von Bibliothekar(inn)en und Archivar(inn)en hat dieses Buch ermöglicht, von der Otago Universität in Neuseeland zu der British Library in London und natürlich Bibliotheken kreuz und quer in Deutschland und in der Schweiz, vor allem die Herzog August Bibliothek in Wolfenbüttel, die Staatsarchive in Würzburg und Amberg, die Bayerische Staatsbibliothek und das Bayerische Hauptstaatsarchiv München, mit besonderem Dank an Dr. Hörner, sowie die Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz Berlin. Prof. Denis Janz und Prof. Elsie McKee haben freundlicherweise eine Fassung des englischen Textes durchgelesen. Prof. Franz Fuchs, Würzburg, und Dr. Uwe Tresp, Berlin, waren äußerst hilfreich. Den Lokalhistorikern in Dietfurt und Zeilitzheim, Franz Kerschensteiner und Hilmar Spiegel, und auch Prof. Jürgen Hoffmann, dessen Ortskenntnisse unübertroffen sind, bin ich zu großem Dank verpflichtet. Elisabeth Spitzenberger, die Heimatpflegerin von Beratzhausen, hat nicht nur die deutsche Fassung des Buches gründlich durchgearbeitet und erheblich verbessert, sondern zahllose neue Einsichten beigetragen und mich auf neue Quellen hingewiesen. In weiten Strecken ist sie die Mitverfasserin dieses Buches. Meiner Partnerin Heinke Sommer-Matheson sage ich herzlichsten Dank für Unterstützung und Nachsicht durch so viele Jahre.
1 Die persönlichen Papiere der Familie Grumbach im Bayerischen Hauptstaatsarchiv sind nicht durchgehend nummeriert; wo die Nummer fehlt wird das Datum angegeben. Der Kürze halber wird Argula von Grumbach meistens einfach Argula genannt.
Inhalt
Vorwort
Abkürzungen
Kapitel 1: Kindheit, Jugend, Ehe
Der Münchener Hof
Argulas Ehe
Politische Spannungen und Hieronymus’ Hinrichtung
Kapitel 2: Haus und Familie
Kapitel 3: Licht und Finsternis
Antiklerikalismus und Apokalyptik
Das Auftreten Luthers
Argula und Luther
Argulas Leben in Dietfurt
Kapitel 4: Zum Widerspruch gezwungen
Die Seehofer-Affäre
Die erste Flugschrift
Wirkung
Kapitel 5: Krisenjahr
Der Brief an Herzog Wilhelm
Die Reaktion
Der Brief an Ingolstadt
Argula und der Reichstag in Nürnberg
Ein aufgebrachter Verwandter
Kapitel 6: Im Kielwasser
Argulas frühe Wirkung
An die von Regenßburg
Zielscheibe des Spottes
Kapitel 7: Verwüstung
Der Bauernkrieg
Verfolgung und Widerstand
Kapitel 8: Zwischen Hoffnung und Verzweiflung
Argula, Martin Luther und der Augsburger Reichstag
Kapitel 9: Ein mühsamer Kampf
Georg, der älteste Sohn
Hans-Jörg
Apollonia
Die zweite Ehe
Finanzielle Probleme
Gottfried
Kapitel 10: Die letzten Jahre
Bernhardins Tod
Gottfried in Wolgast
Schicksalsschlag
Gerichtsprozesse und Krankheit
Veränderungen in der religiösen Landschaft
Kapitel 11: Schlusswort
Ihre Rolle in Gesellschaft und Politik
Argula und die Heilige Schrift
Argulas Theologie
Tochter, Ehefrau, Mutter, Witwe
Argulas Beitrag
Quellen und Literatur
Quellen
Zeitgenössische Drucke und edierte Quellen
Literatur
Register
Abkürzungen
AHKBAW
Abhandlungen der historischen Classe der Königlich Bayerischen Akademie der Wissenschaften
AHVUFA
Archiv des Historischen Vereins von Unterfranken und Aschaffenburg
AKG
Archiv für Kirchengeschichte Böhmen-Mähren-Schlesien
AMRhKG
Archiv für Mittelrheinische Kirchengeschichte
ARG
Archiv für Reformationsgeschichte
AugUB
Universitätsbibliothek Augsburg
BABKG
Beiträge zur altbayerischen Kirchengeschichte
BayHStA
Bayerisches Haupstaatsarchiv München
BBKG
Beiträge zur Bayerischen Kirchengeschichte
BDLG
Blätter für Deutsche Landesgeschichte
BHSPF
Bulletin de l’Histoire du Protestantisme Française
BZGBR
Beiträge zur Geschichte des Bistums Regensburg
CH
Church History
EKB
Einzelarbeiten aus der Kirchengeschichte Bayerns
EMWJ
Early Modern Women. An Interdisciplinary Journal
GTA
Göttinger Theologische Arbeiten
Köhler
Köhler, Flugschriften des frühen 16. Jahrhunderts
JTS
Journal of Theological Studies
LuthQ
Lutheran Quarterly
Mü SB
Bayerische Staatsbibliothek München
Mü UB
Universitätsbibliothek München
NFur
Neue Furche
ONB
Österreichische Nationalbibliothek
QEBG
Quellen und Erörterungen zur bayerischen und deutschen Geschichte
QFRG
Quellen und Forschungen zur Reformationsgeschichte
RKG
Reichskammergericht
SCJ
Sixteenth Century Journal
SJT
Scottish Journal of Theology
StAAm
Staatsarchiv Amberg
StAW Stb.
Staatsarchiv Würzburg; Standbücher
SVRG
Schriften des Vereins für Reformationsgeschichte
VGFG
Verein der Gesellschaft für Fränkische Geschichte
VHVO
Verhandlungen des Historischen Vereins für Oberpfalz und Regensburg
WA, WAB
D. Martin Luthers Werke. Weimarer Edition. 1883 ff. Briefwechsel. 1933 ff.
ZBLG
Zeitschrift für Bayerische Landesgeschichte
ZHF
Zeitschrift für Historische Forschung
Kapitel 1: Kindheit, Jugend, Ehe
Die Furtmeyr-Bibel ist eine Offenbarung. Sie versetzt den Betrachter in eine andere Welt. In leuchtenden Farben – blau, grün, purpur, orange und gold – begegnen uns Personen und Geschichten der hebräischen Bibel, drastisch und naiv wie der spätmittelalterliche Mensch sie sah: Adam und Eva, Noah mit der Arche, den Zug durch das Rote Meer, Moses, wie er mit scheinbar entflammtem Haar vom Berg Sinai herab schreitet, die Heldin Judit, die seelenruhig den Kopf von Holofernes abschlägt, Daniel unversehrt im Feuerofen und Simson, der kampfbereit den Eselskinnbacken schwingt!
Die Auftraggeber dieser prächtigen, 1472 vollendeten Bibelhandschrift waren Hans von Stauff und Margarethe Schenk von Geyern, Argula von Grumbachs Großeltern. Phantasievolle Vögel und Pflanzen mit Beeren und Blüten umranken die Textspalten in gotischer Schrift, betörende Miniaturen illustrieren das Hohelied. Dass die Auftraggeber sich auf einer eigenen Seite dem Betrachter präsentieren, ist ungewöhnlich: Hans in goldener Rüstung mit langem, goldenen Haar und Margarethe in blauem, pelzverbrämten Mantel, auf einer Steinbank sitzend.
Die biblischen Geschichten ereignen sich eindeutig in einer bayerischen Landschaft: Felder, Hügel, Flüsse, mittelalterliche Burgen und Städte, die teilweise von einem übernatürlich wirkenden goldenen Hintergrund beleuchtet werden. Irdisches und Göttliches, Natürliches und Übernatürliches, himmlische Engel und gewöhnliche Menschen sind eng miteinander verbunden. Die Furtmeyr-Bibel führt uns in die Welt spätmittelalterlicher Frömmigkeit; hinein in die Welt, in der Argula von Grumbach, ihre Eltern und Großeltern lebten.1 Dass ihr Großvater, Hans von Stauff, als junger Mann im Frühjahr 1449 von Venedig aus ins Heilige Land aufbrach, die Schauplätze der biblischen Geschichten also mit eigenen Augen gesehen hatte, überrascht nicht. Eine mit vielen Abenteuern verbundene Pilgerreise nach Jerusalem und der Ritterschlag am Heiligen Grab gehörten zum Bildungsprogramm standesbewusster Adeliger. Erst im tiefsten Winter kehrte die kleine Reisegesellschaft, zu der auch der Augsburger Patrizier Jörg Mülich gehörte, wieder zurück. Auch von dieser Welt von aristokratischem Standesbewusstsein, Traditionen, Privilegien, den Vorstellungen von Ehre und Ritterlichkeit war Argulas Leben und Denken geprägt. Sie unterschrieb ihre Briefe ihr Leben lang mit „geborne freyherrin von stauffen“.
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
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