Artefakte der Erlösung - René Pöplow - E-Book

Artefakte der Erlösung E-Book

René Pöplow

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Beschreibung

Nach dem Sturz des Auserwählten steht die Welt der Menschen kurz vor dem Fall. Verzweifelt wird versucht alte Verbündete für den Kampf gegen das Böse zu gewinnen.

Während Elrikh und seine Gefährten im eisernen Imperium nach Antworten suchen, erheben sich die Nomadenkrieger von Talamarima, um mit ihrem Rassenwahn die Kontinente in Flammen zu setzen.

Ungeachtet der Gefahren, welche sich am Horizont auftun, reist der Elf Befay mit seinen menschlichen Schülern zu den Ruinen aus alten Tagen, in der Hoffnung, dort die Artefakte der Erlösung zu finden.

Dies ist die lückenlose Fortsetzung von “Blutlinie der Götter” welches den Auftakt für ein gigantisches Fantasyspektakel gelegt hat.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB

Veröffentlichungsjahr: 2019

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René Pöplow

Artefakte der Erlösung

Die Berrá Chroniken Band 2

Dieses Buch ist meinem Vater im Himmel gewidmetBookRix GmbH & Co. KG81371 München

René Pöplow

 

 

 

Die Berrá Chroniken

 

Artefakte der Erlösung

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Gewidmet

dem besten Vater im Himmel

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Für Tabea

 

 

 

 

Die Liebe, die wir in diesem Leben erfahren, ist wahrscheinlich das schönste Gefühl, das wir je empfinden werden.

Und doch ist sie nur eines von vielen unzähligen Dingen, die dein Dasein in dieser Welt bereichern werden.

Die Fürsorge deiner Eltern. Die Freundschaften, welche dich ein Leben lang begleiten werden. Das Gefühl der Erfüllung wenn du etwas scheinbar Unvorstellbares vollbracht hast.

All dies wird dir auf deinem zukünftigen Lebensweg begegnen.

Und auch wenn es Zeiten gibt, die von Sorgen oder Kummer gezeichnet sind, ist es immer das erste Licht am neuen Morgen, das uns zeigt wie schön das Leben sein kann.

Es wird viele Menschen geben, die dir für dein Leben etwas mitgeben möchten. Ich gehöre nicht dazu. Denn egal was wir während unserer Zeit auf Erden auch finden werden, es ist schöner danach zu suchen,

als es gezeigt zu bekommen.

 

 

 

Dein Onkel René

 

 

Vorwort der Printversion

 

Endlich ist es soweit und ich kann euch die Fortsetzung von „Blutlinie der Götter“ präsentieren. Nachdem ich den ersten Band meiner Berrá Reihe veröffentlichte, erntete ich zahlreiche Resonanzen und Kritiken. Vieles von dem, was an mich herangetragen wurde, habe ich in die Arbeit an Band 2 einfließen lassen. Ein Punkt erscheint mir hierbei besonders erwähnenswert, da er mich bereits schon vor Veröffentlichung von Band 1 beschäftigte. Als ich „Blutlinie der Götter“ schrieb, hatte ich Bilder von zahlreichen Charakteren und Ereignissen im Kopf, welche ich unbedingt umsetzen wollte. Dies führte dazu, dass sich eine Vielzahl von Handlungssträngen entwickelte, welche zum Teil von den wichtigsten Hauptfiguren ablenkten. Für „Artefakte der Erlösung“ habe ich einzelne Handlungsstränge aufgelöst, die ich erst in späteren Werken fortführen werde. Ebenso ist dieses Buch in einer lesefreundlicheren Textformierung verfasst, als es noch bei Band 1 der Fall war. Die verringerte Anzahl der Seiten könnte fälschlicherweise dazu führen, dass man „Artefakte der Erlösung“ für weniger umfangreich als seinen Vorgänger hält. Tatsächlich ist es jedoch so, dass die platzsparende Formation, mehr Inhalt beherbergt als jemals zuvor. Des Weiteren werdet ihr in diesem Werk bedeutend weniger Illustrationen vorfinden. Dies hat den einfachen Hintergrund, die eigene Fantasie des Lesers stärker zu reizen.

Zusammenfassend kann ich sagen, dass die Arbeit an „Artefakte der Erlösung“ bereits Material für weitere Ideen geliefert hat, welche ich in Bälde umzusetzen gedenke. Doch dies steht auf einem anderen Blatt.

Lasst euch nun erneut in eine Welt führen, die unserer in vielen Dingen gleicht und doch vollständig anders ist.

 

Zusatz für die eBook Version

Drei Bücher sind nun bereits als Druckausgaben erschienen. Die Kurzgeschichten scheinen ebenfalls als Popularität zu gewinnen. Aus diesem Grund habe ich damit begonnen die Berrá Chroniken ebenfalls als eBooks zu veröffentlichen. Dazu überarbeite ich sie jedoch vollständig, was einiges an Zeit in Anspruch in nimmt. Bleibende Fehler sind natürlich nicht auszuschließen. Aber gerade die, könnten diesem Buch die nötige Würze geben.

 

 

Der Autor

 

 

René Pöplow, geboren 1980 in Hannover, beschäftigt sich seit frühester Jugend mit dem Medium des Schreibens.

Mit „Artefakte der Erlösung“ erscheint sein zweites großformatiges Buchwerk, welches zeitgleich die Geschichte von „Blutlinie der Götter“ fortführt.

Als Musiker war er Mitbegründer der Gothic Rock Band Herbstschmerz welche sich Ende 2011 auflöste. Zwischenzeitlich schwang er auch bei der Heavy Metal Gruppe Storykeeper die Drumsticks. Nach dem Ende von Herbstschmerz wechselte René von den Drums zur akustischen Gitarre und dem Gesang, um seine Berrá Chroniken auch in musikalischer Form umzusetzen. Unter dem Namen Die Mogeltrolle, veröffentlichte er bereits einen Tonträger und auch als Straßenmusiker und in kleineren Lokalen, bringt er seine Lieder unter das Volk.

 

 

 

1. eBook Auflage 2014

© René Pöplow

Sämtliche Rechte liegen beim Autor.

Illustrationen: Sarah Bergmann

 

!Verlag gesucht!

 

Ähnlichkeiten mit toten oder noch lebenden Personen, sowie geschichtlichen Ereignissen sind Zufall und vom Autor nicht beabsichtigt. Unerlaubte Vervielfältigung, Verletzungen gegen das Urheberrecht oder das Verwenden von Buchinhalten zu unautorisierten Zwecken werden vom Rechteinhaber zur Anzeige gebracht.

 

Informationen über die Berrá Chroniken und andere Buchprojekte des Autors finden Sie unter www.elrikh.de

 

Prolog

 

Muban wusste genau, dass er der Unterlegene in diesem Kampf war. Egal welchen Angriff er auch startete, immer parierte sein Gegner die Schläge mit offensichtlicher Leichtigkeit. Der Nomadenfürst hatte nicht mit einer solchen Gegenwehr gerechnet. Bisher war er aus jedem Zweikampf als Sieger hervorgegangen und konnte somit seinen Stand in der Stammesordnung behaupten. Doch dieser Fremde, den sie vor ein paar Monaten aufgelesen hatten, war ein besserer Kämpfer als alle, die vor ihm kamen.

Ich sollte versuchen ihn am Bein zu erwischen. Ein vorgetäuschter Hieb auf seine Brust dürfte ihn dazu bringen die untere Deckung zu vernachlässigen.

Muban spielte seine Strategie mehrfach im Kopf durch und ging dann zum Angriff über. Sein bulliger Gegner hatte bisher noch nicht eine einzige Attacke gestartet. Anscheinend wartete er darauf, dass Muban einen entscheidenden Fehler machte. Dieser zögerte nun nicht länger und näherte sich dem glatzköpfigen Krieger mit einem weiten Ausfallschritt. Seinen Krummsäbel ließ er dabei in gehobener Haltung nach vorne schnellen. Wie er es vermutet hatte hob sein Gegner seinen Schwertarm zur Abwehr nach oben, um den Angriff zu parieren. In diesem Moment änderte Muban den Lauf seiner Klinge und schwang sie in einer Abwärtsbewegung gegen das Knie des Feindes. Im Bruchteil eines Augenblicks schob dieser sein Bein nach hinten und ließ Mubans Säbel ins Leere laufen. Der Nomade musste kämpfen, um nicht aus dem Gleichgewicht zu kommen. Mit einer halben Drehung führte er seine Klinge um den eigenen Körper herum und konterte damit den Hieb, der ihn im Rücken treffen sollte. Doch ganz konnte er den Treffer nicht verhindern. Das Hackschwert seines Gegners ritzte sich durch Kleidung und Haut und hinterließ eine kleine, aber schmerzhafte Wunde. Muban stöhnte leise auf und brachte ein paar Schritte Abstand zwischen sich und den Fremden.

Du hinterhältiger Gauner!, dachte er bei sich. Seit Monaten lebst du bei uns und sagst du könntest dich weder an deinen Namen noch an dein Leben vor deiner Ankunft erinnern. Aber wer so kämpfen kann muss wissen was er tut. Ich habe dich durchschaut. Du hast es von Anfang an nur auf die Gunst unseres Stammesführers angesehen. Doch ich werde nicht zulassen, dass du ihm mit den gleichen Lügen den Geist vergiftest, mit denen du schon so viele meiner Männer umgarnt hast.

Beinahe so als könnte sein Gegner seine Gedanken lesen, schmunzelte er Muban entgegen. Da wusste der Nomade, dass er Recht mit seiner Befürchtung hatte. Der Fremde hatte es in kürzester Zeit geschafft einen großen Teil der Nomadenkrieger für sich einzunehmen. Wenn er Muban im Zweikampf besiegen würde, nimmt er die Stellung als einer der Berater des Stammesführers ein. Der Nomadenfürst hätte sich auf diesen Kampf nicht einlassen müssen, aber er wusste, dass es die perfekte Gelegenheit war den Störenfried loszuwerden. Die anderen Fürsten hatten ihm viel Geld und Macht versprochen wenn er ihnen den Fremden vom Halse schaffte. Doch jetzt war sich Muban nicht mehr so sicher ob er richtig entschieden hatte. Der Wüstenwind wirbelte den Sand in der kleinen Arena auf und fegte dem Nomaden durchs Gesicht. Das Johlen und Grölen seiner Stammesbrüder hatte ihn anfangs noch angestachelt. Jetzt empfand er es eher als störend. Alle seine Sinne richteten sich auf seinen Gegner.

Ich darf mich nicht ablenken lassen. Auch er hat eine Schwachstelle.

Da fiel es ihm plötzlich ein. Vor ein paar Tagen war der Fremde von einem der Ochsen in die Seite gestoßen worden. Das Tier hatte sich vor einem Schlammaal erschreckt und war durchgegangen. In seiner Panik trampelte es einige Männer sogar tot. Der Fremde hatte noch verhältnismäßig Glück. Der wilde Ochse rammte ihm nur seinen harten Schädel zwischen die Rippen. Muban vollführte ein paar harmlose Schläge, um seinen Gegner auf Abstand zu halten während er sich eine neue Taktik überlegte.

Deswegen greifst du also nicht an. Deine rechte Seite ist immer noch verletzt. Du kannst deinen Schwertarm wohl nicht so weit strecken wie du gerne würdest.

Muban war sich nun sicher wie er siegen könnte. Er würde einen Angriff von rechts vortäuschen und es dem Fremden leicht machen zu erkennen was er vorhätte. Dieser würde denken, dass Muban nur eine Finte vollführt, um dann wieder die Angriffsrichtung zu wechseln. In Erwartung einen Schlag auf seine verletzte Seite zu parieren, würde Muban die Lücke ausnutzen und ihm seinen Krummsäbel zwischen die Rippen jagen. Damit würde der Fremde nie rechnen. Der Nomadenkrieger fackelte nicht mehr länger und ging zum Angriff über. Es kam genau so wie er es erwartete. Seine absichtlich schlampig ausgeführte Täuschung brachte seinen Gegner dazu zu glauben er würde sich nochmals drehen bevor er zuschlug. Das Hackschwert seines Feindes schwenkte nach rechts und gab Muban somit die Lücke, die er brauchte, um einen tödlichen Treffer zu landen.

Jetzt hab ich dich!

Der Nomade legte seine ganze Kraft in den Schlag und stieß die Klinge mit voller Wucht in die Seite seines Gegners. Ein leises Klirren ließ ihn wissen, dass er an der Panzerung vorbei geschrammt war und sein Schwert den Weg in das ungeschützte Fleisch fand. Die Wucht des Angriffs ließ Muban an dem Fremden vorbei stolpern und straucheln. Nur mit Mühe behielt er das Gleichgewicht. Außer Atem und mit dicken Schweißperlen auf der Stirn kam er zum Stehen und hob triumphierend sein Schwert in die Höhe. Doch keiner seiner Stammesbrüder jubelte ihm zu. Alles war totenstill. Irritiert ließ Muban seine Arme sinken. Dabei fiel sein Blick auf die Klinge, mit der er seinen Feind geschlagen hatte. Sie war sauber. Nicht ein Tropfen Blut klebte daran. Plötzlich wurde ihm schwindelig und er spürte eine aufkommende Kälte in seinem Inneren. Ohne es verhindern zu können, fiel er auf die Knie und ließ sein Schwert fallen. Muban blickte an sich herab und erschrak. Quer über seine Brust verlief ein tiefer, breiter Schnitt. Sein Körper sah aus wie ein aufgeschlitzter Weinschlauch. Muban wurde übel. Er kippte in den Sand und schaffte es nur noch mit letzter Kraft sich zu seinem Feind umzudrehen. Dieser stand einige Schritt von ihm entfernt und sah zu wie das Blut des Geschlagenen von seinem Hackschwert auf den Wüstensand tropfte. Noch bevor Muban seinen letzten Atemzug tat wurde ihm klar was passiert war. Das klirrende Geräusch war von seiner Klinge gekommen, als der Fremde sie mit seinem Schwert ablenkte. Danach musste er in einer schnellen Drehung seine Waffe in das Fleisch von Muban gegraben haben.

Und ich kannte nicht mal deinen Namen.

 

 

 

 

Der Sturz in die Dunkelheit

Nachdem der Junge dem Schatten seiner Zukunft erlegen war, hüllte sich der Berg Emorok in Finsternis. Wissend, dass die Zeit des Wandels bald kommen würde, versammelten sich die Geschöpfe der jenseitigen Welt in der Schlucht des Baromuhl, um die Ankunft ihres Gebieters zu erwarten. Ein Körper für den wiedergeborenen Gott war gefunden worden. Doch das Fleisch musste sich noch mit der Seele des Dämonen vereinen. Über den Völkern von Berrá schwebte die Schneide des Bösen. Darauf wartend Tod und Leid in die Welt des Lichts zu tragen, bereiteten sich die blutdürstenden Kreaturen auf die Schlacht vor. Der gesamte Kontinent Teberoth war erfüllt von den Schreien und Lauten dieser gottlosen Geschöpfe. Die zahllosen Opferrituale zu Ehren des Dunkelgottes färbten Stein, Baum und Erde rot. In endlosen Strömen schien sich der Lebenssaft seinen Weg durch das Land zu erschließen. Niemals zuvor in der Geschichte unserer Welt war die Gefahr von jenseits des Meeres so groß.

Dies alles wäre nicht geschehen, wenn die Prophezeiung der alten Schriften richtig gedeutet worden wäre. Jener Junge, welcher den Lenden des alten Geschlechts entsprang, hätte aufgehalten werden können. Doch die Völker Berrás verhalfen in ihrer Uneinigkeit dem Dämon zum Sieg. Er bemächtigte sich des jungen Menschen und machte sich dessen Hass zu Nutze. Die Macht die Legionen der Finsternis aufzuhalten liegt nun in den Händen der Sterblichen. Sie müssen die Einigkeit und den Mut finden sich gegen die Horden der jenseitigen Welt zu behaupten. Nur dann kann der letzte Spross der Hoffnung noch erblühen.

aus

„Aufzeichnungen eines Beobachters“

unbekannter Verfasser

Jahr 11634, 4. Zeitalter

Schwerer Aufstieg

Jahr 11635 Spätsonnenzeit

 

„Also wenn ich ganz ehrlich bin, muss ich gestehen, dass ich meine Zweifel habe was unser Vorgehen betrifft. Dieses Land ist einfach zu groß.“

Elrikh wusste nicht was er darauf antworten sollte. Seit ihrer Ankunft auf Komara suchten die auserwählten Gefährten nach einer Frau, die offenbar alles daran setzte nicht gefunden zu werden. Mag seine Hoffnung zu Beginn ihrer Mission noch ungebrochen gewesen sein, ließ Draihn nun erkennen, dass die andauernde Suche nicht die beste Beschäftigung für einen kampferprobten Ritter war. Elrikh wollte auf diese erneut vorgebrachten Bedenken jedoch nicht mehr eingehen. Auch er war müde und klammerte sich mit letzter Kraft an eine göttliche Fügung, die ihm und seinen Begleitern ihre Suche erleichtern würde. Hinter sich vernahm er die schweren Schritte von Mart. Der Troll hatte sich zum Jagen von der Gruppe abgesetzt und holte nun wieder auf. Obwohl sie schon einige Monde zusammen verbracht hatten, übte der gewaltige Hüne immer noch eine Faszination auf Elrikh aus. Er konnte spüren wie der Boden zitterte als der Troll sich ihm näherte. Die mächtigen Füße des Riesen wirbelten feinen Staub auf und sein kehliges Schnauben alleine reichte schon aus, um einem eine Gänsehaut zu verpassen. So als würde ein Mensch einen Wäschesack über der Schulter tragen, fand bei dem Troll ein ausgewachsener Hirschbock Platz. Der Riese schien seiner Beute das Genick gebrochen zu haben. Elrikh bemerkte wie der Kopf des Waldbewohners hin und her schaukelte. Vermutlich hätte nicht viel gefehlt und Mart hätte dem Tier das Haupt vollständig abgetrennt.

„Na wenigstens werden wir nicht verhungern solange Mart uns alle immer mit frischem Fleisch versorgt.“

Elrikh vernahm den versöhnlichen Klang in Draihns Stimme. Offenbar hatte der Ritter bemerkt, dass ihm seine Schwarzmalerei nicht gefiel.

„Ja. Es hat schon etwas für sich einen Gefährten wie Mart zu haben. Ich möchte wetten, dass uns schon so einige Wegelagerer überfallen hätten wenn unser großer Freund nicht bei uns wäre.“

Draihns Blick schweifte an Elrikh vorbei in die spärlich bewaldete Ebene, welche vor ihnen lag.

„Ah. Da kommt auch unser Spähtrupp zurück. Mag es etwa Zufall sein, dass Rethika immer dann auftaucht wenn das nächste Mahl gesichert ist? Der Zentaur scheint mir ein Näschen für gutes Wildfleisch zu haben.“

So erheiternd die Worte des Ritters auch waren, hatte Elrikh nur Augen für die sich nähernden Freunde. Rethika und die Sahlet-Schamanin Rigga waren bereits im Morgengrauen aufgebrochen, um die nächste Menschensiedlung zu suchen. Um mit dem schnellen Lauf des Zentauren mithalten zu können, vertraute Elrikh der Schamanin sein geliebtes Pferd Sinal an. Der weiße Hengst hatte mit Sicherheit dafür gesorgt, dass Rethika bis an seine Grenzen gegangen war. Die Schnelligkeit des Zentauren wurde nur noch von seinem Stolz übertroffen. Lieber würde er sich Eisen an die Hufe nageln, als sich von einer Sahlet auf einem Pferd abhängen zu lassen. Rigga war nicht allzu begeistert von dem Gedanken durch die Landschaft zu reiten. Ihr Volk hatte von jeher nicht viel für diese Art der Fortbewegung übrig. Ihre magischen Fähigkeiten machten es jedoch unvermeidbar, dass sie sich zusammen mit Rethika auf den Weg machte, um die Gegend abzusuchen. Die Schamanin war nicht nur in der Lage größere Ansammlungen von Menschen und anderen Völkern zu erfühlen, sie verfügte außerdem über die Gabe des Weitblicks. Dies war von Vorteil wenn es darum ging unerwünschte Begegnungen mit der Bevölkerung von Komara zu vermeiden. Sahlets, Zentauren und Trolle gab es auf diesem Kontinent schon seit Jahrhunderten nicht mehr. Und in diesen Zeiten des Umschwungs würde man einer Gemeinschaft wie die der Auserwählten nur mit großem Misstrauen begegnen. Das Letzte was sie derzeit gebrauchen konnten, wäre eine Konfrontation mit den kampflustigen Soldaten, die derzeit ohne feste Führung den Süden des Kontinentes in Unruhen versetzten. Im strammen Galopp hielt der Zentaur auf seine Gefährten und zu hob zur Begrüßung seinen mächtigen Schlagspeer.

„Seid gegrüßt, meine Freunde. Ich habe mich schon gefragt wie schnell ihr aufholen würdet.“

Draihn grüßte seinen Kameraden und hielt ihm einen Wasserschlauch entgegen.

„Habt ihr etwas ausmachen können? Wie weit ist die nächste Stadt entfernt?“

Der Zentaur nahm einen tiefen Schluck aus dem Trinkschlauch und goss sich noch etwas von dem kühlen Nass über sein erhitztes Gesicht. Auch wenn Zentauren nichts so sehr hassten wie mit einem Pferd verglichen zu werden, konnte man nicht umhin zu bemerken, dass seine Flanken ebenso glänzten wie es bei den Vierbeinern der Fall war wenn sie unter großer Anstrengung liefen. Nach einem weiteren Zug aus dem Trinkschlauch fand Rethika endlich etwas Luft um Draihn zu antworten.

„Wenn es dir Recht ist atme ich erstmal tief durch, bevor ich mich von dir mit Fragen löchern lasse.“ Der Blick des erschöpften Kriegers fiel auf den erlegten Hirschbock. Gierig leckte er sich die feuchten Lippen. „Und etwas frischer Braten würde die Erzählung sicherlich noch angenehmer machen.“

Ein lautes Krachen und das schmatzende Geräusch von eifrigen Trollhänden, die in Eingeweiden wühlten, war die Antwort. Mart hatte den Bock von oben bis unten aufgerissen und machte sich mit erstaunlicher Sorgfalt daran das Innere zu entfernen.

„Macht schon mal ein Feuer. Ich nehme unseren Freund hier noch aus und mache ihn sauber.“

Elrikh wusste was das hieß. Mart würde dem Bock mit bloßen Händen das Fell vom Leibe ziehen und die Eingeweide anschließend darin einwickeln. Danach würde er das blutige Bündel in der Erde vergraben. Mit diesem Ritual danken die Angehörigen der Trollvölker der Erdgöttin Miamar für eine erfolgreiche Jagd und überlassen ihr einen Teil der Beute. Der junge Bockentaler hatte nicht vor sich diese Zeremonie mit anzusehen. Mart sah nach diesem Ritual immer aus als hätte er im Blut gebadet.

„Ich besorge trockenes Holz. Draihn, würdest du bitte Sinal abreiben und ihm von den Wurzelmöhren geben, die wir neulich gefunden haben? Der Gute hat sich eine Belohnung verdient.“

Draihn nickte, zögerte jedoch ob er nicht mit Elrikh mitgehen sollte. Der Valantarier hatte das Gefühl, dass seinem jungen Freund etwas auf der Seele lag.

„Geh nur. Ich kümmere mich um ihn.“

Doch Elrikh hatte die Antwort gar nicht erst abgewartet. Geistesabwesend schritt er in den kleinen Laubwald und fing an Feuerholz zu sammeln. Draihn war nicht der Einzige, der das sorgenvolle Gesicht seines Kameraden bemerkt hatte. Auch die Schamanin spürte, dass mit Elrikh etwas nicht stimmte. Mit einer knappen Geste gab sie dem Ordensritter zu verstehen, dass sie sich um Elrikh kümmern wolle. Mart und Rethika waren derweil so sehr mit dem Zerlegen des Hirschbocks beschäftigt, dass sie gar nicht bemerkten was in der kleinen Dreiergruppe vor sich ging.

„Du hast hoffentlich nichts dagegen wenn ich mich heute um dich kümmere. Aber dein Herr scheint mir ein wenig gedankenverloren dieser Tage.“

Als hätte Sinal die Worte des Ritters verstanden, schnaubte er zufrieden und ließ sich mit der Striegelbürste verwöhnen.

 

Elrikh wusste nicht was mit ihm los war. Ziellos schlenderte er durch das feuchte Gras des Waldes und hob ab und an einen kleinen vertrockneten Zweig auf.

„Hast du etwas dagegen wenn ich dir ein wenig Gesellschaft leiste?“ Die Stimme der Sahlet-Schamanin ließ ihn aus seinen Gedanken hochschrecken. Eigentlich hatte er die Ruhe des Waldes für sich alleine genießen wollen. Doch wie hätte er dies Rigga sagen können, ohne ihre Gefühle zu verletzen? Die geheimnisvollen Augen der Echsenfrau musterten den unentschlossenen Elrikh und wendeten sich schließlich wieder von ihm ab. „Es tut mir leid. Ich wollte dich nicht stören. Ich werde wieder…“

„Nein. Du störst mich nicht. Ich bin derjenige, dem es leid tut.“

Elrikh rieb sich mit seiner freien Hand übers Gesicht. Vielleicht war er ja einfach nur müde.

„Bist du sicher?“

„Ja. Bitte begleite mich ein Stück. Ich wollte nur mal von den anderen weg. Mart und Rethika sind immer sehr eifrig darin der Erdgöttin zu danken. In ihrer Begeisterung vergessen die beiden von Zeit zu Zeit, dass nicht jedermanns Magen den Anblick eines ausgeweideten Hirschbocks so leicht erträgt.“

Rigga schmunzelte. Bei der Sahlet wirkte diese Geste jedoch eher einschüchternd als freundlich. Wenn Elrikh sie nicht schon so lange kennen würde, hätte vermutlich auch er einigen Abstand zwischen sich und die Echsenfrau gebracht.

„Ja, unseren zwei großen Kriegern fehlen das Blutvergießen und der Kampf wohl ein wenig. Mit ihren Opferritualen können sie zumindest eines dieser Bedürfnisse befriedigen.“

Als Rigga sich auf Elrikh zu bewegte, klapperten und rasselten die vielen Ketten und knöchernen Anhänger an ihrem Hals und ihrem Stab.

„Wir alle brauchen etwas, das uns mit unserer Heimat verbindet. Für Rethika und Mart sind es die Rituale der Krieger und Jäger.“

Plötzlich fühlte Elrikh eine innere Leere in sich. Mit trüben Augen blickte er seine Freundin an.

„Hast du auch solch ein Ritual, welches dich an deine Heimat erinnert?“

Rigga beugte sich hinab und griff sich eine handvoll Waldboden.

„Siehst du diese Erde? Es ist die gleiche wie die in meiner Heimat. Im Krötenwald habe ich den Großteil meines Lebens unter Tage verbracht. Während diejenigen von uns, die sich mit Zaubern gegen Kälte und Unwetter schützen können, behütet in den unterirdischen Höhlen leben, müssen all jene, die diese Gabe nicht besitzen, im Sumpf hausen. Sie sterben dort nicht nur durch blutige Überfälle unserer Feinde. Viele vergehen, weil sie im Winter erfrieren oder von wilden Tieren gerissen werden. Es sind ihre eigenen Brüder und Schwestern, die sie zu einem Leben an der Oberfläche verdammen.“ Die Schamanin hob die schuppige Hand zum Gesicht und roch daran. „Jene Erde, die hier ruht, ist die gleiche wie in den Höhlen meines Volkes. Und dieselbe Erde findet man auch an der Oberfläche.“ Rigga zerdrückte die feuchte Erde zwischen ihren Fingern und ließ sie langsam zu Boden fallen. „Wenn Heimat etwas anderes bedeutet als die Erde, auf der wir leben, dann vermisse ich meine Heimat nicht. Wenn es nicht die Erde ist, die meinem Volk eine Hoffnung auf Gleichstellung geben kann, was ist es dann? Solange ich auf dieser Welt wandle und hoffen kann jedem einzelnem meines Volkes diese Hoffnung zu erhalten, solange brauche ich keine Rituale, die mich an mein zu Hause erinnern.“

Elrikh hatte Rigga noch nie weinen sehen. Er war sich nicht einmal sicher ob Sahlets überhaupt Tränen vergießen konnten. Aber ihre Stimme klang beinahe so als würde sie dies am liebsten tun.

„Dann tust du all dies also in der Hoffnung deinen Artgenossen Frieden und Einheit zu bringen? Das ist wahrlich eine gute Absicht. Eine Absicht, für die man so manche Entbehrung in Kauf zu nehmen vermag.“ Der Mensch ging einige Schritte weiter und kam auf einer sonnendurchfluteten Lichtung zum stehen. „Ich vermisse meine Heimat, Rigga. Ich bin nun schon so lange fort. Das Bockental mag nicht der bedeutendste Ort auf Obaru sein. Auch können wir nicht mit dem Reichtum oder dem Glanz der großen Städte aufwarten. Dennoch ist es für mich der schönste Platz auf der ganzen Welt.“

Die Sahlet legte dem jungen Zimmermann eine Hand auf die Schulter und versuchte seinen Blick einzufangen.

„Würdest du mir vom Bockental erzählen? Ich war noch nie dort.“

„Du musst nicht…“, setzte Elrikh an, wurde aber unterbrochen.

„Ich weiß. Ich will es aber.“

Er legte das gesammelte Feuerholz beiseite und setzte sich in das dichte Grün der mit Gras bewachsenen Lichtung. Ohne zu zögern nahm Rigga ihm gegenüber Platz. Jede ihrer Bewegungen wurde von dem Klappern ihres Stabes begleitet. Der junge Mensch suchte nach den richtigen Worten, um seine Erzählung zu beginnen. Dabei blickte er verträumt in das Blau des wolkenlosen Himmels.

„Kennst du dieses Gefühl, dass man jemanden etwas beschreiben will, aber man findet nicht die richtigen Worte, weil man befürchtet der Zuhörer malt in seinem Kopf falsche Bilder? Man hat Angst, dass die eigenen Worte das Wunderschöne des Gesehenen nicht wiedergeben können.“

Rigga nickte verständnisvoll.

„Ich habe eine bessere Vorstellungskraft als du vielleicht zu glauben vermagst.“

Zum ersten Mal seit sie die Gruppe verlassen hatten, war in Elrikhs Gesicht so etwas wie Lächeln zu sehen.

„Nun denn. Ich weiß nicht ob meine Worte der Wahrheit gerecht werden, aber lass es uns herausfinden.“

Im Geiste streifte er über die malerische Landschaft seiner Heimat und dachte an seine Familie und seine Freunde.

„Ich glaube man kann behaupten, dass das Bockental einer der friedlichsten Orte auf ganz Berrá ist. Mein Dorf war eines der ersten, die dort errichtet wurden. Gemütliche Steinhäuser mit Stroh gedeckten Dächern und kleinen Schornsteinen, aus denen in der Schneezeit warmer, weißer Rauch quillt. Das Bockental ist eine große dichte Ebene, die zu Füßen von Dunkelfels liegt. Obwohl dies die Heimat von Marts Volk ist, haben wir bei uns im Dorf noch nie Trolle gesehen. Die Ebene des Bockentals beginnt hoch oben im Norden und reicht bis zum Berg der Könige. Jedoch gibt es so weit südlich kaum noch Siedlungen oder Dörfer, die unserem Talvolk angehören.“ Elrikh pflückte eine Butterblume, die neben ihm aus der Erde wuchs und drehte sie zwischen den Fingern. „In der Blütezeit ist das ganze Tal von gelben, weißen und blauen Butterblumen überflutet. Ihr süßer Duft lockt jedes Jahr tausende von Schmetterlingen und Honigfeen an. Die Kinder lieben es durch die dichten Felder zu laufen und sie aufzuscheuchen. Jedes Mal wenn die großen Schwärme aufsteigen, wünscht du dir mit ihnen fliegen zu können.“ Plötzlich bemerkte Elrikh, dass er sich anhörte wie ein kleines Kind wenn er von den Schmetterlingen und Feen erzählte. Der junge Zimmermann räusperte sich und versuchte etwas ernster zu klingen. „Meine Heimat bekam ihren Namen von den ersten Menschen, die sich auf Obaru niederließen. Sie ehrten damit den Götterriesen Bocken. Einer alten Legende nach ist das Tal ein gigantischer Fußabdruck des mystischen Riesen. So kam es zu seinem Namen.“

„Ich sehe, dass die Menschen ein engeres Bündnis zu den alten Bräuchen haben als ich dachte.“

Elrikh wirkte irritiert.

„Wie meinst du das?“

Rigga bedauerte ihren Gefährten unterbrochen zu haben, nutzte diesen Umstand aber aus, um ihn weiterhin von seinen traurigen Gedanken fortzuziehen.

„In den alten Zeiten war es Sitte, dass man neu entdeckte Ländereien nach den Kindern des Göttervaters benannte. Ich wusste nicht, dass auch deine Heimat dort ihren Ursprung hat. Aber entschuldige. Ich wollte dich nicht unterbrechen. Bitte erzähl mir mehr vom Bockental.“

Elrikh spielte immer noch mit der Butterblume zwischen seinen Fingern.

„Es gibt sehr viele Siedlungen in unserem Tal. Ich glaube die Menschen, welche dort leben, schätzen vor allem den Frieden und die Abgeschiedenheit von den großen Städten. Händler, die uns aus Inaros, Valantar oder Kamari besuchen, sind eher selten. Was sollten sie uns auch verkaufen? Bei uns bestellt fast jeder seine eigenen Felder. Manch andere üben das Handwerk eines Schmieds, eines Schneiders oder eines Fischers aus. Es gibt nichts was wir von den fahrenden Händlern bräuchten.“ Nebenbei begann er damit die einzelnen Blüten von der Butterblume abzureißen und sie von seiner Fingerspitze aus weg zu pusten. „Das Dorf, in dem ich lebe, wird von einem schmalen Flusslauf umfasst. Als Kind habe ich dort immer kleine Boote gebaut und sie mit dem Strom schwimmen lassen. Ich weiß noch wie sauer einige der Frauen wurden wenn sich meine Holzschiffchen in ihrer frisch gewaschenen Wäsche verfingen. Mein Vater hielt es für ratsam mich bei einem Schreinermeister in die Lehre zu schicken. Er sagte wenn ich schon Schiffe bauen müsste, dann sollten es welche sein, die länger als eine kurze Flussfahrt bestehen.“

Wieder schenkte die Schamanin Elrikh ein kleines Lächeln.

„Das ist merkwürdig“, bemerkte Rigga. „Ich sehe den freudigen Glanz in deinen Augen wenn du von deiner Heimat erzählst. Auch höre ich deine aufrichtigen Worte. Dennoch wundere ich mich warum du deine Heimat verlassen hast wenn es dort so schön ist.“

Der junge Mensch wusste worauf die Sahlet hinauswollte.

„Eine meiner Lieblingsbeschäftigungen war es, den Sonnenuntergang von einem Hügel nahe dem Dorf zu bewundern. Auf dem Hügel steht eine alte Windmühle, die ich irgendwann zu reparieren gedenke. Als ich eines Abends in das oberste Stockwerk der Mühle kletterte, besah ich mir den Sonnenuntergang durch ein großes Loch in der Wand. Ich sah die weite Ebene des Tals, das Schimmern des Flusses, der mein Dorf wie ein schützender Silberreif umgibt und eine Schar Zugvögel, welche auf die riesige rote Scheibe zuflogen. Da wurde mir bewusst, dass ich es ihnen gleichtun müsste. Zum ersten Mal in meinem Leben bemerkte ich wie klein meine Welt bisher gewesen war. Für mich endete das Leben am Berg der Könige. Noch niemals hatte ich eine der großen Städte gesehen oder einen der Häfen, an denen Händler und Reisende aus der ganzen Welt anlegten. Aus Geschichten kannte ich die gewaltigen Festungen der Vergangenheit. Doch selbst hatte ich die Ruinen von Bekeera nie gesehen. Mir wurde klar, dass ich mein Leben im Bockental nur weiter leben könnte, wenn ich wüsste was jenseits seiner Grenzen für eine Welt lag. Also zog ich aus, um sie kennen zu lernen.“

„Und dann trafst du die Eltern von Alkeer?!“

Elrikhs freudiger Gesichtsausdruck wich einer betrübten Mine.

„Ja. Ich traf sie in einem Gasthaus nahe dem Krötenwald. Ich versprach Alkeers Vater, seinen Sohn wieder nach Hause zu bringen. Doch ich habe versagt.“ Elrikh beobachtete wie der blütenlose Stiel der Butterblume zu Boden fiel. „Es ist nun schon mehr als ein Jahr vergangen seit Alkeer brennend in den Abgrund stürzte und von den Felsen begraben wurde. In fremder Erde, weit weg von seiner Heimat, hat er seinen Frieden gefunden. Und seine Eltern wissen noch nicht einmal, dass ihr Sohn tot ist.“

Schweigend saßen Elrikh und Rigga da und blickten ins Nichts. Beide schienen die Stille, welche sich um sie herumlegte zu genießen. Schließlich ergriff die Schamanin die Hand ihres Freundes und suchte seinen Blick. Jeder andere Mensch wäre bei einer Berührung mit der schuppigen Echsenhand vermutlich zusammengezuckt. Elrikh hatte solche Gedanken jedoch schon lange abgelegt.

„Ich muss dich etwas fragen, Elrikh. Und ich bitte dich mir aufrichtig zu antworten. An dem Tag, an dem wir in der Baromuhl-Schlucht gegen die Untoten kämpften und du Alkeer holen wolltest, was ist da mit ihm passiert?“

In Elrikhs Kopf fügten sich die Bilder jenes Tages wieder zusammen. Vor seinem geistigen Auge sah er wie Alkeer sich über den ermordeten Gér Malek beugte und weinte. Dann erblickte er Elrikh und die Trauer wich einer Fratze, die nur aus Zorn und Hass bestand. Alkeer verfluchte die Auserwählten und ihre Völker. Er verfluchte den Göttervater Zinakyl und dessen Kinder. Und dann prophezeite er den Untergang Berrás durch seine Hand. Er schwor, dass das Volk der Elfen in Blut ertrinken würde und dass er Rache für die Ermordung seiner Eltern verlangte. Dann brach die Erde unter ihm auf und eine der mit Öl gefüllten Feuerschalen ergoss sich über ihn. Brennend und schreiend stürzte er in den tiefen Schlund der Erde und hatte dabei immer noch seine Flüche auf den Lippen. Elrikh brauchte nichts zu sagen. Seine Augen verrieten Rigga was er gesehen hatte. Besorgt rieb die Schamanin eines ihrer Schutzamulette.

„Rigga. Warum nahm er an, dass seine Eltern ermordet wurden? Wieso hätte jemand das tun sollen?“

Die Sahlet stand auf und ging ein paar Schritte. Wieder klapperten ihre Amulette im Rhythmus ihres Schrittes.

„In Zeiten der Not erscheint einem manchmal jedes Mittel Recht, um Böses zu verhindern. Ich weiß nicht ob Alkeers Eltern noch leben. Aber sollten sie tatsächlich ermordet worden sein, dann wird der Fluch des Gefallenen, Nährboden haben.“

„Was? Ich verstehe nicht…“

„Du brauchst das jetzt nicht zu verstehen“, unterbrach ihn die Schamanin. „Lass uns zu den anderen gehen. Rethika und ich haben viel zu erzählen.“

Elrikh erhob sich und griff nach dem gesammelten Brennholz. Rigga war schon einige Schritte voraus gegangen, drehte sich dann nochmals um und beobachtete ihren Kameraden.

Eines Tages wirst du deine Windmühle reparieren, mein Freund. Eines Tages.

 

Die reichlichen Gewürze und Kräuter, mit denen der Hirschbock verfeinert worden war, konnten den Geruch des vergossenen Blutes und der Eingeweide nicht vollständig überdecken. Ob es die Opfergabe an Miamar war, die noch in der Luft lag oder der getrocknete Lebenssaft, welcher auf Marts Haut klebte, vermochte Elrikh nicht zu sagen. Auf jeden Fall fiel es ihm schwer das gemeinsame Mahl der Gefährten zu genießen. Während Rethika noch dabei war ein paar der übrig gebliebenen Fleischstücke aus dem Braten herauszuschneiden, um sie für den nächsten Tag zu trocknen, griff Rigga in einen ihrer Beutel und holte ein feines, schwarzes Pulver hervor. Ohne Vorwarnung warf sie es ins Feuer und entfachte damit eine grelle Feuersäule, die sofort wieder verschwand. Die unerwarteten Flammen schossen gut drei Schritt in die Höhe und hatten bei allen Anwesenden für einen gehörigen Schrecken gesorgt.

„Ja bist du denn völlig wahnsinnig geworden!“, schrie sie der Zentaur an. Vor lauter Aufregung hatte er das Fleisch in die Asche fallen lassen. „Du und dein verfluchter Hexenzauber! Sieh dir nur das gute Fleisch an! Ganz zu schweigen davon, dass du mir die Augenbrauen versenkt hast!“

Die Schamanin blieb hingegen völlig ruhig und setzte sich auf einen der großen Steine, die am Feuer lagen.

„Das war nur etwas, um den furchtbaren Gestank zu vertreiben. Nicht jeder von uns schätzt den Duft von entleertem Hirschdarm beim Essen.“

Draihn, der ebenfalls einen ordentlichen Schrecken davongetragen hatte, starrte die Sahlet mit weit aufgerissenen Augen an.

„Es hätte nicht viel gefällt und du würdest jetzt meinen Darm riechen, der sich entleert hat.“

Auch Mart mischte sich in den Streit ein. Niemand hatte bisher gemerkt, dass der Troll ein paar schwarze Schlieren im Gesicht davongetragen hatte. Entsetzt blickten alle auf das Antlitz des Riesen, von dem immer noch eine dünne Rauchfahne aufstieg.

„Einverstanden“, grollte Mart. „Ich werde meine Opfergaben in Zukunft weiter weg vom Lager verbuddeln.“

Ein paar Flüche und Schimpftiraden später, saßen auch schon wieder alle friedlich beisammen und lauschten dem Bericht von Rethika und Rigga. Bei ihrer Erkundung waren sie bis zu den Mauern einer großen Stadt vorgestoßen. Unzählige Händler, die gerade ein und aus gingen, machten es leider unmöglich den Ort zu betreten ohne aufzufallen. Deswegen schlugen sie vor, in der Nacht noch einmal dorthin zu gehen. Unsicher musterte die Schamanin den Troll.

„Bitte nimm es mir nicht übel, Mart. Aber ich glaube es wäre besser wenn du solange vor den Stadtmauern wartest. Im Schutze der Nacht können wir uns zwar unbemerkt einschleichen, aber …“, ließ Rigga den Satz unvollendet stehen.

Mart nickte und wirkte ein wenig enttäuscht.

„Ich muss zugeben, dass es nicht gerade Spaß macht jedes Mal wenn wir auf eine Siedlung treffen in irgendeinem Wald auf euch warten zu müssen. Aber damit muss ich mich wohl abfinden.“

Rethika schritt auf seinen Kampfgefährten zu und klopfte ihm kräftig gegen den Oberarm.

„Nur keine Sorge, mein Dicker. Ich wette schon bald werden wir endlich wieder in ein paar Ärsche treten können.“

Rigga schüttelte fast unmerklich den Kopf.

„Morgen früh sollten wir uns auf den Weg zur Stadt machen. Unweit der Mauern gibt es einen kleinen Tannenwald. Dort können wir uns bis zum Einbruch der Nacht verstecken. Es dürfte nicht schwierig sein in die Stadt zu kommen.“

Die Schamanin wirkte nachdenklich auf Draihn. Der Ordensritter kannte seine Gefährten mittlerweile Recht gut und wusste wann ihnen etwas auf der Seele lag.

„Rigga? Ist noch etwas?“, fragte er zögerlich.

„Nein nein“, erwiderte sie stockend. „Es ist nur…“ Doch die Echsenfrau winkte ab. „Es wird schon nichts sein. Ich habe mich ehrlich gesagt nur etwas darüber gewundert wie nachlässig die Städter zu sein scheinen. Ich konnte fast keine Wache erkennen als wir uns dem Ort näherten. Und die Tore schienen beinahe so als wären sie schon seit vielen Zyklen nicht mehr geschlossen worden.“

Der Valantarier zuckte mit den Schultern.

„Wahrscheinlich wart ihr einfach nur zu weit weg, um alle Wachen entdecken zu können.“

„Ja“, antwortete Rigga. „Vielleicht waren wir einfach nur zu weit weg.“

 

 

Zur Führung berufen

Einsame Stille und allgegenwärtige Kälte schienen alles zu sein was in den Königshallen von Valantar noch zu spüren war. Der Tod von König Melahnus wirkte wie ein lähmendes Gift auf die Bevölkerung der Hauptstadt. Obwohl der König in den letzten Monaten seines Lebens durch den Tod seiner geliebten Frau schwer gezeichnet war, hatte jedermann die Hoffnung, dass er eines Tages seine alte Stärke wieder finden würde. Die Trauer um seine Gemahlin hatte ihn vorzeitig altern lassen. Obgleich seine Lebenskerze kaum fünfzig Sommer gebrannt hatte, wirkte er kurz vor seinem Tod wie ein alter gebrechlicher Mann. Die Umstände, welche ihn sein Leben gekostet hatten, waren weder dem Volk, noch den Politikern des valantarischen Reiches bekannt. Man wusste, dass König Melahnus sich mit seiner Leibgarde auf ein Schiff begeben hatte und in Richtung Norden davon gesegelt war. Es vergingen mehr als sechzig Umläufe, als eines Tages ein Mitglied der Leibwache von einem Fischerboot im Meer gefunden wurde. Der hilflose Ritter lag zusammengekrümmt auf ein paar vertäuten Brettern und war deutlich von der gnadenlosen Sonne gezeichnet worden. Verbrannte Haut pellte sich ihm von Gesicht und Körper. Die Möwen hatten sich an dem ungeschütztem Fleisch zu schaffen gemacht. Er lebte gerade noch lange genug damit ihm ein Heiler des Fischerdorfes einen schmerzlosen Tod schenken konnte. Mit seinen letzten Atemzügen sprach er jene Worte die Valantar verändern sollten. „Der König ist gefallen.“

Diese Neuigkeiten hatten einen Sturm in der valantarischen Herrscherfolge entfacht. Melahnus hatte weder einen Erben hinterlassen, noch ein Dokument verfasst, welches seine politische Nachfolge regeln sollte. Es dauerte nicht lange und eine Adelsfamilie nach der anderen behauptete einen Anspruch auf den Thron zu haben. Barone, Fürsten, Stadthalter und sogar Glaubensführer versuchten ihr Recht auf die Herrschaft mit windigen Stammbäumen und Vermögensbekundungen zu erwirken. So sehr ein jeder versuchte sich in einem guten Licht darzustellen, wurden Nebenbuhler um die Krone mit den schlimmsten Anfeindungen und haltlosesten Beschuldigungen bedacht. Einige wurden sogar des Hochverrats und der Ermordung Melahnus beschuldigt. Doch niemand schaffte es in den Versammlungen eine eindeutige Mehrheit für sich zu erzielen. So vermögend die machtgierigen Edelleute auch waren, es gab ihrer einfach zu viele. So schafften es mehr als ein Dutzend von ihnen in die engere Auswahl der Nachfolge zu gelangen. Das Volk sah dieses Treiben unterdessen mit großer Abscheu. Melahnus hatte viel für seine Untertanen getan. Seine Familie diente von jeher dem kleinen Bauern und einfachen Leuten. Leibeigenschaft und Sklaverei waren unter seiner Führung undenkbar gewesen. Nun befürchtete man, dass der neue Herrscher, wer immer dies auch sei, anderes im Sinn hätte als dem Volke ein gerechter König zu sein. Um die Frage der Nachfolge endgültig zu klären, wurde entschieden, dass die dreißig vielversprechendsten Anwärter in einen geschlossenen Rat gewählt wurden, welcher über den neuen Führer Valantars bestimmen sollte. Ein Großteil der Ratsherren waren bereits in der Vergangenheit angesehene Politiker und Ratsmitglieder unter König Melahnus gewesen. Allerdings gab es auch jene, die versuchten sich durch Macht und Reichtum an die Spitze der Hierarchie zu katapultieren.

Als die Menschen auf den Straßen von Valantar den Klang von Trompeten und Trommeln wahrnahmen, wussten sie, dass erneut einer der Edelleute Einzug in die Herrscherstadt hielt, um seinen Anspruch auf die Führung kund zu tun. Das Klappern von beschlagenen Hufen und das Ächzen der Wagenräder, die sich über die gepflasterten Straßen bewegten, übertönte jedes andere Geräusch und ließ die Menschen mit ihrer Arbeit innehalten. Eine Kutsche mit sechs eingespannten Pferden brach durch den morgendlichen Nebel, der vor den Stadtmauern herrschte und setzte ihren Weg unbeirrt zur Ratshalle fort. Der Kutscher ließ die Peitsche über den Ohren der verschwitzten Hengste knallen, um sie auf den letzten Metern noch einmal anzutreiben. Ohne Rücksicht auf Mensch oder Tier, lenkte er sein Gefährt ungestüm durch die Straßen der Königsstadt. Erst kurz vor seiner Ankunft an der Ratshalle zügelte er die erschöpften Tiere und gönnte ihnen einen leichten Trab. Kaum, dass die Kutsche vor dem schwer bewachten Gebäude angehalten hatte, eilte der beleibte Kutscher von seinem Bock und öffnete die Wagentür.

„Wir sind da, edler Herr.“

Er verbeugte sich so tief, dass seine lange Hakennase drohte auf den Pflasterstein zu schlagen. Die dicken Schweißtropfen auf seiner Stirn und dem unbehaarten Schädel ließen einen denken, er hätte die Kutsche selbst gezogen. Ein Mann erschien in der Wagentür und rümpfte unverhohlen die Nase. Sein Erscheinungsbild war keines, welches man von einem typischen Edelmann erwarten würde. Anstatt eines wohlgenährten, mit allerlei Schmuck und edlen Stoffen behängten Barons, sah man einen hageren, leicht zu kurz geratenen Mann, der in schlichte zweckmäßige Kleidung gewandet war. Buschige Augenbrauen und dunkle Ringe unter den Augen ließen ihn recht finster wirken.

„Natürlich sind wir da“, brachte er unwirsch hervor. „Warum sonst solltest du die Kutsche angehalten haben? Wenn du nichts zu sagen hast, schweig gefälligst!“

Der unfreundliche Mann entstieg der Kutsche und hielt einen Moment inne. Seine Kleidung war durchgehend schwarz. Ein Schnürhemd mit Puffärmeln, eine enge Lederweste, knielange enge Hosen, schwarze Strümpfe und schwarze Schuhe, die mit silbernen Schnallen versehen waren. So kleideten sich sonst nur Ordensprediger bei einer Trauerfeier.

„Wie oft muss ich euch wohl noch sagen, dass ihr nicht so hart zu dem guten Jessope sein sollt?“

Hinter dem kleinen schwarzen Mann kam eine weitere Gestalt zum Vorschein. Dieses Mal war es offensichtlich, dass es sich um einen Edelmann handelte. Ein blauer Mantel, der ein blauweißes Gewand verbarg, hüllte den zweiten Menschen ein. Beinahe so als würde ein Stück des Himmels mit einer Wolke zur Erde nieder schweben, entstieg er der Kutsche. Auf dem Haupt trug der Mann einen blauen Hut, der mit einer dicken weißen Feder geschmückt war. Um den Hals hing eine reichlich verzierte silberne Kette und an den Fingern prangte so mancher Ring. Der kleine Mann wich sofort zurück und verbeugte sich tief vor dem in Blau Gekleideten.

„Verzeiht mir, Stadthalter. Ich war lediglich um eure Sicherheit besorgt. Dieser Kutscher treibt die Pferde an als würde er eine Ladung gepantschten Bieres durch die Lande fahren und nicht den zukünftigen…!“

„Es ist genug! Ihr vergesst euch, Magaleh. Jessope ist ein eifriger Bursche. Und sollte ich einmal anders darüber denken, so werde ich es sein, der ihn maßregelt. Nicht ihr.“ Der kleine Mann schluckte schwer, verbarg aber seine offensichtliche Demütigung. „So. Und nun geht voraus und kündigt mein Erscheinen an.“

Eine ehrfürchtige Verbeugung später eilte das schwarze Männchen auch schon die Stufen des Ratspalastes hinauf und verlangte von den Wachen ihn einzulassen. Während einer von ihnen den erbosten Magaleh den Weg versperrte, ging ein anderer in den Palast um die Angereisten beim Hofmeister anzukündigen. Dieser war Begegnungen mit hochrangigen Herrschaften gewohnt und machte deshalb keinerlei Anstalten sich wegen eines einzelnen Mannes in Eile zu versetzen. Gemütlich legte der betagte Hofmeister seinen Umhang um die Schultern und begab sich im Beisein der Wache zum Tor. Magalehs Gebieter war inzwischen an die Wachen herangetreten und behielt im Gegensatz zu seinem Diener die Fassung, als ihm der Zutritt ohne Genehmigung des Hofmeisters verweigert wurde.

„Seid mir gegrüßt, edler Herr. Ich bin der Hofmeister Kutor. Willkommen im Ratspalast von Valantar. Wen darf ich dem erlauchten Zirkel melden?“

Der Blau gekleidete Mann erwiderte die Verbeugung des Hofmeisters und bedeutete seinem Diener sich zurückzuhalten.

„Ich bin Lord Dukarus. Stadthalter von Inaros und Repräsentant der östlichen Händlergilde.“

Der Hofmeister blickte überrascht drein.

„Oh. Ihr seid der neue Stadthalter von Inaros? Es freut mich euch persönlich zu treffen. Ich war bis vor einigen Monaten Amtschreiber in der Gildenstadt.“

„Wie war doch gleich euer Name? Kutor?“ Dukarus fuhr sich durch den feinen Bart und grübelte. „Oh ja. Ich erinnere mich an euer Namenssiegel. Kutor. Ihr genießt großes Ansehen in den Kammern meiner Stadt.“ Während Kutor und Dukarus in ein Gespräch verfielen, begannen sie ihren Weg in den Palast fortzusetzen. „Wie kam es, dass ihr Hofmeister in Valantar wurdet?“

„Ach wisst ihr, das Alter macht sich langsam bemerkbar. Die Augen wollen nicht mehr richtig lesen und die Hände nicht mehr richtig schreiben. Da kam mir die freie Stelle als Nachfolger des alten Hofmeisters wie gerufen. In meiner neuen Position beschränkt sich der handwerkliche Teil auf das Erfassen der Besucher des Palastes. Und auch dafür nehme ich mir von Zeit zu Zeit einen Gehilfen.“ Kutor zwinkerte dem Stadthalter zu. „Wenn ihr mir die Frage erlaubt, wie kam es, dass ihr Stadthalter wurdet? Euer Name ist mir aus den Schriften der valantarischen Armee bekannt. Wart ihr nicht Kommandant eines Kriegsschiffes?“

Dukarus setzte ein trügerisches Lächeln auf.

„In der Tat. Mein Schiff war das einzige, welches den hinterhältigen Angriff einer feindlichen Flotte überstand. Nur mit großer Kühnheit und eiserner Entschlossenheit, war es mir möglich den Feind zu überlisten und die wichtige Kunde über die Schlacht dem König zu überbringen. Er beschloss daraufhin in diplomatischer Absicht nach Komara zu reisen. Und dies ohne eine Eskorte. Ein falscher Entschluss wie sich herausstellte.“

Kutor war nicht entgangen, dass Dukarus ein nicht minderes Maß an Selbstüberschätzung an den Tag legte als er es von ihm erwartet hatte.

„Fürwahr ein schicksalhafter Tag für ganz Valantar. Wir verloren einen der größten Könige, den dieses Land je hatte.“

Dukarus räusperte sich und beschleunigte seine Schritte. Offenbar war es ihm unangenehm über König Melahnus zu sprechen.

„Ja. Ein großer König, welcher ein großes Erbe hinterlässt. Wollen wir hoffen, dass es uns gelingt dieser Bürde gerecht zu werden. Und nun lieber Kutor, seid so nett und geleitet mich in die Ratshallen. Der Zirkel erwartet mich mit Sicherheit schon.“

Schweigend neigte Kutor sein Haupt und führte Dukarus durch die Palastflure, hin zur Ratskammer der Herrscher. Die Beine des ehemaligen Schreibers waren nicht gerade die flinksten, aber er sah auch keinen Grund dafür sich wegen des Stadthaltes besonders zu beeilen. Kurz bevor sie die Ratshalle erreichten hielt Kutor sogar an, um sich die Nase zu schnäuzen.

„Da wären wir. Offenbar haben die Gespräche bereits begonnen. Wenn ihr mir gestattet, warte ich mit eurer Ankündigung bis der derzeitige Redner fertig ist.“

Ein kurzes Nicken war alles was Kutor als Antwort erhielt. Im Augenblick stand Stadthalter Lukamas vor dem Zirkel und sprach über unstabile Verhältnisse in der Hafenstadt Alchor. Der Lord war in der Vergangenheit dafür berühmt geworden, mit eiserner Faust gegen Piraten und Freibeuter vorzugehen. Dazu diente ihm unter anderen der Salztopf. Ein hoher Turm, in welchem er seine Gefangenen einzusperren pflegte. Doch zum jetzigen Zeitpunkt war die Sorge des Stadthalters eine größere als die, sich mit ein paar Seeräubern auseinandersetzen zu müssen. Mit drohender Stimme und gereckter Faust wirkte seine Rede geradezu unheilvoll und bedrohlich.

„Sollten mir nicht bald mehr Soldaten zur Verfügung gestellt werden, weiß ich nicht wie lange die Situation noch unter Kontrolle gehalten werden kann. Bereits zu den Lebzeiten von König Melahnus hatte ich als Stadthalter von Alchor mit den Seeräubern und Söldner zu kämpfen. Mit allen Mitteln, die mir zur Verfügung standen, habe ich versucht Recht und Ordnung zu erhalten. Doch seit der König verstorben ist und kein legitimer Nachfolger benannt wurde, geraten die Dinge immer mehr aus dem Gleichgewicht.“

In Lukamas Stimme schwang aufrichtige Besorgnis, aber auch ein gewisses Maß an Herausforderung mit. Dukarus kannte den Ruf des Lords. Er war ehrgeizig und zielstrebig. Auf ihn machte es ganz den Anschein als wollte der kämpferische Redner den Zirkel zu einer Entscheidung zwingen.

„Grenzüberschreitungen und Verletzungen der Handelsabkommen sind beinahe an der Tagesordnung. Zudem befürchten die Handelsreisenden, dass die Preise für Getreide, Erz und Kohle in ungeahnte Höhen steigen werden. Und um dem Ganzen noch die Krone aufzusetzen, macht sich unter meinen Männern Unmut breit. Sie müssen eine Bevölkerung unter Kontrolle halten, die ihnen um ein hundertfaches überlegen ist. Nicht mitgerechnet die Söldnerschiffe, welche in unserem Hafen jeden Tag an- und ablegen. Die meisten meiner Soldaten haben Alchor seit Monaten nicht mehr verlassen können. Die Gerüchte aus Valantar über die zweifelhafte Königsnachfolge schüren ihre Bedenken.“

Bei seinen letzten Worten ließ Lukamas seinen Blick langsam über die Ränge des Zirkels wandern. Er wusste, dass unter den Anwesenden so mancher war, der die Königsfolge für seine Familie beanspruchte. Jeder von ihnen wusste einige Befürworter des Rates auf seiner Seite. Blind für die Gefahr, welche ihre Uneinigkeit mit sich brachte, dachten sie alle nur an ihre eigenen Vorteile. Lukamas Worte sorgten für empörte Zwischenrufe, die in Beleidigungen auszuufern drohten. Dukarus nutzte die Gunst der Stunde und schob Kutor voran ihn anzukündigen. Etwas verunsichert ob der Zeitpunkt auch der richtige wäre, trat Kutor in die Ratskammer und ließ eine kleine Glocke erklingen.

„Edle Herren. Bitte erlaubt mir euch einen weiteren Besucher anzukündigen. Lord Dukarus, Stadthalter von Inaros und zugleich politischer Vertreter der östlichen Handelsgilde.“

Kutor tat einen Schritt zur Seite und überließ Dukarus die Aufmerksamkeit des Rates. Der Lord von Inaros trat selbstsicher vor die Ratsmitglieder und zog seinen himmelblauen Hut zur Begrüßung.

„Wie mir scheint komme ich gerade recht. Die Sorgen von Lord Lukamas sind mir bereits zu Ohren gekommen. Ich bin mir sicher ihm in dieser Sache einige aufmunternde Neuigkeiten mitteilen zu können.“

Man merkte Lukamas an, dass er sich durch die Unterbrechung beleidigt fühlte. Mit erbostem Gesicht und in die Hüfte gestemmten Händen erwiderte er die Begrüßung des Neuankömmlings.

„Hó Dukarus. Oh nein, verzeiht. Ihr seid ja jetzt Lord Dukarus. Vom Schiffskommandanten zum Stadthalter. Wirklich eine beeindruckende Karriere. Zu bedauerlich, dass euer Vater diesen Tag nicht mehr erleben konnte. Aber wenn ich mich nicht irre, war er euren Plänen in die Politik zu gehen seit jeher nicht sehr zugetan.“

Das Lächeln auf Dukarus Gesicht drohte in sich zusammenzufallen. Nur mit Mühe konnte er seine gespielte Freundlichkeit aufrechterhalten. Wie ein Raubtier, welches die Zähne fletscht, um einen Fressfeind einzuschüchtern, lächelte er sein Gegenüber an.

„In der Tat. Mein Vater sah mich eher als jemanden, der sein Glück bei der Armee suchen sollte. Doch es erfüllt mein Herz mit Freude, dass ich nun als sein Nachfolger zum Repräsentanten der östlichen Handelsgilde berufen wurde. Mit Sicherheit kann ich mit diesem Amt noch sehr viel mehr Gutes bewirken als es mir im Dienste eines Schiffskommandanten möglich gewesen wäre. Zumal ich seit geraumer Zeit auch den Posten eines Stadthalters innehabe und somit zum Lord berufen wurde.“

Der Vorsitzende des Ratszirkels, Lord Vartik, riss das Wort an sich.

„Es liegt mir fern den aufregenden Erzählungen von Lord Dukarus ein Ende zu setzen, aber ich darf die Herren daran erinnern, dass wir wichtige Dinge zu besprechen haben. Wenn es euch also nichts ausmacht…“

Vartik deutete auf einen leeren Platz in einer der hinteren Reihen der Ratskammer. Dukarus neigte den Kopf und nahm seinen Platz wortlos ein. Innerlich jedoch kochte er vor Wut.

Was bildest du dir eigentlich ein, alter Mann?! Mich wie einen Diener auf meinen Platz zu verweisen. Und dann auch noch in den letzten Winkel der Halle! Aber bald werde ich es sein, der hier die Ordnung bestimmt. Und die sieht nur einen Platz vor.

Mit einer herrischen Geste winkte er seinen Diener Magaleh herbei. Im Flüsterton gab er ihm Anweisungen.

„Geht und lasst mir ein Zimmer herrichten. Wenn die Sitzung vorbei ist will ich ein heißes Bad nehmen und speisen.“

Wie ein Schoßhund, dem man soeben einen Knochen hingeworfen hatte, verbeugte sich Magaleh bis zu den eigenen Fußspitzen und machte sich rasch daran die Befehle seines Meisters auszuführen. Lord Lukamas war inzwischen mit seiner Rede fortgefahren und beendete diese in dem Moment wo Dukarus sich wieder der Versammlung widmete. Der Vorsitzende Vartik erhob sich und nahm den Platz vor dem Zirkel ein.

„Danke, Lord Lukamas für euren Bericht über die Lage in den Westregionen um Alchor. Ich bin mir sicher wir werden schnellstmöglich eine Lösung für eure Probleme finden.“

„In der Tat“, fiel im Dukarus ins Wort. „Wie ich schon bei meiner Ankunft bemerkte…“

„Lord Dukarus!“ Vartik war erbost über diese unaufgeforderte Unterbrechung. „Ich weiß nicht wie ihr euer Schiff geführt habt und offen gestanden interessiert es mich auch nicht. Aber in diesem Zirkel gibt es gewisse Protokolle, an die wir uns halten! Vielleicht tätet ihr gut daran euer Quartier aufzusuchen und die Schriften des Rates zu studieren, bevor ihr euch anmaßt mich noch einmal zu unterbrechen!“

Dukarus wurde kreidebleich. Solch eine Demütigung hatte er noch nie erfahren. Er war sich sicher, jedes weitere Wort würde ihn noch mehr schädigen. Deswegen versuchte er sich einen Rest Würde zu bewahren und verließ mit gehobenem Kinn die Ratskammer.

Die richtigen Antworten

Es war länger als ein Jahr her, dass sie sich auf den Weg gemacht hatte, um die Welt vor dem Bösen zu retten. Ihr Ziel war es gewesen den jungen Alkeer zu meucheln und somit zu verhindern, dass die Dämonen der Unterwelt sich seiner bemächtigen könnten. Der Rat der Weisen hatte ihr verboten diesen Weg zu beschreiten. Sie fürchteten um die Erfüllung der uralten Prophezeiung wenn das Blut des Jungen vergossen werden würde. Doch sie ließ sich davon nicht abhalten. Ohne Rücksicht jagte sie ihn. Der Weg der Kriegerin wurde von unzähligen Leichen gesäumt. Menschliches Leben hatte ihr bis vor Kurzem nichts bedeutet. Für die Schattenelfe stellten die Menschen ein Übel dar, welches gleichsam mit den Geschöpfen der jenseitigen Welt das Böse über Berrá bringen würde. Doch während ihrer Jagd passierte etwas, dass sie veränderte. Ein Mensch, jemand der sie kaum kannte, opferte sein Leben um sie zu retten. Niemals hätte das Schattenkind geglaubt Zeuge einer solchen Tat zu sein. Lange Zeit beschäftigte sie dieses Erlebnis. In endlosen Nächten der Meditation fragte sie die Götter um Rat, bekam jedoch keine Antwort. Schließlich begriff die Schattenelfe, dass sie Antwort selber finden müsste. Und das tat sie auch. Die Art wie sie die Menschen sah war immer noch mit Misstrauen behaftet. Dennoch gab es jene, denen sie vertraute. Und einer von ihnen war Brook dá Cal. Tymae kannte den alten Piraten schon länger als ihr lieb war. Es musste nun schon gut vierzehn Sonnenzeiten her sein, dass der damals frischgebackene Kapitän sie auf seinem Schiff nach Obaru schmuggelte. Auch damals war ihr Auftrag mit Blut behaftet. Doch dá Cal war kein Mensch, der sich um solche Sachen scherte. Für ihn war einzig und allein die Bezahlung entscheidend. Dennoch hatte sich im Laufe der Zeit eine Art Freundschaft zwischen den beiden entwickelt. Vielleicht war es die Gesetzlosigkeit, die sie miteinander verband. Wahrscheinlicher war es jedoch, dass der Tod von Warek die Schattenelfe und den Menschen einander näher brachte. Warek hatte sein Leben gegeben, um das von Tymae zu retten. Brooks ältester Freund wurde ausgesandt, um die Kriegerin sicher zur Wellenschneider zu bringen. Als sie auf eine Gruppe valantarischer Soldaten stießen, wäre Tymae um ein Haar Opfer eines hinterhältigen Angriffs geworden. Doch Warek bewahrte sie vor diesem Schicksal und fand an ihrer Statt den Tod. Nachdem Tymae ihren Weg zu Brook gefunden hatte, berichtete ihr dieser von einer Verschwörung, dessen Ziel es war sie nach Komara zu locken. Offenbar hatte sich jemand sehr viel Mühe gegeben die Schattenelfe in seine Gewalt zu bringen. Doch Brook hatte eine Informantin in der Soldatenstadt Elamehr. Sie erzählte ihm von einem gewaltigen Komplott. Der Krieg zwischen Valantar und dem Eisernem Imperium, die Kriegsschiffe der Elfen, die Jagd nach Alkeer, die Überfahrt von Tymae nach Komara, all dies war Teil eines großen Lügengewebes. Obwohl Brook die Schattenelfe warnte, beschloss sie ihren Weg noch Komara fortzusetzen. Jedoch hatte sich ihre Mission geändert. Den jungen Menschen würde sie nicht weiter verfolgen. Vielmehr wollte sie herausfinden warum jemand die Absicht hatte sie in seine Gewalt zu bringen. Und sie würde ergründen wer derjenige war, der dieses gewaltige Lügennetz gesponnen hatte. Nach ihrer Ankunft auf Komara fanden sie sehr schnell die ersten Hinweise, die sie brauchten, um den Anführer dieser Intrige ausfindig zu machen. Einer der Ratsherren von Munday hatte die Aufgabe Versorgungsgüter für die kämpfenden Truppen des Imperiums zu liefern. Dazu konfiszierten seine Soldaten große Mengen an Getreide und Vieh aus den umliegenden Ebenen. Der Ratsherr entsendete diese Güter mit großen Koggen zur imperialen Flotte. Die ganze Sache hatte nur einen Haken. Der Krieg zwischen Valantar und dem Imperium war ein erlogenes Detail in dem Netz der Verschwörung. Der Imperator hatte zu keiner Zeit Kenntnis von den kriegerischen Absichten des valantarischen Königs. Folglich gab es auch keine Kriegsflotte, die es zu versorgen galt. Die große Frage war nun, was geschah mit den Gütern, die der Ratsherr von Munday entsandte? Tymae war der festen Überzeugung die Antworten zu bekommen, die sie brauchte. Vor einigen Monaten hatte sie einen alten Säufer ausfindig gemacht, der als Bote für den Ratsherrn arbeitete. Sein Name war Stakoih. Der versoffene Kerl beteuerte seine Unschuld und behauptete er wüsste nichts von all diesen Dingen. Sogar, dass der Ratsherr sein Auftraggeber war, wollte er nicht gewusst haben. Man hätte ihm Geld dafür bezahlt, dass er versiegelte Briefumschläge zu einem Versteck brachte. Niemals hätte er jemanden getroffen oder sich gar mit jemandem unterhalten. Es dauerte eine Zeit bis Tymae ihn soweit hatte alles zu erzählen was er wusste. Er berichtete von einer Nacht, in der seine Neugier siegte und er einen Blick auf den Empfänger der Nachrichten werfen wollte. In den Augen des Mannes war Todesangst zu sehen. Man merkte ihm an, dass er spürte wie sein Leben verwirkt sei nachdem er erzählte was er gesehen hatte. Es war eine übernatürliche Angst, die ihn in den Klauen hielt. Tymae fragte den Mann ob er Familie hätte. Ein zögerliches Nicken war die Antwort. Die Schattenelfe warf ihm ein paar Silbermünzen vor die Füße und riet ihm soviel Abstand zu Komara zu gewinnen wie er nur konnte. Außerdem überzeugte sie ihn, dass es das Beste für ihn wäre wenn er über das Gesehene und Erzählte kein Wort zu anderen verlieren würde.

„Einen Kieselstein für deine Gedanken.“

Ruckartig drehte sich die Kriegerin um und blickte in das Antlitz von Brook dá Cal. Der Seemann hatte sich den Luxus einer Rasur und eines Vollbades genommen kurz nachdem sie in Trekhol eingetroffen waren.

„Was? Wieso einen Kieselstein?“

„Nur so eine alte Redensart. Damit meinte ich, dass ich zu gerne wissen würde worüber du schon wieder grübelst.“

Die Schattenelfe wandte sich ab, als ihr Begleiter einen Becher mit Wein reichte. Das Wirtshaus, in dem sie sich einquartiert hatten, verfügte leider nicht über allzu viele Zimmer. Darum mussten sie sich eines teilen. Brook hielt diese Vorgehensweise sowieso für besser. Ein Gespann wie er und Tymae wären sicherlich aufgefallen wenn sie sich getrennte Zimmer genommen hätten. Unauffälligkeit war gewiss nicht die Stärke, die ihnen bei ihrer Suche beistand. Sicherlich vermochte Tymae es, sich lautlos durch das Unterholz bewegen und im Dunkeln durch die Reihen von hundert Soldaten zu gehen, ohne entdeckt zu werden. Doch in Situationen, die das Zusammentreffen mit Menschen unvermeidbar machten, fiel die Schattenelfe aufgrund ihrer geheimnisvollen Aura jedes Mal auf. Brook stellte den zweiten Becher Wein zur Seite und nahm dafür einen kräftigen Schluck aus seinem eigenen. Es war unverkennbar, dass Tymae den Aufenthalt in dem spärlich eingerichteten Zimmer nicht gerade sehr genoss. Obgleich ihre Kleidung klamm von dem regnerischen Wetter sein musste, entschied sie sich dafür sie anzubehalten. Ihre rotblonden Haare glänzten feucht im Kerzenlicht als sie sich daran machte sie zu einem Zopf zu schnüren.

„Ich grübele nicht, wie du es nennst. Ich plane unsere nächsten Schritte. Diese ganze Sache dauert einfach schon zu lange. Seit einem Jahr sind wir nun dabei das Gespinst aus Lügen, Intrigen und hinterhältigen Machenschaften aufzudecken, in das Lord Medehan verstrickt war. Anfangs dachte ich er würde der Puppenspieler dieses Theaters sein. Doch ich habe mich geirrt. Es gibt jemanden, der diesen verblendeten Menschen an der Nase herumgeführt hat. Und ich will verdammt sein wenn ich nicht herausfinde wer das war.“

Seufzend ließ Brook sich in einen alten Stuhl sinken. Das Knarren des Holzes verriet, dass man diese Bewegung nicht mehr allzu oft mit dem Sitzmöbel vollführen sollte. Der wacklige Stuhl passte in dieses Zimmer ebenso wie der staubige Schrank und der abnutzte Fußboden. Der Versuch diese Räumlichkeit durch dicke blassgrüne Teppiche und billigen Wandschmuck zu verschönern, führte eher genau ins Gegenteil. Dank der großzügigen Verteilung von Öllampen und Kerzen war es den Reisenden vergönnt, die Hässlichkeit des Zimmers in all seiner Pracht zu genießen. Brook streichelte seinen langen Kinnbart und nahm noch einen tiefen Zug aus seinem Becher.

„Das geht so nicht weiter, Tymae. Wir können nicht ewig den Schreibern und Boten hinterher jagen in der Hoffnung, dass uns einer von ihnen unserem Ziel ein Stück näher bringt.“

Wütend funkelte die Schattenelfe ihren Begleiter an.

„Was du nicht sagst! Und was willst du tun? Einfach aufgeben und so tun als wäre all das nie passiert? Medehan ist tot und trotzdem laufen die Machenschaften im Dunkeln weiter. Also muss es jemanden geben, der uns zu dem Anführer dieser Verschwörung bringt! Was ist mit diesem Mann, den du hier treffen wolltest? Du hast gesagt, er ist ein alter Freund von dir und kennt jedes Handelsschiff das diesen Kontinent verlässt. Kann er uns nicht weiterhelfen?“

Brook kippte sich den Rest seines Weines in einem Zug die Kehle hinunter und füllte seinen Becher sofort nach. Tymae missbilligte es, dass er mit nichts weiter als ein paar Hosen im Zimmer umher lief. Sie hielt es für unangebracht, dass er sich ihr derart präsentierte. Brook schien ihre Unbehaglichkeit zu bemerken. Es machte sogar den Anschein als genoss er diesen Umstand regelrecht.

„Mandorian ist ein Pirat so wie ich einer bin. Vor ein paar Jahren kam er unversehens zu großem Reichtum und genießt seitdem sein Dasein als Lebemann und Frauenheld. Es würde mich wundern wenn er uns helfen könnte.“

„Du kurzsichtiger…“

„ABER…“, unterbrach der Seemann die wütende Kriegerin. „Aber natürlich dachte ich mir schon, dass du dich damit nicht zufrieden geben würdest und habe ihn um ein Treffen gebeten. Wir treffen uns morgen Nacht mit ihm in einem seiner Lagerhäuser. Offenbar schämt er sich mit einem alten Piraten gesehen zu werden.“

Der Zorn der Schattenelfe war zwar noch nicht ganz verraucht, aber sie beherrschte sich und griff nun ebenfalls nach ihrem Becher Wein. Misstrauisch ob der Rebsaft ihren Ansprüchen genügte roch sie daran und prostete Brook schließlich zu.

„Da hast du ja endlich mal was richtig gemacht.“

Brook glaubte ein schelmisches Lächeln im Gesicht der Schattenelfe zu sehen, wollte sein Glück aber nicht auf die Probe stellen.

Lange nachdem sich die Straßen von Trekhol in Dunkelheit hüllten, machten Brook und Tymae sich auf den Weg zum Lagerhaus von Mandorian. Es lag ein wenig abseits der sonst so belebten Straßen. Offenbar schätzte der Kaufmann und ehemalige Pirat, jene Abgeschiedenheit, welche die Lagerhäuser am Stadtrand boten. Die Schattenelfe trug einen schwarzen Umhang und nutzte instinktiv jeden dunklen Winkel und jede Gasse aus, um sich vor unliebsamen Blicken zu schützen. Brook hatte es während ihres Weges zu den Lagerhäusern vermieden die Schattenelfe anzusprechen. Jedoch machte er sich Sorgen, dass die nachtragende Kriegerin sich zu einem ihrer unkontrollierten Ausbrüche verleiten ließ, wenn Mandorian nicht das sagte was sie hören wollte.

„Wenn wir da sind, überlasse bitte mir das Reden. Ich kenne Mandorian schon viele Jahre und weiß wie man mit ihm umgehen muss. Er vertraut niemanden und sucht nach jeder Schwäche seines Gegenübers, um sie gegen ihn einzusetzen. Ich habe mal erlebt wie er auf diese Weise eine Schiffsladung Schwarzwasser an sich gebracht hat, ohne dafür soviel zu zahlen, dass es auch nur für ein einziges Fass gereicht hätte.“