Asphalt, Sex & Abenteuer - Sina Blackwood - E-Book

Asphalt, Sex & Abenteuer E-Book

Sina Blackwood

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Beschreibung

Maja, eine Schriftstellerin, die sich in einer langweiligen Ehe erdrückt und gefangen fühlt, lebt nur auf, wenn sie auf Recherchereisen die Weite der Landschaft und besonders die Erhabenheit der Berge spüren kann. Aus ihrem gewohnten Trott auszubrechen, ist sie zu feige. Als sie wieder einmal auf den Spuren des Mittelalters wandelt, geschieht etwas Seltsames, das mit einem Schlag ihr ganzes Leben auf den Kopf stellen wird.

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Inhaltsverzeichnis

Schlösser, Burgen, alte Mauern

Buongiorno Liguria!

Filmreif nach Cannes

Donner und Doria

Ave, Gaius Iulius

Der Hohe Schwarm

Sagenhaftes Prag

Auf der Suche nach Mr. X

Paris, mon amour

Fort A Famosa

Laurins Rosengarten

Auf der Alm, da gibt’s koa Sünd

Auf Wiedersehen – nicht Lebewohl

Sehnsucht nach Burgen und Bergen

Die schönen Dinge des Lebens

Herbstgedanken

Abschied

Schlösser, Burgen, alte Mauern

Seit Jahren fühlte sich Maja im grauen Alltag gefangen, in einer langweiligen Ehe und Verpflichtungen, vor denen sie lieber heute als morgen davongelaufen wäre. So träumte sie sich in ferne Welten, andere Zeiten und in Abenteuer, die sie nur zu gern genau so erlebt hätte.

Anders aus der Wirklichkeit zu fliehen, kam aus vielerlei Gründen nicht infrage. Also schrieb sie ihre Sehnsüchte in Romanen und Kurzgeschichten nieder.

Statt unleidlich gegen sich selbst und die Welt zu werden, überlegte sie, wie sie sich hin und wieder eine kleine Auszeit nehmen könne. Und sie fand eine Lösung par excellence.

Sobald sich Maja fühlte, als würden die Wände der Wohnung immer näher rücken, um ihr die Luft zum Atmen zu rauben, buchte sie kurze Bustouren bei ihren bevorzugten Reisebüros, um ihren angesammelten Kummer wenigstens für kurze Zeit vergessen zu können.

Patrick, seit ein paar Jahren ihr Angetrauter, bekundete höchst selten Interesse an ihrer Arbeit, oder daran, auf Recherchereisen mitfahren zu wollen und so hatte sie sich inzwischen daran gewöhnt, allein unterwegs zu sein.

Eigentlich wäre sie mit dem eigenen Auto beweglicher gewesen. Nur hätte sie dann vorwiegend auf das graue Asphaltband der Straßen gestarrt und kaum etwas von den wundervollen Landschaften wahrgenommen, durch die der Weg führte.

Sie liebte es, versteckte Burgen zu entdecken, ungewöhnliche Wolkenformationen zu beobachten und Tiere, die den anderen fast immer entgingen. Egal, wohin die Reise führte, Maja notierte, fotografierte und recherchierte zu allem, was ihr irgendwie vor die Augen und zu Ohren kam.

Hin und wieder, wenn ihr die Gesprächspartner interessant genug erschienen, offenbarte sie sich als Schriftstellerin, auf der Suche nach neuem Romanstoff.

Maja seufzte. Gerade heute war wieder einer jener Tage, an dem sie glaubte, in der Enge ihrer Ehe ersticken zu müssen. Eine Lokomotive unter Volldampf, gefangen auf 50 Metern Gleis, ohne Anschluss irgendwohin.

Sie setzte sich vor ihren Laptop und tippte das magische Wort Busreise ein, worauf das Gerät eine spärliche, schnell überschaubare Liste auf das Display zauberte. Mit zusammengekniffen Augen checkte sie die magere Datenreihe.

Reiseziele uninteressant, Termine ungünstig, zu teuer…

Weil sie so nicht weiterkam, versuchte sie es über das Eingrenzen des möglichen Zeitraums. Treffer. Ein Tag Urlaub außer der Reihe müsste doch zu machen sein?!

Und Maja träumte schon wieder – von einer Zufallsbekanntschaft, die die Nacht zu einem Erlebnis der besonderen Art machen könnte.

Ziemlich rasch kam sie auf den Boden der Tatsachen zurück. Nicht nur, weil zu Hause wieder mal alles völlig unromantisch lief. Sie wäre schlicht zu feige gewesen, solche eine Offerte überhaupt anzunehmen.

Zudem fürchtete sie, an einen zu geraten, der die Situation dahingehend ausnutzte, sie nach einem One-Night-Stand zu erpressen. Oder noch schlimmer, an einen, der sie dann bedrängte und plötzlich Absichten hegte, die ihr völlig fern lagen.

Brutal durch ihre eigenen Gedanken im Höhenflug gestoppt, tauchte sie lieber wieder in die Zauberwelten ihrer Manuskripte ein.

Hin und her gerissen, wie jedes Mal, wenn sie aus ihrem Alltagstrott fliehen wollte, dauerte es ein paar Tage, bis sie sich entschloss, endlich ihren Platz im Bus zu buchen, immer bangend und hoffend, eines der raren Einzelzimmer zu erwischen.

Der nächste Nervenkitzel bestand stets darin, darauf zu warten, ob die Reise überhaupt stattfinden konnte, oder aus Mangel an Interessenten abgesagt werden musste.

Wenn schließlich der widrige Fall einsetzte, stürzte Maja, obwohl darauf vorbereitet, in ein tiefes Loch aus schierer Verzweiflung. Sie spürte geradezu körperlich schmerzhaft, wertvolle Minuten ihres Lebens unwiederbringlich verrinnen.

Aber lieber so, als gar nichts zu tun, und irgendwann festzustellen, dass man physisch nicht mehr in der Lage war, sich die Welt anzuschauen. Also nutzte sie jede noch so kleine Chance, ihrer großen Leidenschaft, auf den Spuren des Mittelalters zu wandeln, zu frönen.

Was konnte es da Besseres geben, als eine Reise in den Süden zu unternehmen und schon entlang der Autobahnen und Fernstraßen von Deutschland, über Österreich, Italien, bis hin nach Frankreich und Monaco die Burgen, Schlösser oder kaum noch kenntlichen Ruinen solcher zu entdecken.

Und manchem Kleinod der Baukunst schaute sie mit verträumtem Blick so lange hinterher, bis es vom nächsten Felsvorsprung verdeckt wurde. Als Burgfräulein hätte sie die Dienste eines streitbaren Ritters dankbar angenommen und den siegreich zurückkehrenden Recken wohl auch nicht nur mit Goldstücken der geprägten Art entlohnt …

Ja, da war es wieder, das Abstellgleis, der unsichtbare Keuschheitsgürtel, der eine schlimmere Last als ein ganzer Plattenharnisch sein konnte. Maja zählte ihre geheimen Seufzer schon gar nicht mehr. Sie bemühte sich nur noch, es nicht versehentlich laut und vernehmlich zu tun.

Schon gar nicht dann, wenn sie sich bisweilen selbst verwöhnte, um sich als Frau fühlen zu können.

Die Prinzen auf weißen Pferden, schienen mit dem Mittelalter ausgestorben zu sein und zur Not hätte es ja auch ein modernerer mit einem Auto sein dürfen. Wobei das Auto nicht einmal Bedingung gewesen wäre.

Mit einem genervten Stöhnen schlug Maja den neuen Reisekatalog zu, wobei sie sehr darauf achtete, ihr Lesezeichen nicht zu verschieben. Denn diesmal wollte sie sich nicht mit nur einem Ort zufriedengeben. Es sollte ein regelrechter Marathon längst vergangener Baukunst werden, der zudem durch fast alle Landschaftsformen der nördlichen Hemisphäre führte.

Natürlich hatte sie die anvisierten Länder schon besucht, mitunter auch mehrmals, aber noch nie unter diesem Aspekt. Mit einem vergnügten Lächeln nahm sie ein paar Tage später die Reisepapiere aus dem Briefkasten.

Mit Landkarte und Entfernungsrechner kam sie auf ein Ergebnis von über 3000 Kilometern, auf denen es sicher enorm viel zu bestaunen gab.

Der Morgen der Abreise präsentierte sich mit einem Wetter, das eher zum Abgewöhnen, als der Förderung jeglicher Reisefreudigkeit gedient hätte.

Es goss wie aus Kübeln, sämtliche Taxigesellschaften sagten ab und Maja streifte ihrem Rollköfferchen schließlich einen schwarzen Müllsack über, um den Inhalt halbwegs vor Feuchtigkeit und Schäden schützen zu können, weil sie mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zum Treffpunkt fahren musste.

Doch, wie durch Zauberhand, lösten sich die Regenwolken auf, als Maja die Haustür abgeschlossen und den ersten Fuß auf den Bürgersteig gesetzt hatte.

„Na also, es geht doch!“, murmelte sie, ihren Koffer über das nasse Pflaster hinterherziehend.

Den Müllsack hatte sie flugs in einem Außenfach verstaut. Man konnte ja nie wissen, was sich der Wettergott noch alles einfallen ließ. Die paar Schlammspritzer ließen sich in trockenem Zustand sicher ausbürsten.

Endlich auf dem Bushalteplatz angekommen, beobachtete sie interessiert die vielen Passagiere, die sich rasch auf diverse Reisebusse verteilten, und besonders diejenigen, mit denen sie die nächsten Tage verbringen werde. Recht zufrieden stellte sie ihren Koffer in den Frachtraum, um wenige Augenblicke später ihren Platz genau neben der kleinen Bordküche im Bus einzunehmen.

Maja schmunzelte. Alles, was der Mensch zum Wohlfühlen brauchte, gleich zum Greifen nah. Inklusive des Ausgangs, um auf den Rastplätzen mit einem Satz im Freien zu sein. Vor allem mindestens eine Scheibe, vor der niemand saß, um auf der anderen Seite des Busses, während der Fahrt, fotografieren zu können.

Der liebe Gott, weiß schon, was er tut, dachte Maja. Wobei sie eindeutig den falkenköpfigen Horus zu ihrem lieben Gott erklärte. Es gab da so ein paar Dinge aus grauer Vorzeit… Das hatten ihre Familienforschungen ergeben. Kreuzzüge, Schlachtgetümmel, seltsame Verbindungen zu fernen vergangen Zeiten – praktisch Ritter, Tod und Teufel.

Im Augenblick legte Maja aber keinen Schwert- sondern ihren Sicherheitsgurt an, lauschte den Begrüßungsworten der Reiseleiterin und stellte ihren Sitz auf Wohlfühloase ein, wobei der Bus langsam vom Parkplatz rollte und sich in den Morgenverkehr einfädelte.

Im Vogtland gab es die erste Rast mit einem Morgencappuccino vom Busfahrer, der Maja ein Lächeln ins Gesicht zauberte. Nicht nur der freundliche Herr, auch das heiße Getränk, weil es fantastisch schmeckte. Anschließend ging es bis kurz vor München ganz flott voran, zumal die Standspur freigegeben war und man wirklich Meter machen konnte. Dann plötzlich das übliche Staudilemma.

Zeitig genug, dass der Fahrer, der ja auch seine Pausenzeiten einhalten musste, noch die Autobahn verlassen und eine Route über die Landstraßen einschlagen konnte.

Maja genoss den Anblick der saftig grünen Wiesen und Felder. Sie würde ihm wohl ewig dafür dankbar sein, weil sie hier wohl so schnell nicht wieder hinkommen werde.

Die lange Pause am Tegernsee nutzte sie, um unzählige Fotos zu schießen. Nicht nur das Wasser zog sie magisch an. Die wundervollen Häuser des Örtchens versetzten sie in eine euphorische Stimmung.

Diese steigerte sich noch, als sie den Achenpass überquerten und der gleichnamige See in einen geheimnisvollen dunkeltürkisgrünen Schimmer getaucht, an ihr vorbeiglitt.

Maja rieb sich verwundert sie Augen. Sie wusste genau, dass die Uferregion besiedelt war. Nur konnte sie keine Spur davon entdecken. Das, was sie in den Bögen des Tunnels erspähte, zeigte unberührte Natur.

Einige Worte der Reiseleiterin, über die 941 Meter über Normalnull des Passes auf dem Scheitelpunkt, und ein paar Daten über den See zogen unvermittelt auch den magischen Schleier weg, entblößten zahllose weiße Boote und Ausflugsschiffe. Nur das unglaubliche Türkis des Sees änderte sich nicht.

Was mochte dieser tiefe See wohl schon alles gesehen haben? Maja rief sich in Erinnerung, was sie über ihn wusste: 380 Meter über dem Inntal, die Grenze zwischen Karwendelgebirge im Westen und Brandenberger Alpen im Osten.

Sie mochte Tirol. Das letzte Mal war sie mit dem Zug hier gewesen – eine verrückte und denkwürdige Reise für eine Veranstaltung, die von einem Tiroler Literaturmagazin organisiert worden war.

Sie erinnerte sich daran, wie sie damals nachts allein vom Goldenen Dachl zum Bahnhof gewandert war und sich hoffnungslos verlaufen hatte. Kein Mensch weit und breit, kein Auto und schon gar kein Taxi.

Irgendwann hatte sie Zugschienen entdeckt und war ihnen kurzerhand gefolgt. Glücklicherweise in die richtige Richtung. Dummerweise war sie aber auf der falschen Seite des Bahngeländes herausgekommen und ein Bahnbediensteter hatte sie schließlich aus lauter Mitleid auf verschlungenen Dienstwegen zum öffentlichen Teil des Bahnhofsgebäudes gebracht.

Jetzt führte sie der Weg an Wattens, den Kristallwelten und Innsbruck vorbei. Wobei nicht viel von allem zu sehen war, denn Petrus hatte es wieder vorgezogen, die Landschaft mit dichten Regenwolken zu verhüllen.

Es blitzte, donnerte, goss wie aus Kübeln und bald stand das Wasser mehr als knöcheltief auf der Autobahn. Selbst die 198 Meter lange und 190 Meter hohe Europabrücke über das Wipptal, war nur zu erahnen und Maja setzte ihr ganzes Vertrauen in die Künste des Fahrers, der das schwere Gefährt wie ein eigenes Körperteil beherrschte.

Eine seltsame Ruhe hatte sich ihrer bemächtigt, als betrachte sie das Inferno als Unbeteiligte. Daten, die sie längst vergessen glaubte, kreisten in ihren Gedanken. So auch jene, über die Brücke, die damals, als man sie baute, die höchste in ganz Europa gewesen war. Heute ist das imposante Bauwerk zwar lange von anderen überflügelt, aber immer noch die höchste Brücke Österreichs.

Vorbei an den Abzweigungen zum Stubaital erklomm der Bus den Brennerpass, wo die finsteren Wolken wie angenietet festhingen und weiter ihren Inhalt mit unverminderter Stärke entleerten. Dem typischen Jadegrün des Brennersees schien der Regen allerdings nichts anhaben zu können.

Mit dem Erreichen der zu Italien gehörenden Autonomen Provinz Bozen / Südtirol, hörte auch der Regen auf, als wolle er sagen: Heh, JETZT kommt das, was du erwartest. Die Sonne lugte sogar wieder hervor. Vorab sei verraten, dass sie sich auch nicht lumpen ließ und während der mehrtägigen Reise hell, heiß und absolut verlässlich schien.

Zum inneren Wärmegefühl gesellte sich die äußere Wärme, was sich überdeutlich in Majas strahlenden Augen widerspiegelte.

Logisch, dass ihr gleich wieder tausend Gedanken durch den Kopf schossen. Welche von der harmlosen Sorte, wie Goethes Reisebeschreibungen von Italien, aber auch das bekannte Wortspiel gen Italien / Genitalien, womit sie ohne Umschweife auf das Wort amore kam.

An diesem Punkt knallten die Gedanken wieder an die unsichtbare Mauer, rutschten daran herab und sammelten sich als trauriges Häufchen am Fuße derselben.

Maja musste wohl so todunglücklich gewirkt haben, dass sie der nette Toilettenmann bei der nächsten Rast als VIP an den anderen vorbei auf die Behindertentoilette lotste und ihr hinterher mit einem verschwörerischen Blinzeln eine Tüte Drops entgegenhielt.

Maja fasste mechanisch nach einem der Bonbons, murmelte „grazie“ und hob erstaunt den Kopf, weil sie zudem noch ein von Herzen kommendes Lächeln erhielt.

Sie lächelte zurück. In der Tür drehte sie sich noch einmal um. „Arrivederci!“

Er blinzelte wieder und rief: „Sarei felice“, wenn sie es recht verstanden hatte.

Das traurige Gedankenhäufchen zog es vor, sich in einen Blütenteppich zu verwandeln, und Maja ließ sich, weil sie gerade an der offenen Tür mit der Bordküche vorbeikam, vom Busfahrer einen Cappuccino zaubern, den er ihr mit einem Schmunzeln überreichte.

Die Reisebegleiterin verdrehte lustig die Augen und erklärte: „Da lässt er einfach keinen anderen ran.“

An mich, sinnierte Maja mit einem vergnügten Grinsen, welches sich auch auf die Blümchen übertrug und Maja veranlasste, ihren Blumenteppichgedanken mitzuteilen, sich in den nächsten Tagen nicht von der Stelle zu rühren, und wenn, dann als Höhenflüge über alle Mauern hinaus, sonst werde sie sie aufs Gröblichste mit Füßen treten. Zudem sah sie in dem zart rosaroten Drops die Inkarnation einer gleichfarbigen Brille, die ihr buchstäblich den Urlaub versüßen musste. Denn anders konnte es gar nicht sein. Basta!

Völlig verschüchtert, wagten die Gedanken nicht einen einzigen Einwand und Maja beförderte den leeren Becher mit gezieltem Wurf in den nächsten Mülleimer, enterte die Treppe und kuschelte sich zufrieden ins Polster des Sitzes.

Auf den nächsten Kilometern war sie dann mit Schauen und Staunen beschäftigt, als habe sie noch nie ein Gebirge von nahem gesehen. Links und rechts des Weges reihten sich geschichtsträchtige Gemäuer aneinander, wie Perlen an einer überaus kostbaren Kette.

Kein Wunder, denn in Südtirol wimmelt es geradezu von Schlössern, alten Ansitzen, Burgen und deren Ruinen. Man sagt, es seien um die 400. Maja wurde das Gefühl nicht los, dass rund um Bozen die meisten Adelsherren ihre Anwesen hatten bauen lassen.

Ob es nur strategische Gesichtspunkte gewesen waren oder auch der Sinn für Schönheit, wollte sie dabei lieber nicht wissen. Sicher war nur, dass sehr viele dieser Kleinode auch besichtigt werden konnten.

Einige schmiegten sich fast versteckt in die Landschaft, während andere keck oder drohend auf schwer zugänglichen Felsvorsprüngen thronten, von wo aus den Spähern auf den Türmen sicher nicht einmal ein einsamer Wanderer entgangen sein dürfte.

Weil sich die Blütenteppichgedanken stark zurückhielten, grübelte Maja in Ruhe nach, wie lange es wohl gedauert haben mochte, zu Pferd oder gar auf Schusters Rappen, in solch schwindelerregende Höhe zu gelangen. Irgendwie mussten ja auch Proviant, Heizmaterial und Werkzeuge jedweder Art dahinauf gebracht werden.

Die Glas- und Betonkreationen der Neuzeit nahm sie fast gar nicht wahr, obwohl die eigentlich nicht zu übersehen gewesen wären. Nun hin und wieder ein Auto, das die steilen Wege am Hang des Gebirges erklomm oder vor einer der uralten Festen parkte.

Maja seufzte diesmal tief und innig. Hätte sie vom Schreiben leben können, dann wäre sie glatt in solch einen Adlerhorst ausgewandert.

Die Burg von Gloria von Thurn & Taxis glitt vorbei, Welfenstein, die Nachahmung einer mittelalterlichen Burg, die im 19. Jahrhundert entstand, und das Ossario di Castel Dante, welches auf den Überresten der mittelalterlichen Burg der Herren von Lizzana errichtet worden, und, wie Maja wusste, den Gefallenen des Ersten Weltkriegs gewidmet war.

Dann rückten Oleandersträucher in ihr Blickfeld und scheuchten mit ihren pastellfarbenen Blüten alle Restgedanken an eine Welt voller Sorgen zu jenen, die sich am Fuße der imaginären Mauer ganz still verhielten.

Zudem ließ die langsam untergehende Sonne die eine Seite des Tales in einem goldroten Farbenrausch explodieren, während sie die andere gleichzeitig in tiefes Schwarz tauchte. Maja genoss das grandiose Schauspiel, als gelte es nur ihr.

Kurz darauf erreichten sie das Städtchen Ala, in den Dolomiten, um im Hotel Viennese, gleich an der Hauptstraße, einzuchecken. Als hätte Horus seine goldenen Schwingen im Spiel, bekam Maja ein Zimmer auf der Rückseite, also mit besonders ruhiger Lage, mit Blick auf einen wundervollen Garten, auf Feigenbäume und das Gebirge, welches noch immer im Abendrot glühte.

Nach einem reichhaltigen Abendessen mit Pasta, die sie über alles liebte, entschloss sie sich, mit Gleichgesinnten einen Bummel durch die schmalen Gassen der näheren Umgebung zu machen, denn schon am nächsten Morgen sollte der Bus die letzte Etappe zum endgültigen Hotel in Andora an der Blumenriviera in Angriff nehmen.

Die riesige Palme, die sie in einem Innenhof erspähte, und hier nicht erwartet hatte, war zwar echt, stand aber ein einem gewaltigen Kübel, was Maja dann doch ein Schmunzeln entlockte. DAS war eben noch nicht DER Süden, aber ein wirklich netter Versuch, sich südliches Flair in den Garten zu holen.

Wo kann man am meisten, in kurzer Zeit, über einen kleinen Ort erfahren, ohne Fragen zu stellen? Auf dem Friedhof desselben! Also nichts wie hin und den alten Grabstätten einen stillen Besuch abstatten. Das abendliche Outfit gab es her, dabei nicht unangenehm aufzufallen.

Noch eine abschließende Runde um uralte Gemäuer, die weiß getüncht, im Mondschein leuchteten und dann auf geradem Weg zurück zum Hotel. Die anschließende Nacht fiel, gefühlt, kürzer aus als der Spaziergang, aber Maja musste ja nicht selber fahren.

Ein wundervoller Sonnenaufgang, der die Felsen in zarte Lilatöne hüllte, ließ den fehlenden Schlaf rasch vergessen sein und Maja fotografierte, bis fast die Linse glühte. Es war unbestritten schön hier.

Weniger spektakulär gestaltete sich die Weiterreise. Die, für das Auge wenig abwechslungsreiche, Po-Ebene stöhnte unter der Hitze des extrem heißen Sommers. Auch, wenn man glaubt, man sähe hier schon am Mittwoch, wer sonntags zu Besuch kommt, gibt es Orte, an denen es sich durchaus lohnt, einen zweiten Blick zu riskieren.

Allerdings hatte Maja am Ende vier bis fünf Blicke gebraucht, um die wenigen Pfützen im steinigen Flussbett als Po zu identifizieren. Vom, mit 652 Kilometern, längsten Fluss Italiens waren hier und da nur vereinzelte schmutzige Wasserlachen zu sehen. Der Po schien, im wahrsten Sinne des Wortes, im Arsch zu sein, wie Maja mit einem amüsierten Grinsen konstatierte.

Bei Cremona, der Stadt der berühmten Geigenbauer, wurde eine längere Pause eingelegt. Von hier stammten nicht nur die, im Bau der Klanginstrumente bewanderten, Familien Amati, Gesu, Guarneri und Stradivari, sondern auch der römische Feldherr Publius Quinctilius Varus.

Maja sah vor ihrem geistigen Auge römische Legionen auf ihrem Weg nach Germanien über die Ebene ziehen. Und ihr fiel der Satz ein, den Augustus nach der verlorenen Schlacht gerufen haben soll: Quintili Vare, legiones redde! Zu Deutsch: Quintilius Varus, gib die Legionen zurück!

Na ja, ein Feldherr, der sie siegreich eroberte, wäre ihr lieber gewesen.

Die Blümchengedanken, hoben die Köpfe. Doch ein gestrenger Blick, ließ sie selbige sofort wieder völlig verschüchtert einziehen. Am Ende eine römische Sklavin zu sein, war ja nun wirklich nicht das höchste, aller Gefühle. Eroberung hin oder her.

Inzwischen hatte der Bus die weite Ebene durchquert und folgte den gewundenen Straßen in die Berge, um Ligurien anzusteuern.

Buongiorno Liguria!

Nach Serpentinen und unglaublich vielen Tunneln öffnete sich der Blick zum Meer, um gleich darauf wieder in der nächsten Betonröhre unterzutauchen.

Gab es hier überhaupt auch noch etwas anderes als Straßen, die irgendwo im Berg verliefen? Maja fühlte sich nach einiger Zeit fast wie ein Maulwurf.

Noch ein Tunnel, noch eine imposante Hochstraße, dann rollte der Bus zwischen blühenden Oleandern, riesigen verschiedenfarbigen Bougainvillea-Sträuchern, Kakteen, Agaven und unzähligen Palmen Richtung Küste.

DAS war der Süden.

Auch hier, im Hotel Liliana, hatte Maja das Glück, eines der Zimmer auf der Rückseite zu bekommen. Zudem lag der Pool auf der gleichen Ebene, weil er in den Berg gebaut worden war und daneben öffnete sich der Blick zum Tal, welches von ebenjener imposanten Hochstraße überspannt wurde, auf der sie hierher gekommen waren.

Die perfekte Kulisse, um Erlebnisurlaub vom Feinsten zu machen.

Beim Gedanken an Erlebnis wagten es die Blümchen erneut, ihre Köpfe zu heben, und staunten, dass sie nicht zurechtgewiesen wurden. So spähten sie am Abend, während eines grandiosen Feuerwerks am Strand, auch ganz ungeniert nach Männern aus, die in Majas Beuteschema passen konnten.

Nur hatte Maja weder Beute noch Schema im Kopf. Sie schickte ihre Gedanken mit zwei Gläsern Rotwein ins Koma, wanderte zurück zum Hotel, um in einen traumlosen Schlaf zu sinken, was ihr sonst nie passierte.

Morgens erinnerte sie sich durchaus an die schrägen Gedanken des Abends, taxierte die Herren im Hotel, befand sie für uninteressant und beschloss, in Monte Carlo oder Monaco etwas genauer hinzuschauen, und sei es, um ein Eis oder einen Cappuccino spendiert zu bekommen, den sie sich gut und gerne selber hätte kaufen können. Es ging einzig und allein ums Prinzip.

Auf den Serpentinenstraßen lauschte sie den Worten der Reiseführerin, stellte fest, dass von Blumenriviera nicht viel zu sehen war, weil die Pflanzen in unzähligen Gewächshäusern an den Hängen der Berge steckten und erfreute sich lieber am Klang der Bezeichnung Côte d’Azur.

Das Meer gab sich die größte Mühe, perfekt azurblau und spiegelglatt zu erscheinen, um sämtliche angenehme Gedanken noch tiefer in Majas Hirn zu verankern.

Sie hatte einige Jahre auf Rügen, direkt am Wasser, gelebt und konnte sich ein Leben ganz ohne Meer nur schwer vorstellen. Auch ohne Berge hätte sie es wohl nicht lange ausgehalten, gab es da doch die schönsten Burgen.

Hier traf nun ein Gebirge direkt aufs Wasser und schuf jene Umgebung, in der ihre Gedanken völlig frei in jede Richtung fließen konnten. Selbst die Blumenteppichgedanken, die sich bemühten, keinen neuen Ärger zu bekommen.

Sie schafften es sogar, Maja die unzähligen Tunnel zu versüßen, indem sie ihre Aufmerksamkeit, kaum draußen, auf die wundervollsten Agaven und Palmen lenkten. Hin und wieder war sogar eine gigantische weiße Magnolienblüte mit dabei, die wohl etwas den Anschluss an ihre längst vertrockneten Geschwister verpasst hatte.

Anschluss verpasst… Maja zog einen Flunsch. Sie hatte noch nie wirklich den Anschluss verpasst. Nicht mal nach der denkwürdigen Veranstaltung in Tirol. Obwohl es auf dem Heimweg in München ziemlich haarig zuging. Der Zug begann sich bereits in Bewegung zu setzen, als man sie in einem Gewaltakt noch ins Abteil zog.