Assistierter Suizid -  - E-Book

Assistierter Suizid E-Book

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Beschreibung

Viele Menschen machen sich Sorgen darüber, an ihrem Lebensende einem unerträglichen Leiden und einem Verlust ihrer Würde ausgesetzt zu sein: Wird das Sterben nicht zugelassen oder in einem Sterbeprozess, angeschlossen an intensivmedizinische Apparate, unnötig qualvoll verlängert werden? In diesem Fachbuch wird die seit vielen Jahren in Deutschland geführte Debatte um die Suizidhilfe aus der Sicht von praktisch Tätigen in den Bereichen Palliativmedizin, Psychiatrie, Pflege, Ethik, Polizei, Recht und der Sterbehilfeorganisationen allgemeinverständlich diskutiert. Dabei werden auch kontroverse Positionen offen dargestellt, wobei der Fokus stets auf die Praxisnähe gelegt wird. Das Werk bietet die Möglichkeit, eine eigene fundierte Haltung zur Suizidhilfe zu entwickeln und darauf aufbauend einen rechtlich gesicherten, aber auch persönlich vertretbaren Weg zu finden, mit dem assistierten Suizid umzugehen.

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Seitenzahl: 348

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Inhalt

Cover

Titelei

Verzeichnis der Autorinnen und Autoren

1 Einführung in die Thematik

1.1 Apparatemedizin und Patientenverfügung

1.2 »Sterbehilfe«, die verschiedenen Begriffe

1.3 Suizide und Suizidhilfe

1.4 Fallbeispiele von vorzeitigen Sterbewünschen

1.5 Psychiater:innen lehnen Suizidhilfe ab

1.6 Frühzeitige Palliativversorgung hilft – sie ist aber fern von der Praxis

1.7 Das erwartet Sie in diesem Buch

Literatur

2 Assistierter Suizid – eine legale Form der Sterbehilfe

2.1 Einleitung

2.2 Vom Paternalismus zur Selbstbestimmung des eigenen Endes

2.3 BGH, Urteil vom 04. 07. 1984; das »Wittig-« bzw. »Peterle-Urteil«

2.4 OLG München, Urteil vom 31. 07. 1987; das »Hackethal-Urteil«

2.5 StA München I, Einstellungsverfügung vom 30. 07. 2010; Begleitung eines Suizids durch Familie

2.6 LG Deggendorf, Urteil vom 13. 09. 2013; wegen Beachtlichkeit des Sterbewillens des Suizidenten keine Rettungspflicht

2.7 Bundesverwaltungsgericht (BVerWG), Urteil vom 02. 03. 2017; das erste »Natrium-Pentobarbital-Urteil«

2.8 BGH, Urteil vom 03. 07. 2019; Strafsachen »Spittler und Turowski«

2.9 Das epochale Urteil des BVerfG zum assistierten Suizid vom 26. 02. 2020

2.10 Bundesverwaltungsgericht (BVerWG), Urteil vom 07. 11. 2023; das zweite »Natrium-Pentobarbital-Urteil«

2.11 Der Sterbewunsch der freiverantwortlichen Patient:in – die geltende Rechtslage

2.12 Was versteht das Recht unter »Töten« bzw. »Selbsttötung«?

2.13 Was Recht vom Unrecht scheidet: die Freiverantwortlichkeit

2.14 Voraussetzungen/Komponenten der »Freiverantwortlichkeit« für jegliche Patientenentscheidung

2.14.1 Die Einwilligungsfähigkeit – eine ärztliche Beurteilung

2.14.2 Weitere Voraussetzungen für die »Freiverantwortlichkeit« (bzw. Verneinung von »Beeinträchtigung« derselben) im Sinne des Urteils des BVerfG 2020

2.15 Rechtskonforme Suizidhilfe – die Absicherung im Voraus

2.16 Rechtskonforme Suizidhilfe – Das Verhalten im nachfolgenden Ermittlungsverfahren

2.17 Ein legislatives Schutzkonzept nach dem Urteil des BVerfG

2.18 Kann man »alles über einen Kamm scheren«?

2.19 Ein neues Gesetz? Brauchen wir dann überhaupt eines?

Literatur

3 Zur rechtlichen Regulierung der Suizidassistenz nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts

3.1 Einleitung

3.2 Neue Gesetzentwürfe zur Regelung des assistierten Suizids

3.2.1 Neuregelung im Strafrecht

3.2.2 Regelung außerhalb des Strafrechts

3.2.3 Zugang zu Hilfsmitteln beim ärztlich assistierten Suizid

3.3 Bewertung

3.4 Der Zugang zu Pentobarbital im Kontext des Suizids

3.4.1 Bezug über das Bundesamt für Arzneimittel und Medizinprodukte

3.4.2 Verschreibung und Abgabe von Natrium-Pentobarbital durch Ärzte/Apotheken

3.4.3 Verfassungskonforme Interpretation der Rechtslage

3.4.4 Zwischenergebnis zum Betäubungsmittelrecht

3.5 Gesamtergebnis

Literatur

4 Assistierter Suizid: Perspektiven für eine ethisch verantwortete Praxis

4.1 Einleitung

4.2 Zur Hinführung: Zwei Patientengeschichten aus der Praxis

4.3 Ethische Bewertung der Suizidassistenz

4.4 Ethische Anforderungen an die Suizidassistenz

4.4.1 Förderung und Achtung der Autonomie

4.4.2 Wohltuns-Verpflichtungen

4.5 Ärztliche Beteiligung beim assistierten Suizid?

4.5.1 Vereinbarkeit der Suizidassistenz mit dem ärztlichen Berufsethos

4.5.2 Argumente für die Beteiligung von Ärzt:innen an der Suizidassistenz

4.6 Fazit

Literatur

5 Assistierter Suizid – Pro und Kontra

5.1 Einleitung

5.2 Pro assistiertem Suizid – »die liberale Position«

5.2.1 Assistierter Suizid ist keine Tötung auf Verlangen

5.2.2 Spirituelle Argumente

5.2.3 Palliativversorgung hilft nicht immer

5.3 In dubio pro vita

5.3.1 Die Schloss Hofener Thesen 2023 zu Suizidprävention und assistiertem Suizid

5.3.2 Das Framing

5.3.3 Die Moral

5.3.4 Die Ethik

5.3.5 Der Einzelfall

5.3.6 Der Regelfall

5.3.7 Die Musterberufsordnung

5.3.8 Das Bundesverwaltungsgericht

5.3.9 Bundesverfassungsgericht

5.3.10 Folgen

Literatur

6 Ergebnisoffene Konfliktberatung bei Sterbewunsch – Prävention, Freiverantwortlichkeit und Suizidhilfe

6.1 Einleitung

6.2 Zwei Falldarstellungen: Suizid mit Begleitung und Suizid durch Fenstersturz

6.2.1 Begleiteter Suizid bei Schwerstbehinderung von Geburt an

6.2.2 Suizid durch Fenstersturz bei psychiatrischer Depressionsbehandlung

6.3 Feindbild Suizidhilfe mit anti-emanzipatorischer Implikation

6.3.1 Verfassungsrechtliche Verteidigung der Inanspruchnahme von Suizidhilfe

6.3.2 Gescheiterter Versuch »sachkundiger Dritter« zur Beibehaltung des § 217 StGB

6.4 Beschränkungen und Öffnungen des nationalen Suizidpräventionsprogramms

6.4.1 Lebens- und Autonomieschutz zur Reduzierung der Suizidrate

6.4.2 Suizidprävention und Omnipotenzanspruch

6.5 Verfassungskonform gemäß liberalem Gesetzentwurf und Bundestagsbeschluss

6.6 Fall: Suizidhilfe für schwerkranke Patientin durch Verein nach gescheitertem Versuch

6.7 Gleichsetzung von Gefährdungspotenzial mit Selbstbestimmungsverlust

6.7.1 Willkürliche Einstellungen nach Personengruppen

6.7.2 »Proaktiver Bilanzsuizid« im hohen Alter als mögliche Option

6.8 Modellcharakter und Kriterien von ergebnisoffener Suizid‍(konflikt)‌beratung

6.8.1 Kernpunkte gemäß Entwurf des Humanistischen Verbandes

6.8.2 Ergänzung zum ärztlichen Aufgabenbereich

6.9 Schlussbetrachtungen zu Persönlichkeitsrecht und Präventionsbegriff

Literatur

7 Sterbehilfe und Psychiatrie

7.1 Positionen der psychiatrischen Fachwelt

7.2 Suizidassistenz bei psychischen Erkrankungen, insbesondere »therapieresistenter Depression« – die internationale Perspektive

7.3 Einflüsse der DGPPN-Positionen auf die am 06. 07. 2023 im Bundestag zurückgewiesenen Gesetzentwürfe zur Neuregelung der Suizidhilfe

Gesetzentwurf der »Castellucci-Gruppe« (Deutscher Bundestag, 2022)

Gesetzentwurf der »Henning-Plahr-« und »Künast-Gruppe« (Deutscher Bundestag, 2023a)

7.4 Lebensbeendigung / Sterbewunsch / Selbsttötung / Freitod / Selbstmord / Suizid – ein babylonisches Sprachgewirr?

7.5 Was ergibt sich daraus für die ärztliche Hilfe zur Selbsttötung?

7.6 »Ausschluss der Beeinflussung durch eine psychische Störung« – was können/sollen Psychiater:innen tun?

7.7 Fazit

Literatur

8 Sterbehilfe aus Sicht der Betroffenen

8.1 Die Sicht der Palliativpatient:innen

8.1.1 Patient:innenwunsch – Leidlosigkeit

8.1.2 Problematische Empfehlungen zur Suizidhilfe

8.1.3 Unwirksam – leidvoll – fremdgefährdend

8.1.4 Medizinisch zu bevorzugende Methode

8.2 Die Sicht nicht lebensbedrohlich kranker und gesunder Menschen

8.2.1 Das Unkritische

8.2.2 Das (etwas) Überraschende

8.2.3 Das gesellschaftliche Minderheiten-Powwow

8.2.4 Das Scheitern der Politik

8.2.5 Der Bundestag als Saboteur

8.2.6 Die Fehlausrichtung der Medizin

8.2.7 Das Fehlverständnis des Staates

8.2.8 Eine Entscheidung trifft man immer

8.2.9 Zweierlei Maß

8.2.10 Selbst- vs. Fremdbestimmung

8.2.11 Debatte um Selbstbestimmung erfordert breite‍(re) Teilhabe

8.2.12 Teilergebnisse der Deutschen-Schmerzliga-Umfrage

8.2.13 Konflikt zwischen Recht und Erwartung

8.2.14 Keine Aufgabe für den eigenen Arzt

Literatur

9 Polizei und Sterbehilfe

9.1 Einleitung

9.2 Rechtsgrundlagen/Verfahren

9.2.1 Allgemeine Vorschriften

9.2.2 Todesermittlungen nach § 159 StPO

9.2.3 Ablauf der Ermittlungen

9.3 Assistierter Suizid durch einen Arzt

9.3.1 Nicht natürlicher Tod

9.3.2 Kriminalpolizeiliche Ermittlungen beim assistierten Suizid

9.3.3 Problemstellungen

9.4 Palliative Sedierung/Tötung auf Verlangen

9.5 Fazit/Ausblick

Literatur

10 Sterbehilfe aus Sicht der Pflege

10.1 Einleitung

10.1.1 Öffentlicher Diskurs zum Thema »assistierter Suizid«

10.1.2 Die Rolle der Pflege in der Sterbehilfedebatte

10.2 Sterbehilfe aus Sicht der Pflege – meine persönliche Erfahrung

10.2.1 Kindheit und erste Erfahrungen

10.2.2 Ausbildung zur Krankenschwester und prägende Berufsjahre

10.2.3 »Bitte hilf mir, ich will sterben, ich kann und will nicht mehr«

10.2.4 Intensivmedizin versus Menschlichkeit

10.2.5 »In meiner Schicht darf menschenwürdig gestorben werden«

10.2.6 Einstieg in die Palliativversorgung

10.2.7 »Leider ist es nun auch für die Schweiz zu spät«

10.2.8 Begegnung mit Claus Fussek

10.2.9 Leitung eines stationären Hospizes

10.2.10 Herausforderungen im Umgang mit der palliativen Sedierung

10.3 Abschließende Gedanken

Literatur

11 Herausforderungen und Tendenzen in der Praxis

11.1 Einleitung

11.2 Ärztliche Suizidhilfe im Stillstand – Sterbehilfevereine im Aufwind

11.2.1 Einleitung

11.2.2 Eindämmung zulässiger Suizidassistenz durch die Bundesärztekammer

11.2.3 Hilfe zur freiverantwortlichen Selbsttötung und Suizidprävention

11.2.4 Hypermoralische Debatte mit Schieflage und Vernebelungstendenz

11.2.5 Neustart der Sterbehilfevereine nach dem BVerfG-Urteil

11.2.6 Detaillierte Zahlenangaben der Vereine und ein dynamischer Mitgliederzuwachs

11.2.7 Verfahrensweisen, Erfolgsbotschaften und Fragwürdigkeiten

11.2.8 Schlussbetrachtung und Ausblick

11.3 Kasuistik ärztliche Suizidassistenz und juristisches Nachspiel

11.4 Rechtliche Anmerkungen zu der von Dr. M. Thöns vorgestellten Kasuistik

11.5 Schlusswort

Literatur

Danksagung

Münchner Reihe Palliative CarePalliativmedizin – PaIIiativpflege – Hospizarbeit

Band 19

Schriftleitung

Prof. Dr. med. Gian Domenico Borasio (federführend)Prof. Dr. med. Monika Führer (federführend)Prof. Dr. med. Dr. phil. Ralf Jox (federführend)Prof. Dr. rer. biol. hum. Maria Wasner (federführend)

Prof. Dr. med. Johanna AnneserDipl.-Psych. Urs MünchDipl.-Soz.-Päd. Dipl.-Theol. Josef RaischlProf. Dr. theol. Traugott RoserProf. Dr. rer. biol. hum. Henrikje Stanze

Eine Übersicht aller lieferbaren und im Buchhandel angekündigten Bände der Reihe finden Sie unter:

https://shop.kohlhammer.de/muenchner-reihe-palliative-care

Der Herausgeber

Dr. med. Matthias Thöns ist Palliativmediziner in Witten, Bestsellerautor und erfolgreicher Verfassungskläger gegen das Suizidhilfeverbot.

Matthias Thöns (Hrsg.)

Assistierter Suizid

Rechtliche Debatte und klinische Praxis aus interdisziplinärer Sicht

Verlag W. Kohlhammer

Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechts ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Pharmakologische Daten, d. h. u. a. Angaben von Medikamenten, ihren Dosierungen und Applikationen, verändern sich fortlaufend durch klinische Erfahrung, pharmakologische Forschung und Änderung von Produktionsverfahren. Verlag und Autoren haben große Sorgfalt darauf gelegt, dass alle in diesem Buch gemachten Angaben dem derzeitigen Wissensstand entsprechen. Da jedoch die Medizin als Wissenschaft ständig im Fluss ist, da menschliche Irrtümer und Druckfehler nie völlig auszuschließen sind, können Verlag und Autoren hierfür jedoch keine Gewähr und Haftung übernehmen. Jeder Benutzer ist daher dringend angehalten, die gemachten Angaben, insbesondere in Hinsicht auf Arzneimittelnamen, enthaltene Wirkstoffe, spezifische Anwendungsbereiche und Dosierungen anhand des Medikamentenbeipackzettels und der entsprechenden Fachinformationen zu überprüfen und in eigener Verantwortung im Bereich der Patientenversorgung zu handeln. Aufgrund der Auswahl häufig angewendeter Arzneimittel besteht kein Anspruch auf Vollständigkeit.

Die Wiedergabe von Warenbezeichnungen, Handelsnamen und sonstigen Kennzeichen in diesem Buch berechtigt nicht zu der Annahme, dass diese von jedermann frei benutzt werden dürfen. Vielmehr kann es sich auch dann um eingetragene Warenzeichen oder sonstige geschützte Kennzeichen handeln, wenn sie nicht eigens als solche gekennzeichnet sind.

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1. Auflage 2025

Alle Rechte vorbehalten© W. Kohlhammer GmbH, StuttgartGesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Heßbrühlstr. 69, 70565 [email protected]

Print:ISBN 978-3-17-043069-3

E-Book-Formate:pdf: ISBN 978-3-17-043070-9epub: ISBN 978-3-17-043071-6

Verzeichnis der Autorinnen und Autoren

Matthias Dose, Prof. Dr. med.FA für Psychiatrie/Psychotherapiekbo Fachberater für Autismus-Spektrum-Störungen im Erwachsenenalter und Huntington-Krankheitc/o IAK-Klinikum München-OstVockestr. 72, D-85540 Haar b. Mü[email protected]

Rita GablerLehrerin für Pflegeberufe, Palliative-Care-FachkraftLeitung Sophienhospiz ErdingSternweg 11, 85435 [email protected]

Eric Hilgendorf, Prof. Dr. jur. Dr. phil.Juristische FakultätJulius-Maximilians-Universität WürzburgDomerschulstraße 16, 97070 Wü[email protected]

Georg Marckmann, Univ.-Prof. Dr. med.Ludwig-Maximilians-Universität MünchenInstitut für Ethik, Geschichte und Theorie der MedizinLessingstraße 2, 80336 Mü[email protected]

Gita Neumann, Dipl.-Psych., Dipl.-Soz.Humanistischer Verband Deutschlands (HVD) – BundesverbandWallstr. 61 – 65, 10179 [email protected]

Wolfgang PutzRechtsanwalt für MedizinrechtPutz-Sessel-Soukup-Steldinger/Kanzlei für MedizinrechtUhlandstraße 5, 80336 MünchenLehrbeauftragter für Recht und Ethik der MedizinLudwig-Maximilians-Universität Mü[email protected]

Thomas Sitte, Dr. med.Vorstandsvorsitzender Deutsche PalliativStiftungGeranienstraße 6, 36041 Fulda-Kä[email protected]

Matthias Thöns, Dr. med.Facharzt für AnästhesiologieNotfall-‍, Palliativmedizin, spez. SchmerztherapiePalliativnetz Witten e.V.Wiesenstr. 14, 58452 [email protected]

Michael A. Überall, PD Dr. med.Präsident Deutsche Schmerzliga (DSL) e.V.Privates Institut für Neurowissenschaften, Algesiologie & PädiatrieNordostpark 51, 90411 Nü[email protected]

Tanja UngerRechtsanwältin, Fachanwältin für MedizinrechtPutz Sessel Soukup SteldingerKanzlei für Medizinrecht, Partnerschaftsgesellschaft von Rechtsanwälten mbBUhlandstraße 5, 80336 Mü[email protected]

Roland Wefelscheid, Erster KriminalhauptkommissarPolizeipräsidium Bochum, Direktion K, KK 11Uhlandstraße 35, 44791 [email protected]

1 Einführung in die Thematik

Matthias Thöns

Der Wunsch zu sterben ist – neben vielen individuellen Gründen – in zunehmendem Maße dem Eintreten eines Würdeverlustes bzw. eines langen unerträglichen Leidens bzw. der Angst davor geschuldet (Fries, 2008). In entwickelten Ländern macht sich die Sorge vor einer inhumanen Apparatemedizin breit, die ein Sterben nicht zulässt und einen Sterbeprozess unnötig und qualvoll verlängert (Janssens, 2010).

1.1 Apparatemedizin und Patientenverfügung

Einen rasanten und anhaltenden Fortschritt der Intensivmedizin erleben wir seit den 1960er Jahren. Vor allem ist der umfangreichere Einsatz der Beatmungsmedizin zu nennen, der seinerzeit vielen Kindern im Rahmen von Polioepidemien das Leben rettete. Mit dem Einzug diverser intensivmedizinischer Techniken, hochwirksamer Medikamente und vielen anderen Eingriffsmöglichkeiten wurden viele Leben gerettet und Krankheiten geheilt (Schöne-Seifert, 2020). So war eine schwere Störung der Hirnfunktion in der Generation meiner Großeltern stets mit dem baldigen Ableben verbunden. Denn hier war die natürliche Möglichkeit der Nahrungsaufnahme gestört. Gauderer und Ponsky führten 1980 eine technisch einfache Möglichkeit der künstlichen Ernährung durch die Bauchdecke ein, die sogenannte perkutane endoskopische Gastrostomie (PEG) (Gauderer et al., 1980). Bis dahin musste eine Ernährungssonde aufwändig mit einem operativen Darmeingriff angelegt werden. Fortan gelang es mit einer kaum 15-minütigen, technisch einfachen Magenspiegelung, dauerhaft die künstliche Nahrungszufuhr zu sichern. In den Industrienationen breitete sich dieser Eingriff massenhaft aus; bis heute wird eine relevante Anzahl an zumeist demenziell betroffenen Menschen in Pflegeheimen mittels PEG ernährt. Dabei ist dieser Eingriff zumeist hier nicht indiziert, oft sogar kontraindiziert (Gogol, 2016). Es gehört zu den »fünf Sünden«, die Mediziner:innen in der Betreuung alter Menschen einfach nicht tun sollen.

Nicht wenige dieser seinerzeit erstversorgten Schwerstbetroffenen haben so ihren Todeszeitpunkt um mehr als 40 Jahre überlebt. Und bereits hier zeigt sich, dass Intensivmedizin neben einem Segen auch ein Fluch sein kann... Wer möchte schon, beraubt von klarem Verstand und unfähig zur Kommunikation, mit seinen Liebsten jahrzehntelang unreaktiv auf eine Pflegeheimdecke starren? Fast alle Rechtsstreite vor deutschen und internationalen Obergerichten drehten sich mithin um das Beenden der künstlichen Ernährung. Ein Teil der Angehörigen wusste um den Willen des Betroffenen, Siechtum zu beenden, ein anderer Teil konnte entweder ein Sterbenlassen nicht akzeptieren oder argumentierte mit unterstellter, noch vorhandener Lebensfreude. So stritt man sich, bis letztlich die höchsten nationalen und internationalen Gerichte die Rechtspraxis der passiven Sterbehilfe bestätigten: Der Wille eines Menschen gilt, eine künstliche Lebensverlängerung ist abzubrechen, auch wenn sie den Tod zur Folge hat. In einem Urteil des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte hat man im Fall Lambert gegen Frankreich das Recht auf Einstellen der PEG-Ernährung sogar in der Situation eines schwersten Hirnschadens (minimal conscious state) ohne konkrete Patientenverfügung anerkannt (European Court of Human Rights, 2015).

Doch auch andere intensivmedizinische Maßnahmen weiten sich in hohem Maße auf Patientengruppen aus, bei denen eine realistische Aussicht auf Rückkehr zu einem weitgehend selbstbestimmten Leben außerhalb allerschlimmster Schwerstpflegebedürftigkeit nicht mehr besteht und die mit erheblicher Belastung und Leiden verbunden sind: die künstliche Beatmung. Reicht die Hirnfunktion zur Atemsteuerung oder zur Kontrolle der Atemwege nicht mehr, so erreicht man durch einen künstlichen Luftweg über die Halsweichteile und den Anschluss eines Beatmungsgerätes eine langfristige Sicherung der Atemfunktion. Auch durch immer komplexere Eingriffe bei immer älteren und kränkeren Menschen scheitert es regelhaft, Menschen anschließend von der künstlichen Beatmung zu entwöhnen. Dies führte in den letzten 20 Jahren in Deutschland zu einer explosionsartigen Zunahme von Menschen, die dauerhaft einer Intensivüberwachung mit Atemwegssicherung oder Beatmung bedürfen. Nicht zuletzt geldliche Fehlanreize – bei aktuellen Vergütungen bis 90 Euro pro Stunde (65.000 Euro pro Monat) für die Rund-um-die-Uhr intensivpflegerische Überwachung in der Häuslichkeit – führten dazu, dass hier Therapieziele oder Patient:innenwünsche nicht immer wie gesetzlich vorgeschrieben beachtet wurden (Thöns & Putz, 2015).

Vor versteckter Kamera wurde sogar das Fälschen von Patientenverfügungen oder deren Nichtbeachtung empfohlen (ARD Monitor, 2016). Dabei sind die Belastungen durch künstliche Atemwegszugänge enorm, denn die natürliche Atemwegsreinigung durch Husten ist unmöglich und muss durch regelhaftes qualvolles Absaugen der hochempfindlichen Atemwege künstlich vorgenommen werden. Mittlerweile sieht man als Palliativmediziner:in nicht nur die Ausweitung dieser Intensivmedizin auf Palliativpatient:innen, sondern bekommt in zunehmendem Maße Patient:innen in die Versorgung, denen kurz vorher Defibrillatoren, Herzklappen oder gar Herzunterstützungssysteme wie Kunstherzen implantiert wurden.

Letztlich ist also die Angst vor dem Ausgeliefertsein einer Apparatemedizin nicht ganz unbegründet, stirbt doch jeder zweite Deutsche in der Klinik, die Hälfte von diesen auf einer Intensivstation. Befragte Patient:innen (Rubin et al., 2016) und Intensivmediziner:innen (Hillman et al., 2018) halten einige Zustände für schlimmer als den Tod. Trefflich bringt es Niculescu zum Ausdruck (Niculescu, 2019): »Die bei uns am häufigsten praktizierte Methode, einen Menschen ›in den Tod zu begleiten‹ ist, ihn in der apparatemedizinischen Intensivabteilung eines Krankenhauses sterben zu lassen.«

Lange Zeit bestand im Laienwissen und bei Jurist:innen der Eindruck, die Lösung dieses Problems sei die Patientenverfügung, mit der ja jedermann bestimmen könne, ob leidvolle lebensrettende Intensivmedizin geduldet wird oder nicht. So entbrannte anfangs der 2000er Jahre eine Diskussion um eine gesetzliche Regelung. Konservative Kreise um den CDU-Abgeordneten Bosbach versuchten mit einem eigenen Gesetzesvorschlag, die Wirksamkeit von Patientenverfügungen auf den »unumkehrbar tödlichen Verlauf« einer Erkrankung zu beschränken (Borasio et al., 2009). Auch die Bundesärztekammer und die katholische Kirche sahen hier Einschränkungsbedarf (Humanistischer Verband Deutschlands, 2008). Im Grunde haben hier die gleichen Gruppen mit recht ähnlicher Argumentation gearbeitet wie in der aktuellen Suizidhilfediskussion. Doch der Deutsche Bundestag beschloss letztlich das »Gesetz zur Verankerung der Patientenverfügung im Betreuungsrecht« ohne diese Reichweitenbeschränkung (Deutscher Bundestag, 2008). Der Wille eines Menschen, eine Behandlung abzulehnen, ist eben nicht an äußere Krankheitszustände gebunden. Doch nach wie vor besteht bezüglich der Wirksamkeit von Patientenverfügungen viel Unsicherheit. Zunächst forderte der Bundesgerichtshof (BGH) hohe Anforderungen an die Bestimmtheit einer Patientenverfügung: Die »christliche Patientenverfügung« einer nach einem Schlaganfall schwer hirngeschädigten Frau sei nicht konkret genug, es müssten die Krankheit wie auch die nicht gewünschte Maßnahme fest umrissen sein (Bundesgerichtshof, 2016).

Dies machte das Formular wertlos, die alte Frau wurde fortan weiter per PEG ernährt und durfte nicht sterben. In einem sehr ähnlich gelagerten Fall urteilte die gleiche Kammer des BGH dann allerdings anders: »Die Anforderungen an die Bestimmtheit dürften nicht überspannt werden.« Die hier vergleichbar Betroffene durfte sterben, obwohl auch sie die christliche Patientenverfügung unterschrieben hatte (Bundesgerichtshof, 2017). Wiederholt berichtete die Laienpresse, dass Patientenverfügungen missachtet werden (Wegener, 2019). Mithin löst offenkundig auch dieses Instrument die teils berechtigten Ängste nicht (Wieghaus, 2019). Es erscheint der Ruf nach Hilfe zum Sterben – Sterbehilfe – in mancher Situation nachvollziehbar zu sein.

1.2 »Sterbehilfe«, die verschiedenen Begriffe

Unter »Sterbehilfe« werden verschiedene, das Lebensende einer Person beschleunigende Handlungen verstanden. Auch wenn »Sterbehilfe« in der wissenschaftlichen Diskussion als obsolet gelten darf und in vielen europäischen Sprachen keine Entsprechung hat, wird aufgrund der weitgehenden Nutzung in gesellschaftlichen Diskussionen daran festgehalten. Der Begriff umfasst das Töten, die Hilfe bei der Selbsttötung und das Sterbenlassen durch Therapieverzicht oder Therapieabbruch aufgrund des Patientenwillens. Teilweise wird auch eine palliative Begleitung als Sterbehilfe verstanden; dies ist aber sprachlich unsauber, teilweise politisch motiviert und wissenschaftlich unhaltbar: Recht gut belegt ist, dass frühzeitig einsetzende zusätzliche palliative Begleitung die Lebensqualität bessert, Angst und Depression mindert, dabei die Lebenszeit aber eher verlängert. Die ethische Beurteilung der Sterbehilfe ist Gegenstand vielfältiger Diskussionen.

Dabei werden im Wesentlichen vier Formen unterschieden:

Tötung auf Verlangen (früher »aktive Sterbehilfe«) bezeichnet die absichtliche und aktive Herbeiführung des Todeseintritts, meist durch die intravenöse Verabreichung einer tödlichen Medikamentenkombination. Sie ist in zahlreichen Ländern unter gesetzlichen Auflagen legal (Benelux-Staaten, Portugal, Spanien, Kanada, Kolumbien), in Deutschland ist sie unter Androhung einer gegenüber den anderen Tötungsdelikten geringeren Strafe verboten (§ 216 StGB).

Sterbenlassen (früher »passive Sterbehilfe«) durch Verzicht oder Abbruch von lebensverlängernden Maßnahmen bei gleichzeitiger leidenslindernder Behandlung. Mithin handelt es sich formal um einen Therapiezielwechsel, das Ziel des Lebenserhalts wird ersetzt durch das Ziel der maximalen Leidenslinderung. Obgleich dies im Patientenverfügungsgesetz dezidiert geregelt ist, führten Therapieabbrüche immer wieder zu Anklagen gegen die Beteiligten wegen unterlassener Hilfeleistung oder gar eines Tötungsdelikts durch Unterlassen. Prominentester Fall ist wohl die Anklage gegen den Arzt von Vincent Lambert (s. o.). Erst mit einem Urteil des BGH im Fall Wolfgang Putz vom 25. 06. 2010 (Bundesgerichtshof, 2010) besteht Rechtssicherheit in Deutschland: »Sterbehilfe durch Unterlassen, Begrenzen oder Beenden einer begonnenen medizinischen Behandlung (Behandlungsabbruch) ist gerechtfertigt, wenn dies dem tatsächlichen oder mutmaßlichen Patientenwillen entspricht (§ 1901a BGB) und dazu dient, einem ohne Behandlung zum Tode führenden Krankheitsprozess seinen Lauf zu lassen,« verkündete die höchste deutsche Strafrechtlerin, Prof. Rissing-van Saan. Während der Tod nach Beendigung einer PEG-Ernährung erst binnen Wochen eintritt, stirbt ein Mensch nach dem legalen Abschalten einer Beatmungsmaschine binnen weniger Minuten. Natürlich ist beides nur unter leidenslindernder Behandlung ethisch zu rechtfertigen, im Falle der Beatmungsbeendigung braucht es dafür sogar eine Narkose, um Erstickungsgefühle sicher zu vermeiden.

Indirekte Sterbehilfe: Durch eine notwendige leidenslindernde Behandlung kommt es ungewollt zu einer Lebensverkürzung. Als Beispiel wäre hier die palliative Sedierung zu nennen; hier werden bei starken Leidenszuständen die Kranken in einen Schlafzustand bis hin zur Narkose versetzt. Unterlässt man es in dieser Situation, die Körperfunktionen aufrechtzuerhalten, beschleunigt dies letztlich den Todeseintritt.

Hilfe zum Suizid: zum Beispiel durch Beschaffung und Bereitstellung des tödlichen Mittels oder die Anlage einer Narkoseinfusion mit Start durch die Patient:innen. Wichtig als Unterscheidung zur Tötung auf Verlangen ist, dass die letztlich zum Tode führende Handlung durch die Patient:innen selbst zu erfolgen hat. Die Hilfe zum Suizid ist mithin die einzige legale Möglichkeit der Sterbehilfe in Deutschland außerhalb fremddefinierter Situationen von Leid oder der Abhängigkeit künstlicher Lebensverlängerung.

Auch wenn der Begriff der Freiverantwortlichkeit vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) für die Hilfe zum Suizid geprägt wurde, ist Freiverantwortlichkeit der Entscheidung Grundvoraussetzung für jede Art von »Sterbehilfe«.

1.3 Suizide und Suizidhilfe

Die jüngsten Zahlen des statistischen Bundesamts zu Suiziden weisen für 2021 insgesamt 9.215 Suizide in Deutschland aus (Therapie.de, 2024). Bei insgesamt 1.023.687 Todesfällen beträgt 2021 der Suizidanteil lediglich 0,9 %. Seit Jahren zeigt sich eine rückläufige Tendenz. Suizide mit Schlafmitteln – hier werden sich Suizidhilfen finden – waren unter den Suiziden mit nur 274 Fällen (3,0 %) eine Randerscheinung. Die häufigsten Suizidarten waren Erhängen (4.035, 43,8 %), Vergiftung mit diversen Stoffen (1.157, 12,6 %), Sturz aus großer Höhe (897, 9,7 %), Kollision mit Bahn oder Kraftfahrzeug (594, 6,4 %), Erstechen (492, 4,3 %), Gasvergiftung (317, 3,4 %), Ertrinken (198, 2,1 %), Erschießen (168, 1,8 %). Ähnliche Verteilungen zeigen sich über die letzten Jahre. 73,8 % der Suizidenten waren männlich, tendenziell wählten sie jeweils gewaltsamere Methoden: Erhängen (Chancenverhältnis/odds ratio für Männer 1,6), Erschießen (11,4), Erstechen (1,4); dagegen war bei Frauen die Vergiftung weit führend (2,9).

Suizidversuche werden für Deutschland auf 100.000 pro Jahr geschätzt, d. h. etwa 10-mal mehr als durchgeführte Suizide (Therapie.de, 2015).

Es liegt schon bei Durchsicht dieser Fakten auf der Hand, dass es sich bei Menschen, die Suizidversuche begehen oder brutale Suizidmethoden wählen, um andere Menschen und andere Motive handelt als bei Menschen, die intensiv nach einer Suizidhilfe recherchieren. Aus der Psychiatrie wird angegeben, dass 90 – 95 % der Suizide bei akuter psychiatrischer (behandelbarer) Störung erfolgen, dies muss bei einer Suizidhilfe vorher sicher ausgeschlossen werden. Auch die American Association for Suicidology führt zahlreiche klare Unterschiede auf zwischen Suizidhilfe und Suiziden und sieht nur geringe Überschneidungen:

Bei Suizidhilfe steht das Ende von Leiden im Vordergrund, nicht das Ende des Lebens.

Bei der Suizidhilfe bestehen enge emotionale Bindungen; Angehörige sind regelhaft dabei.

Suizide geschehen überwiegend auf der Grundlage einer psychiatrischen Willensstörung.

Die psychischen Folgen für Angehörige im Rahmen der Suizidhilfe sind deutlich geringer.

Der Suizid geschieht oft plötzlich; Suizidhilfe findet stets mit deutlicher Verzögerung nach langem Überlegen statt.

Während jedermann einen Suizid in aller Regel als schrecklichen Unglücksfall wahrnimmt, wird Suizidhilfe als Erlösung wahrgenommen (The KIM Foundation, 2017).

Daher erscheinen die löblichen Anstrengungen zur Suizidprophylaxe für die Patientengruppe im Rahmen der Suizidhilfe ungeeignet, sie suchen ja keinen Arzt oder keine Ärztin wegen psychischer Störungen, da sie diese nicht haben oder glauben, psychisch gesund zu sein. Eine aktuelle schwedische Studie wertete den letzten Hausarztkontakt binnen 30 Tagen vor einem Suizid aus. Die Mehrheit war vorher nicht in psychiatrischer Behandlung (53 %). Nur bei weniger als jedem 15. war überhaupt Suizidalität aufgefallen. Dabei fielen »nichtpsychiatrische Patient:innen« noch seltener auf und wurden nur zu 6 % an Hilfsangebote überwiesen. Bei den psychiatrisch auffälligen Patient:innen waren es auch nur 22 % (Öberg, 2024).

1.4 Fallbeispiele von vorzeitigen Sterbewünschen

Aktuell bewegen mich zwei Begleitungen, die die Problematik der Suizidhilfe eindrücklich vor Augen führen.

Da ist die von schwarzem Hautkrebs »durchsetzte« Nicole, 24 Jahre alt. Vor gut eineinhalb Jahren fiel ihr ein unregelmäßig begrenzter »Leberfleck am Fuß« auf. Es kam die erschreckende Diagnose Melanom. Wegen Metastasen leitete die Uniklinik bereits eine Kombinationstherapie mit verschiedenen Immuntherapeutika (Ipilimumab, Nivolumab) ein. Dies macht nur Sinn bei Aufklärung zur palliativen Situation. Doch Nicole war der Meinung, sie sei vom Krebs geheilt. Erst mit dem Auftreten von ersten Lähmungen an den Beinen ging es erneut zur Diagnostik und rasch stand der fatale Befund fest: Tumore breit verstreut im Rückenmarksbereich, hinter dem linken Auge und an vielen weiteren Stellen. Nun erfolgte eine universitäre Maximalmedizin, Herzkatheter, Beatmung, diverse Schnittbilduntersuchungen, Intensivversorgung. Gleichwohl traf sie das extrem seltene Schicksal einer akuten Querschnittslähmung mit kompletter Lähmung der Beine. Dabei hatte sie entsetzliche Schmerzen. Dies ist medizinisch mehr als nachvollziehbar, handelt es sich doch bei diesen neuropathischen Schmerzen mit um die schlimmsten Tumorschmerzen, die wir in der Palliativmedizin sehen. Und bedauerlicherweise hilft hier Morphin – selbst in sehr hohen Dosen – nur unzureichend. Und das war letztlich das einzige Schmerzmittel, was sie über Wochen in der Uniklinik erhielt. Im Entlassungsbrief stand lapidar: »Durch die Symptomatik akut belastet.« So lernte ich sie anschließend im Hospiz kennen, schwer durch Schmerzen beeinträchtigt, leicht benebelt durch eine hochdosiert laufende Morphinspritzenpumpe. In dem Arztbrief der Uniklinik war noch die Rede von einer Querschnittslähmung bis zum 11. Brustwirbel – d. h. ab dem Bauchnabel aufwärts wäre das Gefühl noch normal gewesen bei voller Lähmung der Beine. Als ich sie allerdings untersuchte, hatte sie schon extreme Schmerzen in den Armen und Gefühlsstörungen oberhalb der Brüste sowie Atemstörungen. Sprich, die Lähmung schritt fort und das extreme Schmerzsyndrom fing jetzt in den Armen an.

Wer will es einem Menschen in dieser Situation verübeln, wenn er um eine erlösende Infusion bittet, wenn er es als unwürdig empfindet, noch tagelang in einem Dämmerschlaf in Windeln dazuliegen? Aber diese Tür war ihr mit Aufnahme in einem Hospiz verschlossen, denn der Deutsche Hospiz- und Palliativverband hat mehr als klargestellt, dass in deutschen Hospizen zwar respektvoll mit vorzeitigen Todeswünschen umzugehen sei, am Ende des Tages sei in den Hospizen aber eine lebensbejahende Haltung zu entwickeln: »Insofern ist den Einrichtungen anzuraten, bereits vor einer neuen Regelung durch den Gesetzgeber und vor der Aufnahme eines Patienten/einer Patientin in ihren Verträgen klarzustellen, dass das hospizliche Konzept einen assistierten Suizid in ihrer Einrichtung ausschließt« (Deutscher Hospiz- und Palliativverband, 2021). Die Interessenvertretung deutscher Hospize schreckt sogar nicht einmal davor zurück, in dieser Situation quasi den »Rauswurf auf dem Sterbebett« zu empfehlen. So sei die »rote Linie« jeglicher Suizidhilfe im Hospiz nach Vorstandsmeinung überschritten, bei Entlassung in die Häuslichkeit bei fortbestehendem Wunsch ungeachtet des Patientenzustandes jedoch nicht. Akzeptabel sei etwa bei einer Sterbenden mit fortbestehendem Sterbewunsch: »Die Frau wird aus dem stat. Hospiz entlassen.«

Aber es war auch klar: Wenn es etwas gibt, dass diese Frau aus der desolaten Situation bringt, muss man es ihr zunächst einmal anbieten. Als Schmerzmediziner mit Ausbildung in einer Uniklinik mit Wirbelsäulenchirurgie war mir sofort klar, dass die akute Symptomatik möglicherweise durch zu wenig Cortison ausgelöst war. Auch war ich zuversichtlich, die Nervenschmerzen (neuropathische Schmerzen) lindern zu können, verschrieb Pregabalin, Cannabis, viel Hydrocortison und natürlich eine Notfallsedierung, falls es zu einer akuten Atemlähmung kommen sollte. Und selbstverständlich gab es auch die wichtigste Medizin: Zuversicht – »Ich werde Dir helfen, es wird besser, das hat bisher immer geklappt.« Und es klappte. Bereits am kommenden Tag war sie wie ausgewechselt. Wir konnten die Morphindosis von 400 mg pro Tag auf 60 mg reduzieren. Sie rauchte nur anfangs Cannabis und stellte bald fest, dass sie es nicht mehr benötigte, und entwickelte sich rasch zum Liebling des Hospizes. Sie starb im Beisein von Freund und Eltern letztlich an der zunehmenden Bewusstlosigkeit durch die Hirntumore nach mehreren glücklichen Wochen. Wir haben viel Leben genossen. Einmal sagte sie mir ins Ohr – »Es ist schon eine geile Zeit hier.«

Und dann war da Katharina, 20 Jahre alt, Star Wars Fan mit einer bipolaren Störung, als Kind hochintelligent, aber immer psychisch auffällig. Als sie 15 war, erfolgte dann endlich eine Kernspinuntersuchung des Gehirns mit der Diagnose Hirntumor (Astrozytom). Ein Astrozytom ist zwar ein grundsätzlich gutartiger Tumor, den man aber oft nicht ganz entfernen kann und bei dem eine bösartige Entartung droht. Der Tumor lag so problematisch, dass er nicht ganz entfernt werden konnte. Nach der Operation kamen zu den Verhaltensauffälligkeiten sehr schwere, häufige und komplexe Krampfanfälle und eine Migränesymptomatik hinzu. Es folgten drei Suizidversuche mit Paracetamol und anderen dazu untauglichen Mitteln. Stets erfolgten Entgiftungsbehandlungen und viel Psychotherapie. Trotz Psychotherapie, Kinderpalliativversorgung, Kinderhospizaufenthalten und universitärer neurologischer Behandlung besserte sich die Symptomatik nicht. Der Kontakt zwischen Familie und mir wurde vom Leiter des versorgenden Palliativteams hergestellt. Er sei mit seinem Latein am Ende und könne den vorzeitigen Sterbewunsch nachvollziehen. Dazu bestände aber weder Kompetenz noch ethisches Einvernehmen im Team. Ob ich helfen könne.

Da es einen nennenswerten psychiatrischen Befund gab, sollte man nach unserer Handreichung einen Fachpsychiater hinzuziehen (Thöns et al., 2021). Diese Situation war hier gegeben. Doch keine Ärztin und kein Arzt der Fachrichtungen Psychiatrie und Palliativmedizin oder anderer Fachrichtungen waren bereit, eine Freiverantwortlichkeit zu bescheinigen. Einzig der sie langjährig betreuende Hausarzt hatte keine Zweifel an der Freiverantwortlichkeit und bescheinigte diese. Gemeinsam mit Katharina beschloss ich – auch weil es eilte – einen Serienbrief an Psychiater:innen zu schreiben.

1.5 Psychiater:innen lehnen Suizidhilfe ab

Von den 126 angeschriebenen Psychiater:innen antworteten innerhalb von zwei Wochen nur 27 (21 %). Die aktuelle Rechtslage mit einem »Recht auf die Hilfe bei der Selbsttötung« akzeptierten neun (33 %). Für eine Begutachtung bei einem körperlich Schwerstkranken waren letztlich nur drei (11 %) bereit, für die eines körperlich Gesunden keiner. Terminmöglichkeiten bestanden bei den positiv Antwortenden zwischen einer und acht Wochen. Eine wunderbare Psychiaterin fand ich in Frankfurt. Sie gab Katharina bereits am Folgetag einen Termin und schrieb ein überzeugendes Gutachten.

Bei den vielen Gesprächen sagte mir der Vater einmal: »Nach jedem dieser täglich stattfindenden schlimmsten Krampfanfälle sagt sie mir: ›Papa ich kann und will nicht mehr leben‹ – nach jedem!«

Als dann alle Voraussetzungen, die das BVerfG in den tragenden Gründen der Entscheidung vom 26. 02. 2020 aufzählte, erfüllt waren, telefonierte ich mit Katharina. Das grüne Licht machte sie glücklich. Ich erklärte ihr noch, jetzt gäbe es keine Eile, mein grünes Licht sei zeitlich erstmal nicht begrenzt. Wenn wir uns erst 2025 sähen, würde ich sie halt vorher noch mal untersuchen. Doch sie drängte auf Umsetzung, besprach sich mit ihrer Familie und wir trafen uns noch in der gleichen Woche. Auch als ich zu ihr kam, drängte sie auf eine rasche Umsetzung. Ich legte einen Venenzugang, die Eltern und die Geschwister waren dabei. Alle konnten – sehr schweren Herzens – den Wunsch mittragen, nur ein Bruder »wollte es einfach nicht mit ansehen.« Sie sprach noch viele schöne Worte an jedes ihrer Familienmitglieder, dabei jedes Mal eine schöne Erinnerung an etwas gemeinsam Erlebtes. Dann sagte sie zu mir: »Los geht's.« Wir ließen ein Video mitlaufen. Sie zeigte, dass sie selber eine Kochsalzlösung laufen lassen kann, dann sollte ich die Narkoseinfusion anhängen. Als die Infusion begann, sagte sie noch neben den drei wichtigsten Worten (»Ich liebe Euch«): »Die Macht sei mit Euch.« Star Wars Fans wissen, diese Redewendung wurde einst von den Jedi benutzt, um sich förmlich zu verabschieden. Wie immer bei einer Narkoseeinleitung schlief sie sehr friedlich ein.

Normale Palliativversorgung hat Nicole wieder Leben geschenkt und ihren Sterbewunsch beseitigt. Das gelingt sehr oft und muss doch immer der professionelle Anspruch sein: Die Situation so zu verbessern, dass Lebensmut die Überhand gewinnt. Doch wenn dies nicht erreichbar ist, so sollten wir auch nicht über Katharinas Notausgang richten, schon gar nicht durch inakzeptable Hürden unmöglich machen. Und Nicoles Schicksal ist eher die Regel als die Ausnahme, sie erhielt Immuntherapien für Jahrestherapiekosten von über 200.000 Euro bis kurz vor ihrem Hospizaufenthalt. Dort, stationär in der Uniklinik, hat man über Monate ihre stärksten Schmerzen nicht ausreichend gelindert, aber hochpreisige Therapien eingesetzt, um sie dann zum Sterben ins Hospiz zu legen. In dieser Situation (aufsteigende Lähmung) hätte sie schon auf dem Weg ins Hospiz schlimmstmöglich ersticken können. Palliativversorgung hätte ihren Sterbewunsch eher beseitigt, dem Gesundheitssystem wären Unsummen erspart geblieben und Nicole hätte Monate länger »wirklich gelebt.«

1.6 Frühzeitige Palliativversorgung hilft – sie ist aber fern von der Praxis

Palliativversorgung kommt zumeist zu spät. Eine early integration von Palliativversorgung – also die umfassende Integration palliativer Beratung und ggf. auch leidenslindernder sowie die Lebensqualität verbessernder Therapie bereits mit der Erstdiagnose einer unheilbaren Situation – hat viele Vorteile und wird international gefordert (Arbeitsgemeinschaft der Medizinisch-Wissenschaftlichen Fachgesellschaften, 2020): Lebensqualität von Patient:innen und Angehörigen (Zimmermann et al., 2014), Psyche (Pirl et al., 2012), Krankheitsverständnis, Vorsorgeplanung und sogar Überleben (Bakitas et al., 2015) bessern sich. Palliativversorgung führt zu einer geringeren Symptombelastung, zu weniger und nicht mehr indizierter Chemotherapie in den letzten Lebensmonaten (Temel et al., 2010), zu selteneren unerwünschten Notarzteinsätzen und weniger sowie kürzeren Krankenhausaufenthalten (Gärtner et al., 2016). Eine echte Palliativversorgung über drei Wochen fand in einer sehr großen deutschen Universitätsklinik bei weniger als 2 % der sterbenden Krebsbetroffenen statt – leitliniengerecht hätten es nahezu 100 % sein müssen (Dasch et al., 2017).

Aber es gibt eben Situationen, in denen Palliativversorgung nicht ausreichend helfen kann – und dann ist es kein Widerspruch – beim Sterben zu helfen. Es ist einfach nur Barmherzigkeit.

1.7 Das erwartet Sie in diesem Buch

Es geht in dem Buch schwerpunktmäßig um Suizidhilfe bei Schwerkranken. Umfragen zeigen, dass genau in dieser Situation die große Mehrheit der Bevölkerung und auch der Parlamentarier einen Zugang zur Suizidhilfe für angemessen halten. Dagegen ist die vom BVerfG auch ermöglichte Hilfe zur Selbsttötung bei »körperlicher Gesundheit« sehr umstritten und wird auch in Bevölkerungsbefragungen mehrheitlich abgelehnt (Fiedler et al., 2022).

Im nächsten Kapitel wird der Jurist Wolfgang Putz die aktuelle Rechtslage sehr eindrücklich schildern, gefolgt von einer umfangreichen Diskussion der verschiedenen deutschen Gesetzentwürfe durch Prof. Eric Hilgendorf. Die ethischen Hintergründe insbesondere auch bei Beteiligung von Ärztinnen und Ärzten erläutert Prof. Georg Marckmann. Es folgt eine Diskussion um das Pro und Kontra mit meinem »Lieblingskontrahenten«, dem Vorstand der Deutschen Palliativstiftung Dr. Thomas Sitte. Die Psychologin Gita Neumann erläutert ergebnisoffene Konfliktberatungen zwischen Suizidprävention und -hilfe. Sehr eindrücklich zeigt Psychiater Prof. Matthias Dose die Schwierigkeiten seines Fachgebietes mit der neuen Rechtslage, wie auch die Schwierigkeiten bei der Suizidhilfe körperlich Gesunder. Gemeinsam mit dem Vorstand der Deutschen Schmerzliga PD Dr. Michael Überall wird die Sicht von Palliativ- und Schmerzpatienten sowie eine sehr umfangreiche Befragung vorgestellt. Der erste Hauptkommissar Roland Wefelscheid schildert die Sicht der Ermittlungsbehörden aus einem Kommissariat, das aktuell zahlreiche Fälle zu bearbeiten hat. Rita Gabler als sehr erfahrene Palliative-Care-Fachpflegekraft zeigt den Blick aus der Pflege, die bekanntlich dem Leid am nächsten ist. Ihr Beitrag wird den empathischen Leser besonders fesseln, wenn sie feststellt: »Was wir aber als Pflegende in der Praxis häufig erleben ist die Tatsache, dass Menschen, die den Erlösungstot suchen, weil sie ihr Leiden einfach nicht mehr ertragen können, die freiwillige, legale und ethische vertretbare Suizidhilfe verweigert wird.« Gemeinsam mit Gita Neumann, Tanja Unger und mir geben wir zum Abschluss einen Blick auf die aktuelle Praxis der Suizidhilfe in Deutschland.

Abschließend sei bemerkt: Es geht in diesem Buch ausschließlich um Menschen, die freiverantwortlich aus dem Leben scheiden wollen. Dies hat nichts mit den von den Nazis verübten Gräueltaten gemein, die sie missbräuchlich als »Euthanasie« (»guter Tod«) bezeichneten. Denn hier geschah ein Massenmord gegen den Willen von geistig oder körperlich behinderten oder einfach nur als fremd wahrgenommenen Menschen.

Und keinesfalls ist nach Wegfall des Strafrechtsparagraphen 217 »jetzt alles erlaubt.« Denn Staatsanwaltschaften haben eine ganze Reihe von Rechtsvorschriften, um legale Suizidhilfe bei Freiverantwortlichkeit von verbotener Hilfe eines nicht freiverantwortlichen Suizidenten zu unterscheiden. In der Begründung des gegen mich erstmals eingetroffenen »Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschlusses« hieß es: »Es besteht der Anfangsverdacht gegen den behandelnden Arzt wegen fahrlässiger Tötung im Rahmen der Behandlung des o. g. Verstorbenen. Aufgrund der bisherigen Ermittlungen besteht der Verdacht, dass dem Verstorbenen zu hohe Mengen an Medikamenten verschrieben wurden, obwohl dieser erkennbare Suizidabsichten hatte.«

Literatur

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2 Assistierter Suizid – eine legale Form der Sterbehilfe

Wolfgang Putz

2.1 Einleitung

Am 26. 02. 2020 erklärte das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) den § 217 StGB, das Verbot der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung, für verfassungswidrig und rückwirkend für nichtig (Neue Juristische Wochenschrift, 2020). So besteht durchgängig die seit 1871 geltende Rechtslage. Auf deren Basis, und diktiert vom Grundgesetz aus dem Jahr 1949 ergingen die höchstrichterlichen Urteile bis hin zur jüngsten Vergangenheit. So haben wir heute eine klare Rechtslage.

Freilich gibt es »Rechtsunsicherheit.« Diese beruht aber nicht auf einer unklaren Rechtslage, sondern auf deren weit verbreiteten Unkenntnis. Diese Unsicherheit wird zudem laufend – und besonders seit dem Urteil des BVerfG von 2020 – aus teils klarer Interessenlage mehr geschürt als beseitigt. Denn wer als Arzt oder Ärztin oder sonst zur Suizidhilfe bereiter Bürger:in immer wieder hört, dass es mangels klarer Rechtslage ein strafrechtliches Risiko gäbe, freiverantwortliche Suizident:innen zu unterstützen, der wird sich nicht trauen, solche Hilfe zu leisten. Genau dieses Ergebnis wird aber seit jeher und insbesondere seit dem BVerfG-Urteil von 2020 von Kreisen gezielt befördert, die den Lebensschutz zum alleinigen Inhalt ihrer Wertvorstellungen machen und die Grundrechte auf Selbsttötung, die freiwillig angebotene Hilfe hierzu und die Inanspruchnahme solcher Hilfe negieren. Diese Haltung findet sich sowohl bei sogenannten Tendenzbetrieben (z. B. Kirchen oder religiös ausgerichtete Einrichtungen) wie bei breiten Kreisen der organisierten und nicht organisierten Ärzteschaft. Dabei wird rechtswidrig aus der verfassungsrechtlich garantierten Freiwilligkeit der Suizidhilfe nach eigenem Gewissen das Recht zur Unterdrückung von Grundrechten gegensätzlich denkender Menschen abgeleitet.

2.2 Vom Paternalismus zur Selbstbestimmung des eigenen Endes

Das Medizinrecht ist Kern aller Thematik rund um den ärztlich assistierten Suizid. Aus der Verfassung fließen die elementarsten Menschenrechte in das Medizinrecht ein, Art. 1 Absatz 3 GG. Sie geben den engen Spielraum auch für die Suizidhilfe vor. Nach Artikel 2 Absatz 1 hat jeder »das Recht auf freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt, gegen die verfassungsgemäße Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.« Als sogenannte lebendige Verfassung zwingt unser Grundgesetz den Staat, über seine drei Gewalten die gesellschaftliche Entwicklung zu akzeptieren, gerade im Bereich der sittlichen Wertprinzipien. Diese sind im Wandel, ihnen ist Rechnung zu tragen. Und vor allem: unsere Verfassung ist laizistisch, säkular, also nicht religiös ausgerichtet. Sie muss dem breiten Spektrum von Wertvorstellungen und deren Entwicklung in der Bevölkerung Rechnung tragen, soweit sie verfassungskonform sind. Dies zu überwachen ist die Aufgabe des BVerfG.

Die Entwicklung des Medizinrechts ist im Einklang mit der Medizinethik geprägt durch den Wandel vom Paternalismus (durch Ärzt:innen) zur Patientenautonomie. Dazu gab es ab der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts eine ganz klare Linie in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH). So rückte die Aufklärung als gebotener Respekt vor dem Grundrecht auf Selbstbestimmung der Patient:innen in den Vordergrund. Die aus ärztlicher Sicht bejahte Gebotenheit einer Behandlung ist eben keine eigenständige Rechtfertigung einer ärztlichen Behandlung. Alle Behandelnden können heute Behandlung nur anbieten, müssen dazu Aufklärung anbieten und schließlich – wenn die Patient:in das will – Aufklärung erbringen. Fehlt es an einer gewünschten Aufklärung, ist auch eine lege artis durchgeführte Behandlung eine rechtswidrige Körperverletzung. Ärzt:innen machen sich damit straf- und haftbar. Dass das auch für eine lebensrettende und eine anhaltend lebenserhaltende Behandlung gilt, hatte der BGH in seiner quasi allerersten Grundsatzentscheidung aus dem Jahr 1957 entschieden (Bundesgerichtshof, 1957). Bloß ging dem damaligen Fall kein Suizidversuch voraus.