Asterisk & Binnen I und die Suche nach der geschlechtergerechten Sprache - Jürgen Lang - E-Book

Asterisk & Binnen I und die Suche nach der geschlechtergerechten Sprache E-Book

Jürgen Lang

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Beschreibung

Nachdem in Teil 1 der Buchreihe ganz allgemein der Frage nachgegangen wird, ob die deutsche Sprache – die bekanntlich als schwer und schwierig gilt –, wirklich schwer und schwierig ist und im zweiten Teil etwas spezieller die Tiefen der Grammatik mit ihrem Funktionieren erkundet werden, steht in Teil 3 eine einzige konkrete Frage im Mittelpunkt: Ignoriert die Sprache die Geschlechter einiger Mitmenschen oder ignorieren einige Mitmenschen bei den Geschlechtern die Grammatik der Sprache? Um das zu klären, wird zuerst eine Übersicht zur festgefahrenen Sprachdebatte mit dem "Muss-sein" der Genderbeauftragten und "Muss-nicht-sein" der Sprachbewahrer geboten, anschließend eine sachliche Überprüfung der Theorien zum Gendern und abschließend ein Ausblick mit Lösungsvorschlägen – einen aus so mancher Sicht sicherlich überraschenden – zum Beenden der meist emotional aufgeladenen und mittlerweile viele Mitmenschen nervenden Diskussion.

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Jürgen Lang

Asterisk & Binnen I

und die Suche

nach der

geschlechtergerechten Sprache

Die vergessene Leichtigkeit der deutschen Sprache Teil 3

Das Geschlecht ist die rätselhafteste

aller grammatikalischen Kategorien.

Es ist ein Thema,

das sowohl Nicht-Linguisten

als auch Linguisten interessiert,

und es wird immer faszinierender,

je mehr es erforscht wird.

Greville Corbetts

Asterisk & Binnen I

und die Suche nach der geschlechtergerechten Sprache

Die vergessene Leichtigkeit der deutschen Sprache – Teil 3

ISBN 9783347875098 Taschenbuch

ISBN 9783347875111 E-Book

Druck und Distribution: tredition GmbH

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet abrufbar über www.dnb.de.

© 2023 Jürgen Lang. Alle Rechte vorbehalten.

Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt, jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Autors unzulässig. Trotz sorgfältiger Bearbeitung können Tipp-, Druck- und Formatierungsfehler nicht ausgeschlossen werden. Publikation und Verbreitung des Buchs erfolgen im Auftrag des Autors, zu erreichen unter:

tredition GmbH

Abteilung Impressumservice

Halenreie 40-44

22359 Hamburg

Asterisk

Wortart: Substantiv

Genus: Maskulinum

Worttrennung: As-te-risk

Betonung: Asterisk

Aussprache: astəˈʀɪsk

Bedeutung: typografisches Zeichen oder Symbol in Form eines fünf- oder sechsstrahliges Sterns

Binnen-I

Wortart: Substantiv

Genus: Neutrum

Worttrennung: Bin-nen-I

Betonung: Binnen-I

Aussprache: ˈbɪnənˌʔiː

Bedeutung: zwischen Wortstamm und feminine Endung eingeschobener Großbuchstabe als Kennzeichen der geschlechtergerechten Sprache

Die vergessene Leichtigkeit der deutschen Sprache

ist eine dreiteilige Buchreihe für alle, die nicht nur wissen möchten, wie im Deutschen etwas gesagt oder geschrieben wird, sondern sich auch für das Warum interessieren.

 x Wortarten und alle machen Ärger

 Warum wandert ein Wanderfalke, wenn er doch fliegen kann?

 Asterisk & Binnen-I und die Suche nach der geschlechtergerechten Sprache

Bevor es aber losgeht, möchte ich mich bedanken. Vor allem aber bei all denen, die sich ganz oder teilweise durch die Vorversionen dieses Werks gearbeitet, ihre Ideen beigesteuert und mich mit zahlreichen Hinweisen und Ratschlägen unterstützt haben.

Danke schön!

Bei der Rechtschreibung folge ich nicht durchgängig den Vorgaben des amtlichen Regelwerks.

Inhalt

Cover

Titelblatt

Urheberrechte

Die vergessene Leichtigkeit der deutschen Sprache

die Gleichstellung von Frauen und Männern auch sprachlich

verehrte Les…

Jahrzehnte der Sprachdiskussion

die Geschlechterungerechtigkeit in der Sprache

Genderlinguistik

der heutige Standard der geschlechtergerechten Sprache

der Kern der Sprachdebatte

die Theorien zur Gendersprache auf dem Prüfstand

Bevorzugung der Männer in der Sprache

generische Wortformen erzeugen im Kopf vor allem Bilder von Männern

Sprache als Erschaffer von Bildern

eine Realitäten schaffende Sprache

Auffassung des Sprachbegriffs

was Asterisk, Binnen-I & Co in der Sprache bewirken

Ergebnis des Genderns auf dem Prüfstand

Nun sag, wie hast du’s mit der Gendersprache?

sprachliche Aspekte mit gesellschaftlichen Aspekten vermischt

Und was hat die Sprache damit zu tun?

des Genderns Problemkern

Wissenschaften oder Ideologien

mit einer Aussage nur Männer meinen

das bewusste Verstehen-wollen

alle Geschlechter sprachlich paritätisch

schlicht und einfach liebe Leser

der Sprachdiskussion Lösung und Mögliches Ende

Andere Literatur

Die vergessene Leichtigkeit der deutschen Sprache

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Urheberrechte

Die vergessene Leichtigkeit der deutschen Sprache

der Sprachdiskussion Lösung und Mögliches Ende

Die vergessene Leichtigkeit der deutschen Sprache

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I.

Es ist der 30. November des Jahres 2001, als der Deutsche Bundestag mit dem „Gesetz zur Durchsetzung der Gleichstellung von Frauen und Männern“ zur

Beseitigung bestehender und der Verhinderung künftiger Diskriminierungen wegen des Geschlechts

mit Artikel 1 auch das „Gesetz für die Gleichstellung von Frauen und Männern in der Bundesverwaltung und in den Gerichten des Bundes“ – kurz Bundesgleichstellungsgesetz genannt – beschließt und darin gemäß Paragraf 1 durchsetzt, dass

die Gleichstellung von Frauen und Männern auch sprachlich

zum Ausdruck gebracht werden soll – wenn auch nur in den Rechts- und Verwaltungsvorschriften und im Schriftverkehr des Bundes.

(2) Rechts- und Verwaltungsvorschriften des Bundes sollen die Gleichstellung von Frauen und Männern auch sprachlich zum Ausdruck bringen. Dies gilt auch für den dienstlichen Schriftverkehr.

Paragraf 1 Bundesgleichstellungsgesetz

Die Umsetzung der Gleichberechtigung von Frau und Mann ist mit der im Jahr 1949 erfolgten Aufnahme und Verankerung in den Grundrechten des bundesdeutschen Grundgesetzes, dem Jahr 1994 als Ergänzung damit verbundenen Staatsauftrag …

Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

Artikel 3 Absatz 2 Grundgesetz

… sowie den bis dato beschlossenen Gleichberechtigungsgesetzen ein altbekanntes Anliegen, neu ist – und für ein Bundesgesetz außergewöhnlich – die Forderung der auch sprachlichen Gleichstellung.

In der vom Bundestag im März desselben Jahres in der Drucksache 14/5679 veröffentlichten amtlichen Begründung zum Gleichstellungsgesetz heißt es zur auch sprachlichen Gleichstellung, es sei über 50 Jahre nach der Festschreibung der Gleichberechtigung im Grundgesetz immer noch nicht gelungen, Verhältnisse zu schaffen, in denen Männer und Frauen in gleicher Weise an allen gesellschaftlichen Lebensbereichen teilhaben und weiter, dass einer herkömmlichen Verwendung der generischen Maskulina nunmehr ein heutiger Standard einer geschlechtergerechten Sprache gegenübergestellt werden soll, da das Wahrnehmen von geschlechtergerechten Ausdrucksformen bei der Amts- und der gesprochenen Sprache stärker ausgeprägt und zudem die Sprache ein Spiegelbild der gesellschaftlichen Einschätzung sei und eine geschlechtergerechte Sprache das Bewusstsein für die Gleichstellung von Männern und Frauen verstärke.

Über 50 Jahre nach der Festschreibung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern im Grundgesetz […] ist es noch immer nicht gelungen, Verhältnisse zu schaffen, in denen Frauen und Männer in gleicher Weise an allen gesellschaftlichen Lebensbereichen teilhaben. […] Wenn es um die Gleichstellung von Frauen und Männern geht, muss auch eine geschlechtergerechte Sprache das Ziel sein.

Deutscher Bundestag: Drucksache 14/5679

Gut vierzehn Jahre später wird das Bundesgleichstellungsgesetz neugefasst und die – nach Absatz 3 von Paragraf 4 verschobene – auch sprachlich zum Ausdruck zu bringende Gleichstellung von Frau und Mann in ihrem Geltungsbereich erweitert und unter anderem in die „Gemeinsame Geschäftsordnung der Bundesministerien“ aufgenommen, was bei der Formulierung von Gesetzen und Gesetzesvorhaben – dazu später mehr – noch eine Rolle spielen wird.

Da das Bundesgleichstellungsgesetz zugleich auch die Vorlage und Vorgabe für die Gleichstellungsgesetze der Bundesländer ist – die bis Januar 2008 allesamt erlassen und in Kraft getreten sind –, die ihrerseits Vorlage und Vorgabe für die Verordnungen bis hinunter auf die kommunale Ebene sind, hätte der Bundestag – wenn er denn schon in die Sprache eingreift –, entweder selbst festlegen müssen, was unter dem Standard der geschlechtergerechten Sprache zu verstehen und wie selbiger umzusetzen ist oder aber den im Dezember 2004 offiziell im deutschen Sprachraum eingesetzten Rat für deutsche Rechtschreibung – etwa über die Kultusministerien der Bundesländer – beauftragen müssen, dementsprechende Schreibweisen und Formulierungen einer geschlechtergerechten Sprache zu erarbeiten …

Der Rat für deutsche Rechtschreibung ist ein zwischenstaatliches Gremium, das von den staatlichen Stellen damit betraut wurde, die Einheitlichkeit der Rechtschreibung im deutschen Sprachraum zu bewahren und die Rechtschreibung […] im unerlässlichen Umfang weiterzuentwickeln […] und gibt mit dem amtlichen Regelwerk das Referenzwerk für die deutsche Rechtschreibung heraus.

Rat für deutsche Rechtschreibung: Über den Rat

… und in das Amtliche Regelwerk der deutschen Rechtschreibung aufzunehmen. Immerhin sind in diesem Regelwerk als Grundlage und Norm für das Schreiben die offiziellen Schreibweisen der deutschen Sprache – und übrigens nur in besagtem amtlichen Regelwerk –, sprich die als korrekt geltende Rechtschreibung der Wörter und Wortformen sowie das richtige Setzen der Satzzeichen – für den gesamten deutschen Sprachraum und speziell die Vorschriften, Verordnungen, Vereinbarungen und Verträge sowie den amtlichen Schriftverkehr aller staatlichen Einrichtungen festgelegt und vorgegeben.

Das […] amtliche Regelwerk […] regelt die Rechtschreibung innerhalb derjenigen Institutionen […], für die der Staat Regelungskompetenz hinsichtlich der Rechtschreibung hat.

Rat für deutsche Rechtschreibung: Deutsche Rechtschreibung. Regeln und Wörterverzeichnis

Nun ja, das hätte der Bundestag tun müssen, das hat er aber nicht getan, was – zugegeben – auch ohne weiteres gar nicht möglich gewesen wäre, da der deutsche Sprachraum bekanntlich nicht gleich dem bundesdeutschen Hoheitsgebiet ist, sondern sich weit darüber hinaus erstreckt – und somit auch über den Zuständigkeitsbereich des deutschen Bundestages oder der bundesdeutschen Kultusministerien als die für die Bereiche Bildung, Wissenschaft und Kultur zuständigen Landesbehörden. Deshalb gehören dem „Rat für deutsche Rechtschreibung“ auch regelmäßig Mitglieder aus allen Ländern oder Regionen an, in denen die deutsche Sprache Landessprache ist oder zu den Landessprachen gehört – also aus der Bundesrepublik Deutschland, der Republik Österreich, der Schweizerischen Eidgenossenschaft, dem Fürstentum Liechtenstein sowie dem Großherzogtum Luxemburg, der Autonomen Provinz Bozen-Südtirol im Norden Italiens sowie der Deutschsprachigen Gemeinschaft in Ostbelgien.

Allerdings kann der Rechtschreibrat als die – nach eigenen Angaben – „maßgebende Instanz für die deutsche Rechtschreibung“ durchaus von sich aus den zuständigen Institutionen der auftraggebenden Staaten eigene Vorschläge für Schreibweisen unterbreiten, sofern er eine Veränderung in der alltäglichen Verwendung der Sprache feststellt und einen entsprechenden Handlungsbedarf sieht. In Bezug auf eine geschlechtergerechte Sprache hält er im März 2021 jedoch fest, dass zwar „allen Menschen mit geschlechtergerechter Sprache begegnet werden soll und sie sensibel angesprochen werden sollen,“ was aber „nicht allein mit orthografischen Regeln und Änderungen der Rechtschreibung gelöst werden kann“ und deshalb „die Aufnahme […] mehrgeschlechtlicher Bezeichnungen […] in das Amtliche Regelwerk der deutschen Rechtschreibung zu diesem Zeitpunkt nicht empfohlen“ wird.

Rat für deutsche Rechtschreibung: Geschlechtergerechte Schreibung, Empfehlungen von 2021

Somit kann der eine nicht, während der andere nicht will, wodurch weder in einem Gesetz oder einer Verordnung, noch im amtlichen Regelwerk nachgeschlagen werden kann, wie die Umsetzung der geschlechtergerechten Sprache aussieht. Nur führt das Fehlen jeglicher verbindlichen Vorgaben dazu, dass staatliche Einrichtungen wie private Unternehmen nach eigenem Ermessen Leitlinien aufstellen und als Hausrecht für verbindlich erklären – und sie alle bringen den heutigen Standard der geschlechtergerechten Sprache mit, über den wir – im gesamten Sprachraum – seit Jahrzehnten landauf und landab kontrovers diskutieren und streiten.

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Der Deutsche Bundestag hat sich auch schon vor der Verabschiedung der Bundesgleichstellungsgesetze mit dem Thema beschäftigt und 1991 den Beschluss gefasst, in der Amts- und Rechtssprache bevorzugt geschlechtsneutrale Formulierungen zu wählen, wofür eine interministerielle Arbeitsgruppe Empfehlungen insbesondere für die Formulierung von Gesetzen, Gesetzentwürfen, Rechtsverordnungen und Verwaltungsvorschriften ausgearbeitet hat. Ebenso haben die anderen Staaten des deutschen Sprachraums inzwischen ihre Gesetze und Weisungen zur Geschlechtergerechtigkeit – wie in Deutschland in der Regel nur mit Bezug auf Männer und Frauen – in der Sprache umgesetzt, sodass der heutige Standard der geschlechtergerechten Sprache im gesamten deutschen Sprachraum angestrebt wird.

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Und damit ein recht herzliches Willkommen,

verehrte Les…

tja – und da geht es auch schon los mit der angestrebten Geschlechtergerechtigkeit in der Sprache. Eine angemessene Wortform angesichts dessen zu finden, was heute von einigen Mitmenschen als Standard einer geschlechtergerechten Sprache gesehen wird, gestaltet sich nämlich weitaus komplizierter, als gedacht.

Die Probleme einer alle Geschlechter berücksichtigenden Formulierung fangen damit an, dass wenn ich mein Buch schlicht und einfach mit einem weit verbreiteten und vertraut klingenden

liebe Leser

beginne, dies angesichts der im Buchtitel angekündigten Suche nach der geschlechtergerechten Sprache als eine Vorwegnahme des Suchergebnisses oder Positionierung gegen die geschlechtergerechte Sprache gewertet werden kann. Schließlich hat das Substantiv der Leserals Bezeichnung für die Mitmenschen, die mein – oder ein anderes – Buch lesen, heute ausgedient, da es eindeutig eine dieser maskulinen Personenbezeichnung ist, die – wie im Gesetz beschrieben und angemahnt – die Sprache traditionell prägen und die Frauen lediglich mitmeinen.

Da es aber selbstverständlich nicht meine Absicht ist, die Frauen in meiner Begrüßung einfach nur nebenbei schludrig mitzumeinen, kann ich das Buch ohne jede Positionierung mit einem weiter greifenden und Männer wie Frauen meinenden

lieber Leser und liebe Leserin, liebe Leser und Leserinnen

beginnen. Immerhin ist im Sprachalltag das Nennen der männlichen und der weiblichen Form eines Substantivs als eine höfliche und auch übliche Ansprache etabliert, wofür sich zudem kürzere Schreibweisen wie

lieber und liebe LeserIn, liebe/r LeserIn, liebe LeserInnen

mit Binnen-I anbieten, dank dem ich Frauen und Männer sprachlich gleich abbilde und nenne. Nur entspricht auch das sprachlich gleiche Nennen von Männern und Frauen heute leider nicht mehr dem Standard der geschlechtergerechten Sprache, weil es als Übergehen und sprachliche Benachteiligung all derjenigen Mitmenschen ausgelegt werden kann, die sich aus irgendeinem – zu respektierenden – Grund nicht als männlich oder weiblich sehen.

Diesen Aspekt möchte ich natürlich ebenfalls nicht unberücksichtigt lassen und selbstredend auch alle Mitmenschen mit einem anderen Geschlecht als männlich und weiblich oder keinem Geschlecht begrüßen. Daher kann ich – dem Thema etwas vorgreifend – das Buch mit einem

liebe_*r Leser_*in und liebe Leser_*innen

beginnen, da der in diesem Kontext auch Genderstern genannte Asterisk für die geschlechtliche Vielfalt steht und die Sprache immer dann als geschlechtersensibel und alle Interessen berücksichtigend gilt, wenn in einer Aussage alle Geschlechter sichtbar sind. Allerdings kann auch diese Form der Anrede wieder als Vorwegnahme des Suchergebnisses oder eindeutige Positionierung gewertet werden – nur dieses Mal eben für eine geschlechtergerechte Sprache.

Das ist also auch nicht die perfekte Lösung. Wie wäre es dann mit einer Partizipialform – in der Grammatik auch als Verbaladjektiv bezeichnet – wie zum Beispiel

lieber Lesende und liebe Lesende, liebe Lesenden

als – wenn auch weit weniger vertraut klingende – Anrede für sämtliche Mitmenschen? Im Singular hilft mir das Verbaladjektiv wegen der Wortformen der Lesende und die Lesende zwar nicht weiter, die Anrede funktioniert aber zumindest im Plural, weil hier in der Wortform und gegebenenfalls einer Wortgruppe mit substantiviertem Partizip das Geschlecht nicht sichtbar ist, wodurch die Partizipialform als sämtliche geschlechterspezifischen Interessen berücksichtigend gilt.

Wobei – ist lesen wirklich identisch mit lesend und sind Lesende identisch mit Lesern? Ich frage mich gerade, ob eine substantivierte Verlaufsform, die immer von einem Verb abgeleitet ist, überhaupt regelmäßig einer Personenbezeichnung entsprechen kann, die nicht immer auf ein Verb zurückgeht. Solange auch diese Konstruktion und Konstellation in der Verwendung zu Unklarheiten sowie Ungereimtheiten – und vielleicht sogar zu einem Fehler – führt, entscheide ich mich für ein herzliches

Hallo und guten Tag allerseits, allesamt und miteinander

als Begrüßung ausdrücklich all der Mitmenschen, die diesen Text gerade lesen oder sich vorlesen lassen.

Wie gesagt, es ist komplizierter als gedacht.

II.

Als ich das erste Mal gehört habe, dass wir beim Sprechen oder Schreiben einige Mitmenschen mit bestimmten Wörtern und Wortformen bevorzugen und gleichzeitig mit genau denselben Wörtern und Wortformen andere benachteiligen, konnte ich damit nur wenig anfangen. Das geht offensichtlich nicht alleine mir so, denn über den heutigen Standard der geschlechtergerechten Sprache – und das ist durchaus bemerkenswert – wird bereits seit den 1970er Jahren diskutiert. Und vielleicht ist es noch bemerkenswerter, dass die fünf

Jahrzehnte der Sprachdiskussion

bislang so gut wie keine Annäherung der streitenden Seiten gebracht haben. Von Anfang an werden die Diskussionen regelmäßig emotional aufgeladen und in einer geradeso noch salonfähigen Heftigkeit und Schärfe sowie zudem mit alsbald festgefahrenen Positionen geführt.

Einst war es üblich, dass wenn es uns nicht gut geht, wir zum Arzt gehen, und teilten wir das jemand mit, war es für den Kern der Aussage völlig irrelevant, welches Geschlecht der Arzt hat. Das änderte sich erst dann, wenn beispielsweise ein Mann nicht zu einem weiblichen oder eine Frau nicht zu einem männlichen Arzt gehen möchte. Heutzutage soll es dagegen so sein, dass wir mit Aussagen wie „zum Arzt gehen