Atolan 4 - Andreas Klabunde - E-Book

Atolan 4 E-Book

Andreas Klabunde

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Beschreibung

Bisher in dieser fortlaufenden Reihe erschienen: Atolan Band 1: -Schleier der Macht- Atolan Band 2: -Bündnis der Sieben- Atolan Band 3: -Dunkle Geheimnisse- Atolan Band 4: -Väter der Geister- Nachdem der Krieg gegen die Südländer seine entscheidende Phase erreicht hatte, kümmerte sich der Tain der Götter zuerst um familiäre Angelegenheiten, doch dem Schicksal kann niemand entgehen. Levantari`Dakar muss erneut losziehen und schwierige Missionen bewältigen. Auf ihn warten Monster, unheimliche Gestalten und böse Hexer. Seine Abenteuer führen ihn in fremde Lande und große Gefahren, doch der Dämonenjäger erhält unerwartete Unterstützung. Er konnte sich alsbald auf Freundschaft und treue Gefährten verlassen, um seine Kämpfe zu bestehen. Viele Fragen in Bezug auf die Väter der Geister und entführte Kinder konnte er bald beantworten. Die Rätsel der damaligen Zeit waren kurz davor aufgelöst zu werden. Nur mit Wagemut war der Flüsterer und seine abtrünnigen Vasallen zu besiegen. Dergil sah sich Feuer und Eis ausgesetzt. Zudem führte er einen inneren Kampf aus. Schließlich wurde die Macht des Dämons aus der Zwischenwelt empfindlich geschwächt. Der Krieg von Gut und Böse findet im vierten Teil einen epischen Höhepunkt. Neue Charaktere, magische Waffen und wichtige Entscheidungen machen den neuen Band zu einem tiefsinnigen Erlebnis. Spannung von Anfang bis zum Ende und darüber hinaus.

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„Befreit von Angst, Zorn und Gier, erlangen im Selbst verwirklichte Seelen, Befreiung von den Fesseln der illusorischen Welt.“

Atolan 4:Väter der Geister

Kapitel 1: Ein frostiger Winter

Kapitel 2: Glückliche Tage in Ubaldsfall

Kapitel 3: Die Schwestern der Lunia

Kapitel 4: Eine Depesche vom Bhari Valor

Kapitel 5: Dämon des Zweifels

Kapitel 6: Dämon der Gier

Kapitel 7: Dämon des Zorns

Kapitel 8: Hinweise und Gerüchte

Kapitel 9: „Wir werden beobachtet!“

Kapitel 10: Die Falle

Kapitel 11: Vigori Harald

Kapitel 12: Die Novizin Marie`Tela

Kapitel 13: Auf Messers Schneide

Kapitel 14: Die Belagerung

Kapitel 15: Die Knochenhöhlen

Kapitel 16: Schon wieder dieser Nebel

Kapitel 17: Die Starkenburg

Kapitel 18: Der Gefangene birgt Überraschungen

Kapitel 19: Schwere Entscheidungen

Kapitel 20: Die Stadt der Sünder

Kapitel 21: Der Walfänger

Kapitel 22: Magische Pfeile

Kapitel 23: Die Bären sind los

Kapitel 24: Neuigkeiten aus Ubaldsfall

Kapitel 25: Eine neue Welt

Kapitel 26: Unheimliche Zeichen

Kapitel 27: Der Wächter

Kapitel 28: Verzwickte Lage

Kapitel 29: Überraschende Entwicklung

Kapitel 30: Das Ziel zum greifen Nahe

Kapitel 31: Knappe Angelegenheiten

Kapitel 32: Zurück in Ubaldsfall

Kapitel 1: Ein frostiger Winter

Atolan war von einem Tyrannen und Eroberer befreit worden. Das Elend des Krieges endete und die sieben Völker konnten aufatmen. Väter, Söhne und Töchter fanden wieder unter einem Dach zusammen. Der Alltag zog ein und die Arbeiten im trauten Heim wurden nachgeholt. Vieles war liegen geblieben. Es gab Dächer zu reparieren, Zäune auf den Weiden zu erneuern und Brunnen zu graben.

Nicht jede Familie hatte das Glück, dass alle vereint am Mittagstisch wieder zusammensaßen und wie vor dem Einmarsch der Südländer eine gemeinsame Zukunft genießen konnten. Es gab viele Opfer zu beklagen. So manches Grab in der Gruft der Ahnen blieb leer, da es keinen Leichnam gab. Der Schmerz saß tief und hinterließ Bitterkeit im Herzen, aber es gab bei allen Entbehrungen auch wieder Hoffnung auf eine glückliche Zeitenwende. Es blieben letztlich nur Erinnerungen und zurückgelassene Besitztümer. Für den einen war es ein Schwert, ein Hemd oder ein Schmuckstück, was an den Verstorbenen erinnerte. Die Helden des Krieges wurden in Liedern geehrt und damit unsterblich gemacht.

Die Verwüstungen der unzähligen Kampfschauplätze würden noch ein paar Jahre sichtbar bleiben, bis alte Gebäude erneuert oder durch Fleiß, neue errichtet worden waren. Die Menschen sahen nach vorne und hoben nach wenigen Monaten wieder ihre Köpfe. Die Zeit der Siegesfeiern und der Trauer wichen dem gewöhnlichen, täglichen Überlebenskampf. So folgte auf einen goldenen Herbst schnell eine Kälteperiode. Nach ungewöhnlich starken Regenfällen und stürmischen Tagen, kam der Winter und dieser hatte es in sich. Der Norden Atolan`s wurde besonders hart getroffen. Die Adalanter waren Schnee und Eis zwar gewohnt, doch dieses Jahr traf sie die Natur unvorbereitet. Die Kornkammern und Vorratsräume waren durch die Kriegsjahre nie ganz voll. Armeen mussten an der Front versorgt werden. Die starken Arme der Männer waren damit beschäftigt gegen die Invasion anzukämpfen. Sie fehlten lange Zeit auf den Feldern und Höfen. Es mangelte an Material und Mannen an allen Ecken und Enden.

Eine Wetterfront brachte eisige Winde und prall gefüllte Wolken von Viskalan her, welcher als der unbekannte und düstere Hohe Norden galt. Zu Atolan zählte man diesen unheimlichen Ort nicht. Es wurden viele gruselige Geschichten über die Insel erzählt. Wer dorthin wanderte, kehrte nie wieder Heim. Nichteinmal seine Gebeine würde man finden. Schiffe mieden die Küsten um Viskalan. Seine Gewässer waren tückisch. Es gab seltsame Strudel und Eisschollen. In diesem Winter fuhr kein Seemann, sondern suchte lieber Schutz im warmen Zuhause.

Über Adalante bäumten sich die Wolken dunkel und schwer auf, bis sie ihren Inhalt über dem Land ergossen. Tagelang fiel meterhoher Schnee, worauf der Frost folgte und selbst fließende Flüsse erstarrten, die sonst in der kalten Jahreszeit nie einfroren.

Schiffe konnten nicht fahren und steckten für Monate fest. Die Versorgung des Königreiches war in Gefahr. Schnee und Eis beschwerten das Leben bis nach Kastor Kaloran hinab. Im Süden des Kontinentes war es eher unüblich, die weiße Pracht zu sehen. Die Kastori staunten, als sie nach Tagen der Kälte, eines Morgens Schnee bedeckte Palmen vorfanden.

Hunger und frostige Temperaturen forderten ihre Opfer.

Nach tagelangem Schneefall wagten sich einige Jäger, zwanzig Kilometer östlich von Meringe im höheren Norden von Adalante, in die Wälder. Ihre Sippe brauchte schleunigst neue Vorräte. Vor allem suchten sie nach Rotwild, aber in ihrer Not spielte es eigentlich keine Rolle, ob es ein Wolf, Bär oder Fuchs sei, der ihnen vor den Bogen lief. Die Männer waren fünf an der Zahl und trugen Bärenfelle über ihrer gewöhnlichen Kleidung. Fellmützen schützen sie vor dem eisigen Wind. Ihre Ausrüstung bestand aus Pfeil und Bogen, Speeren und Wurfäxten. Jeder trug ein scharfes Messer zum Zerlegen der Beute. Sie waren drei Tage in einer weißen Landschaft mit Schneeschuhen unterwegs. Man nannte die breiten, länglichen Holzgestelle, welche mit Seilen in der Mitte im Kreuzmuster gewebt waren, auch „Bärentatzen“. Mit ihnen versank ein Mann nicht so tief in der weißen Pracht. Die Jäger besaßen außerdem zwei Holzschlitten. Auf diesen transportierten sie Proviant und weitere Ausrüstung. Eines Tages entdeckten sie seltsame Spuren. Etwas Großes musste seinen Weg durch die einen Meter tiefe, weiße Masse genommen haben. Als die Schneedecke durch Verwehungen dünner zu einer Felswand wurde, sahen sie kreisrunde Abdrücke. Der Anführer der Jäger setzte seinen Fuß in die frische Spur und bemerkte zu den anderen: „Zwei Fuß misst die Fährte. Welches Lebewesen hat solche Abdrücke?“

Neugierig folgten die Mannen der Spur, bis der Fels eine Biegung machte und die Jäger plötzlich stehen blieben. Die Fährte endete im tieferen Schnee dreißig Meter vor ihnen. Sie sahen sich um, aber erspähten nur sieben große Felsbrocken in der Gegend, die teilweise mit Schnee bedeckt waren.

Langsam schritten sie vorwärts, doch nichts Ungewöhnliches war zu entdecken. Einer der Kerle sprach: „Brüder lasst mich auf einen der Brocken steigen. Von dort oben will ich die Umgebung nach Tieren absuchen.“

Er wollte sich gerade daran machen hochzuklettern, als er entsetzt feststellte, dass der Eiszapfen mit grauem Fels vereint, irgendwie merkwürdig weich beim Greifen wurde. Der Recke hätte lieber die Finger von weiteren Versuchen, sich nach oben zu ziehen, lassen sollen.

Urplötzlich bewegte sich der ganze Felsen und riss den Mann zwei Meter in die Höhe. Erschrocken baumelte er an dem seltsamen Ding und ließ vor Angst einfach los. Sodann fiel er nach unten mit dem Rücken, sanft in den Schnee. Die anderen Jäger wichen aus Furcht mit großen Augen zurück. Zunächst erstarrten sie allesamt wie Salzsäulen. Die Stille um sie herum wurde auf einmal von einem schrecklichen Schrei gebrochen. Sogleich bewegten sich die anderen Felsen um sie herum ebenfalls. Die Jagdgesellschaft musste feststellen, dass sie auf etwas Unbekanntes gestoßen waren. Was sie für Gestein hielten, waren in der Tat gewaltige, zottelige Kolosse. Eis und Schnee hafteten an ihrem Fell. Dies tarnte sie, als sie zur Rast dalagen.

Als sich die Dinger plötzlich umdrehten und die Störenfriede ins Visier nahmen, war den kleinen Menschen klar, dass sie sich schleunigst davon machen sollten. Die Männer ließen ihre Schlitten zurück und flohen jeder in eine andere Richtung. Lautes Brüllen erschallte und wurde hundertfach von einer echten Felswand hallend verstärkt. Der Boden bebte, als die Viecher sich zur Attacke anstachelten. Es dauerte nicht lange und vier der Jäger lagen zermalmt im Schnee. Ihr Blut färbte die weiße Pracht knallrot. Lediglich einer der Burschen konnte wie durch ein Wunder entkommen. Der Mann rannte und rannte. Seine Augen waren weit aufgerissen und die Wangen von der Kälte blass.

Tagelang irrte der verzweifelte Jäger umher, bis er schließlich ein Dorf erreichte. Ein Schweinehirte nahm sich des durchgefrorenen Mannes an und gab ihm einen Platz am Feuer in seiner Stube. Der erfahrene Jäger brachte zunächst keine Worte zustande. Nach einer Stunde stammelte er: „Ich sah wandelnde Berge, welche meine Freunde zerquetschten. Die bösen Monster lagen in den Wäldern auf der Lauer.“

Mehr bekam der Hirte aus dem Mann nicht heraus. Der Jägersmann konnte seine Erfahrungen nicht in ausführlichere Worte fassen, somit machte sich bald im Norden eine Horrorgeschichte breit. Es wurde von wandelnden Bergen mit Beinen, so dick wie Baumstämme, erzählt.

In diesem Winter saßen die Menschen die meiste Zeit in ihren Häusern und Hütten. Man vertrieb sich die Zeit mit schnitzen, Stickereien oder „Mikko“ spielen. Auch in Meringe einer Walfängergemeinde, gab es wenig zu tun. Sowohl die Walbucht, als auch die im Osten liegende Sturmbucht, waren von riesigen Eisschollen verstopft. Die meterhohen Kolosse lagen zu hunderten an der Küste umher. Die Schiffe wurden deshalb zum Schutz an Land gezogen. Man beschränkte sich in diesen Tagen auf die Robbenjagd, um die hungrigen Mäuler daheim zu stopfen.

Es gab vereinzelte Berichte von dem nördlichsten Ort in Adalante, welcher Starkenburg genannt wurde. Es hieß, dass das Meer dort oben teilweise zugefroren war und gruselige Monster aus dem Hohen Norden nach Atolan einwanderten. Für gewöhnlich trieben lediglich kleinere Schollen im Eiswasser herum, doch dieses Jahr gab es gewaltige Eismassen. Somit entstand für kurze Zeit eine Brücke zwischen Atolan und der Vulkaninsel „Viskalan“. Zum Übel der Adalanter war zwar der Krieg im Süden Vergangenheit, doch die Plage durch herumstreunende Dämonenwesen nicht gebannt. Die Biester waren kopflos und herrenlos. Sie tyrannisierten ganze Landstriche. Vereinzelt wurden kleinere Orte von Berserker Einheiten weiterhin geplündert. Die Väter der Geister hatten sich zurückgezogen und die schwarze Hexe war verschollen. Nefertaro Darko war Tod, doch die Zeit des Flüsterers noch nicht gänzlich vorbei. Das Böse trieb noch sein Unwesen und schmiedete neue Pläne.

Kapitel 2: Glückliche Tage in Ubaldsfall

Der Wind pfiff im immer gleichen Takt an den Fenstern der Festhalle in Ubaldsfall vorbei. Es zischte und ächzte, während die Familie zusammen im Warmen ihre Mittagszeit verbrachte. Schnee wurde unentwegt gegen die Scheiben geblasen. Draußen lag eine weiße Pracht über dem Anwesen. Selbst die Statue von Ubald, im Hof vorm Haupteingang, war teilweise von Eis und gefrorenem Schnee unkenntlich gemacht worden.

Das Mahl fiel in diesen Tagen etwas karg aus, es gab Hirsebrei und Trockenfleisch. Wein sollte das spartanische Essen aufrunden, was der Mittagsgesellschaft sichtlich die Laune hob. Es gab in diesem Winter kaum etwas zu erledigen, da „Ama`Vine“ (Mütterchen Frost), wie der Winter in Atolan respektvoll betitelt wurde, die Welt fest in ihre Arme schloss. Seit drei Monden war das Wetter fürchterlich und ließ die täglichen Pflichten in einem Anwesen ruhen. Es gab nur wenige Besucher und Bittsteller. Der neue schwarze Adler, Nikander, hatte sich bereits mit seiner anvertrauten Ehefrau, der Fürstin Ofelia, einen Hoch angesehenen Ruf erworben. Die Besitzer dreier Fürstentümer waren ganz nach dem Geschmack der Menschen. Es gab Klarheit in den Rechtssprüchen von Nikander und Ofelia strahlte Stärke und Ruhe aus. Heute war niemand unterwegs, um vom schwarzen Adler eine Streitigkeit schlichten zu lassen. Man blieb lieber in der warmen Stube und kümmerte sich um die Liebsten, indem man beisammen saß. Es wurde viel gestickt, gemalt und gespielt in den Häusern der Bhari. Die See war zu unruhig und durch herumtreibende Eisschollen für Segler zu gefährlich. Seit langer Zeit traute sich kein Südländer mehr in die Gewässer vor dem Kontinent.

Die Kanar mussten in ihren Landen eine neue Ordnung schaffen, nachdem Nefertaro Darko nicht mehr lebte. Alte Herrscher nahmen ihren Thron wieder in Besitz, aber dies galt nicht für jedes Reich im Süden. In manchen Gegenden wurde schwer um die Macht gekämpft. Ganz zum Vergnügen des Flüsterers, der ein neues Spielfeld für seine Bosheit aussuchte. Atolan kam zur Ruhe und zum Frieden. Die Menschen glaubten, dass die Götter die Kälte und den Schnee brachten, um die Welt zu reinigen. Die knappen Nahrungsvorräte ließen die Atolaner ihre Gürtel enger schnallen. Es wurde zu Keshava gebetet und man gab den verstorbenen Ahnen Opfergaben.

-Wer die Vorfahren nicht ehrt, war des Segens der Götter nicht Wert, hieß es in damaligen Tagen.-

Trotz aller, widriger Umstände, dankten die Menschen für den Sieg über das Böse und senkten in Demut vor den Helden des Krieges, Lebende und Tote, ihre Häupter. Plötzlich trat Edmund der Hauskoch der Fürsten in die Halle. Er war fertig mit allen Angelegenheiten in der Küche. Er hatte etwas Met im Becher, als er den Küchenboden zuletzt wienerte. Alle Töpfe waren an ihren Platz geräumt und die Zutaten im Lagerraum verstaut. Der rundliche Meisterkoch war häufig zu Gast in trauter Runde der Familie. Er selbst war mit einer Weberin verheiratet, doch diese Frau starb im Kindbett mitten im Winter. Auch das Kind verlor der Koch. Trotzdem wirkte er wie immer zu Späßen aufgelegt. Seine Familie waren die Fürsten von Ubaldsfall, Lebendstein und Küstenwald sowie die Mannschaft des „Adlers“.

Eddy humpelte in die Halle hinein. Sein rechtes Knie schmerzte ihn permanent. Die Kriegsverletzung heilte nie ganz aus. In seinen Händen trug er eine Leierharfe. In den letzten Jahren wurde er zu einem Meister dieses Instrumentes und sein Gesang erfreute die Seele. Wie er Meredith versprach, gesellte sich der Koch in ihre Mitte und gab mehrere Lieder zum Besten. Die ehemalige Seherin lag in einer Sitzecke. Ihr Kopf ruhte im Schoß ihres Ehemannes, welcher ihren schwangeren Bauch liebevoll streichelte. Nikander sprang auf und begrüßte den Musikanten mit den Worten: „Edmund, Barde von Ubaldsfall. Sei willkommen,“ scherzte der Hausherr und winkte seiner Fürstin, welche gerade mit dem Stillen ihres Sohnes, mit Namen Baldan, fertig war. Sie gab einer Amme ihr Kind, damit es im Schaukelbett einschlief.

Dergil klatschte in die Hände und feuerte den Musiker an, zuerst ein Tanzlied anzustimmen. Ein weiterer Bediensteter der Familie kam herbei mit einer Handtrommel. Der Koch holte tief Luft und begann zunächst melodisch zu brummen, dann setzte sein Instrument ein. Die Familie war in diesem Winter nicht vollständig zusammen. Moromor war in Torwal gebunden, um dem Valor als Admiral zur Seite zu stehen. Allein Muriel war für kurze Zeit durch die weiße Welt gereist, um bei ihren Verwandten zu sein. Eigentlich wollte sie ursprünglich nur drei Tage verweilen, doch das Schneetreiben verhinderte ihre frühe Abreise.

Zur Verwunderung der Gesellschaft tänzelte plötzlich Haldi an den Tischen vorbei und unterstützte den Koch mit Hintergrundgesang. Die Bhriari klatschte im Takt und forderte alle Anwesenden auf, dies auch zu tun.

Levantari`Dakar lauschte der Musik und schweifte etwas in Gedanken ab. Zunächst dachte er an Deron und Alisane. Er fragte sich, wie der Winter in Mathuran verlief. Bharitor wurde nicht so hart getroffen wie Adalante. Lange Zeit schon kam keine Nachricht aus dem Norden zu ihm. Das Letzte was er aus Adalante hörte, waren zahlreiche Schauergeschichten von Monstern und Geistern. Er rutschte etwas unruhig hin und her, was Meredith sichtlich störte. Sie sprach besorgt: „Liebster, sei bei mir! Komm zurück aus fernen Landen und spüre dein Kind in meinem Bauch.“

Erschrocken schaute er sie an und erwiderte: „Die Kälte ist bis in den Süden Atolan`s vorgedrungen. Wie mag es meinem Vater ergehen und seiner Ehefrau Alisane?!“ Diesen Satz endete er mit einem tiefen Seufzer. Meredith schaute ihn wohlwollend an und verlangte einen sofortigen Kuss.

„Sobald Ama`Vine uns verlässt, werden wir der Sache auf den Grund gehen. Doch Heute bist du an meiner Seite, so wie du mir versprachst.“

Dergil lächelte und drückte ihre rechte Hand bestätigend. Der Tain der Götter legte das Gelübde ab, seine Jagd erst nach der Geburt seiner Tochter zu beginnen. Die Dämonen mussten warten, auch wenn diese die Menschen plagten. Es gab bereits zahlreiche Bittschreiben und Schauermärchen aus ganz Atolan. Dem Jäger wurden Belohnungen in Aussicht gestellt, doch an solchem Lohn hatte der Bezwinger vieler Bestien kein Interesse.

Er wollte baldigst das Werk seiner Bestimmung erfüllen. Deshalb wirkte er oft nervös und unruhig.

Mittlerweile tanzten Nikander und Ofelia. Auch Muriel stand auf, sowie eine Magd und ein Stallbursche. Sie alle zusammen waren eine eingeschworene Gesellschaft.

Krieg und Leid lagen bereits in der Vergangenheit. Das alltägliche Leben hatte sie alle wieder eingeholt. Was die Zukunft bringen würde, lag in den Händen Keshava`s, dem Höchsten Persönlichen Gott.

Nach zwei Tanzliedern stimmte der Meister-Barde andere Töne an. Er verfasste ein paar selbst geschriebene Strophen und untermalte die Poesie mit Klängen. Edmund begann einen Sprechgesang zur Freude der Anwesenden:

Mag der Tag noch so finster sein,

lass das Licht Keshava`s hinein.

Der Herr sprach: Liebe Seele, wach doch auf.

Das Leben ist ein Traum.

Und wäre es nicht schön, man könnt`ja wohin gehen.

Weit hinauf in das Land ohne Angst und Traurigkeit.

Sag den müden Knochen: Alles Gute Euch.

Sag dem faulen Fleisch: Alles Gute Dir.

Ich will sehen das Land ohne Zeit.

Brüder, Schwestern, Väter und Mütter,

hört die Stimme im Himmel ertönen:

Wach auf, aus deinem Traum.

Der Ruf des Herrn, Er ist im Wind,

dies kann hören jedes Kind.

Auch ist Er in der See,

im Gebälk des Hauses und im Schnee ...

An dieser Stelle riefen alle Zuhörer wie einer wiederholt, passend zu den Wetterbedingungen des Nachmittags: „Im Gebälk des Hauses und im Schnee! Im Gebälk des Hauses und im Schnee! Im Gebälk des Hauses und im Schnee!“

Darauf kamen noch weitere Dichtungen und Gesänge. Edmund war sehr talentiert. Er hatte eine tiefe, angenehme Stimme, die zu seinem immer rundlicher werdenden Bauch passte. Seit dem Tod seiner Frau und seines Kindes war er pausenlos im Zwiegespräch mit seinem Gott, Keshava. Seine Trauer war tief und echt, obwohl er diese nicht mit Tränen und Schmerz verband. Der Bharikoch wurde sehr gläubig und wollte nicht wieder heiraten. „Das Leben,“ erklärte er seinem Freund Dergil, „lastet schwer auf uns, da wir dem zeitweiligen hinterherlaufen, anstatt unser Glück in der Ewigkeit, im Dienst zu Gott zu suchen.“

Zum Abend saßen alle zusammen in der Halle und tranken Met und Bier. Es wurden Gesellschaftsspiele gespielt und philosophiert. Haldi war stets an der Seite von Meredith und wachte über das noch ungeborene Kind. Die Bhriari wusste, bald würde für Meredith eine schwere Lebensphase beginnen. Haldi selbst passte sich dem Leben der Menschen völlig an und machte seit ihrem Aufbruch in Tana`Talmaris keinen Gebrauch mehr von ihren Zauberkünsten. Allein der Kräuterkunde widmete sie ihre volle Aufmerksamkeit. Schon bald wurde sie als Heilerin von Ubalsfall bekannt. Sie machte Tränke und Salben. Kümmerte sich um Alte und Kranke in der Umgebung. Was ihren Seelenfrieden betraf, zeigte sie keiner Person, außer Meredith, wie es in ihr innerlich wirklich aussah.

Die Bhriari war oft allein am Strand zu sehen. Ob sie betete oder weinte, wollte sie keinem zeigen. Die Folter der Hexe und der Missbrauch des Darko, würden sie bis in den Tod verfolgen.

So verstrichen die Tage und auf einem frostigen Winter, folgte ein hervorragender Frühling. Die spartanische Lebensweise wich, als das Eis und der Schnee schmolzen. Die Bäche waren gefüllt vom Sturzwasser aus den Bergen. Es gab Überflutungen, doch danach wuchs alles prächtig. Die Bauern erwarteten reiche Ernten dieses Jahr. Das Leben in den Dörfern und Städten blühte wieder. Die Natur erwachte und es gab mehr als sonst Nachkommenschaft, sowohl bei Mensch und als auch den Tieren.

Für Meredith wurden die Tage erst nach dem Talestag immer schwerer. Sie hatte im Angesicht der Göttin Lunia Versprechen abgegeben. Bisher kümmerte sie die Tatsache nicht, dass ihr ungeborenes Kind bald ihr eigenes Schicksal erwartete. Das Schicksal der Tochter Moromor`s war damit besiegelt. Die Zeit erwies sich als der neue Feind der ehemaligen Seherin. Nur noch wenige Erinnerungen konnte Meredith mit der Zukunft verbinden. Auf der einen Seite war eine Last von ihr gefallen, zum anderen eine neue Last ihr aufgebürdet worden.

Dergil und Haldi, beobachteten die stolze Bharifrau sehr genau und standen immer an ihrer Seite.

Kapitel 3: Die Schwestern der Lunia

Dergil spürte den angenehmen, frischen Wind des Frühsommers auf seiner Haut. Sie verursachte eine Gänsehaut auf seinen starken Armen. Die letzten Wochen war er eifrig darum bemüht die übermäßigen Kilo von seinem Bauch ab zu trainieren. Für den Krieger waren die Tage des Friedens eine Zeit der Untätigkeit. Mit Freunden ging der Levantari`Dakar zwar regelmäßig jagen und fischen, aber dennoch gab es lange Phasen der Langeweile. Meredith war mittlerweile hochschwanger und wirkte sehr zerbrechlich. Diese sensible Seite kannte Dergil von ihr noch nicht. Seine Ehefrau war launisch und leicht beleidigt. Nicht nur einmal musste Haldi das Paar zur Versöhnung zusammenrufen. Es lag eine ungeheuerliche Spannung in der Luft, die fasst zum Zerreißen führte.

Sie würden bald Eltern werden, was ein Grund zur Freude sein sollte, doch die unumstößliche Tatsache, dass die Geburt des Kindes das Schicksal aller beeinflussen würde, lag schwer auf den Gemütern. Der Tag X stand unmittelbar bevor. Dergil litt mit seiner Gattin beim Gedanken an die Zukunft.

Meredith war nicht auf ihren Ehemann schlecht zu sprechen, da sie wusste, dass alles der Wille der Götter war. Sie wünschte sich insgeheim, dass sie keine Tochter gebären würde und alles nur ein böser Alptraum wäre.

Die große Liebe der beiden hielt der Herausforderung stand. Sie waren für ihre Bestimmung bereit. In vielen Nächten lagen sie wach zusammen und diskutierten über Gott und die Welt. Sie kamen überein, egal was kommen mag, ihre tiefen Gefühle füreinander sollten Bestand haben.

Haldi war in diesen außergewöhnlichen Zeiten eine besondere Stütze. Sie sorgte mit ihrer ruhigen Art für Stärke und mit ihrer Weisheit für Weitsicht bei den Eheleuten.

Die Tochter Moromor`s saß im Garten am Brunnen und beendete eine kleine Stickerei. Das Motiv war ihr Liebster im Zweikampf. Für die Bharikriegerin war der Müßiggang zu Hause mit Herd und Haushalt unzufrieden stellend. Sie liebte die gemeinsamen Abenteuer mit Dergil und wünschte sich ein solches herbei. Gerade als sie fertig war und das Kunstwerk Haldi zeigte, bemerkte die Fürstentochter eine Veränderung an sich. Etwas tat sich in ihrem Leib. Durch ein warmes Gefühl am Bein wurde ihre Aufmerksamkeit plötzlich darauf gelenkt. Auch Haldi sah auf einmal zu ihr herüber und sagte aufgeregt: „Dein, dein Kleid ist nass geworden!“

Für die Bhriari bedeutete diese Feststellung nur eines. Endlich war die Zeit des Wartens vorbei. Sogleich zuckte Meredith und schluckte: „Ich kann es spüren...,“ stotterte sie. Haldi sah ihrer Freundin lächelnd ins Gesicht und bestätigte ihre Wehen. Mit Vorsicht half sie der werdenden Mutter auf die Beine, um ins Anwesen zu kommen. Einer Bediensteten rief sie zu alles für die Geburt bereitzustellen.

Im Hintergrund schepperten die Übungsschwerter von Levantari`Dakar und einem Bharikämpfer. Das Gefecht ging heiß her. Beide schwitzten stark, beim Versuch den anderen auszutricksen. In diesem Moment erblickte Dergil die Aufregung rund um seine Liebste. Er wurde abgelenkt und erwischte daher einen schweren Hieb an der linken Flanke. Er stöhnte und jaulte laut vor Schmerzen. Dann warf er sein Schwert zur Seite und rief verblüfft: „Was ist passiert!“

Meredith wandte sich in ihrem Zustand keck an ihn mit den Worten: „Du wirst jetzt Vater, du Tollpatsch! Lass alles liegen und komm mit!“

In der Zwischenzeit war das ganze Haus des schwarzen Adlers auf den Füßen. Ofelia rannte auf ihre Schwester zu und gab Ratschläge, die Meredith zur Zeit nicht ertragen konnte. Es war ein ausgesprochenes Glück, dass Moromor und Muriel zu Besuch waren. Somit war der Großteil der Familie zugegen und fieberte auf die nahe Geburt.

Meredith war laut der Hebamme bereits eine Woche über dem vermuteten Geburtstermin hinaus. Die Schwangere wurde in eine besondere Geburtskammer gebracht und den drei Männern, Moromor, Nikander und Dergil wurde der Zutritt untersagt. Die Hebamme bemerkte trocken zu ihnen: „Ich möchte keine Ohnmächtigen oder überdrehten Männer bei der Geburt dabei haben. Ihr wartet, bis ihr gerufen werdet.“

Genau vor diesem Zimmer gab es vier bequeme Sitzgelegenheiten. Dort nahmen die Krieger Platz und sahen sich freudestrahlend an. Moromor rief nach Eddy mit tiefer Stimme: „Bring uns einen Krug Wein und Gläser.“

Der Bhari Kandar saß an diesem Ort bereits einige Male und wusste Bescheid, wie die Dinge ablaufen würden. Durch die Tür hörten die Männer geschäftiges Treiben und eine von Wehen geplagte, schimpfende Meredith. So vergingen der Vormittag, der Mittag und ein Teil des Nachmittags.

Draußen im Hof plätscherte ein kurzer, warmer Sommerregen gegen das Fenster hinter den wartenden Mannen. Die Flügel krachten laut hin und her, als Lunia die Göttin des Windes ihre Aufwartung zur Geburt der Tochter Meredith`s machte. Wer genau hinhörte, hätte den Gesang der Göttin wahrnehmen können. Ihre Gestalt jedoch verbarg sie in einem sanften Dunstschleier.

Just in dieser Minute erklang der erste Schrei des neugeborenen Kindes. Dergil sprang auf und wollte schnurstracks in den Raum hineinplatzen, doch Moromor sagte freundlich hinter ihm: „Warte noch, lieber Schwiegersohn.“

Es klapperte und krachte hinter der massiven Holztür. Noch eine ganze Weile verging, dann öffnete sich plötzlich die Tür und Haldi trat heraus. Levantari`Dakar war nicht mehr aufzuhalten und schritt geschwind zu seiner Liebsten. Doch mit dem öffnen der Holztür, drang auch der Hauch einer Göttin im Raum ein und brachte eine frische Brise mit sich. Meredith war sichtlich geschwächt und hielt ihre Tochter in den Armen. Dergil trat an sie heran, küsste sie innig und betrachtete das neue Leben wohlwollend. Freude durchströmte die Eltern. Die Last der Welt war für Augenblicke weit entfernt.

Das Kind saugte am Daumen seines Vaters und suchte verzweifelt nach Nahrung.

Meredith lächelte zufrieden und flüsterte erschöpft: „Es ist vollbracht. Die kleine soll Lydea heißen, so wie wir es bereits besprochen haben.“

Mit diesen Worten erreichte sie der Wind und ließ sie tief und fest einschlafen. „Lydea“ bezeichnete eine treue Frau, eine Person die zu ihrem Schwur stand und an der Seite der ihren, treu standhielt.

Das Baby hatte bläuliche Augen und schwarzes Haar. Ihre Hauttönung glich der von Elfenbein. Sie wirkte zierlich und erhaben zugleich.

So wie es vorausgesagt wurde von der Göttin des Windes, sah Meredith ihre Tochter das erste Mal nach der Geburt. Doch die Mutter schlief jetzt und erwachte nicht sogleich, daher wurde das Kind an eine Amme überreicht, um es zu nähren.

Moromor`s Tochter hatte einiges an Kraft in die Geburt und die Nachgeburt gesteckt. Alles verlief nach Plan, doch trotzdem erfasste Meredith ein hohes Fieber für drei Tage. Die Hebamme war besorgt, da sie nicht viel ausrichten konnte. Haldi mischte fiebersenkende Tränke, aber hatte keinen Erfolg damit die Temperatur zu senken. Dergil wachte die ganze Zeit an der Seite seiner Frau und schlief erst in der dritten Nacht ein.

Im Tiefschlaf träumte der Mann aus Mathuran sehr intensiv, wie schon lange nicht mehr. Zunächst hörte er eine störende Stimme aus der Dunkelheit verachtend sagen: „Die Götter geben und sie nehmen. Ihnen ist das Leid der Sterblichen egal. Die Seherin und der Jäger sind verflucht.“ Darauf lachte jemand spöttisch.

Levantari`Dakar erkannte den Feind der freien Völker an seiner Boshaftigkeit und rief im Traum: „Hinfort Ursprung des Hasses. Bei Keshava, deine Tage enden bald.“

„Nein, noch habe ich meine Zeit“, erklärte der Flüsterer und fuhr bedrohlich fort, „ich bin noch da und werde mich rächen ...“

Plötzlich stürmte es und starker Regen ergoss sich über den Namenlosen, was ihn schwer überraschte, war er doch in der Zwischenwelt.

Gesang drang kaum hörbar in den Traum ein. Es waren Lunia und Utarwalon, die dem Bösen die Schranken wiesen. Durch ihre Anwesenheit fühlte sich der Flüsterer bedroht und zog sich sofort in seine Gefilde zurück. Darauf wendeten sich die beiden Götter, mit ein und demselben Traum an die Eltern von Lydea mit den Worten: „Euch soll kein Leid trennen. Obwohl wir euer Kind nehmen, soll euch eines gesagt sein. Lydea wird eine große Geschichte haben. Sie wird die Hohepriesterin im Tempel der Lunia werden. Ihr Leben wird erfüllt sein und lange währen. Nach vielen Geburten und Toden hat sie den Höhepunkt ihres Aufstiegs erreicht. Ihr Weg nach Hause zu Gott ist für sie bald geschafft. Nur dieses eine Leben hat sie noch und ist dann vom Kreislauf befreit. “

Trost spendeten diese Sätze. Es war vorherbestimmt und hatte eine tiefe Bedeutung. Dergil wachte plötzlich auf, als Moromor ihn unsanft weckte.

Wortlos führte der Admiral seinen Schwiegersohn in die Halle in Ubaldsfall. Dort trafen sie zuerst auf Haldi mit sorgenvollem Blick. Die Bhriari zeigte auf fünf Gestalten am Tisch des Hauses. Noch etwas schläfrig rieb sich der Bezwinger von Bestien die Augen. Vier der Damen die dort warteten, waren in weiß gekleidet, doch die fünfte Person trug ein hellblaues Unterkleid und einen dunkelblauen Mantel mit Sternen, der Sonne und dem Mond darauf verziert. Sie war die Priesterin des Tempels der Lunia und war gekommen ihre Nachfolgerin abzuholen. Alle Frauen waren verschleiert und trugen seidenen Kopfschmuck, der sich in Windungen schlängelte wie der Wind.

Die Priesterin trat heran und verneigte sich höflich vor dem Vater des Neugeborenen. Sie reichte Dergil die rechte Hand, welche an jedem Finger einen verzierten Ring trug. An der faltigen Haut erkannte er ihr fortgeschrittenes Alter. Ihr Schleier, war wie bei allen Damen etwas durchsichtig. Somit blitzten ihre leuchtenden Augen immer wieder auf. Levantari`Dakar glaubte, ein Lächeln zu erkennen. Unerwarteterweise stimmten die in Weiß gekleideten Frauen einen Gesang ohne Worte an. Diese Melodie sollte die Stimme ihrer Meisterin mystisch untermalen. So sprach Elwie`Ena, die Hohepriesterin mit bestimmenden, aber wohlwollenden Worten: „Ich grüße den Tain der Götter. Gesegnet sei deine Bestimmung. In diesen Tagen sind wir alle voller Freude, denn Keshava beschützt die bedingten Seelen vor dem Bösen, was du, Bezwinger von Bestien sehr gut weißt. Ich bin im Auftrag von Lunia gekommen und nehme das große Opfer mit mir, welches dein Erstgeborenes Kind ist. Hege keinen Groll großer Krieger. Am Ende wirst du zufrieden sein. Die Mutter der Winde wird über dein Haus wachen.“

Dergil stand ohne Worte da. Er wünschte, Meredith könnte jetzt bei ihm sein, doch sie schlief noch und niemand konnte sie wecken. Er verneigte sich und gab nickend seine Zustimmung. Kurz danach kam die Amme mit Lydea im Arm herbei. Moromor sprach ein paar Worte im Vertrauen mit Elwie`Ena. Dann wendete er sich an Dergil und sprach leise: „Geh nun zu deiner Frau und nimm Haldi mit dir. Ich regele den Rest. Es gibt nichts mehr zu sagen.“

„Nur noch eines“, erklärte die Priesterin an den Adalanter gewandt, „Eure Ehe wird weiterhin mit Nachwuchs gesegnet sein. Auf die erste Tochter, folgt ein Sohn und eine zweite Tochter.“

Mit einer Träne in den Augen verabschiedete sich der Vater von seiner Erstgeborenen. Die Wege des Schicksals sind oft dramatisch und unerklärlich. Nur der Höchste Persönliche Gott kennt Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft von allen Lebewesen. Große Taten erfordern große Opfer.

Am Kindbett seiner geliebten Meredith angekommen, setzte sich Dergil an die Seite der Bettkante und schaute der Schlafenden ins Gesicht. Sie wirkte jetzt nicht mehr so blass. Scheinbar hatte das Fieber nachgelassen. Haldi untersuchte Meredith und nickte gelassen.

Lange nachdem die Schwestern der Lunia, zusammen mit der Amme und Lydea abgereist waren, erwachte plötzlich Meredith. Sie griff nach der Hand ihres geliebten Mannes und lächelte ihn an. Er küsste sie liebevoll, aber fand keine Worte.

Haldi sagte auch nichts und setzte sich in die Ecke des Zimmers auf einen Thronstuhl. Die Tochter Moromor`s seufzte und kämpfte mit den Tränen. Letztlich zeigte sie ihre Stärke und ihren Stolz, als Tochter eines großen Fürsten. Sie sagte entschlossen: „Dies Schicksal habe ich gewählt und ich bereue nichts“, nach einer kleinen Denkpause ergänzte sie, „ich habe dich als meinen Ehemann an meiner Seite.“

Meredith bestätigte Dergil später, dass sie den gleichen Traum hatten.

In den nächsten Tagen sprach niemand über die Abreise von Lydea. Das Kind war jetzt in der Obhut der Schwestern der Lunia und würde in den Jahren die Kommen, auf ihre Weihung als Hohepriesterin vorbereitet werden.

Levantari`Dakar und Meredith verbrachten eine innige Zeit zusammen, denn es stand ein zweiter Abschied auf Zeit in den Sternen.

Der Tain der Götter hatte sich lange genug zurückgezogen.

Kapitel 4: Eine Depesche vom Bhari Valor

Die ganze Familie tröstete Meredith in ihrer Trauer, um das genommene Kind. Ofelia und Muriel waren stets an ihrer Seite. Die Frauen wollten sie nicht alleine lassen. Es war ihnen bekannt, dass so manche Mutter nach der Geburt eine Phase der Depression ereilen kann. In diesem besonderen Fall war große Traurigkeit vorherbestimmt. Ihre körperliche Genesung schritt schnell voran, doch der Verlust lastete offensichtlich schwer auf ihrer Seele. Das Band zwischen Mutter und Kind ist eine schicksalhafte Verbindung. Die stolze Bharifrau ahnte sogleich, dass sie die Sorge und die Sehnsucht nach Lydea ihr restliches Leben begleiten würde.

Moromor saß mit Dergil unter den Bäumen auf dem Festplatz in Ubaldsfall zu einem Männergespräch. Es war der zweite Tag nach der Geburt von Lydea. Der alte Haudegen lud seinen Schwiegersohn auf einen großen Krug Dunkelbier gegen Abend ein. Warmer Wind blies salzige Luft vom nahen Gewässer herüber. Grillen zirpten in den Gräsern neben ihnen. Der Vollmond stand über ihnen wie Zeuge des Geschehens, obwohl es noch lange hell bleiben würde.

Der Bhari Kandar begann eine lockere Unterhaltung mit seinem Schützling: „Der Glaube an etwas Größeres als wir sind, hält einen Mann auf Kurs“, sprach Moromor nachdenklich und fuhr fort, „wir haben viel erlebt, Mann aus Adalante. Vielleicht liegen noch größere Abenteuer vor uns, als die, die bereits vollendet sind. Ein Mann kennt seine Verantwortung für seine Familie und für seine Sippe ganz genau. Ich selbst liebte meinen Titel, schwarzer Adler, und die damit verbundenen Herausforderungen. Heute darf ein Anderer diesen Titel tragen. Möge Nikander Ruhm und Ehre mit nach Hause bringen, nach seinen langen Fahrten in die Gewässer im Süden.“

Dergil nickte, ahnte er bereits den Einstieg in ein wichtiges Thema. Er nippte nervös mehrere Male an seinem Bierkrug.

„Muriel ließ ich viele Jahre immer wieder für lange Zeit allein Daheim. Meine treue Frau wartete geduldig und kümmerte sich um das Haus der Erben von Ubald. Ich bin meiner Gattin treu ergeben für ihre Opfer,“ erklärte Moromor reumütig, „ich wünschte …, ich wäre in den Jahren standhafter geblieben.“ Was eine Anspielung auf seine Affäre mit Alisane war.

Levantari`Dakar erwiderte nun hellhörig: „Hmmm, ein Spiel der Götter mit uns sterblichen, mein Kandar.“

„So ist es wohl,“ bestätigte Moromor, senkte seinen Kopf und nahm darauf einen gewaltigen Schluck aus seinem Krug.

„Fehler,“ offenbarte Dergil, „sind die Begleiter, die uns Demut lehren. Ein falscher Schritt meinerseits, kostete Männern unter meinem Befehl das Leben im Krieg.“

Der Bhari Kandar lächelte und ergänzte: „Wer sind wir?!- Nur gewöhnliche Menschen. Somit bleibt uns letztlich das Urteil unseres Gottes. Wenn wir sterben, stehen wir vor dem Gericht der letzten Stunde. Der Herr, so sagen die Schriften, begleitet die Seelen auf Schritt und Tritt. Als Überseele weilt Gott in unseren Herzen und ist somit Zeuge jeder Handlung in unserem Leben.“

Auf diese Erkenntnis stießen die beiden Krieger freundschaftlich an und begannen ein Bharilied zu singen.

Plötzlich ertönten Hörner vom südlichen Tor her. Sie signalisierten einen herannahenden Besucher. Das Lied endete abrupt.

Gespannt warteten die leicht betrunkenen Männer auf den späten Gast.

Es dauerte eine Weile, bis ein Reiter an den Häusern in der Nähe zum Festplatz erschien. Dieser wendete und erreichte die Stallungen. Eine Gestalt mit Kapuzenumhang stieg ab und übergab sein Ross dem Stallburschen. Auf einmal wendete der Besucher seinen Kopf und erspähte die Krieger unter Bäumen. Sogleich schritt die kräftige Gestalt auf sie zu und winkte. Erst auf zwanzig Meter entfernt erkannten sie einen bärtigen unter der Kapuze. Der Kerl schlug diese nach hinten, worauf Levantari`Dakar begeistert aufschrie: „Wenn das nicht eine bekannte Glatze ist! Boron, komm her, alter Seebär!“

Moromor lachte und klopfte sich die Schenkel vor Freude. Mit seinem alten Kameraden hatte er heute wahrlich nicht gerechnet. Nach dem Krieg ließ es Boron langsam angehen. Er blieb für Monate in Torwal bei seiner Ehefrau und seinen Kindern, um das Familiengeschäft zu unterstützen.

Der Bharikrieger stand bald vor den sitzenden Mannen und stemmte seine Arme in die Hüften, dabei entblößte er einen strammen, runden Bauch. Boron verneigte sich höflich vor seinem Freund und Admiral. Darauf sagte er spöttisch: „Was sauft ihr da, ohne mich?!“

Diese Andeutung forderte Dergil auf, ihm seinen Krug zu reichen. Der Navigator trank den Rest einfach mit einem Schluck aus und verlangte mehr. Ein gewaltiger Rülpser erklang dabei.

Nach festen Umarmungen saßen die Mannen zusammen und fragten den Neuankömmling nach Neuigkeiten aus Torwal. Boron erhielt zwischenzeitlich einen eigenen Krug Dunkelbier und eine neue Runde begann.

„Nichts für ungut, liebe Leute“, stotterte Boron und sagte förmlich, „ich bin nicht ohne Grund so spät auf Reisen gegangen. Gestern Morgen, direkt nach dem Hahnenschrei, tauchte plötzlich ein Bote des Valor in meiner Wirtschaft auf und erteilte mir einen Auftrag. Er gab mir eine Depesche mit dem Siegel des Königs.“

Überrascht und entschlossen mehr zu erfahren, forderte Moromor ihn auf Tacheles zu reden. Somit nahm Boron seine umhängende Ledertasche auf den Schoß und zog daraus ein Schriftstück. Ohne weitere Worte überreichte er dieses Levantari`Dakar, welcher verblüfft die Augenbrauen hochzog.

Dergil musterte die Depesche und brach das Siegel. Für ein paar Minuten las er den Inhalt und kratzte sich mehrfach den Kopf. Moromor wurde ungeduldig und sagte in die Runde: „Was nun, gibt es etwas mit uns zu teilen, lieber Schwiegersohn?!“

„So sieht es aus,“ erklärte Dergil den Anwesenden nüchtern, „die Zeit für Müßiggang ist für mich vorbei! Mein Ruf ist erfolgt. Der erste Auftrag ist erteilt! Bharitor braucht den Tain! Die Götter haben mein Schicksal entschieden. Ich muss bald aufbrechen.“

Die Nachricht des Valor besagte Folgendes:

-Der Somes (Sommer) steht vor den Toren und der Tain der Götter soll den Ruf erhören. In Bharitor gibt es Ungeheuer, die es zu bekämpfen gibt. Das Volk leidet sehr unter einem zweibeinigen Monster auf dem Festland. Nahe der Stadt Wiesengar hat sich das Biest angesiedelt. Grüße sende ich Dir und eine gute Jagd wünsche ich!-

Es gab nichts mehr hinzuzufügen. Die Pflicht und das Schicksal riefen nach dem Bezwinger von Bestien. Auf diesen Tag wartete Dergil bereits ungeduldig. Jetzt war es unumstößlich. Für ihn gab es nur noch eines zu tun. Er musste sich mit Meredith absprechen und ihren Segen erhalten. Ein paar Tage der Vorbereitung vergingen. Levantari`Dakar befüllte seine Reisetaschen, die man über der Schulter trug. Er packte Feuerstein, Trockenfrüchte und harte Kekse ein, ein besonders scharfes, kleines Messer und ein Seil. Diese und andere Dinge waren unabdingbar auf Reisen in unbekannte Gegenden.

Meredith kam wieder auf die Beine und wurde stets von Haldi begleitet. Die Bhriari gab der Tochter Moromor`s keine Gelegenheit zum Grübeln. Somit schlug sie eines Tages vor, eine Schule in Ubaldsfall zu gründen. Kinder aus und um den Ort, sollten dort das Schreiben und Lesen lernen können. Diese Idee war zunächst befremdlich für die Bharifrau, doch nach einigen Diskussionen mit Haldi und Dergil, knickte sie ein und stimmte zu. Die frohe Kunde verbreitete sich binnen Stunden und schon waren Kinder unterwegs, um einen Platz in der Schule anzumelden. Die Begeisterung zu lernen verblüffte Meredith sehr an ihnen.

Eines Nachmittages verabredete sich Levantari`Dakar mit seiner Ehefrau auf einen weitläufigen Spaziergang am Strand. Die Zeit für große Veränderungen war gekommen. Muriel`s Tochter fürchtete, dass ihr Schicksal dem der Mutter gleichen würde. Dergil war der erwählte Tain der Götter. Seine Bestimmung war es nicht mit der Familie das Land zu bestellen und gemütlich am Kamin im Haus zu sitzen. Ihr Gemahl würde kreuz und quer in Atolan unterwegs sein, dabei Dämonen vernichten. Bei dieser Vorstellung seufzte sie angestrengt und wünschte, mit ihrem Ehemann Abenteuer gemeinsam bestreiten zu können. Von der Depesche des Bhari Valor wusste sie bereits, daher war der nächste Schritt glasklar.

Verliebt hielten sie ihre Hände, als die Eheleute den Sandstrand entlang schlenderten. Sie sprachen nicht viel miteinander, sondern genossen einfach die Zeit zusammen. Da Dergil für viele Worte nicht gerade bekannt war, begann seine Gemahlin ein Gespräch: „Die Zeit kann niemand anhalten, außer Keshava selbst. Wir sind wie Spielfiguren in Seinem Plan. Wer weiß wirklich, was als nächstes kommt?!“

Die ehemalige Seherin wirkte damit verletzlich, aber auch entschlossen ihrem Gatten an der Seite zu stehen.

„Ich werde gleich Morgen früh mit dem ersten Hahnenschrei aufbrechen,“ gab Dergil bekannt, „ich habe lange genug die Pflichten vernachlässigt und hoffentlich damit nicht Yama verärgert?!“

Meredith hielt inne und umschlang ihren Liebsten. Zärtliche Küsse folgten.

Levantari`Dakar sprach erneut zu ihr: „Ich werde mich dem ersten Auftrag stellen und dann die folgenden Schritte sorgsam planen. Mein Herz wird stets in Ubaldsfall weilen, daher komme ich regelmäßig nach Hause zurück. Mein Platz ist auch bei dir, liebe Meredith. Ich versuche nie länger als drei Monde fortzubleiben.“

Diese Sätze sagte er, aber wirkte dabei nicht ganz sicher, ob die Realität ihnen nicht ein Strich durch die Rechnung machen würde.

Die Liebenden schworen sich erneut Treue und gingen zurück nach Ubalsfall.

An diesem Abend gab es ein kleines Fest zu ehren des Tain, der seine Jagd begann. Moromor strahlte vor Stolz auf seinen Schwiegersohn und hob gleich mehrmals den Kelch für Trinksprüche. Ein neuer Alltag würde ab sofort einziehen.

Der Bhari Kandar sagte schon leicht angetrunken in die Runde: „Wir alle warten gespannt auf die Geschichten, die der Bezwinger von Bestien mit nach Hause bringen wird.“

Spät zogen sich alle in ihre Gemächer zurück und erwarteten den folgenden Tag.

Kapitel 5: Dämon des Zweifels

Am frühen Morgen verabschiedete sich Moromor von Muriel. Seine Ehefrau wollte noch bei ihren Töchtern bleiben und Trost spenden. Auch Dergil küsste seine Gattin mit Sorgen im Herzen. Ungern wollte er sie in ihrem Zustand verlassen, wenn auch nur auf Zeit.

Im Hof saß bereits Boron auf seinem Ross und hielt die Zügel von zwei weiteren. Er nahm einen kräftigen Schluck aus einem Trinkschlauch, um den Kater nach dem gestrigen Fest zu beseitigen.

Die drei Männer machten sich gemeinsam auf den Weg nach Torwal, als die ersten Sonnenstrahlen das Land erwärmten. Es würde ein angenehmer Ritt unter blauem Himmel werden.

Zügig ging die Reise los. Man gab den Reittieren die Sporen und verließ geschwind Ubaldsfall. Levantari`Dakar wurde gebeten, noch beim Valor Bharitor`s vorzusprechen, daher übernachtete er in Boron`s Wirtschaft „Zum schlafenden Riesen“. Am frühen Morgen begleitete nur Moromor den Tain der Götter in den Palast.

Der König wartete schon ungeduldig, aber grüßte beide Mannen höflich und mit Respekt. Er saß in der Ratshalle, wo einst der Rat der Meere abgehalten wurde. Erinnerungen an die Vorkriegszeit kamen Dergil in den Sinn. Damals war er noch ein unbeschriebenes Blatt Papier ohne Erfahrungen.

Als sie alle zusammensaßen, zögerte der Bhari Valor nicht lange und sprach unverblümt: „Der Bezwinger von Bestien ist Vater geworden. Ich beglückwünsche dich zu deiner Tochter und gebe meinen Segen. Doch die Zeiten sind immer noch voller Gefahren. Das Böse ist noch nicht ganz aus Atolan gewichen. Monster streifen ziellos in den Königreichen umher und verbreiten Angst. Die Menschen rufen nach Schutz.“

„Und dieser Aufgabe,“ begann Dergil bestätigend, „will ich mich ab Heute widmen.“

Der Bharikönig grinste zufrieden und erwiderte: „Gut, gut! So sei es! Wir haben Schlachten geschlagen und den Krieg gewonnen. Jetzt gilt es im Haus sauber zu machen.“

Moromor sagte darauf anerkennend: „Wir kennen den Feind. Was hören wir von Valor Oktavan aus dem Norden?! Eine Wache sprach auf dem Weg zu mir und beklagte schlechte Neuigkeiten von seinen Verwandten, die in Adalante auf Reisen waren.“

„Die Geschichte scheint noch nicht zu Ende,“ warf der König von Bharitor ein, „die Hexe ist verschollen. Die Väter der Geister sind noch im Nebel verborgen. Horden von Schattenkriegern durchstreifen Adalante. Immer noch werden im Norden Siedlungen überfallen und Menschen verschleppt. Hier auf Himlan sitzen wir gemütlich am Kamin und erzählen uns Heldentaten. Währenddessen die Dämonen auf dem Festland sind und Valor Oktavan allein versucht, der Lage Herr zu werden. Seine Männer töten die Bestien, aber wir wissen, sie kommen in neuen Körpern zurück. Nur Levantari`Dakar kann diesen Kreislauf beenden. Tain, beseitige mein Problem bei Wiesengar und zwei weiteren Orten. Danach will ich dich nach Adalante zur Unterstützung entsenden.“

Der Befehl des Königs galt. Damit war der Anfang einer neuen Geschichte besiegelt. So ganz anfreunden konnte sich Levantari`Dakar noch nicht mit seiner Stellung. Sorgen störten seinen Seelenfrieden. Innere Unruhe plagte den Jäger. Seine Gedanken waren ständig bei seiner Ehefrau. Irgendwie hatte Dergil das Gefühl, noch nicht seine Rolle gefunden zu haben. Außerdem grübelte er viel über das Schicksal seiner Tochter nach. Als Vater sollte er sich freuen über die besondere Bevorzugung der Götter in seiner Familie, doch die Realität war von starken Zweifeln verwässert.

Nach der Audienz mit dem Valor schlenderten Moromor und Levantari`Dakar im Garten des Palastes umher. Es war Zeit, dass jeder seiner Wege gehen musste. Der Bhari Kandar hatte seiner Arbeit nachzugehen und auf den Tain wartete ein Schiff. Der König hatte alles bereits arrangiert. Ein offizielles Schreiben mit seinem Siegel gab er Dergil in die Hand. Jeder Bhari wurde angewiesen, dem Tain der Götter bei seinen Aufgaben Hilfe zu leisten. Dies betraf Obdach, Essen oder Ausrüstung. Zur Verwunderung von Deron`s Sohn, überreichte man ihm eine lederne, prallgefüllte Geldbörse. Es war, sozusagen, der Vorschuss auf die Tötung von drei Monstern.

Der Bhari Valor sagte hierzu: „Auch der Tain hat Mäuler zu stopfen und seine Dienste sollten nicht unentgeltlich sein.“

In den folgenden Jahren galt diese Vorgehensweise als klare Bedingung, um den Jäger von Dämonen anzuheuern.

Der Abschied der Männer verlief kurz und knapp mit einem festen Handschlag.

Schnurstracks ging Dergil den Weg hinab zum Hafengebiet. Er hatte bereits alle Ausrüstung bei sich. Sein Schwert, Messer und den Bogen von seinen Waffenmeistern. Ein Bharizweimaster war gerade dabei seine letzte Ladung aufzunehmen, sowie den speziellen Fahrgast, nämlich Levantari`Dakar.