Auf dem Weg nach Rom - und dann kam alles anders - Marianne Birkmann - E-Book

Auf dem Weg nach Rom - und dann kam alles anders E-Book

Marianne Birkmann

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Beschreibung

Obwohl sie sich solch anstrengende Wanderungen nicht mehr zumuten wollte, hat sich Marianne wenige Monate nach ihrer letzten Pilgerreise wieder auf den Weg gemacht. Einmal Pilger, immer Pilger. So begann sie 2017 den Spuren der Päpstin auf der Via Romea zu folgen. Anfangs noch nicht sicher, wie weit sie diesen Weg gehen wird, war schon nach einigen Etappen klar, sie will den Weg zu Ende gehen und irgendwann zu Fuß in Rom ankommen. Wird sie es schaffen und ihr Ziel erreichen? Auch dieses Buch bietet eine spannende, feinsinnige Reisebeschreibung mit vielen Fotos. Man bekommt das Gefühl selbst dabei zu sein, so die Aussage einer Leserin. Die Autorin schreibt mit leichter Feder: spannend, nachdenklich, humorvoll, informativ. Lesevergnügen pur, nicht nur für Wanderer.

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Wer glaubt, Christ zu sein,

weil er die Kirche besucht, irrt sich.

Man wird ja auch kein Auto,

wenn man in eine Garage geht.

(Verfasser unbekannt)

Die Autorin

Marianne Birkmann, geboren 1960 in Nordwestmecklenburg, ist mit vier weiteren Geschwistern auf einem Bauernhof im kleinen Dorf Veelböken aufgewachsen. Von 2002 bis Ende 2018 lebte sie mit ihrem jüngsten Sohn fern der Familie in der Nähe von Stuttgart. Dort war sie im Sekretariat einer Berufsschule tätig. In ihrer Freizeit hat sie im sogenannten Ländle das Wandern und auch das Schreiben für sich entdeckt.

Inzwischen ist die Mutter von drei Kindern auch dreifache Oma und wieder zurück in Ostsee- und Familiennähe gezogen. Neben dem Pilgern und Bücherschreiben arbeitet sie nun in einer Verwaltung in Ostholstein.

Auch wenn jetzt die Anreise in den Süden um einiges länger ist, gibt Marianne das Wandern und Bücherschreiben nicht auf. Von 2013 bis 2017 ist die Autorin bereits den Jakobsweg von ihrer Heimat bis zu ihrem damaligen Wohnort in Baden-Württemberg gegangen.

Einige Monate später hat sie sich dann auf den Weg nach Rom gemacht. Ob sie jemals dort zu Fuß ankommen wird? Man darf gespannt sein.

Neben dem Buch „Meine Seele geht zu Fuß - Auf dem Jakobsweg von Nord- nach Süddeutschland“

stammt auch die Bücher „Zwischen Rentiersuppe und Islandmoos“ – eine Pilgerreise auf dem Olavsweg in Norwegen und „Frank – Ein Leben auf der Flucht - Die spannende Geschichte eines Kriegskindes“ von der Autorin.

Inhalt

Vorwort

1. Etappe

Der Anfang auf der Via Romea

Rothenburg o. d. Tauber –Schillingsfürst 17 km

Schillingsfürst – Feuchtwangen 20 Km

Feuchtwangen – Dinkelsbühl 15 Km

Dinkelsbühl – Maihingen 30 Km

Maihingen – Nördlingen 13 Km

2. Etappe

Nördlingen - Mönchsdeggingen - 25 Km

Mönchsdeggingen - Donauwörth 30 Km

Donauwörth-Meitingen 33 Km

Meitingen – Augsburg 26 Km

Augsburg Stadt

Augsburg – Scheuring 32 Km

Scheuring – Landsberg 21 Km

Landsberg – Epfach 25 Km

Denklingen – Schongau 17 Km

3. Etappe

Schongau – Saulgrub 26 Km

Saulgrub – Farchant 20 Km

Farchant – Mittenwald 28 Km

Mittenwald - Reith 25 Km

Reith – Innsbruck 25 Km

4. Etappe

Anfahrt nach Innsbruck

Innsbruck – St. Michael/Pfons 23 km

St. Michael/Pfons – Gries 18 Km

Gries – Gossensaß. 17 Km

Gossensass – Brixen 40 Km

Brixen – Klausen 17 Km

Klausen – Klobenstein. 20 Km

Klobenstein

Ende der Etappe

Nachwort

Vorwort

Eigentlich wollte ich keine Bücher mehr schreiben und eigentlich wollte ich auch nicht mehr pilgern. – eigentlich – Dann hat es mich doch wieder gepackt.

Im April 2017 war die Wanderung von meiner Heimat in Mecklenburg-Vorpommern bis zu meinem damaligen Wohnort in Baden - Württemberg beendet.

Vier Jahre lang hatte ich einen großen Teil meiner Urlaube zu Fuß auf dem Jakobsweg verbracht, um ans Ziel zu kommen.

Viele Abende und Wochenenden saß ich dann am Computer, um an dem Buch über meine Erlebnisse auf dem Jakobsweg in Deutschland zu schreiben.

Als mehr oder weniger freiwillige Singledame kam mir dieses Hobby sehr entgegen. Die Kinder waren aus dem Haus und ich hatte mit dem Schreiben eine sinnvolle Tätigkeit gefunden, um mir die einsamen Stunden zu vertreiben.

Nun allerdings war ich froh, dass ich meine Zeit wieder anderen Dingen widmen konnte. „Endlich frei,“ dachte ich.

Ich hatte nun nicht mehr das selbstgesteckte Ziel im Hinterkopf.

Jetzt konnte wandern, wo ich wollte. Es gibt so schöne Gegenden im In- und Ausland. Ich hätte mich auch wieder anderen, weniger anstrengenden Hobbys widmen können.

Aber: Einmal Pilger, immer Pilger. Man kann nicht damit aufhören, das habe ich schon von vielen Gleichgesinnten gehört.

Ich weiß nicht, was es ist. Warum zieht es mich immer wieder hinaus, obwohl die Wanderungen manchmal wahre Tortouren waren? Mehr als einmal kam ich krank oder lädiert zurück. Muss ich mir das noch einmal antun? Nicht wirklich - eigentlich - Vielleicht ist es das Stück Freiheit, das man bei der Wanderung empfindet? Vielleicht auch die Abenteuerlust, die Herausforderung.

Vielleicht ist es auch der Ausgleich für die fehlende körperliche Betätigung. So genau habe ich es bisher noch nicht herausgefunden. Vielleicht würde ich die Antwort auf dem weiteren Weg finden.

Der Weg verändert.

Das Bedürfnis zu Pilgern hat mich dann schon einige Monate nach Beendigung der letzten Wanderung wieder eingeholt. Die innere Unruhe war wieder da. So nahm die nächste Pilgerreise ihren Anfang.

Nur Bücher schreiben, das wollte ich eigentlich nicht mehr, das ist viel zu aufwendig – eigentlich –

Das Ziel meiner nächsten Pilgerreise sollte Rom sein. Ich hatte vor einigen Jahren das Buch „Die Päpstin“ gelesen. Die junge Dame ist im 9. Jahrhundert auf der Via Romea von Fulda nach Rom zu Fuß gegangen.

Beim Lesen hatte ich die Idee, irgendwann einmal ihren Spuren zu folgen. Damals ahnte ich noch nicht, dass ich einige Jahre später wirklich pilgern würde.

Lange Zeit hatte sich diese Idee unauffällig in der hintersten Ecke meines Gedächtnisses verborgen. Allerdings tauchte der Gedanke immer wieder auf, bis ich dann beschloss, ihn in die Tat umzusetzen.

Ob ich wirklich bis Rom pilgern würde, bezweifelte ich damals.

Bis dahin bin ich nur im deutschsprachigen Raum gewandert.

Aber im Ausland – und dann allein? „Der Mensch wächst mit seinen Aufgaben.“

Also bin ich Anfang September 2017 wieder einmal losgegangen.

Ich habe die Freiheit jederzeit aufzuhören und niemand und nichts erwartet von mir, den Weg bis zu Ende zu gehen, nicht einmal ich selber – oder doch?

Die VIA ROMEA ist ein Pilgerweg von Stade bis Rom. Diese historische Route aus dem 13. Jahrhundert führt durch Deutschland, Österreich und Italien.

1. Etappe

Der Anfang auf der Via Romea

Mai 2018

Meinen Weg nach Rom habe ich im September 2017 in Rothenburg ob der Tauber begonnen. Auch der Jakobsweg führte mich bei meiner ersten Pilgerreise durch diese wunderschöne Stadt.

Jetzt darf sich die Via Romea über meinen Besuch freuen. Ich werde von Deutschland durch Österreich nach Italien wandern – zumindest habe ich es mir vorgenommen.

In dem Buch „Die Päpstin“ ist Johanna von Ingelheim zu Fuß von Fulda nach Rom gegangen. Dort wurde sie dann später Papst.

Wie Johanna damals, hatte nun auch ich den Plan, diesen Weg zu gehen, auch wenn ich nicht einmal ansatzweise vorhabe, es ihr in ihrer kirchlichen Laufbahn gleich zu tun.

Angeblich ist die Geschichte um „Die Päpstin“ nur eine Legende, aber wer weiß. Schließlich war es damals für eine Frau unmöglich, solch eine hohe Position einzunehmen. Nur durch die List sich als Mann zu verkleiden, hat sie es geschafft, Papst zu werden.

Johanna wurde dann irgendwann schwanger. Demzufolge wusste mindestens ein Mann, dass sie weiblichen Geschlechts war.

Einem Bericht zufolge haben die Herren der Schöpfung alle Hinweise auf diese mutige Frau vernichtet und diesen „peinlichen Skandal“ sowie Johannas Existenz vertuscht. Was wahr ist und was nicht, wird man wohl nie erfahren.

Durch Fulda war ich damals während meiner Pilgerreise auf dem Jakobsweg auch schon gekommen. Daher konnte ich mir die Strecke von Fulda bis Rothenburg o. T. nun ersparen.

Fulda ist übrigens auch ein sehr sehenswerter Ort, den ich inzwischen mehrfach besucht habe.

In Rothenburg o. T. trennt sich der Jakobsweg wieder von der Via Romea. Daher hatte ich beschlossen, meinen Weg Richtung Rom in Rothenburg o. T zu beginnen.

Die Via Romea verläuft nun weiter östlich und der Jakobsweg, den ich damals Richtung Stuttgart weiter gegangen bin, verläuft weiter westlich.

Fulda

Dom zu Fulda

Rothenburg ob der Tauber am Abend

Von Rothenburg o. T ging es auf dem Weitwanderweg „Romantische Straße“ entlang, der identisch mit dem Main-Donau-Wanderweg ist. Das Ziel meines ersten Wandertages auf der Via Romea war Schillingsfürst. (17 Kilometer)

Wie immer, warf ich beim Verlassen meiner Lieblingsstadt noch einen letzten Blick zurück. Dann ging es durch das Stadttor in die weite Welt hinaus. Rothenburg o. T war zum damaligen Zeitpunkt für mich die schönste Stadt, die ich je besucht hatte.

In meinen Augen eine Märchenstadt, in der das ganze Jahr Weihnachten ist und Seifenblasen über den Marktplatz schweben.

Ich war gespannt, in welche schönen Gegenden und Orte mich mein Weg nun führen würde.

Nachdem es etwa eineinhalb Stunden im Taubertal an einer ehemaligen Bahntrasse entlangging, führte mich der Weg hinauf auf die Frankenhöhe.

Das war zwar ziemlich anstrengend, zumal ich ja immer meinen schweren Rucksack auf dem Rücken hatte. Aber ich wurde mit wundervollen Aussichten belohnt.

Ich erinnere mich noch, dass ich bei meiner Ankunft am frühen Nachmittag im Biergarten des Barockschlosses oberhalb des Ortes Schillingsfürst gerastet habe, um etwas zu essen.

An jenem wunderschönen Spätsommertag schien die Sonne und vom Biergarten aus hatte man eine traumhafte Aussicht auf den Ort. Ein wunderschöner Ausklang für einen anstrengenden Wandertag.

Nach einem schmackhaften Mahl ging es 500 Meter hinunter in die Innenstadt. Ich hatte nicht erwartet, dass es hier sogar ein Touristenbüro gibt. Hielt ich doch Schillingsfürst für ein Dorf und hatte es in meiner Beschreibung gar nicht weiter beachtet.

Zu meiner Freude war das Touristenbüro bei meiner Ankunft noch geöffnet.

Ich versuche meist, wenn die Gelegenheit dafür da ist, über das Touristenbüro ein Zimmer zu buchen, damit habe ich gute Erfahrungen gemacht.

Die Dame dort schien sehr erfreut über meinen Besuch, damit hatte sie vermutlich eine halbe Stunde vor Feierabend in diesem etwas verschlafenen Ort nicht mehr gerechnet.

Wir zwei waren sofort auf der gleichen Wellenlänge und hatten ein sehr nettes Gespräch, das länger als nur zehn Minuten dauerte.

Das hat gutgetan. Schließlich war ich schon den ganzen Tag allein, da freut man sich über einen kleinen Wortwechsel. Die Kellnerin zuvor im Biergarten hatte leider nicht viel Zeit zum Plaudern.

Sie hatte mir auch erzählt, dass es am Abend ein Theaterstück im Schlossgarten geben wird. Das klang gut und ich hatte mir vorgenommen ihren Rat zu befolgen und mir das Stück anzusehen. Wer hätte gedacht, dass es hier sogar ein Kulturprogramm gibt.

Ihre Empfehlung im Gasthof Adler zu übernachten, war goldrichtig. Dort habe ich mich sehr wohl gefühlt und würde jederzeit wieder dort einkehren.

Die ungewöhnliche Fernbedienung des Fernsehers hat mich besonders beeindruckt, so ein Ding hätte ich auch gern. Sie hatte die Form einer Computermaus und neben dem Ein- und Ausschalter nur die zwei wichtigsten Funktionen: Sender auswählen und Lautstärke. Da kann man nicht viel falsch machen.

Trotz Erschöpfung und schmerzender Füße bin ich dann noch einmal durch den Ort und hinauf auf den Berg gestiegen. Wie immer war mir eine Ortsbesichtigung wichtig, was sollte ich auch um 16:30 Uhr schon alleine in meinem Zimmer.

Abends bin ich dann erneut auf den Berg hinauf. Ich war zwar müde, wollte mir das Theaterstück aber nicht entgehen lassen.

Wenn man schon die Gelegenheit hat, sollte man sie auch nutzen.

Vor einer kleinen Bühne waren im Schatten der Bäume Stühle aufgestellt. Es herrschte eine romantische Stimmung in der abendlichen Kühle. Die Blätter der Bäume säuselten leise im Wind und die Sonne verschwand allmählich hinter den Schlossmauern.

Das Publikum um mich herum war gemischt, verschiedene Altersklassen, überwiegend Pärchen hatten sich nach und nach auf den Stühlen platziert. Ich hatte nicht mit solch großem Interesse an diesem Stück gerechnet. Bis zum Beginn der Vorstellung waren fast alle Stühle besetzt.

Leider bin ich dort mit niemandem ins Gespräch gekommen, ich hatte wohl wieder meine „unnahbare Glocke“ um mich herum.

Dabei hätte mir ein kleiner Wortwechsel wirklich gutgetan.

Ein älterer Herr hat das Tor vor und während der Vorstellung bewacht, damit sich niemand unentgeltlich hereinschleichen konnte.

Nachdem das Stück schon begonnen hatte, erschienen zwei etwa 12 Jahre alte Jungs. Sie durften dem Geschehen auf der Bühne eine Weile unentgeltlich folgen, wie ich beobachten konnte.

Das war ihnen dann wohl doch zu langweilig und sie sind nach einigen Minuten wieder verschwunden. Die jungen Herren hatten dafür mein vollstes Verständnis. Auch ich fand das Stück nicht besonders unterhaltsam.

2017 war das sogenannte Lutherjahr. In diesem Jahr wurde der 500. Jahrestag des Beginns der Reformation begangen. Daher fanden deutschlandweit viele Veranstaltungen, Tagungen und Ausstellungen zu diesem Thema statt, so auch hier, in Schillingsfürst.

In dem Theaterstück auf dem Schlossplatz war nicht Martin Luther die Hauptfigur, sondern seine Ehefrau Katharina von Bora.

Herr Luther hatte während der Aufführung nicht besonders viel zu sagen, seine Frau umso mehr. Ich war beeindruckt von der Schauspielerin, die sich so viel Text merken konnte, um uns knappe zwei Stunden zu unterhalten.

Die männliche Figur hat nicht viel mehr als drei Sätze von sich gegeben. Ob es sich wohl wirklich so zugetragen hat? „Hinter jedem erfolgreichen Mann steckt eine starke Frau“, heißt es.

Alle Welt redet von der Reformation durch Martin Luther, allerdings war auch er nicht vollkommen. Das wurde in dem Stück gut dargestellt.

Es war interessant, die Luthergeschichte aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten. Seit diesem Stück gilt meine Bewunderung Katharina von Bora, die wirklich eine bemerkenswerte Frau war. Das hat auch ein Fernsehfilm, den ich mir einige Zeit später angesehen habe, ganz gut dargestellt.

Ich habe mich auch zum Ende der Vorstellung als eine der Ersten von dem Gelände geschlichen, um allein durch die einsamen Gassen des Ortes zu gehen und mein Quartier aufzusuchen. Endlich hatte ich dann die innere Ruhe, um mich in mein Pilgerbett zu begeben.

Schillingsfürst wurde erstmals am 1. Mai 1000 unter dem Namen „Xillingesfirst“ erwähnt und liegt im Naturpark Frankenhöhe. Die Stadt befindet sich auf der Europäischen Hauptwasserscheide Nordsee / Schwarzes Meer.

Das heutige Schloss wurde im 18. Jahrhundert errichtet, nachdem dessen Vorgänger im Dreißigjährigen Krieg zerstört wurde.

Sehenswert sind auch der Wasserturm aus dem Jahr 1902 und das Brunnenhausmuseum mit einer Ochsentretanlage.

Endlich einmal ein Ortsname mit X, den man bei dem Spiel „Stadt, Land“ verwenden könnte.

Bei meiner Recherche im Internet habe ich dann auch entdeckt, dass es in diesem Ort sehr viele Baudenkmäler gibt. Das habe ich damals bei meinem Besuch auch beiläufig bemerkt. Heute bedaure ich, dass ich all dies nicht weiter beachtet habe.

Eigentlich sollte man sich vor der Wanderung mit den Orten vertraut machen und nicht hinterher, so wie ich. Aber ich bin schon zur Genüge mit dem Wegverlauf und Zimmersuche beschäftigt, muss ich zu meiner Verteidigung sagen.

Bei einer der vergangenen Etappen auf dem Jakobsweg hat mich meine Freundin Elke begleitet. Sie hat mir abends immer erzählt, welche Sehenswürdigkeiten uns am nächsten Tag erwarten, während ich für die Weg- und Zimmersuche zuständig war. Das war perfekt.

Von Schillingsfürst ging es dann weiter nach Feuchtwangen (20 Kilometer).

Von dieser Stadt hatte ich schon einmal gehört, mehr wusste ich allerdings über Feuchtwangen bis dahin noch nicht.

Der Weg führte mich weiterhin auf der Frankenhöhe entlang, meist durch Buchenwälder die nur ab und zu durch kleine Weiler und Äcker unterbrochen wurden.

Das war nicht besonders spektakulär. Ich bin schon schönere Wege gegangen, aber auch langweiligere. Wenn ich da noch an den Alten Heerweg bei Dalle in Niedersachsen denke … Dagegen war die Strecke hier sehr abwechslungsreich. Damals war ich froh, Begleitung zu haben, dann ist man doch etwas abgelenkt.

Nun war ich bereits im Fränkischen Karpfenland, wie mir mein Infobuch verriet.

Die Gegend scheint bekannt zu sein für ihre Spiegelkarpfen (eine Fischart aus der Familie der Karpfenfische). Es handelt sich um eine Spezialität, die Einheimische zu schätzen wissen und Touristen unbedingt versuchen sollten, verrät mir das Internet.

Und ich habe immer gedacht, Karpfen wären einfach nur Karpfen.

Warum sie nun ausgerechnet „Spiegelkarpfen“ heißen, will ich nicht auch noch herausfinden. Vielleicht sind sie besonders eitel und benötigen Spiegel, um sich die Schuppen glatt zu streichen. Schließlich wird eine ganze Gegend nach ihnen benannt, da sollte man auch auf sein Äußeres achten.

Nach einer anstrengenden Wanderung bei herrlichem Sonnenschein war ich dann am frühen Nachmittag endlich in Feuchtwangen. Der Weg führte mich an einigen alten Häusern im Ort vorbei, direkt zum Marktplatz.

Auch dieser Ort erschien mir sehr ansehnlich mit seinen Fachwerkhäusern.

Nach 20 Kilometern Fußmarsch hatte ich mir dann auch ein schönes Stück Kuchen verdient. Die Biergarnituren des Cafés am Marktplatz waren ziemlich voll besetzt. Trotzdem habe ich noch ein Plätzchen für mich und meinen belastenden Begleiter, den 10-Kilo-Rucksack, gefunden.

Ich wollte mich erst einmal draußen vor dem Café ausruhen, um mich dann im Touristenbüro nach einem Zimmer zu erkundigen.

Dieses befindet sich auch auf dem Marktplatz und von meiner Bierbank konnte ich die Eingangstür gut beobachten.

Dann stand ich vor der Bedienungstheke des Cafés in der Warteschlange, die bis hinaus auf den Marktplatz reichte. Mir lief das Wasser im Munde zusammen. Die Torten hier sahen wirklich alle sehr köstlich aus.

Endlich war ich an der Reihe und durfte voller Vorfreude mein auserwähltes Stück Sahnetorte an der Theke bestellen. Nun würde ich die Belohnung für die heutigen Strapazen bekommen – so dachte ich –

Die freundliche Bedienung positionierte das ersehnte Stück gekonnt auf einem für mich bestimmten Teller. Erwartungsvoll streckte ich ihr meine Hände entgegen, um den Leckerbissen entgegenzunehmen.

Aber die Dame zuckte bedauernd mit den Schultern und ließ den gefüllten Teller mit einer Papiernummer versehen hinter der Glasscheibe der Bedienungstheke stehen.

Verständnislos und enttäuscht ließ ich meine Hände wieder sinken. Ich durfte mein auserwähltes Stück Torte leider nicht mitnehmen. Wieso denn nicht? Ich hätte auch gleich bezahlt.

Bedauernd erklärte mir die freundliche Mitarbeiterin, dass auf Wunsch des Chefs die Bedienung das ersehnte Stück an den Tisch bringen muss.

Einen kurzen Augenblick hat sich die Vorfreude auf mein Stück Sahnetorte verflüchtigt. Aber nein, ich wollte mir davon nicht die gute Laune verderben lassen. Dann würde ich eben noch länger warten. Wenigstens habe ich einen Sitzplatz.

Vermutlich hat der Cafébesitzer es gut mit seinen Kunden gemeint. Schließlich ist der Kunde ja König und soll sich bedienen lassen. Allerdings bedeutete es für uns Gäste, dass wir dreimal warten mussten: Einmal Anstehen zum Bestellen, dann warten bis der Kuchen am Tisch serviert wird und dann warten bis abkassiert wird.

Sehr umständlich und nicht besonders kundenfreundlich. Der König hätte nicht so viel Geduld gehabt, wie wir Kunden an unseren Gasttischen.

Ich habe dann nach der Bestellung meinem Kuchenstück noch einen sehnsuchtsvollen Blick zugeworfen und musste ohne den ersehnten Leckerbissen zurück auf die „Bierbank“. Mir blieb nichts weiter übrig als dort zu verharren, bis ich an der Reihe war und die arme Bedienung mir das gute Stück an den Tisch brachte.

Glücklicherweise hatte ich nette Tischnachbarn, die auch auf ihr Stück Kuchen warteten. Wir haben uns durch einen regen Erfahrungsaustausch die ziemlich lange Wartezeit vertrieben.

Schließlich waren wir nun sozusagen „Leidensgenossen“. Das verbindet.

In Feuchtwangen fanden zu dem Zeitpunkt die Kreuzgangspiele statt, deshalb hatten meine Tischnachbarn einige Tage hier ein Zimmer gebucht.

Diese Information löste in mir etwas Unruhe aus. Auf einer meiner vergangenen Wanderungen waren wegen einer Messe die meisten Zimmer ausgebucht und nichts unter 100,00 € zu finden. Sollte es mir dieses Mal wieder so ergehen?

Nachdem ich mein Stück Kuchen verspeist und bezahlt hatte, eilte ich voller Unruhe ins gut besuchte Touristenzentrum. Vor mir standen etwa acht Leute. Waren das alles Konkurrenten, die ein Zimmer wollten? Hoffentlich nicht!

Als ich endlich an der Reihe war, hatte die Dame glücklicherweise noch einige wenige Zimmer im Angebot. Natürlich wollte ich auch in Altstadtnähe übernachten. Gewöhnlich lasse ich mein Gepäck dann im Zimmer und schau mich, um mindestens 10 Kilo erleichtert, noch einmal im Ort um.

Im Gasthof „Wilder Mann“ war noch zum annehmbaren Preis ein Einzelzimmer frei und ich buchte sofort, Glück gehabt.

Erleichtert haben Rucksack und ich uns dann sofort auf den Weg dorthin gemacht. „Der Wilde Mann“ war nicht weit vom Marktplatz entfernt, gleich hinter der Stadtmauer.

Vielleicht sollte ich meinem Rucksack einen Namen geben, schließlich ist er ja mein Begleiter. Aber „Wilder Mann“ würde ganz und gar nicht passen. Dann eher „Fauler Sack“. Nun trage ich also den „Faulen Sack“ zum „Wilden Mann“.

Es waren wirklich nur 400 Meter vom Marktplatz bis zu meinem gebuchten Zimmer. Unfassbar, so zentral und dennoch relativ preiswert. Auf dem Weg dorthin hatte sich eine Radfahrerin bei mir nach dem Weg erkundigt. Sie stand vorhin, in der Touristeninfo, hinter mir. Auch sie hatte Glück und im „Wilden Mann“ noch ein Zimmer gefunden.

Irgendwie amüsant: Zwei alleinstehende Damen auf der Suche nach dem „Wilden Mann“, der ganz in unserer Nähe war. Er wollte wohl auch gefunden werden.

Leider waren dort keine wilden Männer zu entdecken. Die Herren im Biergarten des Gasthauses sahen alle ziemlich gezähmt aus und waren in Begleitung.

Wie es so ist, wenn man schon einen langen Fußmarsch hinter sich hat und die Füße schmerzen, befanden sich unsere gebuchten Zimmer ganz oben im Dachgeschoss des Hauses.

Auch dieses Phänomen ist mir in meiner Pilgerlaufbahn schon häufiger begegnet.

Der anstrengende Weg über die Stufen wurde dann mit einem schönen, neu renovierten Zimmer belohnt. Auch hierher würde ich gerne noch einmal zurückkommen.

Natürlich bin ich dann auch gleich nach der üblichen Dusche wieder los, um mir diese sehenswerte Stadt anzuschauen.

Zu Abend habe ich im Biergarten beim „Wilden Mann“ gegessen. Meine Fahrradbekannte ist eilig an mir vorbeigelaufen, ohne mich eines Blickes zu würdigen. Schade, ich hätte mich über Gesellschaft gefreut.

Überraschenderweise sind wir am nächsten Morgen beim Frühstück doch noch ins Gespräch gekommen. Sie hatte gestern noch eine Karte für das Musical „Kiss me, Kate“ ergattert und war spät dran, weil sie solange geschlafen hatte. Sie war in Eile, deshalb hatte sie mich am Vorabend nicht gesehen.

Diese Aufführung hätte mich auch interessiert. Schade. Stattdessen habe ich einsam und verlassen im Biergarten herumgesessen.

Irgendwann werde ich noch einmal zu den Festspielen wieder kommen. Dies ist ein weiterer Punkt auf meiner Wunschliste, die im Laufe des Weges immer größer wird.

Feuchtwangen wurde 818 erstmals urkundlich erwähnt und liegt auf der Frankenhöhe, einem Teil des Schwäbisch-Fränkischen Schichtstufenlandes.

Die Kreuzgangspiele, die zum Zeitpunkt meines Besuches gerade stattfanden, gibt es seit 1949. Jeden Sommer kann man sich im Klostergarten vor den Arkaden des romanischen Kreuzgangs des ehemaligen Benediktinerklosters daran erfreuen.

Bis Dinkelsbühl waren es dann am nächsten Tag nur 15 Kilometer.

Ich war schon gegen 13:00 Uhr dort und hatte Appetit auf Fisch.

Auf meiner Suche nach einem geeigneten Lokal bin ich dann wieder auf einen „Wilden Mann“ gestoßen. Auch hier konnte man bei dem herrlichen Wetter im Freien sitzen und der gewünschte Fisch stand ebenfalls auf der Speisekarte.

Sehr amüsant, wenn das nichts zu bedeuten hat. Schon wieder ein „Wilder Mann“, der mir zu Diensten war, natürlich gegen ein entsprechendes Entgelt.

Das Essen war sehr lecker. Es hat sich gelohnt dort einzukehren. Leider werden hier keine Zimmer mehr vermietet, hat mir die Bedienung auf meine Nachfrage erzählt. Es war nicht viel los und sie hatte Zeit zum Plaudern.

Ich habe erfahren, dass es in Dinkelsbühl nur wenige Tage im Jahr gibt, an denen hier kein Fest stattfindet. Das ist für die Anwohner sicher ganz schön anstrengend, aber es bringt Geld in die Kassen.

In jener Nacht brauchte ich dort auch kein Zimmer. Es war mein letzter Wandertag auf dieser Etappe und ein Bekannter, der geschäftlich in der Nähe war, hat mich damals mit nach Hause genommen. Vor der Heimfahrt haben wir uns aber noch eine Stadtführung gegönnt.

Die ehemalige Reichsstadt Dinkelsbühl ist aufgrund des außergewöhnlich gut erhaltenen spätmittelalterlichen Stadtbildes ein bedeutender Tourismusort an der Romantischen Straße.

Im Gegensatz zu den meisten Stadtanlagen gibt es in Dinkelsbühl keinen zentralen, rechteckigen Marktplatz, sondern Marktstraßen mit, zum Teil, trichterförmigen Erweiterungen.

Die historische Altstadt mit ihrer rundum erhaltenen Stadtmauer, den vier großen Toren und 16 Türmen steht heute komplett unter Denkmalschutz.

Erwähnenswert sind die farblichen Anstriche der Häuser. Wir erfahren während der Stadtführung, dass es keine nebeneinanderstehenden Häuser mit der gleichen Farbe gibt.

Eine ziemlich bunte Altstadt, die mich an Irland erinnert. Auch die vier alten Stadttore sind sehr sehenswert.

Die Stadt Dinkelsbühl ist weit bekannt wegen einiger großer, bekannter Feste, die dort jedes Jahr stattfinden.

Weit bekannt ist das Mettalfestival „Summer Breeze“ und die Kinderzeche. Auch ein Besuch der Kinderzeche steht nun auf meiner Wunschliste.

Dinkelsbühl

Einige Leute bezeichnen Dinkelsbühl als die schönste Stadt Deutschlands. Für mich war es zu dem Zeitpunkt immer noch Rothenburg ob der Tauber.

Ich wollte unbedingt noch ein Stück weiter Richtung Rom vorankommen, daher hatte ich mir einige Wochen später noch einmal ein verlängertes Wochenende für drei Wandertage von Dinkelsbühl bis Nördlingen vorgenommen.

Von Dinkelsbühl ging es dann weiter nach Maihingen (etwa 30 Kilometer).

Die Pilgerrute führt durch das Wörnitztor wieder heraus aus der Stadt, vorbei an den für Mittelfranken typischen Karpfenteichen.

Mit der Überquerung der Wörnitz (ein etwa 132 km langer Nebenfluss der Donau) überquert man auch den Raetischen Limes, der einst das „Freie Germanien“ vom Römischen Reich trennte.

An die Wanderung nach Maihingen kann ich mich inzwischen gar nicht mehr richtig erinnern und ich bedaure heute, dass ich mir damals keine Notizen gemacht habe.

Von Maihingen bis Nördlingen waren es nur etwa 13 Kilometer und ich kam schon am frühen Nachmittag dort an.

An die Stadt Nördlingen erinnere ich mich noch sehr gut. Wie früher die meisten Rompilger, habe auch ich die Stadt durch das Baldinger Tor betreten. Nur wenige hundert Meter hinter dem Tor befindet sich das Spital aus dem 13. Jahrhundert, in dem früher die Pilger unterkommen konnten. Heute steht es leider nicht mehr als Pilgerunterkunft zur Verfügung.

Dafür gibt es in der Stadt zahlreiche andere Übernachtungsmöglichkeiten. Ich hatte damals ein preiswertes Zimmer im Café Hotel Altenreuter, gegenüber der St. GeorgsKirche gefunden.

Nachdem ich meinen schweren Rucksack ins Zimmer verbannt hatte, ging es dann wieder los zur Stadtbesichtigung. Wie immer, wenn ich die Gelegenheit habe, bin ich auch hier die Stadtmauer abgelaufen.

Die Nördlinger Stadtmauer ist die einzige Stadtmauer Deutschlands, die einen vollständig erhaltenen, begehbaren und überdachten Wehrgang besitzt. Sie umschließt die komplette mittelalterliche Altstadt und ist auf einer Länge von 2,6 Kilometern durchgängig begehbar.

Bei meinem Rundgang habe ich dort sogar ein Museum entdeckt. Leider war es zu dem Zeitpunkt geschlossen. Ein Museum hier oben? Interessant. Das muss ja winzig sein, dachte ich damals. Erst später habe ich gelesen, dass dieses Museum sich über sechs Stockwerke erstreckt.

Es dokumentiert die Geschichte der Nördlinger Stadtbefestigung und beherbergt unter anderem Schautafeln, Uniformen des 17. Jahrhunderts und eine Kanone, verrät mir das Internet.

Das klingt interessant und steht für meinen nächsten Besuch auf dem Plan. Direkt an der Stadtmauer waren verschiedene Häuschen zu sehen, die wohl einmal Kasernen waren und sich Kasarmen nennen. Das Wort stammt vermutlich aus dem italienischen, Caserma heißt Kaserne.

Eins dieser Häuschen war ein Café und mir lief sofort das Wasser im Munde zusammen. Jetzt ein Stück Torte, das wäre die Krönung. Also habe ich meinen Mauerspaziergang für einige Zeit unterbrochen und war nicht nur von den angebotenen Köstlichkeiten entzückt.

Welch wundervolles Ambiente, unbeschreiblich. Ich hatte Glück und noch ein Plätzchen für mich in dem gemütlichen, stilvoll eingerichteten Gastraum gefunden, um mir wieder das ersehnte Stück Torte einzuverleiben. Vergessen waren die Strapazen des Tages und ich war glücklich. – Das Leben kann so herrlich sein. –

Die Kasarmen bilden in Nördlingen eine heute noch bestehende, fast durchweg erdgeschossige Kette kleiner mit einem Pultdach angebauter Häuschen.

Nach dem vollständigen Rundgang auf der Stadtmauer ging es dann noch die 350 Stufen zum Kirchturm hinauf. Auch dieser Besuch hat sich gelohnt. Von dort aus hat man einen Blick über das gesamte Ries.

Auf einer Infotafel war zu lesen, dass hier früher der Nachtwächter ab 22:00 Uhr vom Turm der Kirche St. – Georg die Worte „so, G'sell, so" rief.

Die Sage dazu habe ich später auf der Internetseite der Stadt Nördlingen gefunden:

1440 wollte eine Frau am Abend für ihren Mann eine Kanne Bier besorgen. Am Löpsinger Tor beobachtete sie, wie eine entlaufene Sau ihr Hinterteil an einem Torflügel rieb. Dabei entdeckte sie, dass das Tor nicht fest verschlossen war. Ihr empörter Ruf „So, G´sell, so!“ galt den treulosen Wächtern.

Diese gestanden, vom Oettinger Grafen bestochen worden zu sein, in der Nacht das Tor nur angelehnt zu lassen, damit der Graf mit einer bewaffneten Schar die Stadt erobern könne.

So hatte eine Sau Nördlingen gerettet.

Keiner weiß, ob es so gewesen ist. Wahr ist aber, dass 1440 zwei Torwächter wegen Verrats hingerichtet wurden.

„Noch heute ruft der jeweils diensthabende Türmer jede halbe Stunde von 22:00 bis 24:00 Uhr von der Turmstube aus diesen früheren Wächterruf,“ heißt es.

Am Ende des Tages hat mein Schrittzähler 30 Kilometer angezeigt. Das war dann auch genug. Trotz meiner Erschöpfung lag ich, wenn auch mit geschlossenen Augen, wach in meinem Bett. Ob sich wohl die Anwohner durch den Lärm des Wächters in ihrer Nachtruhe gestört fühlten?

Ich musste schmunzeln bei dem Gedanken und stellte mir vor, dass sich nacheinander mehrere Fenster öffnen und die Anwohner ihr Ruhebedürfnis lauthals der Nacht kundtun würden.

Aber vermutlich sind sie daran gewöhnt und beachten den nächtlichen Ruhestörer nicht mehr.

Meine Augen wollten Schlaf, mein Kopf war dagegen. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass hier wirklich jeden Abend jemand zum Turm hinaufsteigt, um zwei Stunden lang einen Satz in die unendliche Weite der Nacht zu rufen. Ich wollte es unbedingt wissen, also hatten meine Ohren einen Forschungsauftrag. Die Augen und natürlich auch die Füße hatten zu dem Zeitpunkt bereits Feierabend.

Draußen auf der Straße wurde es dann kurz vor 22:00 Uhr etwas unruhig. Ich hörte Stimmen und fühlte mich wie ein Kind vor der Bescherung. Sollte es der Nachtwächter sein, der sich zum Turm hinaufbegibt? Oder sind es gar mehrere? Es waren mehrere Stimmen zu hören.

Wie gerne hätte ich mich noch einmal hinunter auf die Straße begeben, um nach der Ursache der abendlichen Unruhe zu schauen. Aber meine Füße wollten nicht mehr. Also habe ich dann mit geschlossenen Augen und gespitzten Ohren in meinem Bett gelegen und gewartet.

Dann war es 22:00 Uhr und tatsächlich, es ertönte der angekündigte Ruf.

Unglaublich! Welch schöne Bescherung.

Was das heute noch für einen Sinn hat, weiß ich nicht. Aber ich habe mich darüber gefreut und fand es faszinierend. Endlich konnte ich in einen wohlverdienten Tiefschlaf fallen.

Die Stadt Nördlingen liegt im Nördlinger Ries, dem Krater eines Meteoriten, der vor 15 Millionen Jahren dort eingeschlagen ist.

Er hat einen Durchmesser von etwa 23 Kilometern.

Die im 14. Jahrhundert erbaute Stadtmauer mit dem 2,6 Kilometer langen begehbaren Wehrgang, 5 Toren und 11 Türmen umgibt noch heute die Altstadt. Am Marktplatz stehen stattliche Fachwerk- und Bürgerhäuser.

Auf meine Frage, was denn ein Ries sei, hat mir das Internet geantwortet, dass es sich um einen Hauptgürtelasteroiden handelt, der 1982 entdeckt wurde.

Das Gebiet um Nördlingen ist ein Asteroidengürtel? Das kann nicht sein. Diese Definition fällt also schon mal weg.

Auch die Erklärung, „Ein Ries oder Rieß ist eine aus dem arabischen Wort rizmah abgeleitete Mengeneinheit bzw. Messgröße für Formatpapiere“ trifft nicht zu.

Wonach dieses Gebiet nun wirklich benannt wurde, konnte ich nicht herausfinden.

Auf alle Fälle ist für mich klar, dass Nördlingen eine wundervolle Stadt ist und sie kommt auf meiner Beliebtheitsliste gleich nach Rothenburg o. d. T. Ich würde hier gerne einmal einige Tage Urlaub machen. Nicht nur die Stadt ist sympathisch und sehenswert, auch die Gegend ist sehr interessant.

Am nächsten Tag ging es dann wieder nach Hause. Zuvor hatte ich aber noch Zeit für eine kostenlose Stadtführung. Dank der modernen Technik konnte ich mir die App auf mein Handy laden. Das hat mich dann zu den Sehenswürdigkeiten geführt und mir einiges zur Geschichte erzählt.

Auf meiner Heimfahrt hatte ich mir fest vorgenommen, bei der Fortsetzung meiner Wanderung noch einmal genügend Zeit in dieser schönen Stadt zu verbringen.

Einige Monate später

Ich konnte es doch nicht lassen und habe wieder mit Schreiben begonnen. Es macht Spaß, die eigenen Notizen über die Erlebnisse zu lesen und jedes Mal fallen mir weitere Details der Wanderung ein.

Das Überarbeiten meiner Urlaubsnotizen versetzt mich immer wieder zurück auf den Weg, hier am Schreibtisch allerdings auf entspannte Weise.

Ich kann nur jedem empfehlen, ein Urlaubstagebuch zu führen.

In Kombination mit den Fotos sind es dauerhaft schöne Erinnerungen.

2. Etappe

Nördlingen – Adlersberg – Hürnheim - Mönchsdeggingen (ca.25 Km)

Tag 1, Mittwoch, 9. Mai 2018

Heute habe ich die Fortsetzung des Weges mit Bärbel begonnen. Bärbel kenne ich von einem meiner vielen Kurse, die ich vor einigen Jahren besuchte.

Etwa einmal im Jahr treffen wir uns seitdem zum Plaudern. Wir kennen uns also nicht besonders gut, aber sie war mir damals auf Anhieb sympathisch und das hat sich in all den Jahren auch nicht geändert.

Bärbel ist schon 71, also 13 Jahre älter als ich und im (Un)Ruhestand. Sie leistet sehr viel soziale Arbeit mit kranken, behinderten und sterbenden Kindern. Wir sind beide auf der gleichen Wellenlänge und sehr sozial eingestellt.

Gewandert sind wir noch nie miteinander und ich bin gespannt, wie wir vorankommen. Wir werden uns aber ganz sicher gut verstehen. Was sollte auch schief gehen? – dachte ich – Ich habe nur die erste Nacht in Mönchsdeggingen gebucht, alle weiteren Nächte werden sich ergeben.

Eigentlich wollte ich ein Zimmer im einzigen Gasthof des Ortes reservieren, aber der Wirt meinte, dass er ausgerechnet an diesem Mittwoch nicht zu Hause sei.

Dann habe ich in der Nähe einen Bio - Bauernhof ausfindig gemacht, der auch Zimmer vermietet. Das hört sich richtig gut an und wir freuen uns auf die Nacht in diesem wunderschönen Bauernhof, die Internetseite sieht sehr vielversprechend aus.

Es wäre auch kein Umweg dorthin, wir müssen nur kurz vor Mönchsdeggingen irgendwo links abbiegen. Ich bin mir sicher, dass uns mein Handy-Navi den Weg zeigen wird. Wir würden dort zwar abends nichts zu essen bekommen, aber das macht uns nichts aus. Wir nehmen genügend Proviant mit.

Unser erster Tag beginnt schon sehr früh mit einer 3-stündigen Anfahrt bis Nördlingen. Wir sind beide keine Langschläfer, das passt schon mal ganz gut. Auch Bärbel schläft, wie ich, bei offenem Fenster. Das ist für mich immer ganz wichtig.

Wir hatten zuvor ausgemacht, gleich nach der Ankunft loszuwandern.

Ich werde sicher noch einmal wiederkommen und dann genügend Zeit haben, die Gegend in und um Nördlingen zu erkunden. Es lohnt sich.