Auf einem Maskenball verführt - Tessa Radley - E-Book

Auf einem Maskenball verführt E-Book

Tessa Radley

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Beschreibung

Wer verbirgt sich wohl hinter dieser Maske? Er ist in jedem Fall unglaublich sexy, groß und vermutlich extrem gut aussehend - noch sieht Alyssa sein Gesicht nicht. Dennoch schmiegt sie sich hingerissen an ihren Tanzpartner und versucht, die Nervosität abzuschütteln. Eigentlich hat Alyssa sich auf das Kostümfest geschlichen, um ihren Bruder zu treffen, von dessen Existenz sie erst seit Kurzem weiß. Damit, ihrem Traummann hier buchstäblich in die Arme zu laufen, hat sie nicht gerechnet. Erst als er sie leidenschaftlich küsst, ahnt sie, wer der maskierte Unbekannte ist …

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Seitenzahl: 199

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Tessa Radley

Auf einem Maskenball verführt

IMPRESSUM

BACCARA erscheint im CORA Verlag GmbH & Co. KG, 20350 Hamburg, Axel-Springer-Platz 1

Redaktion und Verlag: Brieffach 8500, 20350 Hamburg Telefon: 040/347-25852 Fax: 040/347-25991
Geschäftsführung:Thomas BeckmannRedaktionsleitung:Claudia Wuttke (v. i. S. d. P.)Cheflektorat:Ilse BröhlProduktion:Christel Borges, Bettina SchultGrafik:Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto)Vertrieb:asv vertriebs gmbh, Süderstraße 77, 20097 Hamburg Telefon 040/347-27013

© 2008 by Tessa Radley Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V., Amsterdam

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe BACCARABand 252009 2009 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg Übersetzung: Sabine Bauer

Fotos: Harlequin Books S.A.

Veröffentlicht im ePub Format im 01/2011 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

eBook-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 978-3-86295-476-6

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Führung in Lesezirkeln nur mit ausdrücklicher Genehmigung des Verlages. Für unaufgefordert eingesandte Manuskripte übernimmt der Verlag keine Haftung. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

1. KAPITEL

Als Alyssa Blake den Kiesweg entlangschritt, war das Fest bereits in vollem Gange. Alljährlich im neuseeländischen Frühling, im September, fand der traditionsreiche Saxon’s Folly Maskenball statt.

„Nur nichts anmerken lassen“, sagte sie leise zu sich selbst, während sie sich zwischen den geparkten Luxuslimousinen hindurchschlängelte. „Tu einfach so, als würdest du dazugehören.“

Gegen den dunklen Nachthimmel hob sich strahlend hell das erleuchtete Hauptgebäude des Weingutes ab. Es war ein dreistöckiges weißes Wohnhaus im viktorianischen Stil, das in den mehr als hundert Jahren seines Bestehens Flutwellen und Bränden getrotzt hatte. Sogar ein schweres Erdbeben, wie es Hawke’s Bay im Osten der Nordinsel heimgesucht hatte, konnte dem Haus nichts anhaben. Nur einige kleinere Reparaturen waren damals fällig geworden.

Je näher Alyssa kam, desto lauter wurde die Musik, auch wenn noch keine Partygäste zu sehen waren.

Plötzlich entdeckte sie oben auf der Steintreppe vor der zweiflügligen schweren Eingangstür einen Mann in Uniform. Alyssa zögerte, und ihr Herz schlug schneller. War der Mann Butler, oder gehörte er dem Sicherheitsdienst an? Einmal mehr befahl sie sich, Ruhe zu bewahren.

„Leider habe ich meine Einladung nicht dabei“, legte sie sich im Stillen als Ausrede zurecht. Besonders gut klang das nicht. Vor allem weil sie gar keine der begehrten dunkelblauen Karten mit der kostbaren Silberprägung erhalten hatte. Was, wenn der Türsteher sich die Mühe machte und in der Gästeliste nachsah?

Vielleicht konnte sie einfach aufrecht und mit einem souveränen Lächeln an ihm vorbeigehen?

Im schlimmsten Fall würde er sie aufhalten und nach ihrem Namen fragen. Er würde wohl kaum Alyssa Blake, die für die anerkannte Fachzeitschrift Wine Watch viel beachtete Reportagen schrieb, den Eintritt verwehren. Zwar hatte sie vor einigen Jahren wenig schmeichelhaft über Joshua Saxon, den Eigentümer der Saxon’s Folly Weingüter, berichtet und sich damit dessen Unmut zugezogen. Aber sicher würde sich dieser Türsteher nicht daran erinnern. Vielleicht würde der Mann sie auch einfach einlassen, ohne sie genauer zu betrachten. In ihrem bodenlangen dunkelroten Kleid und mit der auffälligen schwarzen Maske mit Federbesatz und Strasssteinen sah sie nicht gerade wie ein ungebetener Gast aus.

Um Mut zu fassen, holte sie noch einmal tief Luft. Noch war sie dem Türsteher nicht aufgefallen …

In diesem Augenblick wurde eine Seitentür geöffnet, Licht drang nach außen, und ein Paar verließ fröhlich lachend den Ball. Hinter den beiden schloss sich die Tür langsam wieder, fiel aber nicht ins Schloss.

Schnell schlüpfte Alyssa in das Haus, wo sie einen Moment in der großzügigen Eingangshalle stehen blieb, bevor sie die breiten Stufen zum Ballsaal emporschritt.

Dort eröffnete sich Alyssa eine ganz neue Welt: Sie fühlte sich in die der Reichen und Schönen versetzt. In dem prächtig dekorierten Saal tanzten attraktive Damen in Designerroben mit Herren im Smoking. Doch für all den Prunk und die sich anmutig wiegenden Tanzpaare hatte Alyssa kaum einen zweiten Blick übrig. Angestrengt versuchte sie stattdessen, den Mann zu entdecken, dessentwegen sie sich hier unerlaubt Zutritt verschafft hatte.

„Sind Sie gerade erst angekommen?“

Hinter einer schwarzen Maske blickte sie ein Mann aus glitzernden dunklen Augen an.

„Ja, leider ziemlich spät“, antwortete sie höflich und versuchte, die Nervosität zu überspielen, die sie plötzlich ergriff, als ihr bewusst wurde, dass sie es tatsächlich auf den Ball geschafft hatte.

„Besser spät als nie.“

„Man soll nie nie sagen.“ Alyssa lachte und drohte scherzhaft mit dem Finger.

Auch er lachte. „Sie sind eine Frau mit klaren Grundsätzen, richtig?“

„Ja. Und stolz darauf.“

Seine Stimme klang rau, seltsam vertraut … und unglaublich sexy. Durch ihre Maske musterte Alyssa den großen schlanken und atemberaubend attraktiven Mann so unauffällig wie möglich. Teint und Haare waren dunkel. In dem maßgeschneiderten Smoking kamen die breiten Schultern wunderbar zur Geltung. Trotz der Maske waren seine markanten Gesichtszüge zu erkennen.

„Tanzen Sie mit mir“, sagte er in einem Tonfall, der keinen Widerspruch duldete, und bot ihr den Arm.

Kein Zweifel, Mr. Unwiderstehlich akzeptierte kein Nein. Alyssa konnte er mit diesem Verhalten jedoch nicht beeindrucken. Wenn sie ausging, suchte sie sich stets einfühlsame und zuvorkommende Begleiter.

„Darf ich Ihr Schweigen als Einverständnis werten?“

Bevor sie zu Wort kam, legte er den Arm um sie und steuerte mit ihr auf die Tanzfläche zu. Eigentlich wollte Alyssa protestieren, denn schließlich war sie nicht zum Vergnügen hier oder wegen der exklusiven Jahrgangsweine. Und ganz sicher nicht, um sich mit einem zwar gut aussehenden, aber sehr von sich überzeugten Fremden zu amüsieren. Aber natürlich durfte sie auch kein unnötiges Aufsehen erregen. Also blieb ihr nichts anderes übrig, als sich zu fügen.

Denn wenn Joshua Saxon sie bemerkte, würde er sie sicherlich in hohem Bogen hinauswerfen.

Widerspruchslos ließ sie sich in die Arme ihres Verehrers ziehen, um sich mit ihm unter die anderen Paare zu mischen. Alyssa fielen die begehrlichen Blicke auf, die er von allen Seiten her auf sich zog. Unter gesenkten Lidern versuchte sie, ihn mit den Augen der anderen Frauen zu sehen: den muskulösen Körperbau, die entschlossene Kinnlinie, die dunklen Augen … Hoffentlich erregte sie an seiner Seite nicht die Aufmerksamkeit, die sie gerade vermeiden wollte!

„Kennen wir uns von irgendwoher?“

Alyssa überlegte. Wenn er etwas mit Wein zu tun hatte, konnte er sie bei einer Weinprobe gesehen haben. Oder bei einem ihrer gelegentlichen Fernsehauftritte in verschiedenen Kochshows. Vielleicht hatte er auch einen ihrer Berichte im Magazin Wine Watch gelesen oder ihre Kolumne in der Zeitschrift Aucklander.

Trotzdem, nichts davon würde dazu führen, dass er sie kannte. Alyssa schüttelte den Kopf.

„Ich kann es kaum erwarten, um Mitternacht – wenn die Masken fallen, wie es der Brauch ist – Ihr Gesicht zu sehen.“ Als ein anderes Tanzpaar sie streifte, zog er sie enger an sich. „Haben Sie auch einen Namen, meine schweigsame Schöne?“

Fasziniert von seinem charmanten Lächeln, zögerte Alyssa einen Moment, ehe sie sich vorstellte. „Alice“, sagte sie wahrheitsgemäß, denn so stand es in ihrer Geburtsurkunde. Im Teenageralter hatte sie sich unter dem Namen Alyssa gewissermaßen selbst neu erfunden.

„Alice?“ Sein Lächeln wurde zu einem unwiderstehlichen Lachen. „Fühlen Sie sich hier wie im Wunderland?“

Wenn er wüsste … „Ein bisschen schon“, gestand sie leise.

„Soll das heißen, dass Sie zum ersten Mal auf diesem Maskenball sind?“

„Genau.“

„Darum tragen Sie kein Kostüm …“

„Sie tragen doch auch keines“, entgegnete sie mit einem Blick auf den Smoking.

„Leider hatte ich dieses Jahr keine Zeit, mir eines auszudenken.“

Offenbar war er ein viel beschäftigter Mann. Und auch ohne Verkleidung als Ritter oder Robin Hood schien er ihr ein ziemlicher Angeber zu sein.

„Die meisten Frauen lieben es, sich zu verkleiden“, behauptete er.

Impulsiv entgegnete sie: „Ich bin nicht wie die meisten.“

Er lachte. „Umso gespannter bin ich, Sie nachher ohne Maske zu sehen.“ Mit leisem Spott fragte er: „Sind Sie hier, um nach einem Märchenprinzen Ausschau zu halten? So wie die anderen?“ Seine Stimme klang angenehm tief und voll.

„Nach einem Prinzen? Ganz gewiss nicht.“ Trotzdem hatte er nicht ganz unrecht: Sie suchte tatsächlich jemanden.

„Sehr gesprächig sind Sie wirklich nicht.“

„Das muss an den vielen Menschen liegen.“ Gespielt schüchtern lächelte Alyssa. „An so etwas bin ich nicht gewöhnt.“

Verwundert sah er sie an. „Komisch, so hätte ich Sie gar nicht eingeschätzt.“

Alyssa blickte an sich hinab und betrachtete nachdenklich das tiefe Dekolleté ihres dunkelroten Kleides. Für ihren Geschmack war dieser Mann ein bisschen zu clever. Sie musste vorsichtig sein. Auf keinen Fall durfte sie riskieren, hinausgeworfen zu werden, denn eine solche Chance würde sich ihr so schnell nicht wieder bieten. „Vielleicht wegen der Aufregung, der Musik … und dem attraktiven Mann mit der Maske“, flüsterte sie mit einem, wie sie hoffte, hinreißenden Augenaufschlag.

„Aber Alice“, raunte er, „Sie sind doch nicht etwa nervös?“

Zu ihrer Überraschung fand sie es angenehm … und erregend, seinen Atem an ihrem Ohr zu spüren! Sie erbebte.

„Sie zittern ja.“

Alyssa, die sich nicht erinnern konnte, dass je ein Mann so auf sie gewirkt hätte, zog es vor, nichts zu erwidern.

„Ich glaube, Sie sind die schweigsamste Frau, der ich je begegnet bin“, sagte er leise.

„Ich bin nicht immer so.“ Nur wenn sie ihre Worte so sorgsam wählen musste wie jetzt, um keinen Fehler zu machen. Dieser Mann brachte sie durcheinander und ging viel zu vertraut mit ihr um … und sie war absolut nicht in der Stimmung, sich darauf einzulassen. Nicht heute Nacht.

Beim Anblick eines auffälligen rothaarigen Mannes in der Menschenmenge fiel ihr wieder ein, weswegen sie eigentlich hergekommen war. Roland! Trotz der Piratenklappe, die er trug, war kein Zweifel möglich. Seine Haarfarbe verriet ihn. Zusammen mit einer schlanken dunkelhaarigen Elfe bewegte er sich über die Tanzfläche.

Über die Schulter ihres Partners hinweg sah Alyssa, wie Roland seine Begleiterin etwas fragte. Das musste Amy sein … Alyssa hatte gelesen, dass sie Rolands Verlobte war.

Als die beiden gleich darauf das Parkett verließen, geriet Alyssa in helle Aufregung. Sie durfte sie – ihn – nicht aus den Augen verlieren, jetzt, so kurz vor dem Ziel.

„Ich muss unbedingt etwas trinken“, sagte sie auf die Gefahr hin, unhöflich zu wirken, und befreite sich aus den Armen ihres Tanzpartners.

„Was möchten Sie?“ Offensichtlich wollte er sie begleiten.

„Ich hole mir selbst etwas.“ Angestrengt blickte sie Roland nach und wieder zu dem Mann, der sich nicht abschütteln ließ. Auf keinen Fall durfte sie auffliegen!

Ihr Begleiter, der sie unnachgiebig von ihrem Vorhaben ablenkte, schien zudem sehr scharfsinnig zu sein. Sie wollte nicht, dass irgendjemand mitbekam, was sie Roland zu sagen hatte. Dazu war es zu persönlich und zu wichtig. „Danke, ich komme schon klar. Und Sie finden ja bestimmt leicht eine andere Partnerin.“

So wie er aussah und wie er tanzte! Wie ein junger Gott. Er war ein Mann, der nur so vor Selbstvertrauen strotzte und sich seiner Ausstrahlung sehr wohl bewusst war. In seinen Armen hatte Alyssa sich fast schwerelos gefühlt.

Sinnlich lächelte er sie an. „Aber keine ist auch nur annähernd so interessant wie Sie, Alice. Also, was möchten Sie trinken? Wie wäre es mit einem Glas Saxon’s Folly Sauvignon Blanc? Eine wunderbare Rebsorte. Den Jahrgangswein vom letzten Jahr kann ich sehr empfehlen.“

Wenn er ihr etwas zu trinken holte, war sie ihn vielleicht los. „Einfach nur Wasser, bitte.“

Lässig winkte er einem Kellner, der sofort zu ihnen kam. So viel also zu ihrem Plan, Zeit zu gewinnen. Alyssa unterdrückte ein Fluchen.

„Wasser?“, fragte ihr Begleiter. Seine Augen glänzten, als er zwei Flaschen des französischen Mineralwassers Perrier bestellte.

Da sie es nicht wagte, Roland weiter hinterherzublicken, wuchs ihre Unruhe.

„Ich muss mal zur Toilette“, murmelte Alyssa. „Bin gleich wieder zurück.“ Schnell wandte sie sich um und eilte davon.

Im Gehen warf sie einen Blick über die Schulter und sah, wie Mr. Unwiderstehlich von zwei Schönheiten umringt wurde, die ihn erfreut auf die Wangen küssten. Trotz der Maske wussten die Frauen anscheinend, mit wem sie es zu tun hatten. Und obwohl ihm die Ungeduld anzumerken war, begann er eine höfliche Unterhaltung mit den beiden.

Zu Alyssas Glück folgte er ihr nicht. Entschlossen schlängelte sie sich durch die Menschenmenge, vorbei an Herren im Smoking und Damen in Seide, immer mit dem Ziel vor Augen, den Mann zu finden, deswegen sie hergekommen war. Aber Roland schien samt seiner Verlobten wie vom Erdboden verschwunden zu sein.

Alyssa ging hinaus auf die großzügige Veranda, wo eine Gruppe Männer in der Dunkelheit beisammenstand. Ein als Rhett Butler verkleideter Mann flirtete mit einer Frau, die sich sicher gerade wie Scarlet O’Hara fühlte. Über das weiße schmiedeeiserne Geländer hinweg blickte Alyssa hinab in den beleuchteten Garten. Im Schatten der für Neuseeland typischen Nikaupalmen standen zwei Paare.

Ihr Herz klopfte heftig, und sie hielt den Atem an. Doch sie entdeckte Roland nirgends. Schnell raffte sie den langen Rock ihres Kleides und eilte die schmalen Stufen hinab, die von der Veranda zum Garten führten, und betrat durch einen Seiteneingang wieder das Haus.

Aufgeregt blickte sie in alle Räume, an denen sie vorbeikam. Auch im großen Esszimmer, in dem ein reichhaltiges Buffet aufgebaut war, sah sie Roland nicht. Er musste mit Amy nach oben gegangen sein.

Zögernd betrachtete Alyssa eine Treppe, die offenbar in einen anderen Flügel führte, wo bestimmt die Schlafzimmer lagen. Was, wenn sie die Verlobten in einem … intimen Moment störte? Nachdenklich biss Alyssa sich auf die Unterlippe.

Nur nicht im letzten Moment kneifen! Sie atmete tief durch und steuerte auf die Treppe zu.

In diesem Moment öffnete sich auf der rechten Seite eine Tür, und Amy stürzte auf den Gang. Sie schien sehr aufgeregt und durcheinander zu sein. Mit entschlossenem Gesichtsausdruck folgte Roland ihr, der die Augenklappe seines Piratenkostüms in der Hand trug.

„Amy, warte doch …“

„Roland?“ Wie eine Schlafwandlerin berührte Alyssa ihn am Arm. „Roland Saxon?“

Natürlich wusste sie, wer vor ihr stand, doch ihr Bedürfnis, seinen Namen auszusprechen, war übermächtig. Den Namen, der sich ihr schon vor Jahren ins Gedächtnis eingebrannt hatte.

Ungeduldig sah er sie an. „Ja?“

„Ich bin …“ Von plötzlichem Zweifel befallen, verstummte sie. Sollte sie sich ihm als Alice McKay vorstellen? Auf ihre Briefe und E-Mails hatte er nicht geantwortet, warum also sollte er sich jetzt über die Begegnung freuen?

Im Augenblick galt seine gesamte Aufmerksamkeit Amy, die über die Haupttreppe in den Ballsaal eilte.

Sie fürchtete, dass er seiner Verlobten folgen würde. Deshalb streckte Alyssa schnell die Hand aus und stellte sich vor: „Mein Name ist Alyssa Blake. Ich bin …“

Wenig erfreut ergänzte er sofort: „… die Journalistin, die den vernichtenden Bericht über Saxon’s Folly geschrieben hat! Ich weiß, wer Sie sind.“

Nein, weißt du nicht!

Zu ihrer Erleichterung schüttelte er ihr die Hand und fragte höflich: „Was führt Sie hierher?“

Alyssa erbebte regelrecht bei der Berührung. Sein Händedruck fühlte sich warm und fest an – und real. Endlich stand sie vor ihm. Um Fassung ringend, antwortete sie: „Ich würde Sie gerne für das Magazin Wine Watch interviewen.“

Wachsam betrachtete er sie. „Worum genau soll es denn dabei gehen?“

„Ich schreibe an einer Serie über die Entstehungsgeschichte berühmter Marken. Dazu möchte ich natürlich auch Sie als den Marketingchef der Saxon’s Folly Weingüter befragen.“

„In der Vergangenheit haben Sie über unsere Firma nicht gerade schmeichelhaft berichtet, Miss Blake.“

„Vielleicht habe ich inzwischen meine Meinung geändert?“ Inständig hoffte sie, dass er ihr eine Chance gab, mit ihm unter vier Augen zu reden. Sie hatte ihm so viel zu erzählen.

„Ich weiß nicht recht …“

„Bitte. Ich verspreche Ihnen, dass es ein wohlwollender Beitrag wird“, stieß sie fast flehentlich hervor.

„Warum sollte ich Ihnen glauben? Joshua ist damals davon ausgegangen, dass Sie über Firmenerfolge schreiben. Stattdessen haben Sie seinen Führungsstil völlig falsch dargestellt.“

„Das hatte er sich selbst zuzuschreiben“, antwortete sie aufgebracht. „Er hat sich extrem unkooperativ verhalten.“

Statt sich mit ihr persönlich zu treffen, hatte Joshua Saxon sich nur auf ein zehnminütiges Telefoninterview eingelassen und sie dabei deutlich spüren lassen, dass er ihr mit diesem Gespräch einen Gefallen tat. Seine Antworten waren mehr als einsilbig und seine Stimme schneidend gewesen. Eine Angestellte, die erst seit einer Woche bei Saxon’s Folly arbeitete, hatte Alyssa auf dem Weingut herumgeführt. Von ihr hatte sie erfahren, dass ihr Vorgänger unter unklaren Umständen entlassen worden war. Eine Nachfrage bei dem enttäuschten Mann, und Alyssa hatte ihre Story. Wenn auch eine andere als zuerst geplant. „Ich habe nur meinen Job gemacht.“

„Joshua sieht das anders.“

„Die Öffentlichkeit hat ein Recht auf Information“, entgegnete sie, wobei sie selbst merkte, wie abgedroschen sich das anhörte. Tief atmete sie ein. „Aber darum geht es jetzt nicht. Diesmal läuft es anders, das verspreche ich Ihnen. Vor der Drucklegung bekommen Sie den Text zur Überarbeitung.“ Das hatte sie noch niemandem angeboten, aber sie musste ihn unbedingt privat sprechen.

Zweifelnd betrachtete er sie. „Wieso sind Sie auf einmal so nett? Und warum fragen Sie mich hier auf dem Ball danach? Sie hätten doch auch telefonisch oder per E-Mail mit mir in Kontakt treten können.“

Du hast mir ja nicht geantwortet. Obwohl ich es versucht habe. Allerdings als Alice McKay … Morgen würde sie ihm sagen, wer sie wirklich war. Im Augenblick konnte sie nur hoffen, dass er das Medieninteresse als Marketingchef – anders als sein Bruder Joshua – zu schätzen wusste. „Durch diesen Beitrag wird sich der Bekanntheitsgrad von Saxon’s Folly sicher noch weiter steigern.“

Schnell fügte sie hinzu: „Ja oder nein?“

„Na ja. Vielleicht.“

Bevor er womöglich das Interesse verlor, musste sie ihn zur Zusage bewegen. „Wann?“, insistierte sie und stellte sich genau vor ihn, wie sie es schon oft getan hatte, um Interviewpartner zu einer Antwort zu drängen. „Morgen bin ich hier in der Gegend. Wollen wir uns in dem kleinen Lokal in der Stadt treffen? Im Weinstock?“

Als er nickte, tat ihr Herz förmlich einen Hüpfer. Endlich! Am liebsten hätte sie vor Freude laut gejubelt. Eilig schlug sie noch eine Uhrzeit vor und hatte den Termin vereinbart.

Alyssa gab sich Mühe, ihre Ungeduld zu zügeln. Morgen würde sie noch genügend Gelegenheit haben, ihren Erfolg zu feiern.

Joshua Saxon runzelte die Stirn. Die geheimnisvolle Fremde in Rot ging ihm nicht mehr aus dem Sinn. Eine Zeit lang hatte er, die zwei Flaschen Perrier in der Hand, an einer Stelle auf sie gewartet, wo er sie gar nicht verfehlen konnte.

Doch sie war nicht zurückgekommen. In der Hoffnung, dass sie einander nur im Gedränge übersehen hatten, ging er hinaus auf die Veranda.

Dort sah er Roland, der ohne Maskierung auf Amy einredete, die am Geländer lehnte. Mehrmals schüttelte sie so heftig den Kopf, dass ihre Maske verrutschte. Joshua verstand nur, dass Amy nach Hause wollte.

Im Licht der Laternen, die auf der Veranda aufgestellt waren, sah er, dass Amy Tränen über die Wangen liefen. Roland machte ihr gerade klar, dass er nicht bereit war, sie so einfach gehen zu lassen.

Auf keinen Fall wollte sich Joshua einmischen. Er ging hinunter in den Garten, wo etwas Rotes seine Aufmerksamkeit fesselte. Alice. Schnell war er bei ihr.

„Sie wollen doch nicht etwa schon gehen?“

Das aufregend sexy Kleid umspielte ihre langen Beine, als sie sich überrascht umwandte. „Na ja …“

Ungläubig sah er sie an. Er musste einfach wissen, wer diese Frau war. Wo er sie wiedersehen würde. Da er nicht zu fragen wagte, sagte er nur: „Sie können doch nicht gehen, bevor die Masken fallen.“ Er warf einen Blick auf seine Rolex. „Nur noch eine Dreiviertelstunde. Dann fängt die Party erst richtig an.“

„Ich möchte heute früh ins Bett gehen.“

Beinah hätte Joshua laut aufgelacht. Das hatte noch keine Frau zu ihm gesagt, ohne damit etwas Bestimmtes im Sinn zu haben … „Der Saxon’s Folly Maskenball findet nur einmal im Jahr statt. Warum möchten Sie ausgerechnet heute zeitig schlafen gehen?“

„Weil ich morgen etwas Wichtiges vorhabe.“

Fragend sah er sie an.

„Beruflich.“

Sehr gesprächig war sie wirklich nicht! Aber das machte sie für ihn nur umso interessanter. „Morgen ist Sonntag.“

Sie nickte. „Aber leider gibt es auch hartnäckige Chefs“, erklärte sie und schenkte ihm ein unwiderstehliches Lächeln.

Beim Versuch, sich ihren Chef vorzustellen, lächelte Joshua. Diese Frau machte nicht den Eindruck, als ob sie sich am Sonntag ohne Weiteres mit Arbeit überhäufen ließe. Er öffnete die beiden Flaschen und reichte ihr eine. „Hier, Sie wollten doch unbedingt etwas trinken. Nehmen Sie sich wenigstens dafür Zeit.“

Verwundert blickte sie ihn an. Die Maske konnte ihr leichtes Erröten nicht völlig verbergen, genauso wenig wie ihre anmutigen Gesichtszüge. „Danke“, sagte sie verlegen.

„Möchten Sie ein Glas?“, fragte er.

„Nein, nicht nötig.“

Amüsiert lachte er auf. „Ich hätte Ihnen auch keines geholt. Nicht dass Sie noch einmal verschwinden.“ Joshua neigte den Kopf zur Seite und wartete ruhig darauf, dass sie ihm erzählte, wo sie gewesen war.

Doch nachdem sie einen Schluck Wasser getrunken hatte, meinte sie nur: „Ah, das tut gut.“

Gedankenverloren betrachtete er ihre vollen, sinnlichen Lippen. Sie war wirklich eine sehr anziehende Frau. Plötzlich verspürte er nur noch einen Wunsch: Er wollte sie wieder in seinen Armen spüren, ganz nah. Wie vorhin im Ballsaal. „Tanzen wir?“

„Hier im Garten?“

„Warum nicht?“ Anders als im vollen Saal waren sie hier ungestört, und die kühle Nachtluft roch angenehm frisch.

Während er die Flaschen am Fuß einer Nikaupalme abstellte, schwieg Alice. Auch als er ihr den Arm umlegte und sie an sich zog, sagte sie kein Wort. Auf dem von Tau feuchten Rasen begannen sie zu tanzen.

Wie gut sie roch! Nach Jasmin und einem Hauch von YlangYlang-Blüten. Mit dem feinen Geruchssinn eines Weinexperten nahm er diesen Duft war, den Duft einer selbstbewussten Frau, die stolz auf ihre Ausstrahlung wahr und das, was sie im Leben erreicht hatte. Doch auch einfach nur als Mann fühlte er sich davon angezogen … Als sich ihre Oberschenkel berührten, wurde ihm heiß und kalt, heftige Sehnsucht überwältigte ihn. Einen Augenblick versuchte Joshua, dagegen anzukämpfen, dann schob er sein Bein zwischen ihre.

Leise seufzend schmiegte sie sich an ihn. Sogleich zog er sie fester in seine Arme. Wie geschmeidig und schlank sich ihr Körper anfühlte! Zärtlich bedeckte er ihren Hals mit Küssen und fühlte, wie sie schneller atmete.

„Was für ein angenehmer Duft“, flüsterte er.

„Danke“, erwiderte sie, „du riechst auch sehr gut.“ Lächelnd fügte sie hinzu: „Anscheinend reagieren wir beide sehr sensibel auf Gerüche.“

Auf ihn traf das zweifellos zu. Auch wenn er nicht über den hoch entwickelten Geruchssinn seines Bruders Heath verfügte, war er doch genauso mit Weinen aufgewachsen. Feine Düfte wahrzunehmen gehörte für sie beide wie selbstverständlich zum Leben dazu. „Du riechst wunderbar – nach kühlen Nächten und orientalischen Gewürzen“, sagte er mit rauer Stimme.

Als er fortfuhr, ihren Hals und Nacken mit Küssen zu bedecken, spürte er, wie sie erschauerte. Kein Zweifel, sie fühlte sich ebenso zu ihm hingezogen wie er sich zu ihr.

Behutsam knabberte er an ihrem Ohrläppchen, und sie stöhnte leise auf. Mit den Fingerspitzen strich er über ihren unbekleideten Rücken. Sofort straffte Alice die Schultern. Doch sie stieß ihn nicht von sich, im Gegenteil. Als er es wagte, sie auf den Mund zu küssen, öffnete sie leicht die Lippen.

Sie schmeckte kühl und frisch. Nach Minze und einem Hauch Zitrone. Unwiderstehliches Verlangen ergriff von ihm Besitz. Obwohl er sich hatte zurückhalten wollen, vertiefte er den Kuss.

Sie seufzte, strich ihm über den Rücken, über die kräftigen Schultern. Und unter ihren Berührungen stieg Joshuas Begehren unaufhaltsam. Er konnte sich kaum auf etwas anderes konzentrieren und gab es schließlich auf, sich zum Rhythmus der Musik zu bewegen. Zärtlich streichelte ihm Alice den Nacken und die Haare.

Er konnte nicht aufhören, ihren süßen Mund zu küssen.

Wie sie den Kuss erwiderte, bewies ihm, dass sie heftig erregt war, und eine Welle berauschender Lust erfasste ihn. Hart presste er seine Hüfte gegen ihre. Und er seufzte, als Alice ihm unruhig und voller Sehnsucht entgegenkam.

Er wollte mit ihr schlafen. Sofort.

Wie von fern kam ihm der Gedanke, dass er aufhören sollte. Eigentlich war er nicht der Typ für ein solch unüberlegtes Verhalten. Normalerweise ließ er sich Zeit, lernte eine Frau zumindest so weit kennen, dass er sichergehen konnte, sie auch am nächsten Morgen noch sympathisch zu finden.

Schwer atmend hob er den Kopf.

„Ich sollte jetzt lieber gehen“, sagte sie unsicher.

„Warum denn das?“, fragte er mit heiserer Stimme.